Ein Rückblick anlässlich der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl in Deutschland vor 20 Jahren
Die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl haben CDU, CSU, FDP und SPD nach ihrem Asylrechts"kompromiss" (6. Dezember 1992) am 26. Mai 1993 im Bundestag beschlossen. In diesem Aufsatz von Helmut Dietrich soll die Zeitspanne 1986-1993 als Umbruchszeit in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden, in dem das Asylrecht vorab de facto abgeschafft wurde. Die größten Razzien und "wilden" Abschiebungskampagnen der Nachkriegszeit liefen in den Jahren vor der Grundgesetzänderung ab.
Seit dem 1. Juli 1993 ist Deutschland von EU-Staaten bzw. sicheren Drittstaaten umgeben, in denen Flüchtlinge auf dem Landweg vorab ihren Asylantrag hätten stellen und in dem sie dann im Rahmen des Anerkennungsverfahrens hätten verbleiben müssen. Im weiteren Umkreis gruppieren sich nach deutscher polizeilicher und juristischer Sicht die sicheren Herkunftsstaaten wie Rumänien, wohin auf dem Luftweg abgeschoben werden kann.
Einleitung
Die Flucht- und Migrationsbewegungen in und nach Europa, die schon in den Jahren zuvor enorme politische Folgen gehabt hatten, erreichten im Jahr 1992 ihren vorläufigen statistischen peak, ebenso die Zahlen der Asylantragstellungen (Eurostat 1992: EU 570.000 Personen; EFTA 127.000 Personen). Es war die Zeit, in der die Einkunftsmöglichkeiten in Mittelosteuropa verfielen. Die Lebens- und Lohnverhältnisse gingen in einem Verhältnis von 1:10 auseinander, zur Ukraine betrug der messbare Abgrund gegenüber Deutschland sogar 1:100. In Rumänien waren Roma landesweit einer Abfolge von Pogromen ausgesetzt, eine Massenflucht war die Folge.
Mit dem Zusammenbruch des RGW und der Sowjetunion gerieten deutsche und westeuropäische Großraumpläne in eine gewisse Krise. In welchem Maße und in welcher Form ließen sich die Wirtschaftsräume "Zwischeneuropas" an die EG / EU binden? In der Wirtschaftspolitik entstand eine Unsicherheit darüber, ob ein neues migrantisches Rotationssystem aufgebaut oder aber die Dienstleistungssektoren und die Baubranche durch illegalisierte MigrantInnen unterschichtet werden könnten. Zu staatlichen Legalisierungkampagnen wie in Italien und Spanien kam es in Deutschland nicht.
Eine Aufarbeitung dieser Zeit könnte Werkzeuge für die Analyse des informellen migrations- und flüchtlingsfeindlichen Zusammenspiels von Politikerzirkeln, Verwaltungsapparaten und aktiven Bürgergruppen jenseits der etablierten und halbwegs kontrollierbaren Wege der formalen Demokratie liefern. Es geht dabei nicht um die Neuinterpretation einer "Governance ohne Staat", wie sie neoliberale Sozialwissenschaftler in den 1990er Jahren zu entdeckten glaubten, sondern um eine interaktive brutale Staatlichkeit, die entscheidend zur Herausbildung der Festung Europa beitrug.
In der zeitgenössischen Forschung zur Europäisierung der Nationalgeschichten spielt die Migrations- und Flüchtlingspolitik noch keine Rolle. Die faktische Abschaffung des nationalstaatlich verankerten Grundrechts auf Asyl und der rapide Wechsel hin zu einer deutsch-europäischen Sicherheits- und Abschottungsarchitektur kann aber ein Forschungsfeld mit paradigmatischen Orientierungspunkten werden.
