Denn obwohl Polen seit vielen Jahren zu den Ländern des Kontinents
zählt, in denen der Europäischen Union regelmäßig die höchsten
Sympathiewerte zugebilligt werden, waren die Meinungen bezüglich der
Währung mehrheitlich tatsächlich auf Seiten der Kaczynski-Brüder. In
erster Linie wurde die Teuerung beklagt, die mit der Euro-Einführung
überall um sich gegriffen habe. So jedenfalls damals die landläufige
Meinung. Also waren die meisten froh, weiter den Zloty im Portemonnaie
liegen zu wissen.
Donald Tusk aber änderte seine Meinung, als die erste Welle der
weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ab Herbst 2008 den Kontinent
erreichte. Er wurde vorsichtiger, gab freimütig zu, dass das ehrgeizige
Ziel der Währungsumstellung vielleicht doch noch länger warten müsse.
Nachdem sich Ende 2009 zeigte, dass Polen in Europa fast das einzige
Land ist, welches im zurückliegenden schweren Krisenjahr sogar mit einem
leichten Wachstum glänzen konnte, gab der Ministerpräsident ein
deutliches Kommando zurück. Denn in der öffentlichen Meinung wurde diese
Tatsache gerne dem Umstand zugeschrieben, noch nicht in der Euro-Sphäre
gewesen zu sein. Wieder erlebte Polens Zloty im Meinungsbild eine
Konjunktur.
Nun wurde der Euro für Polen auf ungewisse Zeit vertagt. Er werde zwar
kommen, doch wurde der Termin einer eventuellen Einführung schlichtweg
hinter die magische Grenze der Fußball-Europameisterschaft im Sommer
2012 verlegt, was also bedeutete, dass kaum jemand sich noch für nähere
terminliche Einzelheiten interessierte. Der Taxifahrerin und dem
Straßenverkäufer jedenfalls war es recht, sich bei allen ohnehin
vorhandenen Problemen nicht auch noch an eine neue Währung gewöhnen zu
müssen. Und so bietet Polen anno 2011 ein Bild, bei dem auf der einen
Seite die EU immer wichtiger wird, andererseits der Euro als
Gemeinschaftswährung so unpopulär wie noch nie ist. Gäbe es eine
Volksabstimmung, würde er augenblicklich mit Pauken und Trompeten
durchfallen.
Das nun ruft die politisch Mächtigen auf den Plan. In seiner Rede zur
Eröffnung der neuen Legislatur schrieb Staatspräsident Bronislaw
Komorowski im Sejm dem alten und neuen Premier ins Stammbuch, er möge in
seinem neuen Regierungsprogramm doch verbindlich erklären, in welchen
Fristen Polen den Euro zu übernehmen gedenke. Das Land sei zu einem
wichtigen Faktor der EU-Integration geworden und - so der
Staatspräsident - dürfe auch währungspolitisch nicht im Abseits stehen
bleiben. Ein Durchwurschteln wie bisher habe auf längere Sicht keinen
Erfolg.
Tusk indes wird auf Zeit spielen, wird auf die aktuellen Turbulenzen im
Euroland verweisen, wird der öffentlichen Meinung in dieser heiklen
Frage nicht die offene Stirn bieten. Im Augenblick jedenfalls nicht.
Während nämlich Polens Bürger in der Frage des Euros gerne auf die
Erfahrungen in der Slowakei schauen, wo 2009 die Gemeinschaftswährung
eingeführt wurde, und meistens behaupten, dort wären die
Lebenshaltungskosten seit Euro-Einführung gewaltig gestiegen, darf er
sich vergleichen mit Iveta Radicova, der unlängst gestürzten
slowakischen Ministerpräsidentin. Der Stolperstein, über den sie
politisch fiel, war der Euro, denn an der Frage des sogenannten
Rettungsschirms zerrieb sich ihre konservativ-liberale
Vierparteienkoalition.
Im Stillen wird er wissen, dass ihm unter Euro-Bedingungen in Polen
womöglich ähnliches geblüht hätte. Und so ist aus dem entschiedenen
Euro-Befürworter ein Zauderer geworden, jemand, der die Entscheidung nun
bewusst und mit allen möglichen Argumenten nach hinten herauszögern
wird. Allerdings ist er weit entfernt von den nationalkonservativen
Argumenten, mit denen sein alter Kontrahent Jaroslaw Kaczynski seit
jeher den Euro ablehnt.
Bevor
Donald Tusk im Herbst 2007 zum ersten Mal Ministerpräsident wurde,
versprach er entschieden, Polen werde bis 2011 den Euro als seine
Währung übernehmen. Er verstand dieses Ziel als das ehrgeizigste
Versprechen seiner Regierungszeit, gewissermaßen als die Krönung dieser
Jahre. Wer ihm damals entschieden widersprach war Jaroslaw Kaczynski,
der meinte, bei der Ablösung des Zloty solle nichts über das Knie
gebrochen werden. Freilich argumentierte er bar allen Wissens über
ökonomische Zusammenhänge, ihm ging es vielmehr um die große
patriotische Grundlinie. Jedenfalls verlor damals der Zloty-Mann gegen
den Euro-Mann, wenn auch aus ganz anderen Gründen.