Das Gespenst des Antiamerikanismus -

Nebelwand der amerikanistischen Herrschaftsideologie

Ein Gespenst geht um in Europa und der Welt, das Gespenst des Antiamerikanismus. Es scheint nach dem 11. September 2001 fast zum Hauptfeind der Zivilisation geworden zu sein.

Zunächst aber ist es nicht mehr und nicht weniger als ein Schlagwort in einer geistigen Auseinandersetzung. Und solche Auseinandersetzungen werden gewonnen und verloren mit der Fähigkeit oder Unfähigkeit, Begriffe zu besetzen und durch Schlagworte die kritische analytische Urteilsfähigkeit zu begraben.1 In Diskursen wird symbolische Herrschaft durchgesetzt, eine Herrschaft, die auf der Anerkennung der herrschenden Sprachregeln durch die große Mehrheit der Bevölkerung basiert. Die Voraussetzung dafür ist, daß vor allem die politisch-wirtschaftlich-kulturellen Eliten sich an gemeinsame Sprachregeln gebunden haben. Eliten herrschen dann, wenn sie in der Lage sind, folgende Regel durchzusetzen: "Die Welt ist, was wir sprechen." Dies hat den Ausschluß alternativer Sprecher zur Bedingung. Eine solche Sprachregelung von Deutung und Herrschaft ist die, die nach dem 11. September 2001 durchgesetzt wurde. Es ist die Regel der Ablehnung jedes Antiamerikanismus. Die autoritative Verwendung des Begriffs Antiamerikanismus sucht eine symbolische Klassifikation durchzusetzen, bei der der Antiamerikanismus negativ besetzt wird, was impliziert dazu führt, einen Amerikanismus - zumeist, ohne diesen näher zu bestimmen - positiv zu bewerten. Was als analytische Unterscheidung daherkommt, tritt zugleich mit dem Anspruch auf, legitime von illegitimen Deutungen ("antiamerikanistischen") zu unterscheiden. Solche Klassifikationen stellen politisches Handeln im engsten Sinne des Wortes dar.2 Es geht um die Herrschaft darüber, was gesagt werden darf - und damit geht es um die Herrschaft darüber, was legitimerweise gedacht werden kann. Wer aber Sprache und Denken beherrscht, hat herrschaftskritisches dissidentisches Handeln schon deshalb unmöglich gemacht, weil es nicht einmal mehr für möglich gehalten wird. Die politische Diskussion zum Antiamerikanismus ist vor allem eine Phantomdiskussion. Dies sei beispielhaft am Vorwurf gegenüber der PDS vorgeführt, sie vertrete "antiamerikanistische" Positionen. So spricht Edmund Stoiber von der PDS als "Brutstätte des Antiamerikanismus " (12. Oktober 2001). Der Kandidat der CDU für den Regierenden Bürgermeister, Steffel, schrieb auf seiner Homepage: "Es hat bedauerlicherweise auch nicht lange gedauert, bis sich ein Antiamerikanismus - der von PDS und Grünen mindestens toleriert, wenn nicht gar geschürt wird - in einer für unsere Stadt unerträglichen und peinlichen Weise Gehör verschafft hat." Auch Günter Rexrodt behauptet, daß die PDS "wie kaum eine andere Partei in Deutschland für den Antiamerikanismus" stehe.
Eine solche Sprache stellt schon deshalb eine Sprache der Verschleierung dar, weil sie behauptet, daß die Kritik oder Ablehnung einer bestimmten Politik eines Staates mit einem Angriff auf den Staat identisch wäre. Die Kritik des deutschen Militarismus und Kolonialismus wäre dann "antinational" gewesen - ein bekannter Vorwurf, eine kritische Haltung zur Politik der USA sei USA-feindlich. Die Erklärungen der PDS selbst sprechen eine Sprache, die schwer unter den Begriff einer USA-Feindlichkeit subsumiert werden kann, sondern von Mitgefühl für die Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten getragen sind. So erklärte noch am gleichen Tag Gregor Gysi unter anderem: "Die schrecklichen Ereignisse machen fassungslos. Mein tiefes Mitgefühl gilt den Verletzten und den Angehörigen der Opfer. Die Verantwortlichen für diese abscheulichen Terroranschläge verdienen die Ächtung der Weltgemeinschaft. Sie müssen gesucht und für diese Untaten bestraft werden. Der Terrorismus ist weltweit zu verfolgen, Frieden - Weltfrieden - muß auf neue Art erkämpft werden. Dazu gehört, die Ursachen des Terrorismus zu überwinden." Die Vorsitzende der PDS, Gabi Zimmer, ließ ebenfalls am 11. September verlauten: "Die PDS verurteilt auf das Schärfste die brutalen, unmenschlichen Anschläge auf das World Trade Center, das Pentagon und das US State Department. Derartige entsetzlichen, bisher nie da gewesenen Terrorakte mit Tausenden Toten sind durch keinerlei politische Ziele, durch nichts, absolut nichts zu rechtfertigen. Dies schon deshalb nicht, weil ihnen zahllose unbeteiligte, unschuldige Menschen zum Opfer fallen Â… Wir sind aufs Äußerste erschüttert und empört. Unser ganzes Mitgefühl gilt den Opfern. In dieser Stunde der hoch schlagenden Emotionen appellieren wir an die US-Regierung, beim Abwägen ihrer Reaktion das Maß an Verantwortung für die Erhaltung des Friedens an den Tag zu legen, die einer Großmacht wie den USA zukommt. Nicht rasche Vergeltung, nicht Gewalt gegen Gewalt, sondern Deeskalation, Beiträge zur Lösung von brisanten internationalen Konflikten, die mit diesen Anschlägen in Verbindung gebracht werden, sind das Gebot der Stunde. Der Weltfrieden steht auf dem Spiel." Der Fraktionsvorsitzende der PDS im Deutschen Bundestag, Roland Claus, erklärte am 11. Oktober in einer Rede: Die "Kritik an den Militäreinsätzen in Afghanistan bedeutet für die PDS nicht das Ende der kritischen Solidarität mit Amerika, obwohl uns das häufig unterstellt wird Â… Nach den nun begonnenen Militäreinsätzen haben wir nicht kurzschlüssig oder antiamerikanisch reagiert, sondern wir haben gefragt: Sind diese Mittel geeignet, den Terror zu bekämpfen? Führen sie zu mehr Sicherheit in Amerika oder Deutschland? Besteht nicht eher die Gefahr, daß in der Logik des Wahnsinns Gegenschläge infolge des 11. September einkalkuliert sind? Werden die Terroristen die Bomben auf Afghanistan nicht dazu benutzen, neuen Fanatismus anzuheizen? Natürlich ist eine kritische Minderheit hier im Parlament in schwieriger Lage, weil ihr unterstellt wird, sie wolle nichts tun, während die hinter der Regierung Stehenden für sich öffentlich durchaus in Anspruch nehmen: Wir tun wenigstens etwas! Nur, meine Damen und Herren, wird ihr Tun dem angestrebten Ziel gerecht? Das glaube ich nicht."
Wenn aber nun der Vorwurf einer USA-feindlichen Position, zumindest bezogen auf die führenden Vertreter der PDS und die gesamte deutsche Linke, eine reine Phantomdiskussion ist, dann fragt man sich, worin der Sinn dieser Diskussion besteht. Wieso wird eine linke USAFeindlichkeit beschworen, wenn es sie überhaupt nicht gibt? Die Antwort ist einerseits außerordentlich einfach: Indem man ständig über eine nicht existente linke USA-Feindlichkeit spricht, kann man über den herrschenden Amerikanismus schweigen und ihn genau dadurch stillschweigend durchsetzen. Das Wesentliche wird gegen Analyse wie Kritik immun, indem es unsichtbar gemacht wird. Jeder Versuch, hinter den Nebelvorhang vorzudringen, wird als Tabubruch, als Antiamerikanismus denunziert.
