Zwischen Wärmestrom und Kälteschock

Beitrag zum Workshop anlässlich des 25. Todestages von Ernst Bloch

"Blochs befreiende Spurenlese und die Befreiung der sozialistischen Visionen aus dem Gefängnis stalinistischer Hörigkeit" - Beitrag zum Workshop anlässlich des 25. Todestag von Ernst Bloch am 2.11

"Jedes Volk wird nur diejenige Art und Höhe sozialer Revolution haben und gewinnen, zu der es auf Grund erlangter und behaltener Menschenrechte bereit ist." Ernst Bloch 1

Ernst Blochs Werk, so Gerhard Zwerenz, sei kein System, und sicherlich wird der, der Bloch an Kant, Fichte oder Hegel, an den großen deutschen Systemerbauern, mißt, derartiges nicht finden - keine bürgerliche Stadt, wohl geordnet und arbeitsteilig sich um Markt, Rathaus und Kirche erstreckend; auch keine gotische Kathedrale, die sich aus einem einzigen sich immer weiter selbst überbietenden Willen hinauf türmt; und auch kein barockes Schloß, das, mitten in riesigen Parks und Gärten, Fontänen, Skulpturen gelegen, seinen Mittelpunkt im Schlafzimmer des Königs findet, wo der Geist der Herrschaft und die Fortpflanzung der Herrschaft zusammenfallen. Aber wenn Blochs Werk von fast achtzig schöpferischen Jahren 2 auch kein künstlich geordnetes System ist, so ist es dennoch kein wilder Urwald, in dessen Dickicht man frei herumstromernd sich damit bescheiden kann, willkürlich diese oder jene Frucht als Aperçu zu pflücken.

Blochs Werke bilden Wege in dem Gebirge natürlich-historischmenschlicher Existenz, erwandert, um die größte nur mögliche humane Vision, das Werden der Welt zur Heimat, zu erschauen und davon zu erzählen in einer Zeit, da fast alles dagegen sprach. Bloch würde nie für sich in Anspruch genommen haben, diese Gebirge geschaffen zu haben. Aber er hat mit größter Mühe und Beharrlichkeit neue Wege geschlagen in diesem Gebirge. Niemand hat vor ihm dieses Gebirge so sehen können, wie es seine Wege möglich werden ließen. Es gibt Täler und Berggipfel, Kämme und wunderschöne Bergwiesen, die niemand vor ihm erschaute noch betrat. Es gibt Landschaften, die von seinen Wegen aus ein anderes Licht erhielten, ein Morgenlicht zumeist, ein Licht, das verlockte, hinzugehen in der Hoffnung auf neues, in noch größere Weiten strahlendes Licht und mit dem Wunsch, heimzukommen bei sich - dort im Hier, dann im Jetzt, in der Fremde zu Hause. Und vielleicht gibt es tatsächlich manche dieser Welten nur, weil Bloch sie selbst schuf.

In der Tübinger Einleitung in die Philosophie, am Abend seines Lebens, spricht Ernst Bloch vom "Reiseplan des Wissens": "Ein Mensch nimmt sich mit, wenn er wandert. Doch ebenso geht er hierbei aus sich heraus, wird um Flur, Wald, Berg reicher... Schlecht wandern, das heißt, als Mensch dabei unverändert bleiben. Ein solcher eben wechselt nur die Gegend, nicht auch sich selber an und mit ihr. Je bedürftiger aber ein Mensch ist, sich erfahrend zu bestimmen, desto tiefer (nicht nur breiter) wird er durch äußeres Erfahren berichtigt werden... Und wie selber auf jeder Fahrtstufe sich erneuert und berichtigt, so geht in wechselseitiger Subjekt-Objekt-Beziehung Er-fahrenes als ferner oder näher antwortendes Gegenbild des Inneren auf." 3

Wo, so sei gefragt, nimmt diese Wanderung des Ernst Bloch ihren Ausgangspunkt? - Sie beginnt im "Zu wenig" 4 von dort ausgehend, wo man noch nicht bei sich ist und daran leidet. Denn: "Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst." 5 Und wo will der Wanderer Bloch hin? - Hin zu jenem Ort, der uns allen in der Kindheit schien, dorthin, "worin noch niemand war: Heimat" 6. Was aber sind seine Wege? - Es sind die Wege der Spurensuche nach Wegen hin zu sich, zu uns, in die Heimat. Breiter hat selten jemand gesucht, mehr haben nur wenige beigebracht. Der Wanderer Bloch ist Kompaß geworden und hat Tiefe gefunden in seinem, unserem Land der Hoffnung. Hin zu sich und uns, ist er anders werdend bei sich geblieben. 7

Ich lade ein, Ernst Bloch auf einem der vielen Wege zu folgen, die er gegangen ist, auf dem schwersten, widersprüchlichsten, verführerischsten, folgenreichsten und fruchtbarsten - dem eines Sozialisten und Marxisten. Es war wohl sein wichtigster Weg. Er ist ihn anders gegangen als viele andere in diesem 20. Jahrhundert, die sich ihm ähnlich als Marxisten und Sozialisten verstanden. Und so wurde es sein eigener Weg. Er ist fast vergessen worden - auch, weil es kein einfacher ist. Nicht wenige, die Bloch schätzen, meinen, ihn für diesen Weg eines Marxisten und Sozialisten entschuldigen zu müssen. So billig aber sollte man es weder Bloch, sich selbst, der wir doch dabei gewesen, noch dem 20. Jahrhundert machen.

Da ich es bin, der für mich diesen Weg Blochs zu Marxismus und Sozialismus nachzugehen suche, um ihn anderen kenntlich zu machen, ist auch diese Spurenlese ein eigener Weg, und ich bin unsicher, ob Bloch diesen seinen Weg in meiner Wanderung noch erkennen würde und erkennen wollen würde. Auch ist es ja nur ein Abstecher von eigenen Wegen dorthin, wo ein anderer sein ganzes Leben auf Wanderschaft war, unangemessen und touristisch eher, mit zu leichten Schuhen für zu hohe Berge. Aber ich habe mich dabei verändert. Damit zumindest wäre Ernst Bloch zufrieden gewesen.

Der Ausgangspunkt: "Wo leide ich aber, noch wenig zu sein?"

Viele Wege führten im 20. Jahrhundert zu Marxismus und sowjetischem Kommunismus. Über Ernst Blochs Weg dahin wird noch zu sprechen sein. Zunächst aber muß das Woher verstanden sein. Und dieses Woher ist ungewöhnlich und deshalb besonders ernst zu nehmen. Nicht das Auffinden des immer Gleichen, sondern die Entdeckung dessen, was Bloch von so vielen anderen auf den Wegen von Marxismus und Sozialismus unterscheidet, wird ihm gerecht.

Ernst Blochs Ausgangspunkt ist nicht das Elend der Anderen, ist nicht die Ungerechtigkeit von Arm und Reich, ist nicht die Entmachtung von Menschen durch Militarismus, Kapitalismus, Bürokratie, so sehr er sein Leben lang dagegen ankämpfen wird. Sein Ausgangspunkt ist das Ungenügen mit sich selbst, jenes zu wenig "Ich-selbst-Sein", "Wir-selbst-Sein", denn: "Ich bin an mir. Damit ist auch zuletzt zu beginnen. Wo leide ich aber, noch wenig zu sein? Wo schleudre ich und bin verderbt? Wo bin ich gehalten und echt? Doch freilich, wir sind weder dieses noch jenes, sondern schlammig, lau und ausspeienswert anzusehen." 8

Der radikale Anspruch Ernst Blochs richtet sich im Unterschied zu vielen anderen nicht zunächst an "die Welt" oder an "die anderen", sondern er ist zuallererst eine Infragestellung des eigenen Seins als "Zu wenig", als "ausspeienswert" mangelhaft gegenüber jenen Möglichkeiten, die ihm in seiner Kindheit, seiner Jugend aufgeschienen waren, erzählt von ihm selbst unter der Überschrift "Geist, der sich erst bildet" 9. Fast zugleich spürte er mit acht Jahren sich selbst, so erzählt er, und wurde durch ein Bild der Sehnsucht, gesehen auf einer billigen Nährollenschachtel industriellen Kitsches, durchdringend getroffen: "Eine Hütte war zu sehen, viel Schnee, der Mond stand hoch und gelb am blauen Winterhimmel, in den Fenstern der Hütte brannte ein rotes Licht." 10 Das "Icherlebnis" kam im gleichen Jahr: "... ich spürte ›mich‹ als den, der sich spürte, der heraussah, von dem man nie mehr loskommt, so schrecklich wie wunderbar, der ewig in der eigenen Bude mit Globus sitzt. Den man immer vorrätig hat, selbst wenn er sich unter Kameraden aufhebt, und der zuletzt einsam stirbt, aber freilich das rote Fenster hat, ewig dahinter ist." 11

Dieses doppelte Erlebnis des begrenzten Ichs, immer schon gesehen wird, umreißt die Spannung: Das individuelle "Zu wenig", das den jungen Bloch quält, kann, so scheint ihm, nur überwunden werden, wenn die Welt zu einem "Zu Hause" wird. 12 Am Ausgang seiner Jugend, so Bloch über sich selbst, vertrieb das "rote Fenster" ein "scheinende(s) All-Leben" mit Traumteppichen und Weltmädchen: "Etwas Menschenhaftes oder der Traum von einer noch nicht gekommenen menschlichen Sache setzte sich in der Welt ein, worin der Traum als Tendenz und nur manchmal als Zeugnis ist. Das heimliche Fenster machte also gegebenenfalls weltfeindlich (grade weil es das ›Leben‹ bejaht, aber unsres), es ist die Sammellinse für die utopischen Stoffe, aus denen die Erde besteht". 13

Von dieser Ausgangsspannung zwischen der aufeinander bezogenen Unvollkommenheit des Ich und der Welt lebt Ernst Blochs Lebenswerk: Man kann nur dann werden, was man sein könnte, sein möchte, sein muß, wenn zugleich auch die Welt wird, was sie sein kann, sein sollte, sein muß: Uns eine Heimat. Das Leiden am eigenen "Zu wenig" stellt sich zugleich als ein Leiden am "Noch nicht" der Welt dar, in der wir leben. Wir können nur dann, so Bloch, zu "unsrem Leben" kommen, können unserem Leben nur dadurch Sinn geben, indem wir dazu beitragen, daß die unbehauste Welt zu wahrhaft menschlicher Welt-Häuslichkeit wird. Nur der kann das eigene Sein und Bewußtsein hin zu einem echten Bei-sich-selbst-Sein verändern, der dabei auch die Welt verändert hin zu dem, wozu sie angelegt ist, zu unserem Heim in weiter, auch kosmischer Flur. Die Möglichkeit der Berührung mit Marx war schon durch diesen sehr eigenen Ausgangspunkt des Denkens, Schreibens, Lebens von Ernst Bloch gegeben: "Das Zusammenfallen des Ändern( s) der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung ", so hatte jener 1845 geschrieben, "kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden werden." 14

Der Zielpunkt: "Worin noch niemand war: Heimat"

Auf der Wanderung zu sich selbst, Philosophie, Musik und Physik studierend in München und Würzburg, machte Ernst Bloch eine sein gesamtes Werk prägende Entdeckung - die des Zusammenfallens des subjektiven Erkenntnisprozesses vom Noch-Nicht-Bewußten zum Bewußten einerseits und der Verwandlung des objektiv Möglichen, des "Latenten in der Welt" zum objektiv Wirklichen andererseits. Beide Prozesse seien ihrem Inhalt nach verwandt und gleichgerichtet: Das schöpferische Werden der Menschen zu sich selbst, ihre Heimkehr, und das Werden der Welt zur Heimat der Menschen fallen zusammen. Es ist eine Koinzidenz der Gegensätze. Diese Entdeckung faßte der junge Bloch in die Worte: "Besonders in der schöpferischen Arbeit wird eine eindrucksvolle Grenze überschritten, die ich als Übergangsstelle zum noch nicht Bewußten bezeichne. Mühe, Dunkel, krachendes Eis, Meeresstille und glückliche Fahrt liegen um diese Stelle. An ihr hebt sich, bei gelingendem Durchbruch, das Land, wo noch niemand war, ja das selber noch niemals war. Das den Menschen braucht, Wanderer, Kompaß, Tiefe im Land zugleich." 15

