Herrenmenschen, herrlich unkorrekt im Ösi-Tatort

Was anderswo krass kontrovers wäre, ist im Wiener Bügelfernsehen Krassnitzerkonsens

in (22.05.2013)

Gewagte Verstöße gegen die „Lebensfremdheit“ auferlegter Regeln sozialen Verkehrs: Unter den Medienformaten, die diese Ideologie des Herrlich-Unkorrekten bespielen, ist das des Verbrechensbekämpfers als Durchgreifer, der Ausnahmezustände erkennt und, über hemmende Rechtsformalitäten hinweg, tut, was zu tun ist. Das hat Vorläufer in 1970er-Law&Order-Ikonen wie Dirty Harry – und, neben den Bonds und Batmen der späten Nullerjahre, eine aktuelle Ausformung in ORF-Beiträgen zur TV-Krimireihe Tatort, in denen Harald Krassnitzer, seit 2011 mit Adele Neuhauser, in Wien (auch mal Linz) ermittelt.
Was dem Wiener Tatort seine Dringlichkeit und Schauwerte gibt, ist das (auch im FPÖ-Wahlkampf beschworene) „Wiener Blut“: das Bild ethnisierten Kampfes ‚bis aufs Blut’ um Durchsetzung – wovon? Eher von volkspolitischer Norm als von rationalisiertem Gesetz, bis zum Ausagieren eines Rassismus, bei dem Ösi-Herrenmenschen slawische Untermenschen exekutieren. Tötung durch die Exekutive bleibt da „regulative Idee“; groß ausgestellt wird dies: Wenn Krassnitzer krass entrechtet, erniedrigt, foltert, betrifft es meist Leute aus osteuropäischen Ländern. Andersrum: Diese Leute sind im Ösi-Tatort meist dazu da, auf solch kreative, im Intimkontakt der „Völker“ taktisch improvisierende Art beamtshandelt zu werden.
In der Folge Kinderwunsch (2011) brät eine dunkelhaarige Musikprofessorin Krassnitzer an, mit osteuropäischem Akzent, Augenaufschlag, Koch- und Klavierkünsten; sie erweist sich als Spionin der Organisation, gegen die der Cop ermittelt, attackiert ihn – worauf er die als falsche Hex´ Dargestellte rituell abstraft: Wenn sie nicht rede, werde er ihr zeigen, was „Notwehr auf Österreichisch“ sei, ihr erst ins Bein, dann in den Bauch schießen. Ähnlich geht es dem „schönen Milan“ in Ausgelöscht (2011), und da entpuppt sich eine bulgarische Polizistin als kesse Bandenchefin, die die Kripo infiltriert. In Kein Entkommen, 2012 von Mainstreammedien als „blutigster Tatort ever“ gefeiert, erscheint Wien bedroht vom dunklen Walten serbischer Mafia; also greifen Ösis gegen untergetauchte Balkankriegsverbrecher, sprich: ungebührlich aktive „slawische Andere“, durch: Ein Dauerfeuer rassistischer Blutwallungen (gegen „Serbisch“ redende Kellnerin, gar gegen die FPÖ – dafür dass sie Serben als politische Klientel adressiert, anstatt Migrant_innen ihre servile Ruhe zu lassen) mündet in Krassnitzer als Dirty Harry mit Dienstwaffe am Kopf eines an Radovan Karadžić erinnernden Nationalisten, der vor ihm kniet: „Jetzt hast´ Angst, du feige Sau!“
Deutsche Tatorte verrichten Anpassungszwangsarbeit im Zeichen staatstragender Mäßigung, mit deutschtürkischen oder von multikulturellem Alltag ostentativ geforderten Cops; Wiener Tatorte feiern Ermächtigung – für den Ösi-Herrn, der Slawen knien und aufjaulen lässt, und seine beherzt in Serbenhoden tretende Maid. Spielen die ORF-Beiträge zur sich stets neu justierenden Sprachraum-Konsens-Reihe Tatort die (fürs Fernsehen noch junge) Rolle der Tabu- und Normüberschreiter? Dazu wird deren Rassismus doch allzu unkontrovers goutiert; sie bezeugen wohl eher spezifisch austrokulturnationalen Kon-sens, Über-Einstimmung biopolitischer Herrschaftsgefühle.


Dieser Text erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst (Wien), Nr. 28, Frühling 2013, „Critical Correctness“.