Dieser Vorgang der Legitimation eines Amerikanismus durch Konstruktion des Antiamerikanismus erfolgt erstens dadurch, daß die Vorsilbe "Anti" weglenkt von dem, worüber man eigentlich Auskunft haben müßte, um den Inhalt des Antiamerikanismus bestimmen zu können - nämlich den Amerikanismus. Es wird nach dem Motto "Haltet den Dieb!" verfahren: Man lenkt von sich selbst ab. Das Wort Amerikanismus stellt zweitens seinerseits wiederum eine Verschleierung dar, weil es zwei Dinge in eins faßt - "Amerika" als Kurzfassung für die USA und etwas, was in einen "Ismus" erhoben wird. Im folgenden wird deshalb strikt zwischen USA-Feindlichkeit als Ablehnung der USA selbst als Staat und Volk einerseits und Antiamerikanismus als Ablehnung der Ideologie des Amerikanismus unterschieden. Es wird die These aufgestellt: Indem der Linken USA-Feindlichkeit unterstellt wird, wird zugleich der Amerikanismus und mit ihm die Unterwerfung unter die Interessen der herrschenden Eliten der USA durchgesetzt. Nur eine solche Unterstellung erlaubt es auch, die linke Kritik an der Politik der USA mit einer rechten deutsch-nationalistischen USA-Feindlichkeit auf böse Weise zu identifizieren und die alte Gleichsetzung von Links und Rechts zu bedienen. Linke können gar nicht gegen Länder sein, weil sie den Anspruch auf einen humanistischen Universalismus haben, der jeder und jedem einzelnen, jeder Gruppe, jeder Ethnie, jedem Land das Recht auf freie Entwicklung zuspricht - vorausgesetzt, sie erfolge nicht auf Kosten anderer, sondern durch einen solidarischen Beitrag zur Entwicklung aller anderen. Von einem solchen Standpunkt ist eine Anti-USAHaltung genauso sinnlos wie etwa eine Anti-Europa- oder Anti-Chinabeziehungsweise Anti-Afghanistan-Haltung. Dieser humanistische Universalismus kann um so weniger gegen die USA gerichtet sein, weil eine seiner wesentlichsten Quellen der antikoloniale Kampf der USA im ausgehenden 18. Jahrhundert und vor allem die in die Verfassung der USA aufgenommenen Bill of Rights darstellen, die erste Menschenrechtserklärung, die geltendes Gesetz wurde. Es gehört zu dieser Tradition, daß Freiheiten nicht gegeben, sondern genommen wurden3. Und angesichts der Tatsache, daß in Deutschland zwar offensichtlich das Parlament die Verfassung ab und zu "verschlimmbessern " kann, indem in der Tendenz freiheitliche Errungenschaften der Nachkriegszeit zurückgenommen werden, und das Bundesverfassungsgericht in die Stellung eines Patrons des Grundgesetzes gerückt ist, sollte man sich auch des Artikels 3 der Bill of Rights des Staates Virginia von 1776 erinnern: "Â… von all den verschiedenen Arten und Formen der Regierungen ist die die beste, die fähig ist, den höchsten Grad von Glück und Sicherheit zu erzielen, und die am wirksamsten gegen die Gefahr einer Mißwirtschaft gesichert ist; und wenn irgendeine Regierung sich diesen Zwecken nicht gewachsen oder feindlich zeigt, so hat eine Mehrheit der Gemeinschaft ein unbezweifelbares, unveräußerliches und unverletzbares Recht, dieselbe zu reformieren, umzugestalten oder abzuschaffen, so wie es für das allgemeine Wohl am nützlichsten zu erachten ist."4 Kriterium sind dabei die "angeborenen Rechte" der Menschen, so die Autoren dieser Grundrechtscharta. Die USA sind aber kein einfacher Staat unter den vielen Staaten der Erde, sondern stellen eine besondere Macht in der heutigen Welt dar: Sie sind zur einzigen Weltmacht geworden. Das Verhältnis zur USA ist nolens volens ein Verhältnis zur USA als einer solchen sehr besonderen Weltmacht. Und die Erfindung einer zumindest in der deutschen Linken nicht existenten USA-Feindlichkeit soll - durch Ablenkung, Verschweigen, Immunisieren gegen jede Kritik - den herrschenden Amerikanismus legitimieren.
Die Konstruktion einer Ideologie der USA-Feindlichkeit, für die aber überhaupt keine relevanten linken Vertreter benannt werden können, die also eine Schöpfung jener ist, die sie zu bekämpfen vorgeben, dient - so sei behauptet - im gegenwärtigen Diskurs vor allem dazu, eine Ideologie Amerikanismus zu konstituieren, ohne diesen Prozeß selbst direkt zur Sprache bringen zu müssen. Und wie jede Ideologie so soll auch diese Ideologie Subjekte hervorbringen5, die bestimmte Deutungen teilen und bestimmte Praxen als gesellschaftlich legitim anerkennen. Wie in einem Vexierspiegel wird eine USA-Feindlichkeit konstruiert, um den eigenen Amerikanismus der Analyse zu entziehen. Amerikanismus, so sei behauptet, ist vor allem eine Ideologie, die die unilaterale Weltmachtrolle der USA als universales Menschheitsinteresse zu legitimieren sucht.6 Samuel P. Huntington bringt diese Position auf den Begriff, wenn er schreibt: "Ohne die Vorherrschaft der USA wird es auf der Welt mehr Gewalt und Unordnung und weniger Demokratie und wirtschaftliches Wachstum geben, als es unter dem überragenden Einfluß der Vereinigten Staaten auf die Gestaltung der internationalen Politik der Fall ist. Die Fortdauer der amerikanischen Vorherrschaft ist sowohl für das Wohlergehen und die Sicherheit der Amerikaner als auch für die Zukunft von Freiheit, Demokratie, freier Marktwirtschaft und internationaler Ordnung in der Welt von zentraler Bedeutung."7
In der deutschen Diskussion wird das Problem des Amerikanismus oftmals auf banale Weise entsorgt. So schreibt Henryk M. Broder: "Im Gegensatz zum Anti-Kommunismus, der sich mit dem Ende der Sowjetunion erledigt hat, hat sich der Anti-Amerikanismus weiter entwickelt. Sein größter Vorzug liegt darin, daß er beliebig eingesetzt werden kann. Mischen sich die Amerikaner in außeramerikanische Zusammenhänge ein, drängen sie ihren Willen anderen auf. Halten sie sich raus, werden sie ihrer Verantwortung als Weltmacht nicht gerecht."8 In dieser Verallgemeinerung geht der Maßstab verloren, an dem überhaupt sinnvoll gemessen werden könnte, welche Rolle die USA international im gemeinsamen Interesse aller zu spielen hätten, welchen Regeln sie sich dabei zu unterwerfen hätten, welche Mittel sie legitimerweise einsetzen darf oder auch nicht. Gerade weil die USA über herausragende Ressourcen verfügen, sind diese Fragen auch von besonderem Interesse für alle anderen Völker und Staaten. Und so weit die USA eine zentrale Rolle spielen und spielen müssen, können sie diese nur dann auf legitime Weise übernehmen, wenn sie sich an den Maßstäben allgemeiner Interessen messen lassen.
Die USA wird durch den Amerikanismus in die Rolle eines unikalen Akteurs gebracht, dessen Interessen im Wesen mit den Interessen der Menschheit an Frieden, Gewaltfreiheit, Demokratie und wirtschaftlichem Wohlergehen zusammenfallen. Während Marx vor 160 Jahren die historische Mission des Proletariats erfand, wird heute die Ideologie der welthistorischen Mission der USA vertreten. Wo Marx in der Arbeiterklasse einen sozialen Akteur gefunden zu haben glaubte, der durch die eigene Befreiung zugleich "alle unmenschlichen Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft" aufheben würde9, so sieht der Amerikanismus in den USA einen globalen Akteur, der durch seine Herrschaft zur Befreiung aller anderen von den schlimmsten Übeln der Welt beitragen würde. Anstelle des Stoßes der Gerechtigkeit von unten (Ernst Bloch) wird die Durchsetzung der Gerechtigkeit von oben erwartet. Dies sollte nun jede und jeden mit mindestens genauso viel Mißtrauen erfüllen wie die suggestive Losung von der historischen Mission der Arbeiterklasse.