Man muß sich der Bedeutung dieser Grundannahme des jungen Blochs bewußt werden, bevor sie überhaupt der Analyse und eventuellen Kritik unterzogen werden kann: Er behauptete, daß jeder und jede einzelne die unaufgebbare Sehnsucht habe, in der Welt zu Hause zu sein. Es gäbe also einen gemeinsamen Zielpunkt individueller Existenz jedes Menschen. Und er behauptete zudem, daß die natürliche und soziale Welt darauf angelegt sei, zur Heimat der Menschen zu werden. Was bei Immanuel Kant noch nebeneinander stand - der "bestirnte Himmel über uns" und "das moralische Gesetz" in uns 16 - streben für Bloch einem gemeinsamen Punkt entgegen. Bloch wollte eine utopische Identitätsphilosophie begründen und dazu auch eine eigene Logik und Ontologie. 17

Bloch hat das jüdisch-alttestamentarische, das christlich-ketzerische, das utopische Erbe dieser Vision nicht verschwiegen und verdrängt. Er hat den großen Propheten, Ketzern und Denkern neuen Raum bereitet und ihren unbedingten messianischen Anspruch ernst genommen. 18 Und zugleich hat er Musik, Kunst, Literatur, die neuen Wissenschaften der Psychologie und Psychoanalyse, die Philosophie, unzählige Phänomene des Alltags und der Technik durchforscht, um "Zeugnisse" zu finden für den Wärmestrom der Geschichte, für eine Tendenz alles Menschlichen hin zu einer "echten" Existenz und alles Natürlichen und Sozialen hin zur "Heimat". Es war immer ein Schreiben gegen allzu viele und fast übermächtige Zeugnisse der Entwicklung hin zu modernster Barbarei, Fremdheit, eisiger Kälte und Lüge.

Die Vorstellung, Menschen und Welt hätten einen gemeinsamen Fluchtpunkt möglicher und wahrer Existenz, zu dem sie hinstreben, ist eine im 20. Jahrhundert selten gewordene Vision. Es ist eine Vision, die auf einer Hoffnung aufbaut - einer Hoffnung, die sich als Gewißheit fühlt. Es ist eine Hoffnung, die am Ende des frühen Werks "Geist der Utopie", inmitten des furchtbaren Krieges 1915/16, in die Worte gefaßt ist: "denn daß ein Fluß zufrieren kann, ist möglich, bedingt möglich, oder daß die Pflanzen empfinden können, ist hypothetisch bedingt möglich, unter der Voraussetzung gewisser noch nicht bestätigter Vordersätze, ...; aber daß wir selig werden, daß es das Himmelreich geben kann, daß sich der evident eingesehene Trauminhalt der menschlichen Seele auch setzt, daß ihm eine Sphäre wie auch immer bestimmter Realität korrelativ gegenübersteht, das ist nicht nur denkbar, das heißt formal möglich, sondern schlechterdings notwendig, weit entfernt von allen formalen oder realen Belegen, Beweisen, Erlaubnissen, Prämissen seines Daseins, aus der Natur der Sache a priori postuliert und demnach auch von utopischer, intensiver Neigung genau gegebener, essentieller Realität." 19 Die Natur der Sache also soll die Seinsmöglichkeit der größten denkmöglichen aller Visionen verbürgen. Und wenn der Ausgangspunkt Blochschen Denkens zu Marx führen konnte, so war der Zielpunkt seines Denkens offen für die Begegnung mit dem großen historischen Experiment Oktoberrevolution und Sowjetunion, einer geschichtlichen Tatsache, die das 20. Jahrhundert wesentlich prägen sollte.

Das Zeugnis von der Denkmöglichkeit der Vision: Marx

Wer mit der größtmöglichen aller Visionen antritt - dem Werden der Welt zur Heimat, zu dem, was sie noch nie war, und der Heimkehr der Menschen zu sich, dorthin, wo sie noch niemals angekommen waren, hat es schwer, will er es sich nicht leicht machen und sich nicht im Bereich des bloß subjektiv Gewünschten, des individuell Imaginierten, der haltlosen Phantasiewelt einrichten. Viele Jahrzehnte hat Bloch nichts anderes getan als zu versuchen, dieser Falle zu entgehen - intellektuell wie politisch. Intellektuell hat er sich deshalb dem Marxismus zugewandt und politisch ist er ein Bündnis mit Kommunismus und Sowjetunion eingegangen, das erste auf Dauer, das zweite auf lange Zeit.

Ernst Bloch brauchte Marxens geniale Verschmelzung von radikalstem Emanzipationsanspruch, nüchternster und unvoreingenommener wissenschaftlicher Analyse, und der Sicherheit, in der Arbeiterbewegung jenes historische Subjekt gefunden zu haben, daß genauso unvermeidlich, notwendig wie willentlich weltgeschichtlicher Akteur dieser Emanzipation ist. Er wollte glauben, daß die kälteste Untersuchung die heißeste Vision begründen kann. So kritisch Bloch im einzelnen Marx gegenüberstehen mochte, so konsequent hat er letztlich dessen geschichtsphilosophisches Paradigma übernommen. 20 Marxens originäre Verbindung von radikalstem Humanismus, strengster Wissenschaft und konsequenter Parteilichkeit schien auf moderne Weise zu einem Ganzen zu verbinden, was in der Geistesgeschichte seit Aristoteles die Quadratur des Kreises schien - höchste Vision, größte Nüchternheit und das praktisch-eigeninteressierte Handeln von Menschen, immer wieder versucht, nie eingelöst.

Bloch eignete sich Marx an als intellektuellen Garanten seiner eigenen Vision. Marxens Werk wird gelesen als ein Zeichen, das das unmöglich Scheinende denkmöglich werden läßt, als brennender Dornbusch, der nicht verbrennt und aus dem eine Mission verkündet wird und Verheißung spricht. Bloch brauchte Marx, er gebrauchte ihn und er mißbrauchte ihn als Zeugnis der Denkmöglichkeit einer völlig immanenten gesellschaftlichen Veränderung, die als unaufhaltsamer Wärmestrom aus der Geschichte drängt, einer Veränderung, die die Grundstrukturen einer Welt, die noch keine Heimat ist, transzendiert, einer Veränderung, die aus der Not und Bedürftigkeit realer historischer Subjekte erwächst und Gewalten freisetzt, die alle "alle Verhältnisse" umwerfen, "in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" 21

Diese Aneignung und Verwandlung des Marxschen Werks durch Bloch in den intellektuellen Garanten der Denkmöglichkeit seiner Vision war ein langer Prozeß. Er war von Faszination und Abwehr zugleich geprägt. Nur schrittweise verwandelte Bloch Marxens geschichtsphilosophisches Paradigma in die tragende Säule seiner eigenen Weltsicht. Gerade die Spuren der ursprünglichen Widersetzlichkeit Blochs gegenüber dem Marxismus sind von Bedeutung, weil sie zugleich die ungeheure Anziehungskraft des Marxschen Denkens wie Blochs eigenen Ausgangspunkt und eigenen Zielpunkt um so deutlicher erscheinen lassen. Diese Spuren seien kurz näher betrachtet.

Bloch erkannte, daß das gesamte Gebäude des Marxismus auf einer zentralen Annahme beruht - das Proletariat sei auf Grund seiner objektiven Stellung in der Lage, und bedingt durch die davon determinierten konkreten ökonomischen Interessen letztendlich dazu gezwungen, "gewillt" zu sein, sich selber und alle Klassenherrschaft und letztlich alle Ausbeutung, Unterdrückung, Entfremdung aufzuheben. Das Proletariat sei als objektiv gegründetes Subjekt zu einer revolutionären Praxis berufen, die Welt und Menschen gleichermaßen umwälzt und von Naturwüchsigkeit, Borniertheit und Knechtschaft wie Unmündigkeit befreit.

Mit dem Proletariat, so Bloch in Nachfolge von Marx 22, trete als neue Klasse "das soziale Nichts, die Emanzipiertheit überhaupt" hervor: "Und gerade dieser Klasse, ihrem a priori wirtschaftsrevolutionären Klassenkampf, übergibt Marx, in großartig paradoxer Verbindung, das Erbe aller Freiheit, den Beginn der Weltgeschichte nach der Vorgeschichte, die allererst echte Gesamtrevolution, das Ende aller Klassenkämpfe, die Befreiung vom Materialismus der Klasseninteressen überhaupt". 23 Dieses Paradoxon des originären Marxismus mit seiner strikten Berufung auf die ökonomischen Interessen des Proletariats einerseits und andererseits der Annahme, daß aus dem Kampf der Arbeiterklasse eine Bewegung resultieren würde, die in eine "freie Assoziation" mündet, in der die "freie Entwicklung eines jeden zur Bedingung der freien Entwicklung aller" wird, nimmt Bloch als Marxens wichtigste Entdeckung auf. Er nimmt sie auf, weil er - wie schon Marx selber - diese Annahme braucht, um seiner Vision den Gehalt einer realen historischen Möglichkeit, objektiv wie subjektiv, zuerkennen zu können. 24

Bloch erkennt die Spuren von Pantheismus, ja Mystizismus und der Hegelschen Idee in Marxens Fassung der Rolle der Produktivkräfte, aber außer Frage ist für ihn, daß das Proletariat tatsächlich zu einer Revolution berufen ist und die Wirtschaftsordnung als "genossenschaftliche Sozietät" organisieren wird. Dies ist für ihn auch der Prius der Geschichte, denn: "Es ist so, wie der Baalschem 25 sagt, daß erst dann der Messias kommen kann, wenn sich alle Gäste an den Tisch gesetzt haben; dieser ist zunächst der Tisch der Arbeit, jenseits der Arbeit, dann aber sogleich der Tisch des Herrn ...". 26

Bloch nimmt Marxens Annahme von der (wirtschafts-)revolutionären Rolle des Proletariats unhinterfragt für richtig. Er übernimmt auch die These, daß das Proletariat als unterste ökonomische Klasse des Kapitalismus zugleich jene Klasse sei, die zur emanzipativen Überwindung des Kapitalismus fähig und letztlich auch bereit sei (aus strikt ökonomischen Interessen), aber er wendet sich gegen die Reduktion dieser Emanzipation auf eine neue Wirtschaftsordnung, wie sie in der II. und auch III. Internationale verbreitet war. Wo deren Theoretiker den eigentlichen Kern des Sozialismus sahen - in der planmäßigen Wirtschaftsorganisation als Lösung aller sozialen Probleme und Überwindung von Herrschaft überhaupt - da formuliert Bloch abwertend: "Mag er auch noch, bolschewistisch, eine Zeitlang als überleitend notwendiges Übel funktionieren, so ist doch die Wahrheit des Staates, unter jedem sozialistischen Aspekt: er stirbt ab, er verwandelt sich in eine internationale Verbrauchs- und Produktionsregelung, in eine große apparatliche Organisation zur Beherrschung des Unwesentlichen". 27

Gesellschaftliches Eigentum und bewußte Organisation der Wirtschaft nach einem einheitlichen Plan sind für Bloch notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingungen des Sozialismus. Die eigentlich sozialistische Ordnung - so schreibt er in dieser revolutions- wie konterrevolutionsgeschüttelten Zeit - sei die einer neuen Kirche, die auf dem Unterbau einer planmäßig organisierten Ökonomie aufbaue, aber in ihr weder Zielpunkt noch Sinngrundlage habe. Die "wirtschaftstheoretische Ordnung und Nüchternheit" nehme "alles erbärmlich Störende hinweg, um es unter der Aufhebung der wirtschaftlichen Privatsphäre einer genossenschaftlichen Sozietät zu übergeben; aber sie läßt dafür die wirkliche Privatheit und die ganze sozial unaufhebbare Problematik der Seele stärker als jemals hervortreten, um sie - in der erst sozialistisch ehrlich und reinlich gewordenen Höhe des Bauwerks - der Kirche, einer notwendig und a priori nach dem Sozialismus gesetzten, neuem Offenbarungsgehalt zugewandten Kirche zu verbinden". 28

Jahrzehnte später in "Das Prinzip Hoffnung" hat sich Blochs Marxrezeption "rationalisiert", ist weit stärker unmittelbar angeschlossen an Marxens eigenes Denken, soweit es dessen geschichtsphilosophisches Paradigma betrifft. In knapper und orthodoxer Form wird vermerkt, daß das "von Marx entdeckte Muß" von "dem der herangebrachten moralischen Forderung ganz verschieden" sei und "in den ökonomisch-immanenten Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft" begründet sei: Der subjektive Faktor des Untergangs des Kapitalismus "steckt im Proletariat, das von der kapitalistischen Gesellschaft als ihr Widerspruch mitproduziert ist und sich als Widerspruch bewußt wird. Der objektive Faktor ihres Untergangs steckt in der Akkumulation und Konzentration des Kapitals, in der Monopolisierung, in der Überflußkrise, die dem Widerspruch zwischen erlangter kollektiver Herstellungsweise und beibehaltener privater Aneignungsform entstammt" 29.

