Gegenöffentlichkeit schaffen!

1989: "Stasi in die Produktion!" - 2009: "Verfassungsschutz abschaffen!"

Ein „diskursorientierter" Kommentar zum neuen NRW-Verfassungsschutzbericht

 

Während in den Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz die anarchosyndikalis­tische Freie ArbeiterInnen Union (FAU) und die Graswurzelbewegung traditionell im Kapitel „Traditionelle Anarchisten" Erwähnung fanden, hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz im CDU/FDP-regierten Nordrhein-Westfalen nun eine neue Kategorie ausgedacht. Das Kapitel 4.3 des im April 2009 veröffentlichten NRW-Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2008 (1) trägt den phantasievollen Titel „Dis­kursorientierter Linksextremismus":

„Neben Parteien und aktionsorien­tierten Gruppen der linksextremistischen Szene gibt es eine Vielzahl von Netzwerken und Medien, die den Zusammenhalt innerhalb der Szene und die Verbreitung linksextremistischer Ziele vorantreiben. Insbesondere soll durch eigene Medien eine Gegenöffentlichkeit zur bürgerlichen Medienwelt geschaffen werden."

In diesem Kapitel des VS-Berichtes werden dann z.B. das alternative Internetprojekt indymedia, Verlage wie GNN, Unrast und Trotzdem, linke Tageszeitungen wie junge Welt und Neu­es Deutschland, die Monatszeitung ana­lyse & kritik, das post-autonome Magazin Arranca sowie die autonome Berliner Flugblattsammlung Interim beschrieben.

Weiter heißt es: „Andere Zeitschriften wenden sich nicht direkt an die autonome Szene, sondern weisen eine Themenpalette auf, die sich mit den ideologischen Versatzstücken der Autonomen und ihrer Lebensform überschneidet. Beispiele hierfür liefern vor allem Schriften des anarchistischen Spektrums wie ‘Schwarzer Faden', ‘CONTRASTE', ‘Wildcat' sowie die anarchosyndikalistische ‘Direkte Aktion' (DA) oder die von der ökoanarchis­tischen ‘Graswurzelbewegung' herausgegebene ‘graswurzel­revolution'."

Der neue Verfassungsschutzbericht NRW bietet also Verblüffendes. So kann die Nennung des Schwarzen Fadens Anarchis­tInnen in Erstaunen versetzen, denn vor fünf Jahren (!), im Sommer 2004, erschien mit der Nr. 77 die letzte Ausgabe dieser „Vierteljahresschrift für Lust und Freiheit". Danach wurde das Projekt eingestellt.

Es ist beruhigend, dass der VS das noch nicht bemerkt hat. So bleibt es also dabei: Die Stasi hat große Ohren, aber wenig Hirn. 

 

Bernd Drücke

 

Anmerkung: 1) www.im.nrw.de/sch/doks/vs/aktuell.pdf

Artikel aus Graswurzelrevolution Nr. 339, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 38. Jahrgang, Mai 2009, www.graswurzel.net