Die europäischen Entscheidungszirkel und Beschlüsse vor 1993
Bereits seit Mitte der 1980er Jahre entwarfen die Innenministerien Westeuropas eine Vision: Europa sollte sich mit Pufferstaaten umgeben. Hinter diesem Cordon sanitaire lägen dann die Armutszonen, Kriegsgebiete und Hungerregionen. Die Flüchtlingspolitik sollte zum Schrittmacher einer kontinentalen Neuordnung werden. Zum Gründungsdokument der Festung Europa wurde die "Flüchtlingskonzeption der Bundesrepublik Deutschland", die der damalige deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble am 18. Januar 1990 als Entwurf vorstellte und am 25. September 1990 als Richtlinie für alle Ressorts in Umlauf brachte. Auch auf den Innen- und Justizministerkonferenzen der EG und auf internationaler Ebene lancierte die Bundesregierung ihre "Flüchtlingskonzeptions"-Initiative. In dem Strategiepapier wird die Behandlung der "Weltflüchtlingsproblematik" zum geeigneten Medium erklärt, mittels dessen sich die "großen politischen Fragen unserer Zeit: Wirtschaftliche Unterentwicklung und Überbevölkerung, ökologische Krisen, Menschenrechtsverletzungen, Intoleranz, Gewaltanwendungen, Krieg und Bürgerkrieg"1 (14f) bearbeiten ließen. Die Welt wird in drei Schutzgürtel rund um die EG aufgeteilt, und die globalen Probleme sollen perspektivisch dadurch "gelöst" werden, dass sie aus der EG herausgehalten werden. Die langfristig "beste Lösung" sei es, wenn die Flüchtlinge in ihren jeweiligen Regionen verbleiben würden.
Der EG und der restlichen Welt wird die Übernahme deutscher asyl- und migrationsrestriktiver Praktiken zur "Durchsetzung einer vollziehbaren Ausweisungspflicht" mit "generalpräventiver Wirkung" empfohlen.
In der EG trafen sich seit Oktober 1986 zwei- bis dreimal pro Jahr informell die für Einwanderungsfragen zuständigen Innen- und Justizminister mit einem Vertreter der Kommission. Sie richteten 1986 eine Ad-hoc-Gruppe Einwanderung und spezialisierte Zentren zur Asyl-, Außengrenz- und Abschiebepolitik sowie zur Ermöglichung von Datenaustausch auf diesen Feldern ein. Den "Quantensprung"2 in der europäischen Asylrechtsharmonisierung vollzogen die EG-/EU-Innen- und Justizminister auf ihrer Londoner Tagung am 30. November / 1. Dezember 1991. Sie beschlossen als europäischen Standard die Klausel der "sicheren Drittstaaten" gegenüber den Staaten Mittelosteuropas. Des Weiteren sprachen sich die Minister für die Einführung eines beschleunigten und rechtsmittelverkürzten Verfahrens für sog. "offensichtlich unbegründete" Asylanträge aus.
Parallel zur EG-Ebene lancierten die Innenminister "Kerneuropas" (D, F, Benelux) 1985 unter dem Namen Schengen eine eigene Welt exklusiver polizeilicher Arbeitsgruppen und Verfahrensmodi. Das Visa- und das EG-Außengrenzregime der Schengenstaaten wurden vereinheitlicht, die Kontrollen an den Binnengrenzen fielen weg. Ferner delegierten bereits die ersten Schengener Bestimmungen die asylrechtlichen Zuständigkeitsbestimmungen des Asylanerkennungsverfahrens auf den Staat zurück, dessen Grenze ein Flüchtling zuerst überschritten hatte. Es dauerte aber bis zum 26. März 1995, bis der bundesrepublikanische Staat ein Modell der Außengrenze für die Schengener Vertragsstaaten in der Praxis entwickelt hatte und das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) tatsächlich in Kraft trat. Die ostdeutsche Grenze war die einzige EG-/EU-Land-Außengrenze der damaligen SDÜ-Staaten (D, F, Benelux, E, P), alle anderen waren EU-Binnen- oder Seegrenzen.
Alle benannten informellen EG-Tagungen, informellen EG-Arbeitsgruppen und alle EG-Beschlüsse unklarer Rechtsnatur wurden wie auch der separate "Schengen-Besitzstand" am 1. November 1993 mit dem Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union ("Maastrichter Vertrag") unter das Dach der EU genommen.
