Vorsorgeprinzip - Fundstellen

Vorsorge spielt im deutschen wie im europäischen Recht - gerade auch in Bezug auf die Regulierung gentechnisch veränderter Organismen - eine bedeutende Rolle. Und das nicht erst seit gestern.

 

Bereits 1999 hat sich der Rat der Europäischen Union aus Vorsorgegründen zu einem radikalen Schritt entschlossen: Die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) wurde ausgesetzt. In der Entschließung der UmweltministerInnen der EU-Mitgliedsländer vom 24./25. Juni 1999 wurde die EU-Kommission aufgefordert, „unverzüglich einen vollständigen Entwurf für Regelungen” vorzulegen, damit „die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von GVO und aus GVO hergestellten Erzeugnissen sichergestellt ist”, und ferner zu erklären, dass sie „bis zur Festlegung solcher Regelungen gemäß dem Vorsorge- und Verhütungsprinzip Maßnahmen ergreifen wird, damit alle neuen Genehmigungen für das Züchten, den Anbau und das Inverkehrbringen ausgesetzt werden“.

Das Moratorium galt insbesondere für die Zulassungen der gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen für den Anbau in der EU und endete erst mit der Zulassung der gv-Kartoffel Amflora im März 2009. Dieses Moratorium führte unter anderem zu einem Streitfall der Europäischen Union und den USA vor einem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation.(1)

 

Verbot MON810

 

Die Bundesregierung hatte - in Person des Präsidenten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Helmut Tschiersky-Schöneburg - in ihrem Bescheid vom 17. April 2009 entschieden, die „Zustimmung (...) über das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Mais (Zea mais L. T 25 und MON810)“ ruhen zu lassen, was einem Handels- und Anbauverbot von MON810-Mais gleichkam. Dieses Verbot war seinerzeit zeitlich begrenzt worden, unter anderem bis zu einer möglichen Neuzulassung der Maislinie. Diese Neuzulassung ist zwar beantragt, aber bis heute nicht erteilt. Das Verbot von MON810 in Deutschland ist weiter in Kraft.

Explizit schreibt die Bundesregierung in dem entsprechenden Bescheid: „Angesichts dieser Sachlage muss auch nicht abgewartet werden, bis die Risiken, die mit dem Anbau von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON810 einhergehen können, vollständig geklärt sind. Vielmehr ermöglicht das im deutschen (§ 1 Nr. 1 [Gentechnikgesetz]) wie auch im europäischen Recht (Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG und [Erwägungsgrund] 3 der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003) kodifizierte Vorsorgeprinzip, in Fällen wie diesen vorläufige Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen.“(2)

In der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003) „über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln (...)“ heißt es zum Beispiel: „Durch die Rückverfolgbarkeit sollte es zudem leichter werden, im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip Risikomanagementmaßnahmen durchzuführen.“ Das Gentechnikgesetz verfolgt den „Zweck (...), unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen“. Naheliegenderweise bezieht sich auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil in einem Verfahren über das Gentechnikgesetz auf eben diesen Passus.

 

Bundesverfassungsgericht

 

Das Bundesverfassungsgericht war von der Regierung des Landes Sachsen-Anhalt aufgefordert worden, bestimmte Abschnitte des Gentechnikgesetzes (GenTG) daraufhin zu prüfen, ob diese mit dem Grundgesetz konform sind. In ihrer Entscheidung vom 24. November 2010 betonen die RichterInnen zum Beispiel, dass im Rahmen der (seinerzeit) jüngsten Novellierung des GenTG durch den Gesetzgeber entschieden worden sei, dass „der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben“ sollte. Das schlägt sich schlicht und ergreifend darin nieder, dass die Vorsorge in der Beschreibung des Zwecks des Gesetzes an erster Stelle steht - und damit vor der Nutzung der Gentechnik in Futter- oder Lebensmitteln und vor der Nutzung in Forschung und Entwicklung.(3)

 

Christof Potthof ist Redakteur des GID und Mitarbeiter im GeN.

 

Fußnoten:

(1)  Erklärung des Rates der Europäischen Union vom 24./25. Juni 1999. Im Netz unter www.europa.eu. Zum WTO-Streit zwischen der EU und den USA siehe zum Beispiel den Beitrag „Handel gegen Umwelt“ im GID 179 (Dezember 2006). Im Netz unter www.gen-ethisches-netzwerk.de.

(2)  Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Bescheid an Monsanto Europe S.A. vom 17. April 2009, Aktenzeichen 6788-02-13 (C/F/95/12-02).

(3)  Siehe dazu Urteil des Bundesverfassungsgericht 1 BvF 2/05, im Netz unter www.bverfg.de.