Der rationale Kern des Amerikanismus liegt zum einen im universalistischen Anspruch begründet, auf den sich die USA immer wieder berufen, und zum anderen in der besonderen Konzentration von Macht, zu der es in den USA gekommen ist. Die USA unterscheiden sich dadurch von anderen Weltmächten vor ihr, daß sie sich nach innen zentralen politischen Grundrechten verpflichtet haben, daß sie eine politische Demokratie sind, die auf der Teilung der Gewalten beruht, daß sie starke eigene Traditionen breiter Bürgerrechtsbewegungen haben, daß sie eine globale Wirtschaftsordnung vertreten, die nicht auf direkter kolonialer Ausbeutung beruht. Dieser universalistische Anspruch, der in Geschichte und innerer Verfaßtheit der USA begründet ist, prägt deren Politik und begrenzt - zumindest langfristig - auch die Mittel, die die USA außenpolitisch einsetzen können, ohne sich dabei im Innern in einen autoritären Staat zu verwandeln. Der rationale Kern des Amerikanismus besteht auch darin, daß die USA tatsächlich gegenwärtig die einzige globale Weltmacht sind. Die USA nehmen durch ihre exzeptionelle Macht zweifelsohne eine besondere Stellung ein. Und sie nutzen diese Stellung zum weiteren Ausbau dieser Macht. Wie Zbigniew Brzezinski deutlich macht, ist es das Zusammenspiel von vier Faktoren - der weltweiten Militärpräsenz, einem Anteil am globalen Bruttosozialprodukt von rund dreißig Prozent in den letzten fünfzig Jahren, ein Vorsprung bei der Beherrschung der modernsten Technologien sowie der kulturellen Anziehungskraft und Dominanz der USA - die "Amerika zu der einzigen globalen Supermacht im umfassenden Sinne"10 machen.
Der ideologische Charakter des Amerikanismus besteht nun darin, daß er die Legitimationslücke füllt, die zwischen der realen Verfügung der USA über einen bedeutenden bis überwältigenden Teil der globalen ökonomischen, politischen, kulturellen und militärischen Ressourcen einerseits und dem Anspruch der USA auf imperiale Macht andererseits klafft. Dabei sei unter imperialer Macht der Wille und die Fähigkeit verstanden, innerhalb des imperialen Machtsystems "Ausnahmeereignisse zu kontrollieren" und - wenn notwendig - "bei Zusammenbrüchen des Systems zu intervenieren"11. Wie schon der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt wußte, beherrscht der, der den Ausnahmezustand kontrolliert, auch den Normalzustand.
Das besondere Problem jeder Herrschaft ist die Legitimation von Gewaltanwendung, der Glaube an das Recht, diese im Namen guter Gründe auszuüben und Gehorsam einzufordern und notfalls auch gewaltsam durchzusetzen.12 Einer herrschenden Macht, der "das Herz zur Gewaltanwendung und die Kraft Â… fehlen, Â… ist Â… zum Untergang verurteilt"13. Es bedarf deshalb immer zum einen einer Politik der Bereitstellung der Gewaltmittel und zum anderen einer Ideologie der Legitimation ihrer Anwendung, wenn der Normalzustand von Herrschaft außer Kontrolle zu geraten droht.
Jede Zivilisation braucht ein Monopol auf Gewalt und bringt Regeln hervor, nach denen Gewalt legitim ausgeübt werden darf. Zivilisation ist Kooperation, deren Regeln durch ein institutionalisiertes Gewaltmonopol ausgeübt werden. Die heutige Menschheit ist in einer einzigen Zivilisation vereint, das ausgehende 20. Jahrhundert sah den Siegeszug des eines durch die USA geprägten kapitalistischen Globalismus. Diesem Typ von Globalisierung entspricht auch das von den USA errichtete Gewaltmonopol. Es ist diese Zivilisation, in der sich die USA und ihre westlichen Verbündeten "zur Herrschaft verdammt" haben (Karl-Otto Hondrich). Das unilaterale Gewaltmonopol der USA ist nur Spiegelbild und prima ratio dieses Globalismus.
Nach 1990 haben die USA sich unter Mitwirkung eines beträchtlichen Teils anderer internationaler Akteure in die Stellung eines Herrschers gebracht, der global über ein unilaterales Monopol der Gewaltanwendung verfügt. Der Krieg gegen den Irak 1990/91 war der erste und außerordentlich effiziente Ausdruck dieses Monopols. Es wurde durch die Zurückdrängung der UNO (bis hin zu dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien), die weitgehende Verdrängung der OSZE, die Ausdehnung der NATO und die Entwicklung unikaler militärstrategischer Fähigkeiten ausgebaut. Entsprechend der 1999 beschlossenen NATO-Strategie können deren militärische Kapazitäten auch eingesetzt werden, wenn weder ein Verteidigungsfall noch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats vorliegen14, Vorrechte, die die USA für sich schon lange in Anspruch nehmen.
Der Präsident der USA hat schon vor dem 11. September 2001 bei der Verkündung einer neuen militärischen Revolution beschrieben, daß es darauf ankäme, "Frieden zu erhalten, indem Krieg zu unseren Bedingungen definiert wird"15. Es geht um die Dominanz der USA in jedem nur möglichen Konflikt, um die Beherrschung des gesamten Risikospektrums.16
Um die konkreten Differenzen aufzuzeigen, die zwischen einem Amerikanismus und anderen Positionen bestehen, sei knapp auf das Problem des Unilateralismus beziehungsweise Multilateralismus in den internationalen Beziehungen eingegangen. Wie Charles Krauthammer schon 1991 feststellte: "Die Welt nach dem Kalten Krieg ist nicht multipolar. Sie ist unipolar. Das Zentrum der Weltmacht ist die unbestreitbare Supermacht, die Vereinigten Staaten von Amerika, begleitet von ihren westlichen Verbündeten."17
In der Situation nach dem 11. September 2001 hat die USA einen "Multilateralismus à la carte" verfolgt. Die Koalition gegen den Terror, so der Verteidigungsminister der USA, werde "durch die Mission definiert" und nicht umgekehrt. Wie Jeffrey Gedmin, Leiter des Aspen Institutes Berlin, zumindest in diesem Falle ein klarer Vertreter des Amerikanismus, schreibt, ließe sich die USA bei ihrem Vorgehen auch nicht durch die Koalitionspartner einengen: "Sollte das zu Schwierigkeiten in der Allianz führen, wäre die amerikanische Sorge, wie man sich vorstellen kann, nur die: ›Wir haben hier etwas zu erledigen und unsere engsten Partner frönen ihrer Obsession mit ›Verfahrensfragen‹ und den ›Modalitäten der Kooperation‹."18 Die Amerikaner würden sich im konkreten Fall nicht von internationalen Bündnissen "die Hände binden lassen"19.
Der in Europa verbreitete Multilateralismus wird in "realistischer" Weise auf die besonderen Interessen der Europäischen Union zurückgeführt. Wie Jeffrey Gedmin schreibt: "Schließlich ist das für eine Mittelmacht die beste Methode, sich gegenüber dem größeren Bruder ins Spiel zu bringen". Die EU sähe den Multilateralismus "als Mittel, ihr eigenes Gewicht zu stärken und die Dominanz der Supermacht USA abzuschwächen."20
Wenn aber klar ist, daß die Staaten der EU eher Vertreter eines Multilateralismus sind, da dieser dem Interesse an der Stärkung der eigenen Positionen entgegenkommt, dann bedeutet dies in der Logik der gleichen Argumentation, daß die USA prinzipiell dazu neigen werden, ihrerseits einen Unilateralismus zu vertreten und Multilateralismus höchstens als das kleinere Übel hinzunehmen, wenn unilaterale Mittel unzureichend sind, oder aber eben einen instrumentellen Multilateralismus von bloßen Zweckbündnissen zu fördern. Die Frage ist nur, was langfristig globalem Frieden, globaler Gerechtigkeit, Entwicklung und Freiheit dient.
Die Bereitstellung von globalen Gemeingütern wie Frieden, Sicherheit, Möglichkeit von Entwicklung, Rahmenbedingungen einer gerechten weltwirtschaftlichen Ordnung usw. erfolgt keinesfalls im Selbstlauf. Es besteht immer die Gefahr, daß Akteure ausgehend von ihren besonderen Interessen allgemeine Interessen verletzen und damit mittelfristig sich auch selbst schädigen.21 Die ungleiche Fähigkeit, sich wechselseitig zu schädigen, blockiert oft kooperative Strategien: Einer der Akteure kann seine Absichten unilateral zum Schaden anderer Akteure durchsetzen, ohne dabei entsprechende Schädigungen selbst hinnehmen zu müssen. Die bis zum 11. September 2001 genährte Vorstellung von der Unverletzbarkeit der USA, die auch durch "Raketenschirme " zukünftig gesichert werden soll, hat die Politik dieses Landes stark geprägt.