Feindbild: Flüchtlinge aus Osteuropa
Noch überraschender als die migrationsfeindliche EU-Staatsbildung durch informelle Zirkel war, wie schnell das deutsche Innenministerium die mittelosteuropäischen Staaten in die westeuropäische Flüchtlingspolitik einbezog, die personell wie mental noch in der Phase des Untergangs des RGW steckten.
Auf drei gesamteuropäischen Konferenzen zur Verhinderung "unkontrollierter Wanderungen" wurde bei wachsendem Teilnehmerkreis und unter stets höherem Druck der Schengen-Staaten das europäische Konzept vereinheitlicht. Die erste Konferenz in Wien im Januar 1991 diente gewissermaßen der gemeinsamen Sensibilisierung; das Gespenst der Massenemigration aus der Sowjetunion wurde zum gemeinsamen Hauptfeind erklärt. Als die zweite Konferenz im Oktober 1991 in Berlin stattfand, hatten einige Ereignisse neue Zeichen gesetzt: Im März war das Rückübernahmeabkommen mit Polen geschlossen worden, im August hatten 16.000 Flüchtlinge in Bari den Zusammenhang von Migration und Wirtschaftshilfe vor Augen geführt (die albanische Regierung erhielt von der italienischen Regierung Wirtschaftshilfe, Lebensmittellieferungen sowie Computer und Tränengas für die Küstenwache; die EG verdoppelte ihre Nothilfe, und viele meinten, es wäre billiger gekommen, den Ausbruch aus Albanien vorbeugend zu verhindern). Im gleichen August hatte sich die Sowjetunion aufgelöst; zur Abwehr von MigrantInnen hatten die polnische und die ungarische Regierung - einer deutschen Forderung folgend - Militär an ihre Ostgrenzen verlegt. Schließlich hatte, um auch das zu erwähnen, eine parteiübergreifende Vereinbarung in der BRD die flächendeckende Errichtung von Sammellagern und die Straffung der Asylverfahren beschlossen.
Als am 15./16. Februar 1993 die dritte Konferenz in Budapest stattfand, hatte die Bundesrepublik Deutschland nicht nur Verträge über Arbeitskraftkontingente mit den meisten der betreffenden Staaten abgeschlossen, sondern es war auch eine weitgehende Zusammenarbeit zwischen den Polizeien der Grenzstaaten in Gang gekommen, die in mehreren bilateralen Abkommen festgeschrieben worden war. Diese Konferenz systematisierte die bereits in Berlin aufgelisteten Maßnahmen, verpflichtete die Teilnehmerstaaten zu noch intensiverer Grenzsicherung und, soweit noch nicht geschehen, zum Abschluss von Rückübernahmeabkommen. Europa wurde untergliedert in Herkunfts-, Transit- und Zielländer, und insbesondere auf den Transitstaaten lastete der Druck, die Zugehörigkeit zu Europa durch Abschottung nach Osten und durch Verhinderung unerwünschter Migration aus dem eigenen Territorium - vor allem Sinti, Roma und Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien - zu beweisen.
Praktiker und Praktiken der Abschiebung vor 1993
Am 3. Oktober 1990 - dem Tag des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland - "wurden zunächst die Angehörigen des Grenzschutzes der DDR, der im Verlauf des Jahres 1990 unter Verwaltung des Ministeriums des Innern der DDR aus Angehörigen von Grenztruppen der DDR, Volkspolizei, Nationaler Volksarmee und Zollverwaltung aufgestellt worden war, in den Bundesgrenzschutz übernommen" - so der BGS auf seiner Webseite im Jahr 2000. Gleichzeit fand eine schnelle Umsetzung tausender BGS-Beamter von der innerdeutschen Grenze hin zur Oder und Neiße statt, und das Innenministerium begann eine umfangreiche Rekrutierung neuer BGS-Kräfte in den grenznahen Gebieten. Schon bald war eine Truppe von über 10.000 BGSlern und Bediensteten anderer Behörden an der deutschen Ostgrenze aufgestellt. Das Innenministerium betonte mehrfach, dass eine höhere Polizeidichte an keiner anderen Grenze in Europa bestand.
