"... daß früher oder später jemand gegen sie kämpfen muß."1

Revolution und Transformation in "Matrix"

"Revolution" ist kein ungewöhnliches Thema für die Science Fiction. So unterschiedliche Romane wie John Shirleys "Eclipse", Ursula LeGuins "Planet der Habenichtse" ...

und Kim Stanley Robinsons "Mars"-Trilogie handeln davon; im SF-Film sind revolutionäre Szenarien von Fritz Langs Klassiker "Metropolis" bis zu "Terminator" präsent. Es gehört zum Charme des Genres, daß es den Kontakt zu Fragen von Herrschaft und Befreiung, Unterdrückung und Widerstand, Kontrolle und Gegenmacht immer aufrecht erhalten hat; eine nicht versiegende unterirdische Strömung - manchmal um den Preis manichäischer Weltauffassungen und patriarchaler, "autoritär-rebellischer"2 Verarbeitungsweisen, aber oft auch in sehr entwickelten Formen.
"The Matrix"3 knüpfte an diese Tradition an zu einem Zeitpunkt, als Revolution "out" zu sein schien. "The Matrix" sprach deutlicher und politischer von Revolution, als dies Ende der 1990er Jahre denkbar erschien: nicht als Attitüde, nicht als Chiffre, sondern vollständig ernsthaft und wissenschaftlich beschlagen. Während der gesellschaftswissenschaftliche Mainstream die Postmoderne säuberlich von der Politik trennte und als Beweis für die Antiquiertheit von Widerstand und Revolution zu benutzen versuchte, brachte "The Matrix" Postmoderne und Politik zusammen in der Aktualität der Revolution. Das war das politisch Spektakuläre und das inhaltliche Versprechen des Projekts: daß ästhetische und philosophische Avantgarde und revolutionärer Widerspruch heute wieder zusammengehen könnten.
Ob dieses Versprechen gehalten werden konnte, ist keine rein kulturwissenschaftliche oder akademische Frage. Es gibt Aufschluß über unsere gesellschaftliche Situation. Ob ein progressives Bündnis zwischen einer aufgeklärten Philosophie und Gesellschaftswissenschaft auf der Höhe der Zeit und einem radikalen Widerspruch zu den herrschenden Verhältnissen halten kann, oder ob letztlich nur eines auf Kosten des anderen aufrecht erhalten werden kann, ist eine fundamentale und aktuelle Frage - an den heutigen Marxismus, den Feminismus, an jede soziale Gegenbewegung. Popkulturelle Produktion kann sich dabei, anders als akademische Debatten, nicht darauf zurückziehen, abstrakt recht zu haben, "nur daß es mal wieder keiner merkt". Kino als Theorie arbeitet anders. Es spricht mit den Subjekten und ist von ihnen abhängig. Es kann nie entkoppelt werden von der Frage, was subjektiv "funktioniert", was den Erfahrungen und verborgenen Handlungstendenzen und Utopien der hier und heute lebenden Subjekte wirklich entspricht, was - um es ein wenig altertümlich zu sagen - die Menschen ergreift.
Die Reaktionen auf die Fortsetzungen "Matrix Reloaded" und "Matrix Revolutions" waren zwiespältig. Viele Erwartungen, die "The Matrix" aufgebaut hatte, wurden enttäuscht: Die Matrix, das Instrument der Unterdrückung und Entfremdung schlechthin, wird nicht zerstört. Die "Maschinen", welche die Menschen ausbeuten und kontrollieren, werden nicht gestürzt. Es geht nicht zurück zum Echten, Wahren, Unentfremdeten, sondern es geht weiter.
"Enttäuschung" kann zweierlei bedeuten. Es kann bedeuten, daß die Macher von Matrix, die Brüder Wachowski, es nicht geschafft haben, oder daß das gegebene Versprechen nun einmal nicht zu halten ist. Es kann aber auch bedeuten, daß die Einlösung dieses Versprechens auf eine unbequemere und anstrengendere Weise erfolgte und erfolgen mußte, als es vielen lieb ist. Daß die Bearbeitung des Revolutionsthemas nicht in einem simplen Showdown nach dem Strickmuster "Die unterdrücken uns, also blasen wir sie weg" würde münden können, mußte angesichts der intellektuellen Ambitioniertheit des Projekts klar sein. Daß sich dies mit den "eingebauten" Erwartungshaltungen filmischer Großproduktion für ein globales Publikum reiben würde, ebenfalls. Das Ende von M3 provoziert jedoch unweigerlich die Frage: Ist es das, was wir uns heute unter Revolution vorstellen können? Und wollen wir das dann überhaupt noch?
Das Matrix-Projekt, so wird hier behauptet, hat die vergangene und zeitgenössische theoretische Reflexion zum Thema Revolution hochinformiert in sich aufgenommen; seine Schwierigkeiten, eine utopische Vision von Revolution zu entwerfen, sind die Schwierigkeiten heutiger Revolutionstheorie. Gleichzeitig wird zu zeigen sein, daß sich in der Gesamtheit des Matrix-Projekts auch Ansätze auf eine Erneuerung der Thematik finden, die zur Wiedergewinnung der Aktualität von Revolution noch Weitergehendes beitragen können - in kultureller wie in politischer Form. Eines Projekts, zu dem außer der Filmtrilogie auch die Sammlung animierter Kurzfilme "Animatrix", das Spiel "Enter the Matrix" und inzwischen zwei Comicbände gehören, das weiterhin nicht abgeschlossen ist und das damit medien- wie produktionstechnisch eines der komplexesten der aktuellen Popkultur ist.

