Wissen, Vielfalt, Wege

Was wirklich gegen den Hunger hilft

Der Zugang zu Nahrung ist ein Menschenrecht. Trotz immer mehr Technologien und Wissen sowie steigender landwirtschaftlicher Produktionszahlen hungern weltweit Millionen von Menschen. Was braucht es um Null-Hunger zu erreichen und welche Rolle spielen die Biotechnologien dabei?

Inhaltsverzeichnis: https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/publikationen/gid/265

Laut der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) hungerten 2021 weltweit bis zu 828 Millionen Menschen.(1) Das heißt jede zehnte Person auf der Erde litt chronischen Hunger – dabei ist rein rechnerisch genug für alle da. Die Produktion von Kulturpflanzen hat global zwischen 2000 und 2019 um 53 Prozent zugenommen, mit einem Rekordwert von 9,4 Milliarden Tonnen in 2019.(2) Dennoch verschlechterte sich die Ernährungssituation für viele Menschen seit 2020 durch die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und in anderen Ländern, als auch durch die immer stärker werdenden Auswirkungen des Klimawandels.

Aber nicht nur Hunger ist ein Problem. Weniger akut aber umso tückischer ist der „versteckte Hunger“ oder eine Mangel- bzw. Fehlernährung, die in vielen Länder (nicht nur des Globalen Südens) zu beobachten ist. Eine einseitige Ernährung führt zu einem Energie- oder Nährstoffmangel, der sich auf die Gesundheit und Entwicklung auswirkt. Besonders gefährdet sind junge und alte Menschen sowie Arme.

Biotechnologien als Technofixes

Die Ursachen von Hunger und Mangelernährung sind divers, komplex und miteinander verwoben. Dennoch halten sich die Narrative einer einfachen und schnellen Lösung durch agrartechnologische Neuerungen. Besonders in der Debatte um gentechnische Anwendungen in der Landwirtschaft und die neuen Gentechniken wie CRISPR-Cas und Co. finden die Erzählungen zur Linderung des Welthungers immer wieder Einzug. Selbst in wissenschaftlichen Artikeln ist dies zu lesen. Durch den Einsatz von Gentechnik soll eine Ertragssteigerung erreicht werden, die Pflanze eine verbesserte Nährstoffzusammensetzung erhalten oder durch neue Pflanzeneigenschaften die Ernährungssituation verbessert werden. Was bringen diese Ansätze wirklich? Sind sie überhaupt ausgerichtet auf die bestehenden Probleme?

Auf der Suche nach Ursachen und Lösungen

Diesen Schwerpunkt haben wir mit Artikeln von Menschen gefüllt, die sich mit Ursachen von Hunger, Mangelernährung und der Rolle der Biotechnologien gut auskennen. Wir wollen gemeinsam herausfinden, was die strukturellen Ursachen von Hunger sind, welche vielversprechenden Lösungsansätze es schon gibt und welche Rolle die Biotechnologien hierbei spielen.

Markus Wolter, Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor führt in das Thema ein. Er erläutert, welches die Ursachen und Treiber von Hunger und Mangelernährung sind und wie die aktuellen geopolitischen Entwicklungen diese beeinflussen. Dabei hat er auch Ideen und Ansätze zum erreichen des UN-Ziels: Kein Hunger bis 2030!

Im Interview mit Stig Tanzmann, Referent für Landwirtschaft bei Brot für die Welt sprechen wir über Saatgut. Wie muss der Zugang zu Saatgut gestaltet sein, welche Anforderungen bestehen an Saatgut und Pflanzen in kleinbäuerlichen Strukturen, um die Ernährungssituation zu verbessern? Klar wird, es braucht mehr Förderung, Ausbau und Mitsprache, um die Ernährungssituation der Ärmsten zu verbessern und um dort anzusetzen, wo die Probleme tatsächlich liegen.

Rosinha Mbenya Landeskoordinatorin bei Participatory Ecological Land Use Management (PELUM) in Kenia erläutert, warum sie die Aufhebung des zehnjährigen Verbotes von gentechnisch veränderten Pflanzen in Kenia für den falschen Weg hält, den aktuellen Krisen zu begegnen. Gentechnik bedrohe die kulturelle Tradition und schaffe mehr Abhängigkeiten.

Der Artikel von Rubina Freiberg, Journalistin im Bereich Ernährung und Landwirtschaft, stellt kurz und knapp drei Beispiele vor, wie Bäuer*innen selbstorganisiert lokale Lösungen für globale Probleme entwickelt haben.

Abgerundet wird der Schwerpunkt durch einen Artikel der Human-Geograph*innen Jonathan Friedrich und Katharina Najork. Anhand von zwei Beispielen zeigen sie auf, wie die Vorstellung von technologischen Ansätzen für sozial-ökonomische und sozial-ökologische Herausforderungen allen Widersprüchen trotzen und einer wirklichen Problemanalyse und nachhaltigen Transformation daher im Wege stehen.


Anmerkungen und Referenzen:
(1)    FAO (2021): The State of Food Security and Nutrition in the World. Online: www.fao.org oder www.kurzelinks.de/gid265-dl [letzter Zugriff: 28.04.23].
(2)    FAO (2021): Statistical Yearbook 2021 – World Food and Agriculture. Online: www.fao.org oder www.kurzelinks.de/gid265-dm [letzter Zugriff: 28.04.23].