In der Geschichte der USA war es die Vorstellung, daß gerade durch die Balance der politischen Gewalten innerhalb des Staates die Freiheit und Sicherheit der Bürger am besten gesichert werden können, die zentral wurde. Wie James Madison bei der Propagierung des Verfassungsentwurfs schrieb: "The interest of man must be connected with the constitutional rights of the place. It may be a reflection on human nature, that such devices should be necessary to control the abuses of government. But what is government itself but the greatest of all reflection on human nature? If man were angels, no government would be necessary. If angels were to govern men, neither external nor internal controls on government would be necessary Â… This policy of supplying by opposite and rival interests, the defect of better motives, might be traced through the whole system of human affairs, private as well as public. We see it particularly displayed in all the subordinated distributions of power; where the constant aim is to divide and arrange the several offices in such a manner as that each may be a check on the other; that the private interests of every individual may be a centinel over the public rights. These inventions of prudence cannot be less requisite in the distribution of the supreme powers of the state."22
Das von den USA global errichtete Gewaltmonopol und die weit-gehende Dominanz der USA über die Regulierung globaler wirtschaftlicher und politischer Prozesse stellt im völligen Widerspruch zum US-amerikanischen Selbstverständnis einer guten Regierung eine "Hierarchie ohne ›countervailing power‹"23, eine Vormacht ohne starke Gegenmächte dar. Mit Madison könnte man natürlich fragen, ob die Eliten der USA es vermögen, zumindest in internationalen Zusammenhängen über alle anderen Normalmenschen ("Normalvölker") wie Engel zu herrschen, die auch ohne externe und interne Kontrolle der Macht ausschließlich im öffentlichen Interesse aller wirken. Wenn die Bürgerinnen und Bürger der USA ihrer Regierung aber keine solche engelhaften Eigenschaften zubilligen, dann fragt sich, wieso es die Völker der anderen Länder tun sollten?!24
Wenn man Gleichheit walten läßt und den US-amerikanischen Eliten international keine gottähnlichen, engelhaften Eigenschaften zuspricht, die ihnen ihr eigenes Volk in inneren Anliegen nie zubilligen würde, dann gibt es nur eine Möglichkeit, den Anspruch der USA auf imperiale Vormacht rational zu begründen. Und diese Begründung sollte gerade von Kritikern des Amerikanismus detailliert bedacht werden. Man müßte, wie schon kurz angedeutet, annehmen, daß die Eigeninteressen der USA zugleich unmittelbar die Grundinteressen aller anderen Völker, das gemeinsame Beste, wären. Das, was gut ist für die USA, wäre auch gut für die Welt. Es ist dies die Logik, mit der sich jede absolutistische Herrschaft legitimiert ("Ich bin der Staat, ich vertrete das Gemeinwohl!"). Und diese Annahme ist zumindest zu prüfen. Wäre sie begründet, dann entstünde immer noch die Frage der Kontrolle jener, die mit der Verfolgung der Interessen der USA beauftragt sind, nicht aber mehr die Frage nach Gegengewichten zu den Interessen der USA selbst.
Kollektivgüter sind Güter, die - einmal vorhanden - durch alle genutzt werden können. Sie sind inklusiv, das heißt, niemand kann von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden. Ihre Nutzung durch alle senkt auch nicht den Wert dieser Güter, sondern erhöht ihn zumeist. Zu solchen Gütern gehören auf globaler Ebene Frieden, Sicherheit, gerechte Entwicklung usw. Kollektivgüter müssen nicht immer durch alle gemeinsam bereitgestellt werden. Dies ist schon deshalb schwierig, weil die Koordination vieler hohen zusätzlichen Aufwand verlangt, weil viele lieber "Schwarzfahren" möchten und die Bereitstellung solcher Güter gerne anderen überlassen, ohne selbst sich an dem notwendigen Aufwand zu beteiligen usw. usf.
Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, dafür zu sorgen, daß solche Kollektivgüter bereitgestellt werden. Eine nicht völlig ungewöhnliche Variante ist dann gegeben, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: (1) Ein einzelner privilegierter Akteur verfügt über die Ressourcen, um diese Güter unilateral bereitzustellen. Er ist dabei nicht zwingend auf die Unterstützung anderer angewiesen. (2) Er hat zugleich ein hinreichendes Eigeninteresse an diesen Gütern. Der Nutzen, den allein schon er selbst aus der Bereitstellung dieser Kollektivgüter für sich ziehen kann, ist größer als der Aufwand, den er treiben muß, um allein dafür zu sorgen, daß sie bereit gestellt werden (der Nutzen für ihn ist größer als sein Aufwand).25 Im Idealfall würde dies eine unmittelbare Identität der Interessen des privilegierten Akteurs mit dem Interesse aller anderen an dem Kollektivgut voraussetzen.26 Die Nutzung des Guts durch alle anderen würde er als unvermeidliches beziehungsweise erfreuliches Nebenprodukt eigensüchtigen Handelns akzeptieren.
Der Anspruch der USA auf globale Vorherrschaft wäre also dann durch die allgemeine Interessenlage (wenn auch nicht unbedingt durch die Prozeduren der Ausübung dieser Vorherrschaft) gedeckt, wenn gezeigt werden könne, daß ihre besonderen Interessen mit den Interessen der gesamten Staaten- und Völkergemeinschaft übereinstimmen würden, die genannten globalen Gemeingüter bereitzustellen, und die USA auch in der Lage sind, durch ihre Ressourcen dies weitgehend unilateral zu tun. Dann wäre der glückliche Fall gegeben, daß ein einzelner privilegierter Akteur in Verfolgung seines Eigennutzes unmittelbar die Interessen aller vertritt. Die Delegation von Macht und Verantwortung an die USA wäre dann durchaus im Eigeninteresse aller anderen weltpolitischen Akteure. Man mag zwar eine solche Delegation nicht mögen, aber man würde sich im Gegenzug viel eigenen Aufwand und Ärger ersparen.
Dienen die USA aber tatsächlich und wenn ja, auf welchen Gebieten, dem Weltbesten, wenn man sie frei ihren eigenen Nutzen verfolgen läßt? Hat hier wirklich die List der Weltgeschichte der Vernunft dadurch Vorschub geleistet, daß sie eine so glückliche Fügung ermöglichte, in den Händen der USA Eigennutz und Gemeinwohl derart zu vereinen? Sollten wir wirklich uneingeschränkt solidarisch mit einer Politik sein, wo die "Amerikaner bestimmen, welche Symphonie gespielt wird" und wir nur darüber reden können, "wie sie interpretiert wird"27? Dies sind zumindest die Annahmen des Amerikanismus der herrschenden Elite der USA wie vieler ihrer Verbündeten. Sie sollen, bezogen auf die Bereiche Wirtschaft, Partizipation an internationalen Entscheidungen, internationale Sicherheit und Völkerrecht, wenigstens kurz geprüft werden.
Wirtschaft: Die USA haben einen Anteil an der Weltbevölkerung von rund fünf Prozent und erzeugen relativ konstant dreißig Prozent des Bruttosozialprodukts der Welt. In herausgehobener Weise verkörpern sie das obere Fünftel der Weltgesellschaft, daß über zirka achtzig Prozent des globalen Reichtums verfügt. Die USA haben in der Konsequenz ein hohes Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung der Grundbedingungen der globalen Wirtschaft und insbesondere jener Bereiche, auf denen ihre exzeptionelle Stellung beruht. Dies betrifft insbesondere die Weltfinanzmärkte (die USA ist die größte Schuldnernation), den (zwischen Nord und Süd ungleichgewichtigen) Welthandel und den Zugang zu preiswerten Rohstoffen. Letzteres hat auch eine unmittelbar militärstrategische Komponente. Wie David Trucker, führender Vertreter im US-Verteidigungsministerium, 1998 sagte: "Für die USA gibt es nur eine Region, für die es zu kämpfen lohnt. Das Gebiet vom Persischen Golf nördlich bis zum Kaspischen Meer und östlich bis Zentralasien. Hier lagern 75 % der Welterdöl- und 33 % der Erdgasreserven. "28
Während die USA also völlig unabhängig von dem Beitrag anderer weltpolitischer Akteure bereit sein werden, beträchtliche eigene Leistungen für die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung zu erbringen, ist das Interesse an einer sozial gerechteren Weltwirtschaftsordnung, an der realen Partizipation der Länder des Südens an den wichtigsten Entscheidungsprozessen, an einer Umverteilung des Verhältnisses im Ressourcenverbrauch zugunsten der Entwicklungsländer usw. usf. gering oder sogar negativ. Es wäre mit einer relativen Entmachtung der herrschenden Eliten der USA verbunden. Partizipation an internationalen Entscheidungen: Nach 1990 ist unter dem direkten Einfluß der USA eine Marginalisierung jener Institutionen eingeleitet worden, in denen die Entwicklungsländer im besonderen Maße vertreten sind, während es zur "Stärkung der vom Norden dominierten internationalen Wirtschaftsinstitutionen"29 kam. Während des Kalten Krieges wurde diese Tendenz noch dadurch gemildert, daß die beiden Supermächte um die Gunst der Dritten Welt buhlten. Als dieses Interesse wegfiel, stieg die Neigung der USA zu einem selektiven Multilateralismus, der zum einen die Dominanz der USA sicherte und zum anderen jene in internationale Entscheidungsgremien einbinden sollte, mit denen die USA grundsätzlich übereinstimmende Interessen haben. Im gleichen Maße wurden aber auch die Staaten des Südens verdrängt beziehungsweise wurden jene Institutionen, in denen sie mehr oder minder gleichberechtigt vertreten sind, abgewertet. Das Machtungleichgewicht zwischen den USA und ihren westlichen Verbündeten einerseits und der Mehrzahl der Staaten ist heute der "zentrale Grund für den stockenden Prozess der Völkerrechtsentwicklung im Rahmen der verschiedenen ›Neuen Internationalen Ordnungen‹"30.