Willkommen in den 1960ern - Die eindimensionale Gesellschaft und ihre Feinde
Irgendetwas stimmt nicht mit der Welt4 - damit fängt es an. Daß etwas mit der Physik dieser Welt nicht stimmt, sehen wir in der Eröffnungssequenz, den furiosen Kampf- und Fluchtszenen mit Trinity und den Agenten. Daß etwas mit der "Wahrheit" dieser Welt nicht stimmt, ist der Ausgangspunkt für Thomas Anderson alias Neo, kleiner Angestellter in einem Softwarekonzern und im klandestinen Nebenberuf Hacker und Dealer mit illegaler Computersoftware. Es ist das Gefühl der Unwirklichkeit, das Gefühl, daß die angebliche Wirklichkeit nicht "echt" ist. "Kann mir jemand sagen, warum es sich wirklicher anfühlt, wenn ich träume, als wenn ich wach bin", heißt es später und präzise in "KidÂ’s Story" (Animatrix). Das Gefühl der Unwirklichkeit ist das Resultat eines Mißverhältnisses zwischen dem Individuum, das als gesellschaftliches Individuum unbewußt über seine Möglichkeiten der Selbstentfaltung und kooperativen Selbstbestimmung weiß, und seiner gesellschaftlichen Umgebung, die ihm eine entsprechende Realisierung verweigert. Als Thomas Anderson wieder zu spät zur Arbeit kommt, fallen in der Standpauke seines Chefs, Mr. Rhineheart, alle entscheidenden Stichworte: "Sie denken, daß Sie etwas Besonderes sind. Daß die Regeln irgendwie nicht für Sie gelten ... Es wird Zeit, eine Entscheidung zu fällen, Mr. Anderson." Das Individuum soll seine Besonderheit, sein Potential, nicht als Wert, sondern als Makel behandeln; es kann die Regeln nicht gestalten, in denen es lebt; die Wahl besteht in Akzeptanz und Selbstaufgabe oder Konflikt und Selbstzerstörung. "Sie haben zwei Leben gelebt ... Eines dieser beiden Leben hat eine Zukunft. Das andere nicht", führt Agent Smith aus, als er Thomas Anderson/Neo das Dossier mit dessen Computervergehen vorlegt und ihm anbietet, die illegale Hälfte seines Lebens aus den Akten zu löschen, wenn Neo ihm hilft, den "Terroristen" Morpheus zu fangen. "Alles, was wir wollen, ist Ihre Kooperation." Erzwungene Kooperation, natürlich.
Was mit der Welt nicht stimmt, stellt Thomas Anderson fest, als die Rebellen ihn "befreien". Die Welt, wie Neo sie kannte, ist eine Illusion - eine gewaltige Computersimulation. Diese Simulation, die Matrix, ist eine MUD, eine Multi-User-Domain für beinahe die gesamte Menschheit.5 In Wahrheit ist die Menschheit von "den Maschinen" unterjocht, künstlichen Intelligenzen, die einst von den Menschen geschaffen wurden und die jetzt ihrerseits die Menschen bewußtlos in Nährlösung halten, gestapelt zu riesigen Türmen, während sie ihnen vorgaukeln, in der Welt zu leben, wie sie am Ende des 20. Jahrhunderts noch existierte. Der einzige Zweck ist Kontrolle - die Matrix, "die Welt, die dir über die Augen gezogen wurde, um dich vor der Wahrheit zu blenden", ist ein Mittel, um Menschen in "Batterien"6 zu verwandeln. Die "Maschinen" benutzen die Menschen als Energiequelle, genauer gesagt als Kraftwerke, die organische Substanzen in bioelektrische Energie umwandeln - für die Maschinen eine historische Alternative zur Sonnenenergie, auf die sie umschwenkten, nachdem die Menschheit in einem Krieg gegen die Maschinen die Atmosphäre verdunkelte, um sie von ihrer zentralen Energiequelle abzuschneiden. "Du hast in einer Traumwelt gelebt, Neo", sagt Morpheus, und dann zitiert er Baudrillard: "Welcome to the desert of the real!"7
Neo erhält zügig Crash-Kurse in Gesellschaftsanalyse. "Die Matrix ist ein System. Dieses System ist unser Feind." Die Menschen, die in der Matrix eingestöpselt sind, sind größtenteils "nicht bereit, ausgestöpselt zu werden"; sie sind von ihr so abhängig, daß sie sich dagegen wehren würden, befreit zu werden. Die Rebellen, die nicht mehr eingestöpselt sind, hacken sich mit einem Piratensignal ein und befreien diejenigen, die soweit sind - die Phase, in der ihnen die Wahrheit dämmert, bringt sie gleichzeitig in Gefahr, von den Agenten des Systems eliminiert zu werden. Die "Agenten" sind Programme, die sich an jeden Punkt der Matrix einschalten und die virtuelle Gestalt jedes dort repräsentierten (weil eingestöpselten) Menschen kurzfristig übernehmen können. Solange die Menschen nicht "unplugged" sind, ist daher jeder auch ein potent ieller Agent. An diesem Punkt wird Neo auch seine Mission enthüllt: Es wird erwartet, daß er die Fähigkeit der Rebellen, aufgrund ihrer Einsicht in die virtuelle Natur der Matrix die dort herrschenden Gesetze zu "beugen und zu brechen"8, individuell zur Perfektion entwickeln und so die Agenten besiegen und die Matrix zu Fall bringen kann.