Als das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) zum 26. März 1995 in Kraft trat, hatten sich Deutschland und speziell die ostdeutschen Grenzregionen von Grund auf verändert, es hatte sich eines der wichtigsten Bauteile der Festung Europa entwickelt: Die Einbeziehung der Bevölkerung in die Abschottung. Seitdem wurden die meisten Flüchtlinge und MigrantInnen, die der Polizei ins Netz gingen, aufgrund von Denunziationen aus der Bevölkerung gefasst.
Anfangs gab es Widerstände gegen Massenabschiebungen: Der Westberliner Senat erließ am 1. November 1989 eine Weisung, dass 20.000 Polen und Polinnen in aller Kürze abzuschieben seien, geplanter Beginn: 1. Dezember 1989. Es drohte die erste Massendeportation in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Innerhalb weniger Wochen entwickelte sich dagegen eine Welle des Protests, es gab große Demonstrationen und Kundgebungen, die von Abschiebungsbedrohten und zahlreichen Initiativen getragen wurden. Der Innensenat nahm die Weisung Schritt für Schritt zurück, erst war noch von 15.000 Abschiebungen die Rede, dann von 10.000, schließlich von 5.000, und Anfang 1990 musste der Senat die Weisung zurücknehmen.
Am 3.9.1990 schrieb der Spiegel in seiner Titelgeschichte: Es "werden - wie etwa vergangenen Dienstag mit dem Flug LH 1424 - ganze Flugzeugladungen illegal eingereister Roma wieder in ihr Herkunftsland [Rumänien] zurückexpeditiert."3 Im saarländischen Lebach entgingen zur gleichen Zeit 2.400 Roma knapp einem Pogrom. Seit dem 20.9.1990 galt die Visapflicht für RumänInnen auch für die Einreise in die DDR und nach West-Berlin. Das - wenige Wochen nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen gegen rumänische Roma und gegen VietnamesInnen - von den Innenministern beider Länder, Rudolf Seiters und Victor Babiuc, am 24. September 1992 in Bukarest unterzeichnete "Rückübernahmeabkommen" trat bereits am 1. November 1992 in Kraft. In der langen Reihe vergleichbarer Abkommen nimmt es eine Sonderstellung ein, denn es ermöglicht die "Rückführung" rumänischer Staatsangehöriger ohne Grenzübertrittsdokumente, und: es kann sogar "ohne vorherige Ankündigungen" abgeschoben werden. "Die Koordination zwischen deutschen und rumänischen Stellen läuft wie geschmiert: Während vormittags BGS-Busse die Posten der Grenzregionen von Oder und Neiße abfahren und die Gefangenen einsammeln, startet von Bukarest eine fast leere Maschine. An Bord sind neben der Crew noch eine Handvoll Privatpolizisten der Fluggesellschaft. Am Nachmittag treffen die BGS-Busse pünktlich zur Landung der Flieger in Berlin-Schönefeld ein. Die Maschinen starten zwischen 20 und 22 Uhr von Rampe 3. An manchen Tagen überschreitet die Zahl der abgeschobenen RumänInnen 200 Personen. Für den Flug nach Bukarest nehmen die Ausländerbehörden Personen, die abgeschoben werden sollen, nach Möglichkeit rund tausend Mark ab."4 Das Europaparlament bezeichnete im April 1994 das deutsch-rumänische Abkommen als staatliche Gewalt gegen Roma und bezifferte die deutschen Gegenleistungen auf eine Milliarde DM.
Man wird grob schätzen können, dass 1991-1993 zwischen 300.000 und 500.000 Personen jährlich aus Westeuropa und weiter dann aus Mittelosteuropa zurückgewiesen, abgeschoben, rückgeschoben oder rückgeführt wurden. Auf dem Luftweg, zumeist über Schönefeld, wurden von November 1992 bis Juli 1995 über 80.000 Personen nach Rumänien abgeschoben. Die Zahl der damals aus Italien nach Albanien Abgeschobenen dürfte bei vielleicht 100.000 Personen jährlich liegen.