Internationale Sicherheit: Die USA hat wie jeder Staat ein überragendes Interesse am Schutz der eigenen Souveränität und ist zugleich mit dem Problem konfrontiert, daß es der entscheidende globale Garant der kapitalistisch geprägten Globalisierung ist und in imperialer Selbstmandatierung das normale Funktionieren dieser Ordnung durch ihr globales Gewaltmonopol sichert. Wie Claus Koch schreibt, würden die Amerikaner ihrem Staat eine "internationale Polizeifunktion" zubilligen als "Garant, oberster Schutzherr für die gerechte Ordnung und das unbehinderte Agieren des Kapitalismus Â…, der von Natur aus amerikanischer Gestalt ist. Jeden Angriff auf den Kapitalismus, wo immer er sich ereigne, empfinden sie als einen Angriff auf Amerika"31. Das globale Gewaltmonopol der USA wird interessengeleitet primär im Sinne einer pax americana eingesetzt.
Diese pax americana führt zum einen zur Androhung und Anwendung von militärischer Gewalt, wenn dies im Interesse der Vereinigten Staaten ist. Dies war insbesondere in Lateinamerika in den letzten einhundert Jahren außerordentlich häufig der Fall. Aber auch im Kalten Krieg wurden heiße Kriege dann inszeniert, wenn dies gegen die Sowjetunion opportun erschien. So wurde 1979 eine verdeckte militärische Operation des CIA zur Entfesselung eines Bürgerkriegs in Afghanistan begonnen, obwohl dies mit hoher Wahrscheinlichkeit eine direkte Intervention der Sowjetunion nach sich ziehen würde.32 Gleichzeitig wurden Annexionen wie die Ost-Timors durch Indonesien gebilligt, um linke Regierungen zu verhindern.33 Das Militär Chiles wurde ermutigt und unterstützt, eine frei gewählte Regierung mit brutaler Gewalt abzulösen.34
Während auf der einen Seite zu beobachten ist, daß auch dann im Rahmen einer pax americana militärische Macht angewendet wird, wenn diese völkerrechtswidrig ist und enge Interessen der USA vertritt, so kommt es auf der anderen Seite dazu, daß das internationale Gewaltmonopol in anderen Fällen nicht oder nur sehr spät wirkt, obwohl ein dringender Bedarf ist. International bekanntestes Beispiel ist Ruanda. Viele andere Kriege sind möglich, weil sie geduldet werden, da kein unmittelbares amerikanisches Interventionsinteresse besteht, alternative Sicherheitsstrukturen aber bewußt nicht geschaffen wurden beziehungsweise deren Entstehung blockiert wurde. Die Vereinigten Staaten sind durch ihre herausgehobene unikale militärische Macht daran interessiert, im Interesse ihrer Vormacht das Gewicht des militärischen Faktors in der internationalen Politik gegenüber den Faktoren politischer Aushandlung und ökonomischer Macht besonders hoch zu halten. Bis zu einem bestimmten Punkt (dem Punkt, wo größere militärische Konflikte die Funktionsfähigkeit der wichtigsten globalen Institutionen bedrohen) gilt: Um so militarisierter die internationale Politik ist, um so höher auch das Gewicht der USA in der Weltpolitik. Die USA haben eine interessengeleitete Präferenz für die Nutzung des Militärs. Sie sind auch die Haupttriebfeder einer neuen Spirale von Rüstung, die seit 1999 auch weltweit zu höheren Rüstungsausgaben führte. Als der Teil der Durchsetzung der USHegemonie wurde das internationale Klima umgestellt "von einer Tendenz der Beruhigung hin zu einer Vergrößerung des Sicherheitsdilemmas, hin zur Aufrüstung"35.
Völkerrecht: Die pax americana führt zwangsläufig zu einer ständigen Unterordnung der Völkerrechtsordnung unter Interessen - sprich einer Machtpolitik in einem vom Recht "befreiten" Raum. Eines der Hauptprobleme ist die interessengeleitete Willkür einer solchen internationalen Ordnung: "Das Problem der angeblich zivilisierten westlichen Welt ist Â… deren doppelter Maßstab. Ungleichbehandlung und Bigotterie sind ein Nährboden des Terrorismus."36 Dies wurde deutlich, als die USA und ihre Verbündeten im Namen der "Völkergemeinschaft " unter Bruch des geltenden Völkerrechts militärisch gegen Jugoslawien intervenierten.
In der Diskussion um die Legitimität der militärischen Intervention der NATO in Jugoslawien von 1999 wurde immer wieder darauf verwiesen, daß die Universelle Erklärung der Menschenrechte der UNO das Recht wie die Pflicht zur "humanitären Intervention" begründe, wenn die Menschenrechte größerer Bevölkerungsgruppen durch den Staat, in dem sie wohnen, systematisch eingeschränkt werden oder unmittelbar bedroht sind. Fast völlig vergessen wurde bei dieser Diskussion, daß es sich bei den Menschenrechten nicht um Natureigenschaften der Individuen, sondern um Rechte, genauer: um Rechtsverhältnisse handelt. Menschenrechte sind zugleich mehr und weniger als die moralischen Ansprüche der einen, "gut" zu leben und der Pflichten anderer, "gut" zu handeln, indem sie ihnen dabei helfen. Und sie sind auch etwas anderes als der autoritäre Anspruch der einen, den anderen zu sagen, was sie zu tun und zu lassen haben und die Pflicht der anderen, sich diesen Ansprüchen zu beugen oder aber Gewalt zu erleiden. Zum Recht gehört außer den subjektiven Rechten, der Rechtsnorm und den mit ihrer Verletzung verbundenen Sanktionen konstitutiv eine neutrale Instanz, die das Verhalten unter dem Aspekt der Verletzung oder Nichtverletzung der Rechtsnormen prüft und über die Anwendung von Sanktionen entscheidet - das Gericht. Man kann mit dem Rechtswissenschaftler O. W. Holmes (1920) so weit gehen, Recht ausschließlich durch das zu definieren, was Gerichte tun. Eine "humanitäre Intervention", die im Namen der Menschenrechte auf die Anrufung einer neutralen Instanz verzichtet, kann sich vielleicht mit guten Gründen auf gute Absichten berufen und auf den ethischen Gehalt der Menschenrechtsdeklaration verweisen. Was sie durchsetzt, ist aber kein Rechts-, sondern ein Herrschaftsverhältnis. Zwar kann man wiederum mit guten Gründen die aufgeklärte Herrschaft eines über jeder Gerichtsbarkeit stehenden und ohne dessen Vollmacht Sanktionen verhängenden Souveräns den Taten oder Untaten eines anderen Souveräns vorziehen, der weniger aufgeklärt zu sein scheint, und wird es in vielen praktischen Fällen auch tun. Doch gibt dies der Herrschaft noch lange nicht die Würde und den Gehalt des Rechts, sondern nur die Fatalität des Besseren unter den schlechten Alternativen.