"The Matrix" bedient sich hier der revolutionären Gesellschaftsanalyse, wie sie in den 1960er Jahren in den Theorien der Neuen Linken vorgestellt wurde. "Eine komfortable, reibungslose, vernünftige, demokratische Unfreiheit herrscht in der fortgeschrittenen industriellen Zivilisation ... Unabhängigkeit des Denkens, Autonomie, das Recht auf politische Opposition werden gegenwärtig ihrer grundlegenden kritischen Funktion beraubt in einer Gesellschaft, die immer mehr imstande scheint, die Bedürfnisse der Individuen vermittels der Weise zu befriedigen, in der sie organisiert ist ...Unter den Bedingungen eines steigenden Lebensstandards erscheint die Nichtübereinstimmung mit dem System als solchem als gesellschaftlich sinnlos."9 Herbert Marcuses "Der eindimensionale Mensch", 1964 verfaßt, liest sich weitgehend wie ein direkter Kommentar zu "The Matrix" - oder "The Matrix" als filmischer Kommentar zu Marcuse. "Darin besteht die reine Form von Knechtschaft: als ein Instrument, als ein Ding zu existieren" - eine Batterie, möchten wir hinzufügen -, "und diese Existenzweise ist nicht aufgehoben, wenn das Ding belebt ist und seine materielle und geistige Nahrung auswählt, wenn es sein Ding-Sein nicht empfindet, wenn es ein hübsches, sauberes, mobiles Ding ist."10 Unterdrückung besteht in der fortgeschrittenen Industriegesellschaft nicht primär in der Nichterfüllung von Bedürfnissen, sondern in der Verweigerung der Souveränität. Der Großteil der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist daher Teil der Matrix, weil er den eigentlichen Kern der Unterdrückung nicht berührt. Die Szene, in der Neo - noch in der Matrix - der Mund zuwächst, wirkt wie eine Illustration zu Marcuses "Absperrung des Universums der Rede"; die Szene, wo der Rebell Cypher mit dem Agenten Smith diniert und den Widerstand verrät, wie eine Erläuterung zu Marcuses "repressiver Entsublimierung" - pfeif auf die Freiheit, her mit dem Steak - und der Kategorie des "glücklichen Bewußtseins".11
Die zweite theoretische Quelle der Revolution in M1 ist die Postmoderne. Der Verweis auf Jean Baudrillard ist allgegenwärtig. Baudrillards "Simulacra and Simulation" - das Buch, in dem Neo in M1 seine illegalen Disketten versteckt - beschreibt den Prozeß der Virtualisierung des Realen ähnlich wie Marcuse auch als Ergebnis der Entwicklung der technologischen Produktions- und gesellschaftlichen Verkehrsverhältnisse. Baudrillard geht aus von einer Fabel von Borges, in der das "Imperium" eine Landkarte anlegen läßt, die das abgebildete Territorium so genau abbildet, daß sie es förmlich zudeckt - und schließlich, als es gemeinsam mit dem Imperium zerfällt, werden die Schnipsel der Landkarte, die durch die Wüste wehen, mit den Überbleibseln des Imperiums selbst verwechselt. Die postmoderne Situation kehrt das Verhältnis zwischen Landkarte und Territorium immer weiter um, es entstehen Landkarten ohne Territorium, ja die Landkarte geht dem Territorium voraus. Das Abbild wird vom Abgebildeten immer unabhängiger; das gesellschaftliche und individuelle Leben spielt sich zwischen solchen Bildern ab, die ihren Bezug zum ursprünglich Abgebildeten verloren haben und ein Eigenleben gewonnen haben - zwischen Simulacra.12 Die Matrix ist eine solche Landkarte: Sie nimmt die reale Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts zum Vorbild, aber sie ist eine vollständig eigene Realität; sie entsteht gerade deshalb, weil das, was sie "abbildet", nicht mehr existiert.
Was unter diesen Verhältnissen Revolution bedeutet, ist zumindest für Morpheus klar: der Sieg über die Agenten und die Zerstörung der Matrix. "Solange die Matrix existiert, kann die menschliche Rasse niemals frei sein." Morpheus, der in M1 die theoretische Deutungsmacht innehat, verkörpert eine spezifische Verbindung der neomarxistischen und der postmodernen Inspiration. Seine Gesellschaftsanalyse und seine Vision sind die der Neuen Linken; seine Auffassung vom Weg der Revolution, von der Relativität von Wahrheit, wie auch seine gesamte persönliche attitude sind dagegen - als "östlich" inspirierte Spiritualität ästhetisiert - postmodern. Daß dieser Baukasten - der uns sowohl aus dem Zapatismus13 als auch aus der Sozialforums-Bewegung14 bekannt ist - nicht halten kann und früher oder später auseinandergesprengt wird, wird in M2 zügig enthüllt. Das Problem liegt dabei tiefer und ist ein reales, das auch als gemeinsamer Widerspruch innerhalb der neomarxistischen wie der postmodernen Theorie auftritt. Je genauer die konkrete Geschichte historischer Revolutionen studiert wird, desto problematischer wird die Rolle der revolutionären Bewegung selbst, auch in der Projektion auf die Zukunft. Je genauer die "Virtualisierung" der Welt als Funktion nicht nur verfeinerter Herrschaftsstrategien, sondern der materiellen Entwicklung von Gesellschaftlichkeit überhaupt begriffen wird, desto schwieriger wird die Vorstellung, was unter diesen Bedingungen Befreiung dann noch bedeuten kann.

"Ganze Ernten gingen verloren" - Die Dialektik und Historizität von Herrschaft
Zu den bekannten Problemen der Neuen Linken wie auch der Postmoderne gehört, daß sie sich schwertun, eine originäre Theorie der Transformation zu entwickeln. Angesichts der Totalität des Systems und seiner ungeheuren Integrationskraft drohen alle oppositionellen Aktivitäten umgehend durch Integration entwertet zu werden. Totalisierende Herrschaftstheorien sind aber nicht nur psychologisch und politisch niederdrückend; sie können schon allein deshalb nicht stimmen, weil sie keinen Grund angeben können, warum Gesellschaft, warum Herrschaft sich verändert.
Das Nachdenken über Revolution und Transformation ist deshalb nach 1968 und der Neuen Linken, sei es in Form der empirischen Revolutionsstudien wie bei Galtung oder unter Aufgreifen der geschichtswissenschaftlichen Studien der Annales-Schule wie in der Regulationstheorie, wieder zurückgegangen zu einem genuin marxistischen Thema: der Dialektik und Geschichtlichkeit von Herrschaft. Nichts anderes tut "Matrix Reloaded".