In Griechenland gab es laut einer RIMET-Studie der EU-Kommission (1997) im Zeitraum 1990-1994 ca. 700.000 Abschiebungen von Sans-Papiers. Überwiegend handelte es sich um AlbanerInnen.
Die Abschiebungen am Mittelmeer wiesen damals nicht die gleiche Systematik auf wie an der deutschen Ostgrenze, aber waren ebenfalls äußerst gewalttätig. Im August 1991 wurden 10.000 albanische Flüchtlinge in das Stadio della Vittoria in Bari eingesperrt und anschließend abgeschoben. Im November 1992 wurden 2.000 subsaharaische Flüchtlinge in die ehemalige Stierkampfarena Plaza de Toros im marokkanischen Tanger verbracht und danach auf dem Luftweg abgeschoben. Die Aktion erfolgte auf Druck und mit Geldern Spaniens. Erst 20 Jahre danach beginnen Menschen, die in diesen Stadien eingesperrt waren, den damals erlebten Horror öffentlich aufzuarbeiten.
Schluss
Im Rückblick erstaunt auch angesichts der heutigen Euro-Krise, dass die Massenabschiebungen aus Deutschland und Westeuropa in den viel ärmeren Osten und Südosten des Kontinents keine allgemeinen Proteste in jenen Ländern auslösten. Mit nur 120 Millionen DM entlohnte Deutschland 1993 Polen, 60 Millionen DM überwies Deutschland an die Tschechische Republik. Kredite wurden bewilligt. Die heutigen Forderungen der Mittelmeerländer nach einer geregelten EU-weiten Aufnahme von MigrantInnen und Flüchtlingen, die die südliche Außengrenze der EU überschreiten, oder nach einem Lastenausgleich wirken geradezu vorsichtig und brav.
Bestürzend stellt man fest, dass sich die Festung Europa in den Folgejahren nicht nur konsolidiert hat und gesetzliche Grundlagen für das dauerhafte Unrecht an MigrantInnen und Flüchtlingen geschaffen wurden, sondern dass mehrere staatlich vermittelte Radikalisierungsschübe erfolgten. 1997 begann eine beispiellose Erfassung und Durchleuchtung türkischer, kurdischer und irakischer Communities vor allem in Deutschland, da die Abschottungsverschärfungen mit dem Kampf gegen die sogenannte Organisierte Kriminalität verbunden wurden. Kleinunternehmer gerieten mit allen grenzüberschreitenden Kontakten und Geschäften ins Visier. Mit den Antiterrorkriegen seit 2001 verschob sich die brutalisierte Abwehr gegen muslimische und arabische Flucht- und Migrationsbewegungen.
Die jüngste staatliche Radikalisierung der Abschottung erfolgte angesichts der Aufstände in den arabischen Ländern. Überwachungstechnologien aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan wurden an das Mittelmeer transferiert, und das Massensterben der Boat-people erreichte im Jahr 2011 seinen tragischen Höhepunkt.
Der Rückblick auf die Genese der Festung Europa sollte zu einer Historisierung des Abschottungsphänomens beitragen. Die Grenzaufrüstung generiert eine unaufhörliche Zunahme an Widersprüchen an den Rändern Europas. Die sozialen Folgen werden heftiger.
Anmerkungen
1) Asylkompromiss, abgedruckt in: Blätter für deutsche und internationale Politik 1/1993: 114ff.
2) vgl. Bernd Marschang: "Mißtrauen, Abschottung, Eigensinn - Entwicklungslinien der europäischen Asylrechts-›harmonisierung‹ bis zum Amsterdamer Vertrag", in: Kritische Justiz, 31, 1 (1998): 69-83, http:77www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/doc/1998/19981Marschang_S_69.pdf .
3) Der Spiegel, 3.9.1990.
4) Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, FFM Heft 2 (1996): Rumänien. Vor den Toren der Festung Europa. http://ffm-online.org/wp-content/uploads/2012/08/ffm_fest-21.pdf , S.12 f.
Helmut Dietrich, Mitbegründer der Berliner Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (http://www.ffm-online.org ); er arbeitete am Hamburger Institut für Sozialforschung und an Universitäten in Nordafrika.