Die herrschaftliche Durchsetzung des "Guten" ist an die Willkür oder das Interesse des Herrschers gebunden, im gegebenen Fall einzugreifen oder davon abzusehen. Sie bleibt immer selektiv und partikulär. Zugleich erwächst daraus auch die potentielle Bedrohung, der Herrscher könne auch dann eingreifen, wenn dies nicht durch "gute" Absichten, sondern nur durch dessen eigene Interessen begründet ist. Die Vorsicht rät, sich gegen diesen Fall zu schützen. Das Gewaltmonopol des Herrschers wird untergraben. Die Ausbreitung von Massenvernichtungsmitteln ist eine langfristige Konsequenz dieser Politik und macht die Welt unsicherer. Da das Eingreifen des Herrschers durch dessen Interessen gerade auch an "Ruhe und Ordnung" begründet wird, hat die herrschaftliche Form der Durchsetzung des Guten gegenüber der rechtsförmigen Durchsetzung die Sprengkraft der Militanz. Jener, der seine subjektiven Ansprüche bedroht sieht, wird nicht vor Gericht gehen, sondern den globalen Herrscher anrufen und dessen Aufmerksamkeit notfalls durch eigene Versuche der gewaltmäßigen Durchsetzung geltend gemachter Ansprüche zu erwecken suchen. Es wird ein Bürgerkrieg (Kosovo, Mazedonien) entfacht. Jener, gegen den sich diese Gewalt richtet, wird sich durch eigene Gewalt dagegen zu schützen suchen und mit höchstmöglicher Repression zu einem frühen Zeitpunkt reagieren.
Beim militärischen Eingreifen der NATO in Jugoslawien haben sich diese und vor allem ihr Hegemon, die USA, für die herrschaftliche Durchsetzung von Menschenrechten entschlossen und ihnen genau dadurch ihren Rechtscharakter genommen. Sollte dies weiter Schule machen, so ließe sich mit Gewißheit schon heute sagen, daß folgende Tendenzen unabwendbar werden: (a) Alle Regionalmächte werden sich so rüsten, daß sie unangreifbar werden. Dazu gehört unbedingt die Verfügung über Atomwaffen. Die Supermacht USA wird versuchen, dem ihrerseits durch eine Hochtechnologierüstung zu begegnen. (b) Innerstaatliche Konflikte werden mehr noch als bisher die Form des Bürgerkrieges annehmen. Soziale Gruppen werden versuchen, durch Auslösung von Gewalt die Verletzung ihrer Ansprüche sichtbar und zugleich zum internationalen Sicherheitsrisiko werden zu lassen, um externes Eingreifen erfolgreich herbeizurufen. Ihre Gegner werden mit massiver Gewalt zuvorkommen oder antworten, um genau dies im Keim zu unterbinden. Die herrschaftliche Form ist zugleich die militante, militarisierende und nicht die zivile Form der Erhebung und Durchsetzung von Ansprüchen. (c) Insgesamt aber wird die wirkliche Durchsetzung von Menschenrechten eher behindert als befördert, da nur selten eine internationale Vormacht tatsächlich das Interesse und die Möglichkeit hat, den damit verbundenen subjektiven Ansprüchen wirklich Geltung zu verschaffen und alternative neutrale Instanzen nicht geschaffen beziehungsweise demontiert wurden, die die Pflicht zu einer recht- und verhältnismäßigen Intervention hätten. Durch diese Art des Engagements im besonderen Fall wird die allgemeine Durchsetzung eher behindert als befördert. Man nimmt sich also eigentlich aus der Pflicht, sie allgemein durchzusetzen, indem man es als seine Pflicht ansieht, sie im konkreten Fall durchzubomben. Die Interessen der USA sind also zwangsläufig darauf gerichtet, die Vertretung allgemeiner Interessen zum einen zu monopolisieren und zum anderen sehr spezifisch auszuformen. In der Konsequenz werden zugleich weltwirtschaftliche Stabilitätsinteressen und Interessen an einer ungleichen Wirtschaftsordnung; werden zugleich Formen der Partizipation an globalen Entscheidungsprozessen geschaffen und die Vertreter des Südens von ihnen ausgeschlossen; wird zugleich ein globales Gewaltmonopol durchgesetzt und extrem selektiv eingesetzt; wird zugleich ein Gewohnheitsrecht des Stärkeren auf Intervention geschaffen und Völkerrecht zurückgedrängt. Die USA können zwangsläufig nur einige wenige globale Kollektivgüter unilateral bereitstellen und sie tun dies auch nur selektiv interessengeleitet. Damit ist verbunden, daß andere Kollektivgüter nicht hervorgebracht werden oder sogar ihre Hervorbringung verhindert wird. Was gut ist für die USA, ist eben in vielen Fällen gar nicht gut für die Welt. Dort, wo globale Kollektivgüter multilaterales Handeln brauchen, die USA aber nicht in der Lage beziehungsweise nicht hinreichend interessiert sind, diese unilateral bereitzustellen, werden die USA genau deshalb außerordentlich geringe Bereitschaft zum gemeinsamen Verhandeln und Handeln zeigen, da sie sich der Gefahr ausgesetzt sehen, daß dieser Multilateralismus Schule machen könnte und Einschränkungen dort hervorbringt, wo die USA unilateral handeln möchten. Der Fall des Kyoto-Protokolls ist symptomatisch. Es kommt zu einer Art "Überversorgung" mit Kollektivgütern, die die USA unilateral bereitstellen wollen (insbesondere auf dem Gebiet der Hochrüstung). Es kommt zu einer eingeschränkten Versorgung dort, wo sie diese Güter in Allianz mit ihren engeren Verbündeten bereitstellt. Es kommt zu Unterversorgung beziehungsweise einer aktiven Verhinderungspolitik, wo multilateral gehandelt werden müßte.37 Es fragt sich also, ob eine imperiale Dominanz der USA, wie vom Amerikanismus unterstellt, dem Besten der Menschheit und der Mehrheit der Weltbevölkerung eher zum Nutzen oder doch eher zum Schaden gereicht. Die Bilanz dürfte zumindest sehr gemischt ausfallen. In wichtigen Bereichen tragen die USA durch ihre Politik ausdrücklich nicht zur Bereitstellung von Kollektivgütern bei, sondern viel eher zur Erhöhung eines "kollektiven Nachteils" aller.
Amerikanismus ist eine Ideologie, die diese Differenz von Interessen der herrschenden Eliten der USA und Menschheitsinteressen durch Sprachpolitik und Repression abweichender Position zum Verschwinden bringen will. Er ist eine Ideologie, die die Durchsetzung von Machtinteressen gegenüber dem sozialen und politischem Ausgleich, die Willkür des Stärkeren gegenüber dem Völkerrecht, die das Militärische gegenüber dem Zivilen präferiert. Er ist eine Ideologie, die die monopolistische Ausübung von Gewalt in einer zutiefst ungerechten Welt begründet, eine Gewalt, die bisher dafür sorgt, daß es trotz dieser Ungerechtigkeit zu keinem umfassenden Weltbürgerkrieg kommt. Ein solcher Amerikanismus ergibt sich nicht aus dem bösen Willen, sondern aus der ideologischen Formierung der Eigeninteressen der herrschenden Eliten der USA.