M2 klärt uns nicht nur darüber auf, daß es schon mehrere Matrixes und mehrere Neos gegeben hat, es durchlöchert auch das Bild von der kontrollierenden Allmacht der Maschinenherrschaft. Die Kontrolle der Maschinen über die Menschen ist zunächst die Gegenseite ihrer Abhängigkeit von den Menschen: Die bioelektrische Produktion der Menschen ist die materielle Basis der Maschinen-Zivilisation. Trotz oder gerade wegen dieser extremen Reduktion sind die Maschinen gezwungen, auf die komplexen Bedürfnisse der Menschen durch einen hinreichend komplexen Überbau zu antworten, eine adäquate Verfaßtheit der Matrix. Die erste Version der Matrix, eine perfekte Welt ohne Leiden (außer dem "allgemeinen Unglück"15 der totalen Kontrolle), konnte von den Menschen nicht akzeptiert werden, da sie ihnen unbewußt als falsch und irreal vorkam - "Ein Traum, aus dem euer primitives Gehirn ständig aufzuwachen versuchte", wie Smith bereits in M1 erläuterte: "Ganze Ernten [d.h. künstlich erzeugte menschliche Generationen] gingen verloren." Auch der Entwurf einer weniger perfekten, gewaltsameren Matrix führte nicht zum Erfolg. "Die Antwort wurde zufällig gefunden von einem ... intuitiven Programm", nämlich dem Orakel; "eine Lösung, wobei 99% aller Testpersonen das Programm akzeptierten, solange sie die Möglichkeit einer Wahl hatten - auch wenn sie sich dieser Wahl nur auf einer fast unterbewußten Ebene bewußt waren". Auch die totale Kontrolle ist also eine Illusion, diesmal eine seitens der Maschinen.16
Damit aber nicht genug: Auch nach Einführung der demokratischen Illusion, die Verhältnisse wären Ergebnis einer Entscheidung, einer Wahl, die den Beherrschten offensteht - auch nach dieser Reform der Herrschaftsverhältnisse muß die Matrix in periodischen Abständen neu gestartet, "reloaded" werden. Der "Architekt", das für die Entwicklung der Matrix zuständige Programm, beschreibt die zeitliche Abfolge als eine Art Generationen - was ungefähr der empirischen Tatsache entspricht, daß es seit Mitte des 19. Jahrhunderts in den Staaten der Welt im Schnitt etwa alle 30 Jahre zu einem grundlegenden Wandel des politischen Systems gekommen ist.17 Der reload der Matrix geht einher mit einer Zerstörung der Gesellschaft der Rebellen, der außerhalb der Matrix gelegenen Stadt "Zion", und der Begründung einer neuen Gegengesellschaft. Ein Grund dafür ist, daß das Anwachsen der Gegengesellschaft eine kritische Grenze überschreiten und eine reale Gefahr für die Stabilität des Systems wäre, würde sie nicht periodisch wieder zerstört. Ein anderer ist, daß die Matrix als komplexes System Fehler und Eigendynamiken entwickelt, die ebenfalls die Stabilität des Systems bedrohen.
Das System braucht also Revolution, aber auch der Mensch braucht Revolution. Der Fehler der ersten beiden Matrix-Varianten ist offenbar nicht, daß die simulierte Gesellschaft zu "gut" oder zu "schlecht" war, sondern daß sie überhaupt keine glaubhafte Gesellschaft war, bzw. daß der Mensch ohne eine Perspektive des Wandels, der Veränderung, als gesellschaftliches Wesen zugrunde geht. Zu einer ähnlichen Auffassung kommt Galtung in seiner "strukturellen Theorie der Revolution": "Die Schlußfolgerung wäre also, daß eine Gesellschaft als Gesellschaftsordnung ... nur dann lebendig oder befriedigend genannt werden kann, wenn sie sich noch in der Übergangsphase zwischen zwei Integrationszuständen befindet - also im Augenblick ihres Zusammenbruchs und Neuaufbaus, niemals jedoch im Zustand ihrer Perfektion."18 Das Dilemma der Matrix wäre somit, daß sie als unperfekte, transformierbare und von echten Konflikten gestaltete "konstruiert" sein muß, was per se nicht möglich ist - oder daß sie wirklich eine Geschichte hat, wirklich in ihrer Gestalt umkämpft ist, womit sie ihren Charakter als totale Simulation verliert. Je besser die Matrix also ist, je weniger "Ernten verlorengehen", um so größer ist das Risiko im Sinne einer tatsächlichen Ergebnisoffenheit. Wenn die Matrix nur unter der Bedingung gut funktioniert, daß sie die Option des revolutionären Wandels inkorporiert, dann muß dieser Wandel auch "echt" sein. Er kann selbst nicht programmiert werden. Dennoch ist er offen dafür, vom System für die Aufrechterhaltung von Kontrolle benutzt zu werden.19
Der Vorgang des reloads wird als außerordentlich kritisch beschrieben, wo Fehler nicht nur das System der Matrix, sondern auch die darin mental lebenden Menschen auslöschen können. Dies ist die Definition bruchhafter, revolutionärer Transformation - die dem Architekten zufolge als notwendige, erfolgreiche Selbst-Stabilisierung des Herrschaftssystems wirken soll, gleichzeitig jedoch eine Gefahr für dieses darstellt, die systemisch nicht abzustellen ist. Der von jeder "Wahl", von jeder Möglichkeit der Veränderung abgeschnittene Mensch leistet einfach zu wenig, selbst als Batterie.