Die Bedeutung von Marx für Bloch war und blieb die intellektuelle Sicherheit, daß - was auch geschehe - in der Wirklichkeit die reale Möglichkeit des Werdens der Welt zur Heimat angelegt sei. Marxens Entdeckung der "paradoxen" Stellung des Proletariats schien dies zu garantieren: "Der Nullpunkt äußerster Entfremdung, wie das Proletariat ihn darstellt, wird nun zur dialektischen Umschlagstelle letzthin; gerade im Nichts dieses Nullpunkts lehrt Marx unser All zu finden." 30 Unübersehbar das Vorbild für diese Denkfigur: JesusÂ’ erbärmlicher Tod am Kreuze und seine Auferstehung.

Die Leidenschaft der Blochschen Argumentation gilt aber auch in diesem späteren Werk nicht der nüchternen Analyse der realen Widersprüche des realen Kapitalismus. Er versucht auch nicht zu überprüfen, ob die geschichtsphilosophischen Grundannahmen von Marx über das Proletariat wissenschaftlich und empirisch haltbar sind. Die reale Überlebtheit des Kapitalismus war ihm mehr als offensichtlich und bedurfte keiner näheren Begründung. Es reichen ihm die schon zitierten und bekannten Formeln. Blochs Emphase richtet sich darauf zu begründen, daß "Marxens ganzes Werkt der Zukunft dient, ja überhaupt nur im Horizont der Zukunft begriffen und getan werden kann" 31. Bloch kämpfte als Marxist dagegen, "daß mit der Wolke auch die Feuersäule der Utopie liquidiert " 32 werden könnte und faßt sein aus dem eigenen System hervorgehendes Verständnis von Marxismus als Utopie und Utopie auf der Höhe der Zeit als Marxismus nun in die knappen Worte: "Marxismus ist nicht keine Antizipation (utopische Funktion), sondern das Novum einer prozeßhaft-konkreten Antizipation." 33 In dieser Chiffre ist Blochs eigene Re-Vision des Marxschen Erbes zusammengefaßt.

Marxismus zeige, so Bloch, die reale Möglichkeit, das "In-Möglichkeit- Seiende" (Latenz) eines Reichs der Freiheit auf, weise nach, daß es eine materiell bedingte und im Proletariat Subjekt gewordene oder werdende Tendenz gäbe, diese Möglichkeit in Wirklichkeit zu verwandeln. Marxismus müsse sich an der Front bewähren, im "vorderste( n) Abschnitt der Zeit, wo die nächste entschieden wird" 34, und dadurch als Novum wirken: "das ist die reale Möglichkeit des Noch- Nicht-Bewußten, Noch-Nicht-Gewordenen, mit dem Akzent des guten Novum (des Reichs der Freiheit), wenn die Tendenz daraufhin aktiviert wird" 35. Aktivierung der realen Tendenz zum Novum, zum Reich der Freiheit hin, der Feuersäule der Utopie nach, dies ist für Bloch die eigentliche Funktion des Marxismus. Er ist neben der wissenschaftlichen Analyse und durch die Art dieser Analyse - für Bloch vor allem - konkrete Utopie: "realistische Antizipation des Guten" 36.

Blochs Aneignung des Marxismus hat etwas instrumentelles. Er braucht ihn als Zeugnis dafür, daß die Vision denkmöglich ist. Er gebraucht ihn als Sicherheit auf schwankendstem Grund und in Zeiten, wo so vieles gegen die Tendenz zum Reich der Freiheit hin zu sprechen schien und intellektuelle Garantien reale Fundierungen immer wieder ersetzen mußten. Er mißbrauchte ihn, da er ihn so lückenlos und widerspruchsfrei verwandelte in die stählerne und scheinbar unzerstörbare tragende Säule seines eigenen Hoffnungssystems.

Ohne sein Bündnis mit dem Marxismus hätte Bloch für seine Visionen wohl keinen intellektuellen Halt gefunden. Ohne Bloch aber wäre der Marxismus im 20. Jahrhundert um vieles ärmer gewesen. Bloch hat dazu beigetragen, im Marxismus die Utopie, die menschliche Vision, den Horizont der Befreiung zu bewahren und hat ihm damit neuen Gehalt verliehen. Er hat darum gekämpft, daß der Marxismus weder als erledigt ad acta gelegt wird noch zur Legitimationsideologie stalinistischer Herrschaft verkommt. Er hat im Bewußtsein gehalten, "daß echter Marxismus seinem Antrieb wie Klassenkampf, wie Zielinhalt nach nichts anderes ist, sein kann, sein wird als Beförderung der Menschlichkeit" 37.

Das Zeugnis vom historischen Werden der Vision: Die Sowjetunion

Blochs Zuwendung zum Marxismus folgte mit biographischem Abstand ein Bündnis mit der kommunistischen Bewegung. Das Wort Bündnis wird gewählt, weil es zumindest von seiten Blochs darauf aufmerksam macht, daß er nie zum Parteikommunisten wurde, nie sich in einen Menschen verwandelte, dessen Lebensraum, Lebensinhalt, Bezugssystem die Organisation einer zentralistisch-ideologischen Partei wurde. Seine Person und seine Sache waren nicht auf die Partei und ihre Führer gestellt, sondern blieben in der Tiefe jener visionär-humanistischen Welt gegründet, die er sich selbst erschuf und erwanderte.

Als Bloch 1949, zurückgekehrt aus der amerikanischen Emigration, seine Antrittsvorlesung an der Leipziger Universität hielt, da konnte er noch sagen: "Vor uns liegt offene Fahrt, eine zu besserem Leben: sie ist so fällig und deutlich wie nirgends in der bisherigen Geschichte." 38 1955 mahnte er, belehrter schon und mit Wissen um die Grenzen einer staatsparteilichen Diktatur, daß ohne "Vor-Bild", ohne kommunistisch-konkrete Utopie der "alltägliche Bauplatz" des Sozialismus im Osten in die Gefahr gebracht wird, "als bloßes graues, mindestens nicht mehr enthusiastisches Nachbild von Revolution zu erschienen" 39

Bloch war und blieb ein kritischer, ein selbstbewußter Denker und ein autonomer Bündnispartner des politischen Kommunismus und der Sowjetunion. Deshalb konnte er auch gehen, konnte die nach dem Zweiten Weltkrieg gewählte politische Heimat verlassen und doch dabei bei sich selbst bleiben und weiter zu sich kommen. Er konnte das sowjetische Weltsystem westwärts hinter sich bringen und zugleich Schritte auf seiner Wanderung heimwärts tun. Er tat es, als die Bedingungen des Bündnisses mit dem sowjetischen Kommunismus nach seiner Auffassung nicht mehr gegeben waren - mit dem Bau der Mauer im August 1961. Um eine große Hoffnung enttäuscht schrieb Bloch aus Westdeutschland an den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der DDR: "Nach den Ereignissen vom 13. August, die erwarten lassen, daß für selbständig Denkende überhaupt kein Lebens- und Wirkungsraum mehr bleibt, bin ich nicht mehr gewillt, meine Arbeit und mich selber unwürdigen Verhältnissen und der Bedrohung, die sie allein aufrecht erhalten, auszusetzen. Mit meinen 76 Jahren habe ich mich entschieden, nicht nach Leipzig zurückzukehren." 40 Ihm und anderen seien, so Bloch, die "Rechte rücksichtslos sachlicher, praktisch eingreifender Kritik zum Zweck des sozialistischen Aufbaus, im Zielrahmen der Solidarität" 41 genommen worden.

Blochs Bekenntnis zur Sowjetunion, die in den dreißiger bis fünfziger Jahren stets wiederholte Abwehr grundlegender Kritik an ihr, dieses Bekenntnis ist keinesfalls nur aus Blochs Kampf gegen den deutschen Nationalsozialismus und aus einem allgemeinen antifaschistischen Bündnis zu erklären. Eine solche Begründung für Blochs Verhältnis zu Sowjetunion wäre verharmlosend und würde weder seiner eigenen Größe, noch dem Epochenereignis Oktoberrevolution gerecht. Es war keinesfalls nur ein taktisches Bündnis, daß Bloch mit dem sowjetischen Kommunismus eingegangen war.

Der zweiunddreißigjährige Bloch wurde 1917 keinesfalls von blinder Begeisterung für die Oktoberrevolution ergriffen. Dem Geiste Luxemburgs nahe, schreibt er den Bolschewiki im Februar 1918 ins Stammbuch: "Zwar, es ist nicht zu zweifeln, aller Inhalt hat sich dabei (mit dem Wirken der Roten Garden - M. B.) geändert. Aber die Gewalt, die Form der Gewalt ist dieselbe geblieben und die neue Seele hat sich dieses Mal nicht einen neuen Körper gebaut." 42 Im November des gleichen Jahres wird er noch schärfer und hatte doch den Stalinschen Terror noch nicht kennen gelernt: "Niemals hätte man es als Sozialist, bei aller Verehrung Wilson (dem damaligen Präsidenten der USA - M. B.) gegenüber, für möglich gehalten, daß die Sonne Washingtons derart die einst erwartete Sonne Moskaus übersteigt; daß aus dem noch kapitalistischen Amerika die Freiheit und Reinheit, aus dem Rußland der sozialistischen Revolution aber nichts als Gestank, Verrottung, neuer Dschingis-Khan mit den Gebärden des Völkerbefreiers, mit den mißbrauchten Insignien des Sozialismus kommt." 43

Aber auch den deutschen Sozialisten gegenüber ist Bloch zutiefst kritisch und wendet sich gegen die Verkürzung des Sozialismus auf die staatssozialistische Verwaltung von Produktion und Gesellschaft. Der Drang nach der alten und "urdeutschen" Gemeinfreiheit sei verloren gegangen, schreibt er im Januar 1919: "Das kommt schon darin zum Ausdruck, daß das deutsche sozialistische Ideal selbst in den kühnsten Träumen seiner Verwirklichung nicht von freien Menschen, von der Entbindung unterdrückter, unbekannter, rätselvoller Volkskräfte, sondern nur von einer systematisch geordneten Produktions- und Konsumtionsgenossenschaft als staatssozialistischem Selbstzweck spricht." 44 Und zehn Monate später fügt er hinzu: "Marxens Diktatur des Proletariats und auch die genossenschaftliche Verewigung des Fabriksystems werden kaum die Formen und Ziele des Weltsozialismus sein." 45

Für Bloch ist Sozialismus immer mehr als eine Zentralverwaltungswirtschaft im gesellschaftlichen Interesse. Die Abschaffung der materiellen Not, die er wie so viele von dieser Wirtschaftsform ganz selbstverständlich erwartete, war ihm 1917/18 wie auch später nicht unwichtig, aber keinesfalls das eigentlich Wesentliche und Sozialistische. Er wollte die wirkliche Emanzipation und eine Assoziation, in der freie und solidarische Entwicklung zur endlichen Heimkehr der Menschen zu sich selbst werden kann. Dies aber sei unvereinbar mit der Zerstörung von Demokratie und Liberalität: "Die Proletarier der Welt haben nicht viereinhalb Jahre lang, immer gründlicher begreifend, gegen Preußen, für die Weltdemokratie gekämpft, um bei der kommenden Erringung ökonomisch-sozialer Demokratie die Freiheit preiszugeben und die demokratische Linie, den Stolz der westlichen Kulturen, plötzlich zu verlassen." 46

Will man verstehen, warum Bloch ein Bündnis mit dem sowjetischen Kommunismus einging, warum er in dem neuen Staat ein Zeugnis für das reale Werden seiner Vision erblicken wollte, dann muß man sich in Blochs Welt versenken nach dem Scheitern der deutschen Revolution, nach der Erfahrung einer Teilrestauration der militärischen, ökonomischen, juristischen, intellektuellen und auch politischen Eliten des Kaiserreichs innerhalb der Hülle der Weimarer Republik - ausgehend von der verhängnisvollen Vereinbarung zwischen Ebert und der Heeresleitung im Herbst 1918 -, nach der Revitalisierung des Kapitalismus und seiner Weltkrise von 1929, die alle Hoffnung auf etwas soziale Stabilität und bürgerliche Normalität zerstörte, nach dem Aufstieg des europäischen Faschismus und Nationalsozialismus.