Die gegenwärtige Erhöhung des Dritte-Welt-Terrorismus zur wichtigsten Bedrohung der Menschheit im 21. Jahrhundert, die Einfügung dieses Terrorismus in eine Reihe mit der Bedrohung durch den Faschismus ist zu einer tragenden Säule des Amerikanismus geworden. Der zu einer eigenen Teilideologie erhobene Antiterrorismus soll die Führungsrolle der USA in einer weit stärker als früher auf dem globalen Monopol der USA auf Gewalt begründeten internationalen Politik legitimieren. Wichtige Elemente dieser Ideologie sind die Identifikation des Kampfes gegen den Terrorismus mit dem Kampf gegen den deutschen Faschismus und - mit Abstrichen - gegen die Sowjetunion. Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus erhält so eine primär militärische Dimension, sie erscheint als Kampf gegen das absolut Böse (den "Totalitarismus"), es wird ein "Entweder-Oder" konstruiert, das alle in ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis gegenüber den USA zwingen soll, sie wird getrennt von allen anderen Fragen der internationalen Ordnung thematisiert. Indem der 11. September 2001 zum wichtigsten Ereignis des beginnenden neuen Jahrhunderts gemacht wird, wird der militärische Kampf gegen den Terror zum Zentrum der internationalen Politik. Die Führung durch die USA und die von ihr durch die Ideologien des Amerikanismus und des Anti-Terrorismus bestimmte Tagesordnung der Weltpolitik werden so festgeschrieben.38
Eine solche Politik geht einher mit der Instrumentalisierung des Terroranschlags vom 11. September 2001 zur Denunziation und Repression der Kritiker der kapitalistischen Globalisierung. Jene polizei- und geheimdienstlichen Maßnahmen, die gegen den Terror beschlossen wurden, haben - wie immer in solchen Zusammenhängen der Fall - die Tendenz, sich schnell auf weitere Felder auszudehnen. Zudem lagen sie schon in den Schubläden oder wurden ansatzweise schon vorher praktiziert. So kommt Stephan Kaufmann zu dem Schluß: "Mit den Terror-Anschläge vom 11. September hat sich die weltweite Stimmung gewandelt. Der Satz von US-Präsident George W. Bush: ›Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns‹, läßt keinen Raum für die Kritiker des Weltmarktes Â… Öffentlicher Protest ist für die Teilnehmer zu einer riskanten Sache geworden. Die Schüsse der Polizei auf Demonstranten in Göteborg und Genua haben vielen Globalisierungskritikern die Lust auf weitere Kampagnen genommen."39
Die Vorherrschaft der USA kann sich, wie gezeigt wurde, nur sehr eingeschränkt dadurch legitimieren, daß durch sie die wichtigsten Kollektivgüter einer globalisierten Menschheit bereit gestellt werden. Die Ideologie des Amerikanismus - hinter der Phantomschlacht gegen einen Antiamerikanismus verborgen - hat die Aufgabe, die Legitimationslücke zu schließen, die zwischen den Interessen der großen Mehrheit der Erdbevölkerung und denen der US-amerikanischen Eliten besteht. Die Ideologie des globalen Krieges gegen den Terror stellt die jüngste Ausprägung der Ideologie des Amerikanismus dar. Eine Ideologiekritik des Amerikanismus bedeutet nicht, einer blinden Ablehnung aller Interessen der USA als feindlich gegenüber dem globalen Gemeinwohl das Wort zu reden (dies wäre eine wirkliche USA-Feindlichkeit). Wie deutlich gemacht wurde, ist dies auch nicht der Fall. Es ist aber eine Aufforderung zur genauen Analyse der konkreten Interessenkonstellationen, zum Aufbau von Gegengewichten (und damit der Entwicklung einer Strategie des Multilateralismus), der Durchsetzung von Prozeduren, die auch dann verbindlich sind, wenn Interessen des stärksten globalen Akteurs im Spiel sind (und wozu bräuchte man außer nackter Gewalt sonst Regeln). Die Linke sollte in Europa und global einer USA-Feindlichkeit die langfristige Strategie des Aufbaus einer Koalition eines nichtimperialen (und damit nichtamerikanistischen) Universalismus entgegensetzen. Dies setzt voraus, sich von der Herrschaft der Ideologie des Amerikanismus zu befreien und für einen echten, der Gesamtheit der Menschenrechte verpflichteten Universalismus zu wirken, der durch eine auf dem Völkerrecht beruhende Staaten- und Völkergemeinschaft getragen wird. Dies verlangt die Fähigkeit zum Konflikt mit den USA, wo ihre Vorherrschaft die Interessen großer Teile der Erdbevölkerung bedroht. Es wäre eine Strategie, die Macht umverteilt an jene, die die Interessen, die für die Menschheit wirklich überlebenswichtig sind, zur Geltung bringen können und wollen. Dazu ist das Gespenst des Antiamerikanismus als das zu entlarven, was es vor allem ist, die Nebelwand, hinter der sich der herrschende Amerikanismus verbirgt.
Deregulierung und Privatisierung sind Zeichen der Zeit, die auch auf die Menschenrechte übergreifen. Der Beitrag zeigt die - historisch bedingten - Unterschiede zwischen dem europäischen und dem USamerikanischen Menschenrechtsverständnis auf. Es handelt sich vor allem um zwei konzeptionelle Differenzen. Für Europa sind die Menschenrechte ein internationales, für die Vereinigten Staaten hingegen ein nationales Konzept. Und für Europa sind sie im Wesentlichen ein rechtliches Konzept, für die USA hingegen im Wesentlichen ein politisches. In der Praxis zeigen sich diese Differenzen erst seit 1989, und dies recht zögerlich: Bis zu diesem Zeitpunkt anerkannten die Vereinigten Staaten das europäische Verständnis der Menschenrechte ebenfalls an, denn mit diesem gleichsam ›europäisch verpackten‹ Konzept ließ sich zusammen mit den westeuropäischen Staaten besser Druck auf den Ostblock ausüben. In einem ersten Teil wird in einigen ausgewählten Schritten nachgezeichnet, wie die Idee der Menschenrechte in Europa positiviert worden ist. Ein zweiter Teil spricht Bereiche an, in denen heute Ansätze zu einer Dergulierung bestehen. Der dritten Teil erläutert einige historische Gründe, die zu den transatlantischen Unterschieden geführt haben, und im vierte Teil wird die besondere Rolle thematisiert, welche Europa vor diesem Hintergrund wahrnehmen könnte.

1 "Denn eben, wo Begriffe fehlen, /Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein." Johann Wolfgang Goethe: Faust. Erster Teil.
2 "Ziel politischen Handelns ist es, Repräsentationen der sozialen Welt (mental, verbal, graphisch, dramatisch) zu schaffen und durchzusetzen, mit denen die Vorstellungen der sozialen Akteure und damit die soziale Welt selbst beein- flusst werden können." Pierre Bourdieu: Was heißt sprechen? Die Ökonomie des sprachlichen Tausches, Wien 1990, S. 104.
3 Howard Zinn: Some Truths Are Not Self-Evident, in: Bertell Ollmann, Jonathan Birnbaum (Hg.): The United States Constitution. 200 Years of Anti/Federalist, Abolitionist, Feminist, Muckraking, Progressive and Especially Socialist Criticism, New York and London 1990, p. 262. 4 Virginia. Bill of Rights vom 12. Juni 1776, in: Hermann Klenner: Marxismus und Menschenrechte. Studien zur Rechtsphilosophie, Berlin 1982, S. 219 f.
5 "Indem Ideologien Individuen und Gruppen zu Subjekten machen, ermöglichen sie ihre Orientierung und ihre Handlungsfähigkeit im sozialen Kontext." Peter V. Zima: Ideologie und Theorie. Eine Diskurskritik, Tübingen 1989, S. 178.
6 Amerikanismus wird hier also weder als besondere Weise der Produktions- und Akkumulationsweise des Kapitalismus begriffen (vgl. Antonio Gramsci in seinem 22. Gefängnisheft über "Amerikanismus und Fordismus ") noch als allgemeines kulturelles Phänomen, sondern im engeren Sinne als Ideologie.
7 Samuel P. Huntington: Why International Primary Maters, in: International Security (Spring 1993), p. 83.
8 Henryk M. Broder: Die Arroganz der Demut, in: Der Spiegel 2001, 47, S. 42.
9 Friedrich Engels, Karl Marx: Die heilige Familie, in: MEW, Bd. 2, S. 38.
10 Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Frankfurt a. M. 1999, S. 41.
11 Michael Hardt, Antonio Negri: Empire. Cambridge and London 2000, p. 39.
12 Vgl. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Fünfte, revidierte Auflage, Tübingen 1976, S. 122 f.
13 Vilfredo Pareto: Allgemeine Form der Gesellschaft. Auszug aus Vilfredo Paretos System der allgemeinen Soziologie, in: Wilfried Röhrich (Hg.): "Demokratische" Elitenherrschaft. Traditionsbestände eines sozialwissenschaftlichen Problems, Darmstadt 1975, S. 126.
14 Vgl. Johannes Varwick, Wichard Woyke: NATO 2000. Transatlantische Sicherheit im Wandel, in: Analysen. Politik - Gesellschaft - Wirtschaft, Bd. 68, Opladen 1999, S. 88.
15 Zitiert in: Klaus-Dieter Schwarz: Bushs "Revolution in Military Affairs". Konturen einer neuen amerikanischen Militärstrategie. SWP-Studie 26. Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2001, S. 5.
16 Ebenda, S. 17.
17 Charles Krauthammer: The Unipolar Moment, in: Foreign Affairs 1991, 1, p. 23.
18 Jeffrey Gedmin: Multilateralismus als Obsession, in: Die Welt, 15. Oktober 2001.
19 Ebenda.
20 Ebenda.
21 In der sozialwissenschaftlichen Literatur ist dies als "Gefangenendilemma " vielfach dargestellt worden.
22 The Federalist No. 50: Hamilton, 5. February 1780, in: Alexander Hamilton, James Madison, John Jay: The Federalist Papers. New York 1982, p. 262 f.