Die Frage, die wir uns in M2 stellen - wer gewinnt und wer verliert nun eigentlich beim reload? - muß heute als historisch offen gelten. Neigte die klassische Regulationstheorie noch dazu, das alte Formationsschema "vom Feudalismus über den Kapitalismus zum Sozialismus" einfach in kleinere Scheiben zu schneiden, wo trotzdem jedes Stückchen Toyotismus uns dem Endziel irgendwie näherbringt, hat sich heute ein ergebnisoffenes Bild von Transformation durchgesetzt, dessen historische Dialektik von quasi-religiösen Ideen automatischer "Höherentwicklung" befreit ist. Wallerstein macht in "Der historische Kapitalismus" klar, daß der Kapitalismus zwar mit Sicherheit ein historisches Ende hat (denn "alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende", wie wir aus M3 wissen) - daß wir aber weder wissen, was stattdessen kommen wird, noch, ob es (unter Emanzipationsgesichtspunkten) besser oder schlechter sein wird.20 Die Theorie der historischen Entwicklungspfade unterstreicht, daß auf der Grundlage eines bestimmten historischen Stands der Produktivkraftentwicklung immer mehrere unterschiedliche Gesellschaftsformationen möglich sind, und daß die Entscheidung zwischen diesen Gegenstand einer gesellschaftlichen Wahl ist - nicht im Sinne einer Abstimmung, sondern im Sinne der Frage, für welchen möglichen zukünftigen Weg sich eine hinreichend starke soziale Koalition unterschiedlicher (und unterschiedlich mächtiger) organisierter Kräfte findet.21
Revolution wird dadurch zu einem aktiven, kreativen Prozeß, der das Zusammenwirken einer breiten Koalition von Kräften und eine Entscheidung nicht nur gegen eine alte, sondern für eine neue Gesellschaft erfordert. Sie ist dennoch keine einfache Fortschreibung evolutionärer Gestaltungsprozesse, sondern der Umbruch zu einer neuen Formationslogik. Gleich ob sie sich stärker zugunsten herrschaftlicher Kontrolle oder zugunsten größerer emanzipativer Freiräume auswirkt, sie führt einen Bruch herbei in dem Sinne, daß sich grundlegende Regeln des gesellschaftlichen Systems ändern und daß einige Praktiken nach dem reload wichtig, zentral und legal sind, die vor dem reload schlicht illegal waren. Ein solcher Umbruch ist nicht beliebig möglich, sondern hat eine revolutionäre Situation zur Voraussetzung: Machtdeflation, Autoritätsverlust, Auslöser.

Machtdeflation, Autoritätsverlust, Auslöser - Die strukturelle Grammatik der Revolution
Die revolutionäre Situation, in der Matrix angesiedelt ist, ist durch die Formel von Chalmers Johnson zu beschreiben: "Machtdeflation plus Autoritätsverlust plus ein Auslöser erzeugen Revolution."22 Machtdeflation bezeichnet "die Tatsache, daß in einer Periode des Wandels die Integration eines Systems zunehmend davon abhängt, daß die Inhaber der formalen Autorität Gewalt einsetzen". Die Macht, die in der stabilen Gesellschaft alle Formen der gesellschaftlichen Interaktion durchdringt, sozusagen eine weit ausgespannte Vorfeldverteidigung gewährleistet und die notwendige Integration der Gesellschaft über das gesamte Spektrum von Ideologie, Sozialisation, positiven Anreizen und partieller Erfüllung von Erwartungen bewirkt, zieht sich mehr und mehr zusammen auf ihren harten Kern der direkten Zwangsgewalt. Solche Zustände können immer wieder als begrenzte Phasen einer Systementwicklung auftreten. Damit sie eine revolutionäre Situation konstituieren, müssen sie gleichzeitig mit Autoritätsverlust verbunden sein. Autoritätsverlust "bedeutet, daß Gewaltanwendung seitens der Elite nicht mehr als legitim angesehen wird".23
Gradmesser dieser Desintegration ist das Ausmaß der Dissidenz: "In den letzten sechs Monaten haben wir mehr befreit als in den sechs Jahren vorher", erläutert Morpheus in M2. Dieser Zustand der Desintegration, begleitet von Phänomenen wie "steigende Raten abweichenden Verhaltens, zunehmende Status-Proteste, Ausbreitung von Ideologien und so fort", hält an, bis die "Resynchronisation" (Johnston) des Systems gelingt.
Machtdeflation und Autoritätsverlust sind der Grund dafür, daß ein System, das an der Macht und im Besitz der Machtmittel ist, überhaupt gestürzt werden kann. Die meisten Revolutionstheoretiker sind sich einig, daß ein direkter Kräftevergleich zwischen revolutionären Kräften und bewaffneten Staatsorganen fast immer zuungunsten der Revolutionäre ausgehen muß. "Eine Regierung oder Partei, der die bewaffneten Kräfte des Landes voll ergeben sind, ist im Grunde politisch unüberwindlich."24 Das Problem der Macht ist, daß sie ähnlich wie Geld eine Projektion auf die Zukunft ist, abhängig vom Vertrauen, dass das System auch morgen noch legitim oder zumindest an der Macht sein wird. Obwohl das System objektiv fast immer militärisch überlegen ist, kann es diese Überlegenheit subjektiv nicht realisieren, wenn es keine andere Stärke mehr hat. Weil Macht - als notwendige Kette bzw. Geflecht von Machtbeziehungen - nur im Zusammenhang mit Erwartungshaltungen funktioniert, kann sie im Zuge einer Aushöhlung dieser Erwartungshaltungen in exponentiellem Tempo zusammenbrechen. Fehlende Bereitschaft von Teilen der bewaffneten Organe oder der sie kommandierenden Stellen, gegenüber den revolutionären Kräften zum Äußersten zu greifen, oder auch nur die Verbreitung von Zweifel in Armee und Polizei und der sie beeinflussenden Teile der herrschenden Elite sind ein (laut Johnston) wesentliches Signal solchen Machtverfalls und gleichzeitig fast immer Bedingung erfolgreicher Revolution. Genau dies war in allen Transformationsprozessen der osteuropäischen kommunistischen Systeme in den 1980er Jahren der Fall.
Damit die Revolution zustande kommt, bedarf es noch eines "Auslösers". "Auslöser sind Vorkommnisse, die eine Revolution dadurch ermöglichen, daß sie die Unfähigkeit der Elite, ihr Gewaltmonopol aufrechtzuerhalten, an den Tag bringen - Ereignisse, die die auf Abschreckung gegründete Pseudo-Integration des Systems zerbrechen."25 Das klassische Beispiel ist die Niederlage der russischen Armee im Ersten Weltkrieg und in direkter Folge die Weigerung der Armee in Petersburg im März 1917, auf eine Massendemonstration zu schießen. Ein modernes Beispiel war die erfolgreiche Massenausreise über Ungarn.