Es war 1930, als Bloch schrieb: "So roh es hergeht, so wirre Männer tauchen auf... Das grifffeste Messer wandert vom Land in die Stadt, von der Kirchweih in die Saalschlacht, und diese sticht trüb, blutunterlaufen. Hier wirken Triebe, die die Not und das falsche Bewußtsein von ihr nur freilegen, die aber nicht von heute sind." 47 Nur im Osten, so schien es Bloch, schien es vielen, war neues Land, war Zukunft gewonnen worden. Von außen konnte die Industrialisierung als unglaublicher Erfolg und großes Versprechen erscheinen, daß dort, jenseits des Kapitalismus eine andere moderne Gesellschaft und neue freie Gemeinschaftlichkeit gegründet würde.

Wo sonst als in der Sowjetunion waren für Bloch in dieser Zeit Zeugnisse zu finden der realen Tendenz hin zu seiner großen Vision? Woher konnte noch reale Bürgschaft erbracht werden dafür, daß die Vision mehr war als eine bloße Schimäre, die an der Wirklichkeit zerbrach? Was sprach in seiner Gegenwart außer dem "Aufbau des Sozialismus" in einem Land noch dafür, daß da mehr am Wirken war als ein seelenloser Kapitalismus und das Versinken in eine moderne Barbarei, die die Judenverfolgung des Mittelalters in die maschinelle Judenvernichtung verwandeln und die Sklavenarbeit von Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und in den Konzentrationslagern auf eine industrielle Grundlage stellen würde?

Wer mit der größtmöglichen aller Visionen antritt, der hat es schwer. Er braucht mehr als ein intellektuelles Versprechen. Gegen den Zweifel ist mehr nötig als das bloße Wort. Und wenn Bloch mit dem Marxismus die Denkmöglichkeit seiner Vision für gesichert halten wollte, so konnte, so wollte ihm dies nicht genug sein in solcher, sich jeder humanen Vision widersetzenden Wirklichkeit. Es bedurfte ihm mehr als nur einer geistigen Versicherung, mehr als nur des "sozialistischen Gedankens" 48. Es bedurfte eines realen Zeichens des stattfindenden historischen Bruchs, des Werdens eines neuen anderen Zeitalters. Deshalb brauchte Bloch die Sowjetunion und hat sie, hat ihren Bruch mit der Vergangenheit, hat ihr Werden und ihr Sein als dieses so wichtige Zeichen gelesen und gelehrt, so schwer es oft war, so sehr in vielem die Realität der Sowjetunion dagegen sprechen mochte. Lange galt für ihn: "Ubi Lenin, ibi Jerusalem" 49. Von diesem Verständnis der Sowjetunion als Werden einer neuen Welt aus erschloß sich Bloch auch der Sinn jenes Geständnisses, das Bucharin vor den sowjetischen Richtern ablegte - nämlich der, dem Tod durch die sowjetisch-stalinistische Macht einen Sinn zu geben, den Sinn, für diese Sowjetunion gestorben zu sein. Denn ohne diesen Sinn, so hatte Bucharin in seiner Rede gesagt, ergäbe "sich plötzlich mit erschütternder Deutlichkeit eine absolut schwarze Leere". Diese Leere zu füllen, war der letzte Dienst, den Bucharin sich und seiner Sache, mit der er eins war, leisten wollte und konnte. Für Bloch liest sich dieses Zeichen so: "Vor dem Gericht der eigenen Klasse ... ist das Geständnis ... das Ende der Isolierung. Es ist mitsamt dem Tod, der nachfolgt ..., die Rückkehr in die Sowjetunion. ›Wofür stirbst du?‹ - für die Sowjetunion, und mit dem letzten Bekenntnis zu ihr; sie ist, vom Ende des individuellen Lebens aus gesehen, das Jenseits kommunistischer Atheisten". 50

Man kann von hier aus die eigentliche Macht Stalins über die Kommunisten und viele Anhänger des Kommunismus besser verstehen: Er hatte sich "die Sache", "den Kommunismus", "die Sowjetunion ", "die Zukunft" angeeignet als eigene persönliche Macht und Macht seines Apparats. Indem Stalin es geschafft hatte, zum Führer aufzusteigen, war alles, waren alle Hoffnung, alles Streben, alle Sicherheit und alle Gewalt nur noch in ihm verkörpert. Er hatte es geschafft, zur personifizierten Idee zu werden und hatte damit die Idee in eine totalitäre Macht verwandelt.

Freiwillig und bekennend den Tod durch Stalin zu erleiden, war die einzige, letzte, hoffnungsloseste Form, an der Idee, der Sache, der Hoffnung festzuhalten. Indem man der Fahne die Treue hielt, auch wenn unter diesem Banner der Terror gegen die eigene Bevölkerung und die eigene Partei begangen, Verrat an ganzen Völkern begangen, ihre blutige Umsiedlung betrieben, gigantische Sklavenarmeen und eine neue staatliche Leibeigenschaft durchgesetzt wurden, blieb man sich selbst treu und treu der Vision. 51 Blind war Bloch dafür nicht, und er stellte - nach Stalins Tod - einen Trost bereit, der gleiche Erscheinungen aus ungleichem Wesen erklären wollte: "Vertrauen zur Sache ist notwendig; der Reif, der gefallen, er fiel immerhin in eine Frühlingsnacht, und die Schwere unserer Geburt ist immerhin eine der Geburt und kein westlicher Lebensabend." 52

Wieso aber konnte die Sowjetunion überhaupt von Bloch als Zeugnis eines historischen Bruchs, warum überhaupt als Werden einer neuen Welt verstanden werden? Die Antwort dafür ist schon in Blochs Kritik am Bolschewismus und nicht erst in seinem späteren Bekenntnis zu ihr angelegt. Es schien in alter widerwärtiger Form ein neuer Inhalt am Wirken. Das in der Sowjetunion mit der Kollektivierung und Industrialisierung nach 1928 staatlich durchgesetzte Gemeineigentum, die Verwandlung der Gesellschaft in eine einzige Produktions- und Konsumtionsgenossenschaft schienen für Bloch zwar keinesfalls das eigentliche Ziel, aber doch einen wichtigen, epochalen Schritt zu bedeuten. Er wurde als "ökonomischer Prius" verstanden, der dem "humanistischen Primat", so die Lesart, den Weg bereiten würde. 53

Bloch stand in einem Diskurszusammenhang, der - merkwürdig genug - mit Verweis auf den Übergangscharakter dieses sowjetischen Sozialismus die marxistischen Kategorien auseinander riß. Die sowjetische Ordnung erschien geprägt durch eine sozialistische ökonomische Basis, die ihrerseits durch einen dem Inhalt nach halbsozialistischen, der Form nach diktatorischen Überbau kontrolliert wurde. 54 Diese Interpretation war die wohl wirksamste Denkform der Linken mit Blick auf die im Ergebnis von Oktoberrevolution und Stalinscher Kollektivierung wie Industrialisierung entstandene Gesellschaft.

Die linke Kritik an der Sowjetunion richtete sich nicht auf das Eigentum, sondern auf die Politik, nicht auf den Inhalt, sondern ("nur") auf die Form, nicht auf das (ökonomische) Wesen, sondern auf die (politische) Erscheinung. Weil derart verstanden die Oktoberrevolution und die Stalinsche Zwangskollektivierung und Industrialisierung der späten zwanziger Jahre als Schritte verstanden werden konnten, die den Bruch mit dem Kapitalismus und der Ausbeutung vollzogen, Schritte der Emanzipation seien, wenn auch in entfremdeter Gestalt 55, war für Bloch auch lange die alte messianische Erwartung selbstverständlich: Ex oriente lux.

1955 erschienen der zweite Band des Werkes "Das Prinzip Hoffnung " im Aufbau-Verlag in Ostberlin. In dem so umfangreichen Werk wird der sowjetische Sozialismus auf knappen neun Seiten berührt unter der Überschrift: "Technische Reife, Staatskapitalismus und Staatssozialismus". Bloch greift implizit seine dreißig Jahre alte Kritik am Bolschewismus und dem sozialdemokratischen deutschen Staatssozialismus auf. Aber er gibt ihr eine neue, eine affirmative Wende, auch wenn sie die Perspektive der radikalen Überwindung jeder Herrschaft bewahrt. Durch die Revolution schien ihm der Bruch mit den alten Ausbeutergesellschaften gesichert 56, der "Diktatur des Proletariats" sei ein "Freiheitsziel" eigen - "des einzig und wirklich totalen" 57, der sowjetische Sozialismus wäre nicht nur Staat, sondern auch Sowjet 58.

Es mutet heute merkwürdig an, wie herausragender Theoretiker des 20. Jahrhunderts, die sich dem Marxismus verpflichtet fühlten, bezogen auf den sowjetischen Sozialismus jede marxistische Analyse aufgaben. Nicht die Verhältnisse, sondern die bloßen Verkündigungen wurden als Garanten einer diesem Sozialismus zugeschriebenen historischen Tendenz hin zur Freiheit genommen. Das Hoffen brauchte Verzicht auf die sonst immer wieder gerühmt vorurteilsfreie marxistische Analyse. Diese Hoffnung wollte mit verbundenen Augen sehen, was sonst vielleicht nicht erblickt werden konnte. Dies gilt auch für Bloch. Ohne auch nur den Anschein einer Begründung zu suchen, behauptet er: "... der Staatssozialismus, sofern er erscheint, ist im Akt begriffen, folglich temporär und auf Abbruch; denn das im Akt arbeitende Ziel ist Absterben des Staats. Die Oktoberrevolution von 1917 setzte zu diesem Ziel die proletarische Diktatur, die Epoche nach Lenins Tod hat als Sicherung die kräftigste Staats- und Militärmacht errichtet: trotzdem ist Ende der Gewalt in dieser Art Gewalt unausweichbar immanent." 59

Wie groß diese Erwartung war, wie sehr Blochs Vision sich mit dem sowjetischen Sozialismus und Kommunismus verbunden hatte, wird dort am deutlichsten, wo er fast zum letzten Mal hoffen konnte, daß diese Verbindung nicht nur eine bloße Täuschung gewesen war, in den Zeiten des Tauwetters nach Stalins Tod. Wie andere auch nutzte er dieses kurze Zeitfenster fast freien Redens der undogmatischen Marxisten in der DDR und wurde dadurch zum intellektuellen Sprecher einer demokratisch-sozialistischen Kritik und zum öffentlichen kommunistischen Visionär. Seine Kritik richtet sich nicht gegen das Zuviel an Sozialismus, sondern das Zuwenig an Demokratie und kommunistischer Vorwärtsbewegung über die alte Gesellschaft hinaus.

Die Hoffnung, die Bloch mit dem 20. Parteitag verband, war die, daß unter der erneuerten Fahne der ökonomisch überfällige Sozialismus auch "moralisch unaufhaltsam" werde und sich Freiheit und Glück nun verbinden würden: "So steht dem Arbeiter, der jetzt herrschenden Klasse, die aber auch spürt und nicht nur weiß, daß sie die herrschende ist, die Demokratie ins Haus." 60 Der ökonomischen Revolution sollte endlich, so die Hoffnung, die Demokratisierung folgen. Als diese Erwartung sich zerschlug - in Ungarn, Polen, der DDR und der UdSSR selbst -, als der sowjetische Sozialismus die Berliner Mauer brauchte, um sein Bestehen zu sichern, da kehrte Ernst Bloch nicht mehr heim in den Osten. Von dort, so war ihm bewußt geworden, kam kein utopisches Licht mehr. 61 Dort war etwas entstanden, so sah er es jetzt, was er früher eine contradictio in adjecto genannt hatte, ein "autoritärer Sozialismus", "indes doch die Internationale das Menschenrecht erkämpft: organisierte Mündigkeit " 62.

