Der Klimawandel macht sich bemerkbar. Höchste Zeit, dass Frauen entscheidend mitreden - schließlich spüren sie die Auswirkungen am deutlichsten.
Bei der großen UN-Klimakonferenz im Dezember in Bali soll sich was bewegen. Es wird wohl wieder ein Kompromiss aus Politik, Wirtschaft, Diplomatie und persönlichen Machtansprüchen herauskommen. Die Konferenz und alle darin besprochenen Maßnahmen werden aber erstmals von einer eigenen Frauen-Delegation beobachtet: Sie wollen gezielt daran arbeiten, dass Geschlechtergerechtigkeit auch beim Klimaschutz ernst genommen wird.
Seit einigen Jahren setzen sich Frauenorganisationen dafür ein, dass Genderaspekte in der Klimapolitik stärker berücksichtigt werden. In Bali wird das dafür aufgebaute Netzwerk genderCC (Women for Climate Justice)
aktiv werden, das auch vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) unterstützt wird. So können unter anderem die Reisekosten
für sieben Frauen aus Entwicklungsländern bezahlt werden. Denn bei
der Klimakonferenz sollen die Perspektiven der Frauen aus aller Welt vorkommen.
Frauen spüren Klimawandel stärker. Koordiniert wird das Netzwerk bei der Klimakonferenz von der deutschen Leitstelle Gender, Umwelt, Nachhaltigkeit - kurz: genanet. Seit Jahren schon widmet sich genanet der Geschlechtergerechtigkeit beim Umwelt- und Klimaschutz. Auch Lobby-Arbeit bei den Klimakonferenzen steht dabei auf der Tagesordnung, nun tragen die Aktivitäten erste Früchte. Bei Redebeiträgen der PolitikerInnen und internen Diskussionen wird die besondere Betroffenheit von Frauen beim Klimawandel immer öfter hervorgehoben.
Frauen sind vielerorts wesentlich stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen als die männliche Bevölkerung. Die afrikanische Sahel-Zone beispielsweise erlebt immer längere und härtere Dürreperioden. Die Wasserquellen sind immer weiter entfernt, Feuerholz ist spärlich und muss wie das Wasser kilometerweit getragen werden - von Frauen. Sie sind hauptsächlich für die Ernährung ihrer Familien zuständig.
Frauen produzieren weltweit die Hälfte der Nahrungsmittel, besitzen aber nur etwa ein Prozent des Ackerlandes. "Sie und ihre Familien sind stark betroffen, wenn durch den Klimawandel verursachte Unwetter etwa die Ernten zerstören, ohne dass sie viele Möglichkeiten haben, dagegen anzukämpfen", erklärt Ulrike Schelander, Geschäftsführerin der Hilfsorganisation Care Österreich. Care-Experte Charles Ehrhart: "Durch die Veränderungen wird es gerade für die Schwächsten der Gesellschaft wie Frauen und Kinder immer schwerer, ihr Recht auf Nahrung, Wasser oder Gesundheit zu erhalten. Der Klimawandel ist deshalb nicht nur ein Umweltthema. Er ist ein Menschenrechtsthema."
Auch Ursachen geschlechtsspezifisch. Die Auswirkungen des Klimawandels haben auch in reichen Ländern der Erde starke geschlechtsspezifische Aspekte, unter anderem weil auch hier die Nahrungszubereitung in weiblicher Hand ist.
In der österreichischen Landwirtschaft sind zu großen Teilen Frauen an der Arbeit, die Arbeitsweisen und Traditionen sind aber immer noch von Männern geprägt, erklärte etwa die preisgekrönte österreichische Klimaforschrein Helga Kromp-Kolb im an.schläge-Interview. Geschlechtsspezifisch seien aber auch die Ursachen der Klimaerwärmung: "Die Schadstoffausbreitung in der Atmosphäre ist nicht geschlechtsspezifisch, aber wenn ich über die Art der Freisetzung von Schadstoffen etwas wissen will oder danach frage, wer diese verursacht, dann ist das plötzlich nicht mehr egal."
Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hat festgestellt, dass Frauen umweltfreundlicher unterwegs sind: Sie legen mehr als die Hälfte ihrer Alltagswege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Männer verwenden das Auto bei 65 Prozent ihrer Wege und verursachen laut VCÖ damit pro Jahr um rund zwei Millionen Tonnen mehr CO2 als Frauen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das deutsche Netzwerk genanet bei der Zusammenfassung diesbezüglicher Untersuchungen. Die unterschiedliche Mobilität lässt sich demnach einerseits dadurch erklären, dass meist Männer den PKW in der Familie besitzen bzw. benutzen. Andererseits haben die Wege von Frauen und Männern auch unterschiedliche Zwecke: Laut deutschen Studien hat die Hälfte der Erledigungen von Frauen mit Haus- und Familienarbeit zu tun, Männer gaben einen ähnlich hohen Anteil ihrer Wege als Dienstwege an.