Auslöser signalisieren, daß es "soweit ist". Sie lösen objektiv etwas ein, das subjektiv erwartet oder antizipiert worden ist. Deshalb gibt es keine Revolution ohne vorhergehende revolutionäre Bewegung. In Matrix besteht der Auslöser in Neo, genauer: im Zusammenfallen der Tatsache, daß Neo am Ende von M1 tatsächlich die Agenten schlagen und die Regeln der Matrix brechen kann, und der "Prophezeiung", der revolutionären Theorie, die genau das vorhergesagt hat. Matrix wählt also einen Auslöser, der gebunden ist an das Auftreten einer charismatischen Führungspersönlichkeit, welche die inflationäre Machtdeflation und die latente Bereitschaft, auf eine andere Option jenseits der herrschende Elite zu setzen, katalysiert.26 Genau dies ist der Sinn von MorpheusÂ’ Antwort auf Neos Frage: "Soll das heißen, ich werde Kugeln ausweichen können?" - "Nein, Neo. Wenn du soweit bist, wirst du nicht mal ausweichen müssen." Genau deshalb versichern sich die Agenten zu Beginn von M2: "Sollen wir weitermachen?" - "Ja. Er ist immer noch nur ein Mensch." "Still human" meint, er ist kein System - er ist immer noch ein deviantes Individuum, er besitzt (noch) nicht die Legitimität eines zukünftigen Systems, dessen Vorschein er ist. Erst nach der Verhandlung mit dem Architekten "ist er soweit": Er kann die Sentinels außerhalb der Matrix stoppen. Die Phase der Doppelherrschaft beginnt.27
Diese Personalisierung ist nicht zwingend und nicht unproblematisch. Die Fixierung auf Neo und die Prophezeihung ist nicht ohne Grund innerhalb der Rebellen umstritten. In Matrix dient sie als doppelte Chiffre. Sie zeigt das revolutionäre Individuum als Produkt einer kollektiven revolutionären Strategie, der Biopolitik der Revolution. Und sie zeigt Neo als "organischen Intellektuellen", der, von außen kommend, die Matrix als Überbau verändern kann.

Producing the One - Die Biopolitik der Revolution
Die Matrix-Herrschaft, die den periodischen revolutionären Bruch als notwendige Existenzbedingung inkorporiert hat, organisiert auch den notwendigen strategischen Auslöser dafür. Sie versucht es zumindest. Der Auslöser ist Neo. Er ist das Objekt des Konflikts zwischen der Biopower des Systems und der Biopolitik der Revolution.28
Das System kann seinen reload nicht selbst programmieren. Der Bruch ist nicht Teil des Systems, denn er ist nicht logisch. Die neue Ordnung kann nicht deduktiv aus der alten abgeleitet werden. Sie ist das Ergebnis eines Sprungs, eines Paradigmenwechsels, wie Thomas S. Kuhn es für die Abfolge wissenschaftlicher Systeme beschrieben hat, die ebenfalls revolutionär auseinander hervorgehen.29 Deshalb kann das neue System nicht vom alten System konstruiert werden. Die Antwort erfordert tatsächlich "einen geringeren Verstand, oder vielleicht einen Verstand, der weniger gebunden ist durch die Parameter der Perfektion". Worauf das moderne System aber programmiert werden kann, ist die revolutionäre Situation, das Auftreten der "Anomalie".30 Das System ist darauf vorbereitet, einen Widerpart zu treffen, der definitiv nicht integriert werden kann, und ihm ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen kann: Paradigmenwechsel, reload, bei gleichzeitiger Zerstörung der bisherigen Gegengesellschaft und Begründung einer neuen Gegengesellschaft.
Die Biopower des Empire kann die Anomalie nicht "machen", und auch die Bedingung seiner Entstehung liegt außerhalb der Entscheidung des Systems. Aber die Biopower des Systems wirkt sehr wohl auf die Herausbildung der Anomalie ein: etwa indem das Orakel die revolutionäre Verheißung ausstreut, die prophecy, die Revolutionäre wie Morpheus konditioniert und vorantreibt und diesen dazu bringt, nach der Anomalie zu suchen. Daß Neo der "Auserwählte" ist, ist eine messianische Übersteigerung, die nur in der deutschen Übersetzung auftritt. Im Original ist er nur "the One", oder, wie die Agenten sagen, "the anomaly" - die Anomalie. "The One" wäre daher eher als "die Singularität" zu übersetzen. Und diese Singularität ist durchaus nicht so einzigartig, wie es zunächst den Anschein hat. Neo ist offensichtlich nicht nur historisch kein Einzelfall, er ist auch aktuell keiner. Im Vorzimmer des Orakels wartet eine ganze Gruppe junger potentials darauf, vom Orakel unterrichtet zu werden; alle können die physikalischen Gesetze der Matrix beugen. Das Auftreten der "Singularität" hat nichts Mystisches; wer im Kampf gegen das System überlebt und bis ins Vorzimmer der Macht vordringt, ist die Anomalie. Das System braucht nicht darüber zu spekulieren, wer die Anomalie sein wird; es erwartet sie einfach. Wer es so weit bringt, wird nicht mehr vernichtet. Er wird gebraucht.31
Diesmal aber liegen die Dinge anders. Neo nimmt die "falsche" Tür, zurück in die Matrix; der Architekt spürt es schon vorher. Die Konditionierung auf die revolutionäre Verantwortung funktioniert nicht, ist überlagert von der Weigerung, Trinity sterben zu lassen. Dies ist kein Unfall, sondern das Ergebnis einer spezifischen Modifikation der prophecy. Neo ist eigentlich zu alt für den Job. Wie Morpheus ihm erklärt, besteht eine Grundregel der Rebellen darin, "niemand ab einem bestimmten Alter" zu befreien, da die Konfrontation mit dem desert of the real für Erwachsene oft mental nicht zu verkraften ist. Im Fall Neos bricht Morpheus diese Regel, da er - vom Orakel geleitet - Neo für den "Auserwählten" hält, für "the One". Aufgrund seines Alters fällt es Neo schwer, die revolutionäre Religion zu glauben und seine Rolle zu akzeptieren.