Doch Mitte der fünfziger Jahre versuchte Bloch noch einmal zusammenzudenken, was nach seiner tiefen Überzeugung zusammengehört; noch einmal wollte er glauben, daß der epochale Aufbruch von Oktoberrevolution und sowjetischem Aufbau, von Sieg über den Hitlerfaschismus vor allem auch unter der roten Fahne und dem roten Stern zu seinem "roten Fenster" führe, Wege vorwärts, Wege der Heimkehr seien. Noch einmal wollte er hoffend wissen, daß der sowjetische Kommunismus für seine Vision ein historisches Zeugnis mit Weltgeltung ablegt. Noch einmal wollte er glauben, daß der Wärmestrom des Roten Oktobers, der mehr als dreißig Jahre für ihn eine Tatsache gewesen war, über den Kälteschock des Stalinschen Terrors siegen könne. Vor den Studentinnen und Studenten der Leipziger Universität beschließt er am 29. November 1955 eine seiner großen Vorlesungen mit den Sätzen: "Will doch der Kommunismus die Welt nicht nur verändern - das tat auch der Kapitalismus -, sondern bis zu unserer Kenntlichkeit darin verbessern, zur Sonne, zur Freiheit empor, bis zur Heimat ohne Fremde in ihr. Das ist gewiß ein Grenzbegriff, ein fast noch ungeschichtlich zukünftiger, ja in seinem Erreichtwerdenkönnen und vermittelbaren Inhalt noch unbestimmter. Doch leuchtet das mit solchem Grenzbegriff Intendierte in den alltäglichen Sozialismus genau herein, wenn (!!! - M. B.) dieser einer ist; so wie das Ziel im Weg ist, wenn dieser einer ist. Eine der Kenntlichkeiten dieses Ziels ... hat daher gelautet: Universitas aller in Wahrheit und Freiheit." 63

Eine ungelöste Aufgabe: Freiheit und Sozialismus

Mitten in den Wirren eines sich erschöpfenden Krieges, konfrontiert mit der Verwandlung der russischen Revolution, wie sie im Februar 1917 eingesetzt hatte, in ein neues System der Hörigkeit - die Bolschewiki hatten die Verfassunggebende Versammlung gerade auseinander gejagt und einen Bürgerkrieg damit auch ihrerseits unvermeidlich gemacht -, mit skeptischem Blick die linken Kräfte in Deutschland beobachtend, schrieb Ernst Bloch im Februar 1918: "Jedes Volk ... hat nur denjenigen Sozialismus zu erwarten, den es nach Maßgabe seiner bürgerlichen Freiheit, seines Liberalismus verdient. " 64 Und viele Jahre später heißt es verallgemeinernd: "Jedes Volk wird nur diejenige Art und Höhe sozialer Revolution haben und gewinnen, zu der es auf Grund erlangter und behaltener Menschenrechte bereit ist." 65 Und gemeint sind Menschenrechte nicht etwa als Geschenk eines sozialpaternalistischen Staates, sondern als individuelle Freiheitsrechte.

Wenn diese These Ernst Blochs richtig ist, und wenn die Freiheitsrechte der einzelnen in den Staaten des sowjetischen Staatssozialismus gegenüber den USA und Westeuropa weder rechtlich bindend gesichert, noch individuell durchsetzbar gewesen waren, wenn der sowjetische Staatssozialismus den kapitalistischen Demokratien mit Bezug auf die Menschenrechte als Freiheitsrechte prinzipiell unterlegen war, dann war die Oktoberrevolution auch keine soziale Revolution, die der amerikanischen Revolution oder der Großen Französischen Revolution gegenüber eine höhere Epoche eröffnet hat. Und die Umwälzungen des Jahres 1989 waren dann tatsächlich "nachholende Revolutionen" (Jürgen Habermas). Der Versuch der staatlich organisierten "Lösung der sozialen Frage" und der Kampf um Menschen- als Freiheitsrechte wären dann im 20. Jahrhundert, sieht man ab von den wichtigen Erfahrungen mit einer Politik der sozialen Demokratie 66, weitgehend verschiedene Wege gegangen.

Mit seinem Werk "Naturrecht und menschliche Würde" hat Bloch in der amerikanischen Emigration eine Geschichte emanzipatorischen Denkens geschrieben, die meines Erachtens von zentraler Bedeutung für jede Erneuerung des Sozialismus als Bewegung wie als geistige Strömung ist. Nicht ohne Grund, aber zu Unrecht ist sie gegenüber seinem Rückblick auf die Utopien fast vergessen. Die Geschichte naturrechtlichen Denkens, die Bloch in "Naturrecht und menschliche Würde" schreibt, stellt eine Komplementärgeschichte zu seinem Abriß der Geschichte der Sozialutopien im zweiten Band von "Das Prinzip Hoffnung" dar. Naturrecht und Utopien bilden für ihn die beiden wichtigsten Stränge emanzipativen Denkens. 67 Und er will sie gemeinsam in einen untrennbar auf Freiheit und Gleichheit gegründeten Marxismus und Sozialismus münden sehen, will ein Bündnis von Sozialutopie und Menschenrechtsanspruch gründen. Er will ein Erbe aufnehmen, das die Herrschaftsideologie des Marxismus- Leninismus bewußt ausgeschlagen hatte.

In einer Zeit, da der sowjetische Parteikommunismus aus dem Marxismus jede Spur von individueller Freiheit auszutreiben suchte als "bürgerlichen Individualismus", da der Stalinismus neue Obrigkeit und Führerkult geschaffen hatte, schrieb Bloch: "An der Wiege des Marxismus stand also nicht nur die ökonomische Parteilichkeit für die Mühseligen und Beladenen, sondern doch auch die naturrechtliche für die Erniedrigten und Beleidigten - als Parteilichkeit, die sich auf den Kampf menschlicher Würde, auf solch konstitutives Erbe aus dem klassischen Naturrecht, versteht und keiner Obrigkeit, sofern überhaupt noch eine nötig ist, den angestammten oder neu reproduzierten Kamm schwellen ließ." 68 Und während er, wie schon zitiert, mit Blick auf die Sowjetunion bereit ist, der Abschaffung des kapitalistischen Eigentums das "ökonomische Prius" zuzuerkennen, betont er zugleich das "humanistische Primat" der Menschenrechte.

Die von Bloch erhoffte Verbindung aber von Überwindung von Kapitalismus, von Profitdominanz über die Gesellschaft, einerseits und von Primat der Menschenrechte andererseits steht auch heute noch aus. Diese Verbindung historisch zu verwirklichen, könnte als Kern eines Sozialismus bezeichnet werden, der die sozialutopische wie die naturrechtliche Tradition in sich aufgenommen hat, der Freiheit wie Gleichheit verpflichtet ist. Der "Stoß der Gerechtigkeit von unten" 69 würde sich dann zugleich als Stoß der Freiheit wie der Gleichheit erweisen.

Die sozialistische Verbindung des Erbes von Sozialutopie und Naturrechtstradition ist nicht als bloße Addition zu haben. Sie verlangt es, sich der inneren Widersprüchlichkeit dieses doppelten Erbes zu stellen, das keinesfalls zufällig fast immer getrennt marschierte und deren Vertreter sich oftmals wechselseitig blutige Köpfe schlugen. Dies liegt in der Natur der beiden Denktraditionen selbst begründet. Allzu oft kam Gleichheit als Projekt unterdrückender Gleichmachung im Namen des Citoyen, des staatsbürgerlichen Gemeininteresses daher. Und noch öfter trug die Freiheit die Handschrift des Bourgeois, des privaten Monopols an menschlichen Existenzbedingungen, und wurde so zum Projekt privilegierter Entwicklung der Wenigen auf Kosten der Vielen.

Einen Ansatz für die uneingelöste Verbindung des Erbes von Sozialutopie und Naturrecht formulierte Bloch, als er schrieb: "Was aber Glück und Würde angeht ..., mit einem Prius menschlicher Versorgung, einem Primat menschlicher Würde: so ist mehr als je neben dem konkreten Erbe am Sozialutopischen ein ebenso Konkretes am Programm Citoyen fällig. Item: mehr als je ist es an der Zeit, auch die Unterschiede in den sozialutopischen und den naturrechtlichen Intentionsfeldern funktionell endlich verbunden zu sehen und praktisch aufgehoben. Kraft der Gewißheit: es gibt keine menschliche Würde ohne Ende der Not, aber auch kein menschgemäßes Glück ohne Ende alter oder neuer Untertänigkeit. " 70

Blochs eigener Versuch der Verbindung beider Traditionslinien emanzipativen Denkens verblieb - und dies soll im weiteren kritisch befragt werden - in der bekannten Formel, die auf Rosa Luxemburg zurückgeht: "Keine Demokratie ohne Sozialismus, kein Sozialismus ohne Demokratie, das ist die Formel einer Wechselwirkung, die über die Zukunft entscheidet." 71 Es ist die Formel von der Verbindung des Gemeineigentums an den Produktionsmitteln mit Rechtsstaatlichkeit und sozialer wie politischer Demokratie, eine Formel, die in der Linken auch nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus noch fortwirkt. Die Frage ist nur, ob sie wirklich nach 1917, 1968, 1989 noch Bestand haben sollte.

Ausgangspunkt, darüber nachzudenken, ob nicht eine neue Verbindung der beiden Linien emanzipativer Traditionen gefunden werden muß, soll Blochs Verständnis des Verhältnisses von Bourgeois und Citoyen sein. Mit Blick auf die intellektuelle Vorgeschichte der Großen Französischen Revolution und die Trikolore von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit über den Menschenrechten schreibt Bloch: "Es war die hohe Zeit des Naturrechts, als dergleichen blühte, sie war illusionär, denn aus dem Citoyen kam der Bourgeois, sie war antizipierend, denn der Bourgeois wird durch den Citoyen gerichtet. " 72 Man möchte historisch belehrt befürchten - hingerichtet.

In einem solchen Verständnis des Verhältnisses von Bourgeois und Citoyen erscheint der Bourgeois als progressive Durchgangsform im Kampf gegen den Feudalismus 73, wird als eine soziale Formbestimmtheit der einzelnen begriffen, die über den Feudalismus hinaus jeder solidarischen Emanzipation im Wege stehe. Sozialismus könne, so Bloch, nur den Staatsbürger, nicht aber den Bourgeois beerben, wird mit Verweis auf den Marx von 1843 betont: "Und der weiterlebende Fortschritt ist, daß genau das politisch-Citoyenhafte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in die ›forces propres‹ der lebenden Menschen eintrete... Wonach eben der Nebenmensch nicht mehr, wie im Egoismus der droits de lÂ’homme, als Schranke der Freiheit, sondern als deren Kommunität lebt." 74 Die Privatheit sei aufzuheben in der Allgemeinheit. Das Privateigentum sei in das Staatseigentum zu überführen. Der Wille der einzelnen müsse dem Gesamtwillen untergeordnet werden, um - so die Hoffnung oder Drohung - letztlich mit diesem zusammenzufallen.

Die emanzipative Bewegung geht in einer solchen (marxistischen) Denktradition nicht vom einzelnen in seiner Bürgerlichkeit aus, sondern ausschließlich vom Handeln als Staatsbürger, nicht von der Vertretung individueller Interessen, sondern von der Vertretung der allgemeinen Interessen. Sozialisierung beginnt als Entindividualisierung, versteht sich als Verwandlung der einzelnen in Repräsentanten des Allgemeinen. Das Einfallstor für die totale Subsumtion des einzelnen unter das Ganze, die Klasse, die Partei, den Staat, die "Sache" wurde weit geöffnet.