Umweltbewusstsein und -verhalten. Viele von genanet verwendete Studienergebnisse weisen auf höheres Umweltbewusstsein von Frauen hin, was sich nicht zuletzt auf das Konsumverhalten auswirkt. Bioprodukte werden mehrheitlich von Frauen gekauft, sie gelten prinzipiell als gesundheitsbewusster und konsequenter beim Recycling.
In Finnland werden regelmäßig Befragungen zur Atomenergienutzung durchgeführt. Demnach wird langfristige Atomenergienutzung nur von 14 Prozent der Frauen aber von 46 Prozent der Männer unterstützt. Je gebildeter die Frauen sind, desto negativer ist ihre Einstellung zur Atomenergie. Klimaexpertin Kromp-Kolb gibt dieser Skepsis Recht: "Über den Klimaschutz entscheiden die nächsten zehn Jahre, dafür ist die Kernenergiebranche denkbar schlecht aufgestellt." Zu lange seien die Vorlaufzeiten, bis ein Kernkraftwerk in Betrieb gehen kann - ganz abgesehen von weiteren Gegenargumenten zur Atomenergie wie mangelnde Sicherheit und ungelöste Endlagerung.
So hoch das Umweltbewusstsein der Frauen auch im privaten Bereich sein mag: Das Management von Energiekonzernen und die Entscheidungspositionen in der Politik sind fest in männlicher Hand.
Dafür spielten Frauen eine wesentliche Rolle beim Entstehen von Umweltbewegungen. Beispielsweise Rachel Carson, die mit ihrem Buch "Der stumme Frühling" in den 1960er Jahren auf den massiven Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft aufmerksam machte und Anstoß für eine geeinte amerikanische Umweltbewegung war. Eine weitere wichtige Aktivistin ist Vandana Shiva, die 1993 auch den alternativen Nobelpreis für ihr Engagement erhielt. Sie gründete ein eigenes Forschungsinstitut in Indien und macht sich für den Erhalt der Biodiversität sowie für die Rechte der Bauern und Bäuerinnen gegenüber Agrarkonzernen stark. Ökologie und Feminismus gehören für sie untrennbar zusammen.
Zahlreiche Projekte. Heute gibt es weltweit zahlreiche Netzwerke und Projekte, die für Geschlechtergerechtigkeit in der Klimapolitik eintreten. Beispielsweise das bereits 1988 in Großbritannien gegründete Netzwerk "WomenÂ’s Environmental Network" (WEN). Gemeinsam mit anderen Organisationen sammelt WEN derzeit online Unterschriften für ihr "Manifesto on Climate Change": Darin fordern sie gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen bezüglich Klimapolitik, Investitionen in erneuerbare Energien, mehr umweltfreundliche Produkte und strengere Ziele bei der Reduzierung von CO2-Emissionen.
Die Europäische Kommission hat von 2003 bis 2005 das Projekt "Climate for Change" unterstützt. Es war gleichzeitig das erste "Genderprojekt" des Klima-Bündnis Europäischer Städte: In Kooperation mit Städten aus vier europäischen Ländern wurde die Situation von Frauen im kommunalen Klimaschutz untersucht. Alle Fakten, Argumente, Instrumente zur Frauenförderung sowie ein Gender-Check zur ersten Einschätzung wurden in einem "Toolkit" zusammengefasst. Es ist auf deutsch, englisch und italienisch auf der Homepage www.climateforchange.net zu finden.
Wenn Anfang Dezember die Mächtigen der Welt in Bali über wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel diskutieren, werden die angereisten Expertinnen und Aktivistinnen hoffentlich gehört. Fakten aus der geschlechtsspezifischen Klimaforschung gibt es genug. Helga Kromp-Kolb weiß: "Es geht um Fragen, die die Zukunft aller Menschen auf der Erde betreffen!" Also: Klimapolitik ohne Frauen wird nicht gehen!
Linktipps:
www.genanet.de
www.wen.org.uk
www.climateforchange.net
Buchtipps:
Rachel Carson: Der stumme Frühling. Verlag Beck 2007
Helga Kromp-Kolb/Herber Formayer: Schwarzbuch Klimawandel.
Verlag Ecowin 2007
Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at