23 Norman Paech, Gerhard Stuby: Völkerrecht und Machtpolitik, Hamburg 2001, S. 304.
24 Aus einem Interview der Zeitschrift "Die Woche" mit dem Friedensforscher Johan Galtung: "Die Woche: Spielt die demokratische Legitimation in der Außenpolitik keine Rolle? Galtung: Bei Kissinger mache ich wirklich keinenUnterschied zu Bin Laden. Wie in den meisten Demokratien steht die Außenpolitik der USA gar nicht zur demokratischen Debatte. Kissinger hatte diktatorische Vollmachten. Aber genau diese Debatten sollten wir vor dem Internationalen Strafgerichtshof führen. Aber den boykottieren die USA hartnäckig. Die Woche: Weil die Amerikaner von der Außergewöhnlichkeit ihres Landes überzeugt sind. Galtung: Die Amerikaner meinen, sie stünden an der Spitze der Weltordnung, ganz in der Nähe von Gott. Sie sind ein Gott-betrunkenes Volk, ihre Elite macht entsprechend Außenpolitik. Die Woche: Sie reden wie ein Anti-Amerikaner. Galtung: Aber ich bin keiner. Ich bin gegen Fundamentalismus, und zwar auf beiden Seiten." Die Woche, 12. Oktober 2001.
25 Vgl. dazu Mancur Olson: Die Logik des kollektiven Handelns. Kollektivgüter und die Theorie der Gruppen, Tübingen 1992.
26 Dies ist die theoretische Annahme, die Thomas Hobbes "Leviathan" zugrunde liegt: Die Delegation der gesamten politischen Macht an einen absolutistischen Herrscher ist deshalb gerechtfertigt, weil nur dieser zugleich Interesse und Fähigkeit besitzt, den inneren Frieden und damit die Unantastbarkeit der Person und des Eigentums jedes einzelnen zu sichern.
27 Michael Thränert in: Berliner Zeitung, 8. November 2001.
28 Zitiert in taz, 16. Oktober 2001
29 Ulrich Brand, Achim Brunnengräber, Lutz Schrader, Christian Stock, Peter Wahl: Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung, Münster 2000, S. 100.
30 Norman Paech, Gerhard Stuby: Völkerrecht und Machtpolitik, a. a. O., S. 862.
31 Claus Koch: Europa - nur gegen das amerikanische Imperium, in: Merkur 2000, 9/10, S. 981 f.
32 Vgl. dazu die "Enthüllungen " Brzezinskis im Januar 1998. Dort deckte er nicht nur auf, daß der USPräsident Carter schon am 3. Juli 1979 die "erste Direktive zur Unterstützung der Opposition gegen das prosowjetische Regime in Kabul unterzeichnete" und dabei wußte, daß dies eine Intervention von Seiten der UdSSR nach sich ziehen würde. Er bezeichnet dies selbst als Falle, um "der UdSSR ihren Vietnamkrieg zu geben". Auf die Frage von Le Nouvel Observateur "Sie bedauern auch nicht, dass sie den islamischen Fundamentalismus förderten, daß sie die künftigen Terroristen bewaffneten und berieten?", antwortete Brzezinski: "Was ist wichtiger im Hinblick auf die Weltgeschichte? Die Taliban oder der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums? Einige Hitzköpfe oder die Befreiung Zentraleuropas und das Ende des Kalten Krieges?" Le Nouvel Observateur nº 1732, 15. bis 21. Januar 1998.
33 In Ost-Timor ging aus demokratischen Wahlen noch unter portugiesischer Leitung Ende 1975 die linke Bewegung Fretilin als Sieger hervor und rief am 28. November 1975 die Demokratische Republik Osttimor aus. Suharto (Diktator in Indonesien seit 1965 bis 1998; 1965 verantwortlich für den Mord an rd. 1 Mio. Kommunisten) erhielt bei Besuch von Präsident Ford und Henry Kissinger die Unterstützung für die Besetzung Ost-Timors, die aber erst nach Abreise der beiden erfolgen sollte. Die Begründung war, dass kein zweites Kuba entstehen dürfe. Ein Drittel der rund 700 000 Einwohner wurde dabei und in Folgejahren umgebracht.
34 Der frühere Sicherheitsberater des US-amerikanischen Präsidenten, Kissinger, dazu: "Wir müssen nicht akzeptieren, dass ein Land wegen der Unverantwortlichkeit seiner Bevölkerung marxistisch wird." Zitiert nach Christopher Hitchens: Die Akte Kissinger, Stuttgart - München 2001, S. 93
35 Ernst-Otto Czempiel in: Berliner Zeitung, 21. März 2000.
36 Dieter S. Lutz: Das Fenster der Verwundbarkeit, in: Freitag, 21. September 2001. Wenn die frühere Außenministerin der USA, Albright, meinte, daß der Tod von einer halben Million irakischer Kinder im Gefolge des internationalen Embargos kein zu hoher Preis sei für die Erreichung der damit verbundenen Ziele, so kann dann Arundhati Roy mit gutem Grund antworten: "Genau darum geht es: Um die willkürliche Unterscheidung zwischen Zivilisation und Barbarei, zwischen ›Ermordung unschuldiger Menschen‹ oder ›Krieg der Kulturen‹ und ›Kollateralschäden‹. Die Sophisterei und eigenwillige Algebra grenzenloser Gerechtigkeit: Wie viele tote Iraker sind notwendig, damit es besser zugeht auf der Welt? Wie viele tote Afghanen für jeden toten Amerikaner? Wie viele tote Frauen und Kinder für einen toten Mann? Wie viele tote Mudschahedin für einen toten Investmentbanker? " Arundhati Roy: Wut Allgemeine Zeitung, 28. September 2001.
37 Diese Differenz wird verdeckt, wenn der frühere US-Präsident die Maxime seines außenpolitischen Handelns so formulierte: "Unilateral, wenn unsere direkten nationalen Interessen am stärksten betroffen sind; in Allianz und Partnerschaft, wenn unsere Interessen von anderen geteilt werden; und multilateral, wenn unsere Interessen allgemeiner Art sind und die Probleme am besten von der internationalen Gemeinschaft angegangen werden." Zit. in: Norman Paech, Gerhard Stuby: Völkerrecht und Machtpolitik, a. a. O., S. 309.
38 Ein einfacher Vergleich der Rede von George W. Bush anläßlich des 60. Jahrestages des Überfalls auf Pearl Harbor mit der Rede von Johannes Rau nach dem Terroranschlag macht deutlich, wie unterschiedlich amerikanistische Interpretationen von jenen sind, die die entscheidenden Menschheitsfragen in den Vordergrund stellen, gerade, um dem Terrorismus langfristig das Wasser abzugraben. Die Botschaft, die der US-amerikanische Präsident in den Vordergrund stellte, war die folgende: "WeÂ’ve seen their kind before. The terrorists are the heirs to fascism. They have the same will to power, the same disdain for the individual, the same mad global ambitions. And they will be dealt with in just the same way. Like all fascists, the terrorists cannot be appeased: they must be defeated. This struggle will not end in a truce or treaty. It will end in victory for the United States, our friends and the cause of freedom Â… We must have a military organized for decisive and total victory. And to you, the men and women of our military, I make this pledge: you will have every resource, every weapon, every tool you need to win the long battle that lies ahead." Johannes Rau dagegen stellte nach einer prinzipiellen Verurteilung des Terrorismus und der Notwendigkeit seiner Verfolgung die Frage der internationalen Gerechtigkeit in den Vordergrund: "Wir müssen den Terrorismus bekämpfen und wir werden ihn besiegen. Dazu brauchen wir einen langen Atem. Wer den Terrorismus wirklich besiegen will, der muß durch politisches Handeln dafür sorgen, daß den Propheten der Gewalt der Boden entzogen wird. Armut und Ausbeutung, Elend und Rechtlosigkeit lassen Menschen verzweifeln. Die Mißachtung religiöser Gefühle und kultureller Traditionen nimmt Menschen Hoffnung und Würde. Das verführt manche zu Gewalt und Terror. Das sät den Hass schon in die Herzen von Kindern. Alle Menschen haben das Recht auf Anerkennung und auf Würde. Wer in seinem Leben Anerkennung erfährt und wer sein Leben liebt, der wird es nicht wegwerfen wollen. Wer in Würde und Zuversicht lebt, aus dem wird kaum ein Selbstmordattentäter werden. Entschlossenes Handeln ist das Gebot der Stunde. Weil wir das wissen und zeigen, weil wir daran keinen Zweifel lassen, darum sagen wir auch: Der beste Schutz gegen Terror, Gewalt und Krieg ist eine gerechte internationale Ordnung. Die Frucht der Gerechtigkeit wird der Friede sein. Das ist mühsam. Das dauert lange, das kostet nicht nur Zeit. Aber eine friedlichere, eine sichere Welt muss uns das wert sein. Für uns und für die Kinder unserer Welt."
39 Stephan Kaufmann: Schlechte Zeiten für Kritik, in: Berliner Zeitung, 8. Januar 2002.