Die Heroisierung des Allgemeininteresses als Vertreter solidarischer Emanzipation und die Banalisierung des individuellen Interesses als bloß privates, als bloßes Geschäftsinteresse, seine Diffamierung als Keimzelle von Ausbeutung und kapitalistischer Herrschaft sind meines Erachtens ein verhängnisvolles Erbe. Der von der Französischen Revolution geerbte Kult des Citoyen und seine Verwandlung in einen Kult des "Parteisoldaten" und die damit ermöglichte Legitimation der Negation von Einzelinteressen als Interessen des Bourgeois und damit auch des Terrors gegen alle, die vom postulierten Allgemeininteresse "abweichendes Verhalten" zeigen könnten, ist jene Bresche, in die der Stalinismus einfallen konnte, um den humanen Anspruch des Marxismus auszuhebeln. Es ist aber eine Bresche, die der Marxismus selbst weit geöffnet hatte. Sie stellt Marxens Vision von einer Assoziation, "in der die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller" ist, auf den obrigkeitlichen Kopf.

Was aber, wenn Bourgeois und Citoyen nicht zwei Subjektformen sind, von denen nur die eine es wert ist, in der Aufhebung bewahrt zu werden?! Was wäre, wenn sie beide zwei miteinander verbundene, historisch konkrete und damit natürlich auch bornierte Formen ein und desselben Prozesses von Emanzipation darstellen würden, einer Emanzipation gegenüber dem Feudalismus und zugleich damit der Neugründung eines neuen höheren Herrschaftsverhältnisses und sachlicher Abhängigkeit, aber eben auch mit Zügen größerer Freiheit und emanzipativer Vergesellschaftung?! Der Bourgeois wäre dann ähnlich mit Schritten von Emanzipation und neuen Formen von Unterdrückung verbunden wie der Citoyen.

Nicht zufällig entstehen im 16. Jahrhundert Elemente einer jesuitischen Theorie, nach der die Gewalt des Fürsten alleinig vom Volk ausgehe und dieses das Recht habe, sein Mandat zurückzunehmen (sogar Tyrannenmord sei erlaubt, wenn freie Willensäußerung unmöglich ist). Hat damit nicht der Citoyen gesprochen und zugleich die Legitimation für neue Herrschaft geliefert?! Und bilden sich nicht zeitgleich die Bedingungen der Freiheit der Bürger in der Wirtschaft, der Religion, des privaten Lebens heraus, wie es sie vorher nicht gegeben hat, Bedingungen, die mit der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und neuer Ausbeutung keinesfalls unvermutet Hand in Hand gingen?! Und gingen damals private Erwerbswelt und Patriarchat nicht eine neuartige Verbindung von Emanzipation und Unterdrückung ein?

Solche Überlegungen führen zu der Frage, was überhaupt Emanzipation ist. Ist sie entsprechend den kommunistisch verkürzten Traditionen der Sozialutopien mit der Verwandlung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen in gemeinschaftliches Eigentum identisch, eines Eigentums, das garantieren soll, daß jeder nach seinen Bedürfnissen konsumieren dürfe und nach seinen Fähigkeiten produzieren könne? Dann wäre die ganze bisherige Zivilisationsgeschichte nichts als die Abkehr vom Goldenen Zeitalter des Gemeineigentums gewesen. Dann hätten alle Kämpfe sozialer Bewegungen nur Rückschritte in den Eigentumsverhältnissen nach sich gezogen. Immer höhere Potentiale der Freiheit durch die Entwicklung der Produktivkräfte wären in immer schärfere Formen von Ausbeutung und Unterdrückung eingebunden gewesen. Dann würde die gewaltsame Durchsetzung von neuer Gemeinschaft auf der Grundlage von Staatseigentum Fortschritt von Emanzipation bedeuten.

Oder ist Emanzipation entsprechend den liberalistisch verengten Traditionen des Naturrechts identisch mit der Verwandlung der Individuen in freie Subjekte ihres eigenen Handelns - unabhängig von den ökonomischen, sozialen und kulturellen Bedingungen desselben? Und ist eine solche Freiheit durch die Freiheit der Märkte garantiert, so daß man die Fortschritte der Freiheit messen könne am Maß der Freiheit von Finanz-, Kapital-, Waren- und Arbeitsmärkten? Der entfesselte Kapitalismus wäre dann das wirkliche Reich der Freiheit. Und die weltweite gewaltsame Durchsetzung dieses Kapitalismus wäre dann tatsächlich ein Kampf für die Freiheit.

Die sozialutopische Tradition läuft Gefahr, die Freiheit der einzelnen aufzugeben mit der blinden Hoffnung darauf, daß neue Gemeinschaftlichkeit Freiheit spontan aus sich heraus gebären würde. Die neoliberalistisch verkürzte Tradition leistet dagegen der interessengeleiteten These Vorschub, auf die bewußte Gestaltung der gesellschaftlichen Bedingungen zu verzichten mit dem Verweis darauf, daß die Freiheit der Märkte auch die Gleichheit der Entwicklung aller und jeder und jedes einzelnen letztlich hervorbringen würde. 75

Emanzipation, so sei behauptet, ist ein Doppelprozeß. Im Maße der Emanzipation werden zum einen die Individuen in den Ausgangs- und Zielpunkt aller Prozesse von Vergesellschaftung verwandelt. Zum anderen werden alle materiellen und kulturellen Produktions- und Lebensbedingungen in Bedingungen freier Entwicklung jeder und jedes einzelnen umgeformt. Emanzipation bedarf der institutionellen Vermittlung vor allem auch durch das Recht und den freien Zugang zu den sozialen Grundgütern einer Gesellschaft. Die rohkommunistische Vorstellung, daß auf Rechtsstaatlichkeit verzichtet werden könne zugunsten einer unmittelbaren Gemeinschaftlichkeit, muß bei Realisierung in den Verzicht auf Emanzipation münden. Die neoliberale Vorstellung der institutionellen Verwandlung jeder und jedes einzelnen in "Unternehmer der eigenen Arbeitskraft und Daseinsvorsorge" bei gleichzeitiger Zerstörung des Sozialstaats muß bei ihrer Verwirklichung zu wachsender Ungleichheit und zur Zerstörung der wichtigsten Formen sozialer Integration, des gesellschaftlichen Bodens realer Emanzipation führen.

Das Projekt der Emanzipation ist, wenn es denn ein solches ist, weder ein primär staatliches, noch ein primär marktwirtschaftliches, sondern tatsächlich vor allem ein zivilgesellschaftliches Projekt, ein Projekt der Bürgerinnen und Bürger. Es ist deshalb aber auch weder ein antistaatliches, noch ein marktfeindliches Projekt, sondern bedient sich aller historisch gewordenen Vergesellschaftungsformen, die ein emanzipatives Potenzial haben. Und es ordnet diese Vergesellschaftungsformen vor allem der Emanzipation des "Untens" der Gesellschaft, national wie global, unter, oder es wäre nur ein elitärer Schein, hinter dem sich Ausbeutung und Unterdrückung verbergen.

Als das Erbe des "bourgeois" ausgeschlagen wurde zugunsten des "citoyen", wurde zugleich der Weg geebnet, die wirklichen Arbeiter, die realen Proletarier, wie schon zitiert, als "Nichts" zu verstehen, die "Alles" werden können. Sie sind in dieser Sichtweise "Nichts" in ihrer Existenz als Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen, als Individuen, die sich und ihre Kinder mittels der Erwerbsarbeit am Leben halten, eine zumeist eher kleinbürgerliche Existenz aufzubauen suchen, Angst haben, nach unten zu stürzen und Sicherheit für ihre Kinder in Bildung und Ausbildung suchen. Sie seien "Alles" nur, wenn sie sich als Klassenindividuen revolutionär organisieren, die bolschewistische Parteiform als höchste Weise solcher Organisation.

Die Fortschritte an Freiheit, die die Proletarier sich im Vergleich zu Leibeigenen erkämpften, keinesfalls ein Geschenk von Bourgeois und bürgerlichem Citoyen, ihre politischen und sozialen Rechte, die sie im Kapitalismus erstritten haben und die eine Bedingung für dessen Lebensfähigkeit wie für jede darüber hinaus reichende Emanzipation sind, konnten bei solcher Sichtweise und gegen Ernst Blochs Intentionen marxistisch-leninistisch klein geredet werden. Aber auch der Kampf um bessere Lebensbedingungen und soziale Gestaltung der Reproduktionsbedingungen der Gesellschaft (Regulation der Arbeitszeit, Arbeitsrecht, Sozialstaat usw.) erschien bestenfalls als Mittel auf dem Weg zur Herausbildung eines revolutionären Klassenbewußtseins und schlimmstenfalls als Verführung hin zu einer bürgerlichen Existenz. Diese Auffassung war die Grundlage einer avantgardistischen Verachtung der wirklichen Arbeiter im Namen ihrer Klasse. Sie bereitete der Unterdrückung dieser Arbeiter durch eine Partokratie den Boden.

Wenn die obige These vom Doppelcharakter der Emanzipation richtig ist, dann reflektiert die Doppelgeschichte von sozialutopischem und natur- bzw. menschenrechtlichem Denken zwei Seiten ein und desselben emanzipativen Prozesses - die Anstrengungen zur gemeinsamen Schaffung der materiellen und kulturellen Bedingungen von Emanzipation und zur Frei-Setzung der Individuen als der eigentlichen Subjekte ihrer Emanzipation. Griechenland ist dann deshalb der Ausgangspunkt gleichermaßen von utopischem und menschenrechtlichem Denken, weil es die erste Zivilisation ist, in der die bewußte demokratische Gestaltung einer Gesellschaft auf der Basis individueller Freiheit als Ideal menschlichen Handelns gedacht werden kann.

Die These vom Doppelcharakter der Emanzipation erzwingt aber auch, diese nicht mehr wie im orthodox marxistischen Denken als Vergemeinschaftung der Ökonomie zu denken 76, sondern das freie Handeln jeder und jedes einzelnen als Ausgangspunkt des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Handelns gleichermaßen zu respektieren. Unternehmertum verstanden mit Schumpeter als Fähigkeit zur innovativen Kombination von Ressourcen ist dann kein Hemmnis der Emanzipation, sondern ihr unverzichtbarer Teil. Im Zentrum steht die Fähigkeit, frei und selbstbestimmt sein Leben gestalten zu können und sich nicht in sachlicher Abhängigkeit der eigenen Vermarktung und Vermachtung unterordnen zu müssen. Wie Bloch wußte: "Freiheit ist der Modus des menschlichen Verhaltens gegenüber objektivrealer Möglichkeit. Nur derart hat ihr Wozu Spielraum, auf dem Weg in den Inhalt der Freiheit: das unentfremdete Humanum." 77

Dieses Humanum verlangt eine solche bewußte und solidarische Gestaltung der Bedingungen freien Handelns, durch die die Bedingungen der Freiheit aus einem exklusiven Gut weniger zu einem öffentlich zugänglichen Gut aller werden. Der Bourgeois würde sich dann in ein freies Individuum, der Citoyen in den solidarischen Bürger wandeln. Die Güter, die Menschen brauchen, um selbstbestimmt in Würde zu leben, müssen aus der Kontrolle der Kapitaleigentümer und der staatlichen Bürokratien in die freie Zugänglichkeit durch jede und jeden übergehen. Aus den Gütern der Abhängigkeit müssen Freiheitsgüter werden. Für Bloch bedeutete dies die Verwandlung des Rechts auf freien Erwerb in die "Freiheit vom Erwerb" 78, Freiheit von einer Erwerbsgesellschaft, in der die Bedingungen des Erwerbs durch andere kontrolliert werden. Wie dies nachhaltig geschehen kann, ist auch heute noch unbeantwortet.

Im zweiten Entwurf des Code civil der Großen Französischen Revolution, entstanden im Jahre 1794, hieß es: "Drei Dinge sind notwendig und genügen dem Menschen in der Gesellschaft: Herr über seine Person zu sein, Güter zu besitzen, um seine Bedürfnisse erfüllen zu können, und in seinem Interesse über seine Person und seine Güter verfügen zu können. Alle zivilen Rechte lassen sich daher auf das Recht auf Freiheit, Eigentum und Vertragsfähigkeit zurückführen." 79 Würde man diese Formulierung von seiner privatbürgerlichen Beschränktheit befreien, würde die solidarische Pflicht aller durchgesetzt, dazu beizutragen, daß jede und jeder über diese "Dinge" real verfügt, wären die notwendigen sozialen Bedingungen aufgezeigt, die dafür notwendig sind, dann wäre das Programm der Verwandlung des "Bourgeois" in ein freies und solidarisches Individuum aufgezeigt.