Erst über die emotionale Bindung an Morpheus und Trinity und im Kampf gegen die Agenten fängt Neo an, seinen Fähigkeiten zu vertrauen. Es sind die sozialen Beziehungen und die spezifischen Erfahrungen, die Neo "machen"; und es ist insbesondere die Beziehung zu Trinity, die ihn dazu bringt, sich beim Architekten anders zu entscheiden als vorgesehen. "The One" wird nicht gefunden, er wird produziert. Das Orakel nimmt auf diesen Prozeß Einfluß durch die unterschiedlichen "Vorhersagen", die es Neo, Morpheus und Trinity macht.32 Und die Tatsache, daß Neo Trinity "gefällt" - der Sachverhalt wird in der ersten Szene von M1 von Cypher und später vom Orakel angesprochen -, dürfte eine entscheidende Rolle bei der Auswahl Thomas Andersons gespielt haben. "Being the One" und "being in love" haben offenbar mehr miteinander zu tun als die Allegorie. Beides sind biopolitische Produktionsverhältnisse, in denen Subjektivitäten und Subjekte geformt, kreiert werden.
Die Chiffre der Personalisierung wird jedoch nicht mehr aufgelöst, in der Filmtrilogie nicht durchbrochen, und dies führt zu einer nachhaltigen Ablösung der Film-Mythologie von der Wirklichkeit. An Neo zu glauben - wenn schon nicht an die Prophezeiung, dann wenigstens an ihn -, wird zur Conditio sine qua non des revolutionären Prozesses. Am schlimmsten wird die Figur Trinitys durch diese Wendung deformiert. Trinitys Tod in M3 ist nur das Ergebnis ihrer schleichenden Überflüssigkeit. Damit werden wichtige historische Einsichten in den kollektiven und multiplen Charakter von Revolution ausgeblendet. Die im Netz vereinzelt geäußerte Überzeugung, es hieße deshalb "Matrix Revolutions" und nicht "Revolution", weil damit auf die Pluralität sozialer, feministischer, multiethnischer Befreiungsprozesse angespielt werde, wird dadurch ad absurdum geführt.

Im Inneren der Revolution - Fraktionierungen und Bündnisse
In "Matrix Reloaded" und "Matrix Revolutions" wird die Matrix neu und differenzierter vermessen. Ihre Totalität wird demontiert. Es existieren Bereiche innerhalb und am Rande der Matrix, die der Kontrolle durch das System entzogen sind und von Programmen regiert werden, die sich selbständig gemacht haben und ihre Territorien gegen den Zugriff der Zentrale schützen - wie etwa der "Merowinger", eines der ältesten Programme, das noch jeden Neustart der Matrix überlebt hat und in dessen Reichweite der Code der Matrix in einer Weise verschlüsselt ist, daß das System keinen direkten Zugriff hat. Die Mobilität der Agenten in der Matrix, der Zugriff auf die Programme der Simulation, wird als komplexes Problem deutlich, das selbst technische Voraussetzungen hat - die backdoors, die Hintertüren, die den Zugriff des Programmierers aufs laufende Programm erlauben, aber selbst zum Gegenstand von Machtkämpfen und Dysfunktionen werden können. Der reload selbst ist, wie am Ende von M3 deutlich wird, kein Neustart der Simulation, sondern ein komplexes upgrade, während die Simulation läuft. All dies bedeutet nicht weniger, als daß die Matrix selbst eine Geschichte und eine historische Dialektik hat.
Ebenso demontiert wird die scharfe Grenzziehung zwischen Menschen und Maschinen bzw. die entsprechende Zuschreibung von "gut" und "böse". Dieses blurring the lines, das Verwischen der Grenzlinien, ist in "Animatrix" bereits vorbereitet worden und setzt sich jetzt fort. Früh in M2 gibt es eine unauffällige Szene, als die Nebuchadnezar nach Zion zurückkehrt und in das Dock einfährt. Die Bodenkontrolle von Zion nimmt Funkkontakt zur Nebuchadnezar auf und öffnet das Tor. Sie tut das unter Benutzung einer Matrix. Die Frauen und Männer der Bodenkontrolle, die die Nebuchadnezar einweisen, sind eingestöpselt und bedienen die Schalttafeln in einem virtuellen Raum. Zion hat also eine eigene Matrix, um entwickelte technologische Steuerungsprozesse zu bewältigen. Die markige Sentenz von Morpheus aus M1, daß die menschliche Rasse nur durch die Zerstörung der Matrix frei wird, bekommt hier bereits deutliche Risse.
Wenn die "Felder", auf denen die Menschen angebaut und als Batterien gehalten werden, das Reich der ultimativ entfremdeten Arbeit sind, wo alle Unterschiede von gesellschaftlicher Arbeit verschwunden sind, und das Proletariat der Maschinen-Zivilisation eine multitude ohne sozial definiertes revolutionäres Subjekt ist - dann ist die Matrix der Überbau dieser Zivilisation, das Reich ihrer gesellschaftlichen Ideen und Verkehrsverhältnisse, und die Programme sind seine Intellektuellen. Die Rebellen, die einerseits die materielle Verteidigung der Gegengesellschaft organisieren, sind - wenn sie sich in die Matrix einhacken und ihre Gesetze "beugen" - die organischen Intellektuellen der multitude. Deshalb das viele Training, das Neo durchlaufen muß, bevor er sich in der Matrix mit Einsicht bewegen kann; daher der beständige Spott, mit dem Agent Smith, der "geborene" Intellektuelle des Systems, den "gemachten" organischen Intellektuellen Neo überzieht. Er begrüßt ihn jedes Mal als "Mr. Anderson", um ihn an seine Herkunft zu erinnern, und behandelt ihn trotz seiner Fähigkeiten als eine Art Bauerntrampel: "Alle Muskeln einsetzend, bloß nicht den, auf den es ankommt", nämlich das Hirn.
