Alle Jahre wieder

Seit Wochen wird diskutiert, ob die Präimplantationsdiagnostik (PID) zugelassen oder durch den
Gesetzgeber verboten werden soll (siehe GID 202, Seite 36). Für manche ist das ein Déjà-vu: Der Bundestag hat schon im Jahr 2005 über die PID debattiert. Anlass war ein Gesetzentwurf der FDP, die Präimplantationsdiagnostik zuzulassen. Wir dokumentieren Auszüge aus der Debatte.

Die GID-Redaktion

Zur Zeit formieren sich im Bundestag über die Fraktionsgrenzen hinweg zwei Gruppen: BefürworterInnen und GegnerInnen einer Zulassung der PID. Ein Hauptproblem ist, wie bei einer Zulassung die Anwendung der PID begrenzt werden kann. Über diese Frage gibt es innerhalb der Befürwortungsgruppe heftige Auseinandersetzungen. Die FDP stand gestern wie heute für eine weitgehende Liberalisierung. Das kann man kritisieren, doch das Argument ist, dass genetische Diskriminierung droht, wenn man eine Liste von speziellen „PID-würdigen“ Krankheiten aufstellt. Im Jahr 2005 gab der FDP-Abgeordnete Detlef Parr deshalb zu Protokoll:

„Wir verzichten auf einen Indikationskatalog. Wir dürfen bestimmte Krankheitsbilder nicht stigmatisieren.“

Wer sich für eine begrenzte Zulassung ausspricht, muss also sagen, wie stark begrenzt werden soll und wie. Die Grünen-Abgeordnete Birgitt Bender hat sich damals in klaren Worten diesem Argument angeschlossen – und deshalb vehement gegen die PID argumentiert:

„Was Sie wollen, ist ein Anspruch der Frau auf eine genetische Selektion, auf ein genetisch gesundes Kind. (...) Wenn es tatsächlich eine Rechtsverordnung gäbe, in der das Justizministerium bestimmte Krankheitsbilder beschreibt, bei denen eine solche Diagnostik und Selektion zulässig wäre, dann muss ich fragen: Was bedeutet das eigentlich für die Menschen, die diese Krankheit haben? Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht? Wenn es erst einmal heißt, dass man eine Auslese betreiben kann, die dazu führt, dass solche Menschen gar nicht erst geboren werden, dann werden wir, so glaube ich, für ein solidarisches Miteinander mit Menschen mit Behinderungen weniger Platz denn je haben. Wir wollen gerade das Gegenteil.“

Die Gefahr, dass sich die PID verselbständigt, wie es der im Jahr 2004 vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung vorgelegte „Sachstandsbericht Präimplantationsdiagnostik“ nahelegte, haben damals alle gesehen. CDU-MdB Hubert Hüppe mahnte, dass der Bericht

„belegt, dass jede neue Einsatzmöglichkeit von PID zu Druck führt, sie auch zuzulassen. PID wird im Ausland sogar zur Geschlechtswahl aus sozialen Gründen eingesetzt. Wer das falsche Geschlecht hat, wird in der Petrischale getötet. (...) Wer hat eigentlich noch eine Chance, geboren zu werden, wenn bald mithilfe des DNA-Chips Tausende von Erbanlagen in einem Durchgang geprüft werden können?“

Maria Eichhorn (CDU/CSU):

„Gesetzliche Einschränkungen werden keinen Bestand haben können. Wer kann denn Eltern gegenüber auf Dauer begründen, welche Krankheiten oder Behinderungen zumutbar sind und welche nicht? (...) Auch bei der Entwicklung der Pränataldiagnostik hat man in Deutschland anfangs von einer begrenzten Zahl von 175 Paaren gesprochen. Heute sind es mehr als 70 000. (...) Eine Einführung der PID fördert die Gefahr, in Kategorien von ‚lebenswertem’ und ‚nicht lebenswertem’ Leben zu denken und zu handeln.“

Zur Debatte stand vor fünf Jahren nicht nur die PID. Verschiedene Abgeordnete betonten, dass die Problematik und der Kontext der PID nur begrenzt mit der Pränataldiagnostik verglichen werden können. Deshalb argumentierte die SPD noch im Sinne eines von der geschassten grünen Gesundheitsministerin Andrea Fischer angeregten Fortpflanzungsmedizingesetzes. MdB Dr. Erika Ober:

„Sinnvoll wäre meiner Meinung nach die Einbettung einer Regelung zur Präimplantationsdiagnostik in einen Gesamtkontext der Reproduktionsmedizin.“

Diese Chance scheint vertan, die Abgeordneten heute wollen sich nicht weiter mit der Gesamtproblematik der Fortpflanzungsmedizin beschäftigen. Hubert Hüppe machte aber schon damals auf den besonderen Kontext der PID aufmerksam:

„Ich habe den Verdacht, dass es vielen Befürwortern darum geht - ich unterstelle das nicht jedem, aber einigen -, das Embryonenschutzgesetz insgesamt zu knacken, auch um durch die PID an überzählige Embryonen in Deutschland zu gelangen, die es jetzt nicht gibt. (Dr. Carola Reimann [SPD]: Das ist eine miese Unterstellung!) Frau Flach, Sie haben doch Anträge gestellt, in denen Sie die verbrauchende Embryonenforschung auch in Deutschland befürworten.“

Gibt es ein Recht auf die Erfüllung eines Kinderwunsches, gibt es ein Recht auf PID, wenn dadurch die Selektionszone ausgeweitet wird? Dr. Erika Ober von der SPD:

„Hier ist eine Abwägung nötig, aber um Missverständnissen vorzubeugen, sage ich gleich dazu: Man muss nicht alles machen, was geht.“