In der ein Jahr vor dem zitierten Entwurf zum Code civil verabschiedeten, aber niemals in Kraft getretenen Verfassung der Jakobiner vom 24. Juni 1793 erklärten die "Citoyen" der französischen Revolution für das Volk: Dieses mache "folgende Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers bekannt: Artikel 1. Der Zweck der Gesellschaft ist die allgemeine Wohlfahrt. Die Regierung ist eingesetzt, um dem Menschen den Gebrauch seiner natürlichen und unverjährbaren Rechte zu verbürgen. Art. 2. Diese Rechte sind Gleichheit, Freiheit, Sicherheit, Eigentum." 80 Würde man diese Formulierung von seiner Einschränkung auf eine weitgehend privatbürgerliche Gleichheit, Freiheit, Sicherheit und Eigentum befreien, ergäbe sich aus diesen Grundsätzen der Auftrag, jene sozialen Bedingungen zu schaffen, die die freie und gleiche Entwicklung einer und eines jeden als Bedingung der solidarischen Entwicklung aller ermöglichen, dann wäre auch das Programm der Verwandlung des "Citoyen " in solidarisch verantwortliche Repräsentanten des Gesamtinteresses aller an der freien Entwicklung einer und eines jeden skizziert.

Mehr als zweihundert Jahre nach der Großen Französischen Revolution ist dieses Erbe aktuell, wenn es zugleich die Ergebnisse der großen Kämpfe des 19. und 20. Jahrhunderts in sich auf nimmt, wenn die Fortschritte an Emanzipation und solidarischer Gestaltung, die trotz allem erreicht wurden, nicht ausgeschlagen, sondern aufgenommen, bewahrt und ausgebaut werden, um die globalen Probleme des 21. Jahrhunderts, die Krise der Erwerbsgesellschaft, die Krise der sozialen Integration, die Gefahren, die mit den neuen Möglichkeiten der Veränderung der genetischen Grundlagen unseres Daseins so zu bestehen, daß dies nicht mit Rückschritten, sondern mit Fortschritten in Richtung von Freiheit und Solidarität einhergeht.

Freiheit und Sozialismus, so abschließend meine These, muß heute anders als bei Bloch, nicht mehr als Verbindung von gesellschaftlichem Eigentum an den Produktionsmitteln und Demokratie verstanden werden, sondern als historisches Projekt der Verwandlung jeder und jedes einzelnen in die selbstbestimmten Subjekte ihres eigenen Lebens und der sozialen und demokratischen Schaffung jener gesellschaftlichen Verhältnisse, die sichern, daß dafür jeder und jedem nachhaltig die Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Dies wäre das Projekt der Transformation hin zu einer Gesellschaft individueller Eigentümer an den Bedingungen ihres individuellen Lebens und der bewußten solidarischen Regulation der dafür notwendigen sozialen Reproduktionsprozesse. 81

Blochs Schriften sind wie Erzählungen auf langen Wegen, Erzählungen in einer Herberge auf dem Wege bei Wein und Blochs geliebter Pfeife. Und die Wege selbst und die Herberge wurden geschaffen durch diese Erzählungen. Wer Bloch folgt, bei seinen Erzählungen verweilt, mit ihm erschaut, was ohne ihn niemals gesehen worden wäre, wird ein anderer. Und die wichtigste Botschaft für jene, die die Welt zur Heimat bilden und dabei zu sich selbst finden wollen, bleibt, was der mehr als Achtzigjährige schrieb: "Derart hat auch das Leben genau soviel Sinn, wie er sich in Unzufriedenheit, Arbeit, Verwerfung des uns Inadäquaten, Ahnung des Angemessenen erst bildet; übersteigend, nicht verstiegen." 82

Michael Brie - Jg. 1954, Prof. Dr., Philosoph, Berlin. Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Rosa-Luxemburg-Stiftung; Leiter der Projektgruppe Politikanalyse. Zahlreiche Publikationen, u. a.: Zur Programmatik der Partei des Demokratischen Sozialismus. Ein Kommentar, Berlin 1997; Reform- Alternativen. Sozial - ökologisch - zivil, Berlin 2000; Sozialismus als Tagesaufgabe (Hrsg.), Manuskripte 36 der RLS, 2003.

*"Blochs befreiende Spurenlese und die Befreiung der sozialistischen Visionen aus dem Gefängnis stalinistischer Hörigkeit" - Beitrag zum Workshop der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum 25. Todestag von Ernst Bloch unter dem Titel "Hoffnung muß gelernt werden" am 2. 11. 2002.

1 Ernst Bloch: Naturrecht und menschliche Würde. GA, Bd. 6, S. 81.

2 Mit 13 Jahren, 1898, schreibt Ernst Bloch seine erste philosophische Abhandlung "Das Weltall im Lichte des Atheismus". 79 Jahre später erliegt er im Alter von 92 Jahren am Morgen des 4. August 1977 einer Herzschwäche.

3 Ernst Bloch: Tübinger Einleitung in die Philosophie, GA, Bd. 13, S. 49 f.

4 So beginnt Ernst Blochs 1930 erschienenes Werk "Spuren": "ZU WENIG. Man ist mit sich allein. Mit den anderen zusammen sind es die meisten auch ohne sich. Aus beidem muss man heraus. " Ernst Bloch: Spuren. GA, Bd. 1, S. 11. Und so beginnt der Teil V seines Hauptwerks "Das Prinzip Hoffnung": "NICHT IM REINEN MIT SICH. Von früh auf will man zu sich. Aber wir wissen nicht, wer wir sind. Nur dass keiner ist, was er sein möchte oder könnte, scheint klar." Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, GA, Bd. 5, S. 1089.

5 Motto des Werkes Spuren, S. 1.

6 Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, S. 1628. Sehr dringlich dazu in der erweiterten Vorrede zum "Geist der Utopie" von 1919: "Wir wollen gut werden, wieder einfach wie Kinder, uns lieben, uns helfen, uns trauen, wir Freunde. Aber gewiss: dabei wollen wir auch den Traum der Kindheit, den uneingelösten, nicht verlieren. Denn erst recht von diesem fällt nun aller Bombast der Rohheit und der ›Werke‹, des Erwachsenseins und Kompliziertseins in einerWelt ab... Gutes, Echtes, Heimkehrendes allein hat sich von hier ab zu bewähren. " Ernst Bloch: Absicht. Erweiterte Vorrede zum "Geist der Utopie", in: Viele Kammern im Welthaus. Eine Auswahl aus dem Werk. Hrsg. von Friedrich Dieckmann und Jürgen Teller, Leipzig 1994, S. 61 f.

7 So kann der 84jährige einer Schrift des 17jährigen als Motto entnehmen: "... das Wesen der Welt ist heiterer Geist und Drang zum schaffenden Gestalten; das Ding an sich ist die objektive Phantasie". Ernst Bloch: Philosophische Aufsätze zur objektiven Phantasie. GA, Bd. 10, Ffm. 1969, S. 5.

8 Ernst Bloch: Geist der Utopie, 2. Auflage, GA, Bd. 3, S. 209.

9 Ernst Bloch: Spuren, S. 61 - 72.

10 Ebenda, S. 64.

11 Ebenda.

12 Bloch zitiert ein altes persisches Märchen, wo ein Jüngling ein Mädchen aus ihrer Gefangenschaft zu erlösen sucht und - erschlagen durch ihren Vater - sterbend sagt: "Ich wollte dich nach Hause führen, wo du noch niemals warst." Ebenda, S. 81.

13 Ebenda, S. 71 f.

14 Karl Marx: Thesen über Feuerbach. In: MEW, Bd. 3, S. 6.

15 Ernst Bloch: Über Eigenes selber, in: Morgenblatt des Suhrkampverlages, Nr. 14, 2. November 1959, S. 1 f. (zit. in Silvia Markun, 1977: Ernst Bloch. Reinbek bei Hamburg, S. 19.).

16 "Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir". Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, in: Ders.: Sämtliche Werke, Bd. 1, S. 642.

17 Vgl. aus dem Nachlass: Ernst Bloch, 2000: Der Logos der Materie. Frankfurt am Main.

18 Was er als die drei Wesenszüge des "jüdischen Weltgefühls" bezeichnete, sind vor allem auch Züge und Stufen seines Denkens: "Zuerst das eifernde, völlig willensmäßige Verhalten gegen die Welt; danach der Drang auf die Verwandlung des Lebens zur Reinheit, Geistigkeit und Einheitlichkeit, womit der Gerechte die Schlüsselgewalt über das Obere erlangt; und schließlich - mit überweltgroßen Visionen - das ebenso wohl motorische als prägnant historische, unbildliche, unnaturhafte Gerichtetsein auf ein noch nicht daseiendes messianisches Ziel über der Welt." Ernst Bloch: Symbol: Die Juden (entstanden 1912/13), in: Viele Kammern im Welthaus, S. 49.

19 Ernst Bloch: Geist der Utopie, 2. Auflage, S. 343 f.

20 Zur Analyse und Auseinandersetzung des Autors mit diesem Paradigma vgl. u. a.: Michael Brie: Freiheit und Sozialismus. Die Programmatik der PDS in der Diskussion, in: Michael Brie, Michael Chrapa und Dieter Klein, 2002: Sozialismus als Tagesaufgabe, S.34 ff.; Ders.: Sozialismus: Ein Blick zurück in die Zukunft. Eigene Positionen für einen sozialistisch-christlichen Dialog, in: UTOPIE kreativ, Heft 129/130 (Juli/ August 2001).

21 Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: MEW, Bd. 1, S. 385.

22 Beispielhaft in der "Heiligen Familie", MEW, Bd. 2, S. 38.

23 Ernst Bloch: Der Geist der Utopie, 2. Auflage, S. 299 f.

24 Marxens Auffassung von der historischen Mission, so Friedrich Dieckmann, dieses "mit viel analytischempirischer Rationalität befestigte und ausgefüllte Grundgerüst des Marxschen Denkens mußte für Blochs nach dem Archimedischen Punkt suchende Identitätsphilosophie etwas Unwiderstehliches haben". Friedrich Dieckmann: Rettung durch Vermittlung. Der Philosoph auf der Brücke. In: Ernst Bloch: Viele Kammern im Welthaus, S. 15.

25 Chassidischer Meister, Lehrer.

26 Ernst Bloch: Der Geist der Utopie, 2. Auflage, S. 307.

27 Ebenda, S. 299.

28 Ebenda, S. 306.

29 Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, S. 724.

30 Ebenda, S. 1606 f.

31 Ebenda, S. 725.

32 Ebenda, S. 726.

33 Ebenda.

34 Ebenda, S. 1623.

35 Ebenda.

36 Ebenda, S. 727.

37 Ebenda, S. 1607.

38 Ernst Bloch: Über Karl Marx, S. 126

39 Ernst Bloch: Universität, Wahrheit, Freiheit, in: Viele Kammern im Welthaus, a. a. O., S. 484.

40 Zitiert in: Silvia Markun, 1996: Ernst Bloch. a. a. O., S. 102.

41 Ernst Bloch: Naturrecht und Menschenwürde, a. a. O., S. 204.

42 Ernst Bloch: Lenin, der "rote Zar", in: Ernst Bloch: Viele Kammern im Welthaus, S. 101.

43 Ernst Bloch: Erkrankter Sozialismus, in: Ernst Bloch: Viele Kammern im Welthaus, S. 104.

44 Ernst Bloch: Revolutionshindernisse in Deutschland, in: Ernst Bloch: Viele Kammern im Welthaus, S. 95.

45 Ernst Bloch: Erkrankter Sozialismus, S. 104 f.

46 Ebenda, S. 105.

47 Ernst Bloch: Amusement Co., Grauen, Drittes Reich, in: Ernst Bloch: Viele Kammern im Welthaus, S. 348.

48 Ernst Bloch: Geist der Utopie. Erste Fassung, Werke Bd. 16, S. 9.

49 Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, S. 711.

50 Ernst Bloch: Bucharins Schlusswort, in: Ernst Bloch: Viele Kammern im Welthaus, S. 363 f.

51 Kritik, Affirmation, aber auch Apologie werden geübt, wenn Bloch nach dem 20. Parteitag der KPdSU schreibt: "Den Abtrünnigen ist der Parteitag besonders bitter und verschlägt ihnen den Atem, obwohl sie in einigem doch Recht bekommen zu haben scheinen. Aber sie, die ihr eh schon Gesagtes so unbeschwert, ja so gern und erfolgreich an ihre angeblichen Feinde, wie Dulles (John Foster Dulles, USAußenminister unter Präsident Eisenhower von 1953 bis 1959 - M. B.) oder Conant (James Bryant Conant, Hoher Kommissar und Botschafter der USA in der Bundesrepublik Deutschland von 1953 bis 1956 - M. B.), verkauft haben, merken zugleich, daß sie nicht einmal das Recht haben, recht gehabt zu haben. " Denjenigen, die sich vom Kommunismus abgewandt hatten, wird böse vorgeworfen: "Sie blieben nicht im Schiff, um hier die Fahne hoch oben zu halten, sie gegebenenfalls an den Mast zu nageln, sondern verrieten und hetzten; alles Falsche, gar Blutige kam ihnen zu paß." Ernst Bloch: Über die Bedeutung des 20. Parteitages, in: Ernst Bloch: Viele Kammern im Welthaus, S. 494.

52 Ernst Bloch: Universität, Wahrheit, Freiheit, in: Ernst Bloch: Viele Kammern im Welthaus, S. 486.

53 "... daß weder menschliche Würde ohne ökonomische Befreiung möglich ist noch diese, jenseits von Unternehmern und Unternommenen jeder Art, ohne die Sache der Menschenrechte. Beides geschieht nicht automatisch im selben Akt, sondern ist wechselseitig aufeinander angewiesen, bei ökonomischen Prius, humanistischem Primat." Ernst Bloch: Naturrecht und menschliche Würde. GA, Bd. 6, S. 13.

54 Bei Trotzki wird dies durch eine Art "thermidorianische Restauration" erklärt, die langfristig durch eine neue revolutionäre Wandlung zum wirklichen Sozialismus oder durch eine Reaktion, ausgelöst durch die herrschende Staatsbürokratie selbst, zurück zum Kapitalismus führt.

55 Siehe auch: Von der Unmöglichkeit, Befreiung als Freiheit zu denken. Bertolt Brechts politiche Philosophie einer entfremdeten Emanzipation, in: Sebastian Kleinschmitdt; Therese Hörnigk: Brechts Glaube. Brecht Dialog 2002. Religionskritik - Wissenschaftsfrömmigkeit - Politische Theologie.Berlin: Theater der Zeit 2002. Literaturforum im Brechthaus. Recherchen 11, S. 205 - 221.

56 Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, S. 1056.

57 Ebenda, S. 1058.

58 Ebenda, S. 1060. Die Partei, die wichtigste Organisation des sowjetischen Sozialismus wird nicht einmal erwähnt.

59 Ebenda, S. 1061.

60 Ernst Bloch: Über die Bedeutung des 20. Parteitags, a. a. O., S. 505.

61 Es ist bedenkenswert, daß der Staatssozialismus anders als andere Herrschaftsordnungen vor ihm geistig (auch) durch seine eigene Utopie zugrunde gerichtet wurde. Vgl. dazu: Michael Brie: Michail Gorbatschow: heroische Illusionen und naive Selbstdemontage der Macht. Eine sozialtypologische Analyse, in: Theodor Bergmann/ Mario Keßler: Ketzer im Kommunismus. Alternativen zum Stalinismus, Mainz 1993.

62 Ernst Bloch: Naturrecht und Menschenwürde, S. 204.

63 Ernst Bloch: Universität, Wahrheit, Freiheit, a. a. O., S. 486.

64 Ernst Bloch: Lenin, , der "rote Zar", a. a. O., S. 102.

65 Ernst Bloch: Naturrecht und menschliche Würde. Werke, Bd. 6, S. 91.

66 Vgl. dazu Meyer, Thomas, 2002: Soziale Demokratie und Globalisierung, S. 7 - 24.

67 "Das Problem eines Erbes am klassischen Naturrecht ist suo modo ebenso dringend, wie es dasjenige an den sozialen Utopien war. Soziale Utopien und Naturrecht hatten ein sich ergänzendes Anliegen im gleichen humanen Raum: getrennt marschierend, leider nicht vereint schlagend. Obgleich beide in dem Entscheidenden einig waren, das menschlichere Gesellschaft heißt, so bestanden doch zwischen Sozialutopien und Naturrechtslehren lange wichtige Unterschiede. Sie sind, sehr abgekürzt, so formulierbar: Die Sozialutopie ging auf menschliches Glück, das Naturrecht auf menschliche Würde. Die Sozialutopie malte Verhältnis voraus, in denen die Mühseligen und Beladenen aufhören, das Naturrecht konstruierte Verhältnisse, in denen die Erniedrigten und Beleidigten aufhören." Ernst Bloch: Naturrecht und menschliche Würde, S. 13.

68 Ebenda, S. 213.

69 Ebenda, S. 231.

70 Ebenda, S. 237.

71 Ebenda, S. 232.

72 Ebenda, S. 81.

73 "Der freie Mann war nicht billiger als um den Preis des geschäftstüchtigen zu haben. Aber auch der Unternehmer und sein individuelles Geschäft waren gut und fortschrittlich, als sie entstanden. Als sie im Widerspruch gegen feudale Bindungen sich entwickelten und diese schließlich gesprengt wurden." Ebenda, S. 68.

74 Ebenda, S. 206.

75 Wie schrieb aber schon Fichte: "Zu sagen, das wird sich alles schon von selbst geben, jeder wird immer Arbeit und Brot finden, und es nun auf dieses gute Glück ankommen zu lassen, ist einer durchaus rechtlichen Verfassung nicht anständig " Zit. in ebenda, S. 90.

76 Peter Ruben: Wieviel Gemeineigentum brauchen wir? Initial, 1990, Heft 2, S. 115-126.

77 Naturrecht und menschliche Würde, S. 186.

78 "Wird von den vier alten Grundrechten die proprieteÂ’ auf einen neuen Sinn geordnet, das heißt, statt Freiheit des Erwerbs entsteht Freiheit vom Erwerb, dann leben liberté, sûreté rechtens erst auf; und résistance à l'oppression? Gerade in revolutionärer Frische und zwecks ihrer bleibt der 14. Juli auflebend, sein menschliches Gesicht, auch nach und ohne Bastille." Ebenda, S. 81.

79 Zitiert in: Kritisches Wörterbuch der Französischen Revolution. Herausgegeben von François Furet und Mona Ozouf. Zweiter Band. Frankfurt am Main 1996, S. 726.

80 Zit in: Walter Markov: Revolution im Zeugenstand. Frankreich 1789-1799, Leipzig 1982, S. 435.

81 Vgl. dazu Dieter Klein, 2002: Demokratischer Sozialismus als transformatorisches Projekt. Ein Beitrag zur Programmdiskussion der PDS, in: Michael Brie: Freiheit und Sozialismus. die Programmatik der PDS in der Diskussion, in: Michael Brie, Michael Chrapa und Dieter Klein, 2002: Sozialismus als Tagesaufgabe, a. a. O., S. 66-112.

82 Ernst Bloch: Atheismus im Christentum, GA, S. 334.

 

in: UTOPIE kreativ, H. 153/154 (Juli/August 2003), S. 720-740

Inhalt UTOPIE kreativ, H. 153/154 (Juli/August 2003)

VorSatz 581 Essay ULRICH BUSCH Agenda 2010 - das deutsche Programm für einen Gesellschaftsumbau 583 PDS - Wege aus der Krise THOMAS FALKNER Politik als Chance 592 MICHAEL CHRAPA Parteireform als Aufbruch? 603 STEFFEN KACHEL Zum Spannungsfeld von PDS und Parlamentarismus 609 JÖRN SCHÜTRUMPF Krisenhafte Kommunikation. Thesen 614 HEIKO HILKER Politische Kommunikation und PDS 617 ERHARD CROME PDS. Ansichten einer Krise 628 Nachhaltigkeit & Soziale Gerechtigkeit REINART BELLMANN, HUBERT LAITKO, KLAUS MEIER Generationengerechtigkeit: Die Verknüpfung ökologischer und sozialer Zielstellungen im Nachhaltigkeitskonzept 635 JOACHIM H. SPANGENBERG Soziale Nachhaltigkeit. Eine integrierte Perspektive für Deutschland 649 GÜNTHER BACHMANN Warum Nachhaltigkeit ? 662 KLAUS WARDENBACH Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert. Der World Summit in Johannesburg 666 CHRISTA WICHTERICH Nachhaltigkeit und neoliberale Globalisierung aus feministischer Sicht 670 RONALD HÖHNER Der Stempel von Rio 675 GERHARD BANSE Integrative nachhaltige Entwicklung und Technikfolgenabschätzung 680 EDGAR GÖLL Nachhaltigkeitspolitik - Beispiele aus Europa 692 ELISABETH VOSS Wie nachhaltig ist die aktuelle Arbeitsmarktpolitik? 696 Ernst Bloch: Hoffnung muß gelernt werden VOLKER CAYSA Bloch - (k)ein toter Hund 698 ROGER BEHRENS Aktualisierung des Ungleichzeitigen. Anmerkungen zur Prozeßlogik einer mehrschichtigen Dialektik 707 MICHAEL BRIE Zwischen Wärmestrom und Kälteschock 720 Politik & Zeitgeschichte JÜRGEN JAHN Geraubte Jahre. Der Lebensweg des Bernhard Steinberger 741 WOLFRAM ADOLPHI Verweigertes Gedenken 751 Festplatte WOLFGANG SABATH Die Wochen im Rückstau 758 Bücher & Zeitschriften Siegfried Freick: Die Währungsreform 1948 in Westdeutschland. Weichenstellung für ein halbes Jahrhundert (WOLFGANG TRIEBEL) 760 Wolfgang Schivelbusch: Die Kultur der Niederlage. Der amerikanische Süden 1865 - Frankreich 1871 - Deutschland 1918 (STEFAN BOLLINGER) 761 Jörg Huffschmid: Politische Ökonomie der Finanzmärkte. Aktualisierte & erweiterte Neuauflage Bernard Cassen, Susan George, Horst Eberhard Richter, Jean Ziegler u. a.: Eine andere Welt ist möglich! (ULRICH BUSCH) 763 Rainer Rupp, Burchard Brentjes, Siegwart-Horst Günther: Vor dem dritten Golfkrieg (ANJA LAABS) 765 Gerhard Roth: Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert (ALJOSCHA JEGODKA) 767 Hans-Dieter Heumann: Deutsche Außenpolitik jenseits von Idealismus und Realismus. Mit einem Vorwort von Hans-Dietrich Genscher (STEFAN BOLLINGER) 768 Arne Heise (Hrsg.): Neues Geld - alte Politik? Die EZB im makroökonomischen Interaktionsraum (ULRICH BUSCH) 770 Erhard Meueler Lob des Scheiterns. Methoden- und Geschichtenbuch zur Erwachsenenbildung an der Universität (EVELIN WITTICH) 772 Hartmut Häußermann, Andreas Kapphan: Berlin: von der geteilten zur gespalteten Stadt? Sozialräumlicher Wandel seit 1990. (TERESA ZAVALA) 773 Vida Obid, Mirko Messner, Andrej Leben: Haiders Exerzierfeld. Kärntens SlowenInnen in der deutschen Volksgemeinschaft (MARTIN SCHIRDEWAN) 774 Joachim Bischoff, Sebastian Herkommer, Hasko Hüning: Unsere Klassengesellschaft. Verdeckte und offene Strukturen sozialer Ungleichheit, (FRIEDHELM WOLSKI-PRENGER) 775 Christian Höffling: Korruption als soziale Beziehung, Forschung Soziologie. (ARNDT HOPFMANN) 777 Ulrich Klemm: Lernen ohne Schule. Argumente gegen Verschulung und Verstaatlichung von Bildung. (ANDREAS MERKENS) 778