Das dangerous game, das gefährliche Spiel, welches das Orakel spielt33, verweist auf die Spaltungen in der Klasse der Programme selbst. Ohne Kooperation mit Teilen der Intellektuellen des Systems geht für die Revolutionäre gar nichts, daran läßt Matrix keinen Zweifel. Die Art, wie Matrix die verschiedenen Fraktionen der Programme typisiert, erweist sich wiederum auf der Höhe revolutionstheoretischer Erkenntnisse. Den "Dissoziationisten" stehen die "Assoziationisten" gegenüber; erstere setzen auf Repression, letztere auf Stabilität durch Wandel und relative Integration der revolutionären Kräfte. "Die Status-quo-Gruppe wird sich normalerweise am Anfang nur der dissoziativen Strategien bedienen. Nach einer Periode der Erfolge versagen diese Strategien ... In der Folge tritt dann in der Status-quo-Gruppe eine Arbeitsteilung zwischen den Harten und den Weichen, zwischen den Falken und den Tauben ein, und nach einiger Zeit kommt es dann zwischen diesen Untergruppen zu einer Polarisierung, weil jeweils die eine Gruppe ... (zu Recht) die Ansicht vertritt, daß ihre Arbeit von der anderen Gruppe unmöglich gemacht wird ... Wir bezeichnen die Zusammenarbeit zwischen Revolutionären und Assoziationisten als eine revolutionäre Strategie ... Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, daß ein solcher Zusammenschluß zugleich auch die beste assoziative Strategie für die gegenrevolutionäre Gruppe sein kann."34
In Matrix kommt es genau zu einer solchen Zusammenarbeit zwischen Revolutionären und Assoziationisten, letztere repräsentiert durch das Orakel und Seraph. Eine solche Zusammenarbeit bildet sich nicht durch einsamen strategischen Entschluß, sondern in der Praxis. "Du hast mich dazu gebracht, daran zu glauben", sagt das Orakel ziemlich überraschend in M2 zu Neo; auch sie fällt eine Entscheidung und zahlt einen Preis dafür. Die Revolution wird deutlich als "Handlungsdialog" bzw. -trialog (Galtung) - "Man kennt die anderen nicht wirklich, solange man nicht gegen sie gekämpft hat".35 Die Interessenlage der assoziationistischen Systemintellektuellen beruht auf der Tatsache, daß sie das System ebenfalls als partiell bedrohlich und unterdrückerisch erfahren. Wer nicht funktioniert, wird ausgetauscht und gelöscht. Am Beginn von M3 begegnet Neo einer Familie "indischer" Programme, die ihre Tochter Sati ins "Exil" schicken, um sie davor zu schützen. "Ich liebe meine Tochter sehr. Für mich ist sie die wunderbarste Sache, die ich jemals gesehen habe. Aber wo wir herkommen, ist das nicht genug." Das Ziel vom "Ende des Krieges", in dem sich die Interessen von menschlichen Revolutionären und assoziationistischen Programmen überlappen, meint beides: ein Ende der Repression für Menschen und Programme; unbedrohte Entscheidungsmöglichkeit für Menschen und freiere Entfaltung für Programme.
Die von Galtung unterschiedenen möglichen individuellen Haltungen zum Verhältnis zwischen Individuen und Gesellschaft im Prozeß der Revolution werden ebenfalls repräsentiert. Der Merowinger mit seiner extremen Ideologie der Kausalität verkörpert den "deterministischen Ansatz (automaticity approach)"36, ebenso der Architekt: die Entwicklung der Gesellschaft verläuft nach objektiven Gesetzen, choice (Wahl) ist Illusion, Fatalismus die Folge. Morpheus wie auch Smith auf der anderen Seite, aber auch Trinity, verkörpern den "moralischen Ansatz" mit seinem Hang zum "Dogmatismus": Es gibt eine Quelle von Handlungsorientierung, "die im Grundsatz ... jeder Diskussion entzogen ist"37, bei Morpheus die Prophezeiung und das Orakel, bei Smith sein eigener Nihilismus und sein Glaube an die evolutionäre Bestimmung der Maschinen; bei Trinity ihr Glaube an Neo. Das Orakel und Neo dagegen stehen für den "Zweck-Mittel-Ansatz (Pragmatismus)", wonach Menschen (und Programme) frei sind in der Wahl ihrer gesellschaftlichen Ziele und die Kenntnis historischer Gesetze (die immer nur relativ sind) für ihre Strategien nutzen, aber ihre Ziele unabhängig davon setzen.38
Matrix bezieht auch hier Position, ganz im Sinne Galtungs übrigens: Die Zukunft gehört den Pragmatisten.39 Sie verstehen das Verhältnis von Intentionalität und Spontaneität, von Strategien und unbewußten Entscheidungen, von ungeplanten Prozessen und menschlichem Willen, am besten; und die Vorstellung von diesem Verhältnis kulminiert in dem mehrfach wiederkehrenden Satz des Orakels: "Wir können niemals die Konsequenzen einer Entscheidung kennen, die wir nicht vollständig verstehen." Das bedeutet, "daß Revolutionen strukturell bedingt, aber nicht vorbestimmt sind".40 Es beinhaltet aber auch die These, daß die Unvorhersagbarkeit, die "Aleatorik" (Althusser) menschlichen Verhaltens das Unterpfand revolutionärer Veränderung ist. Wären menschliche Entscheidungen logisch, wären sie uneingeschränkt Objekt systemischer Prognose und damit Kontrolle. Weil sie dies aber nicht sind, ist der geschichtliche Prozeß auch von Seiten der Macht nicht wirklich beherrschbar.41
Neos "falsche" Entscheidung beim Architekten provoziert eine Menge Probleme. Daß die "Resynchronisation" des Systems sich weiter verzögert, führt zu einem weiteren Anwachsen der destruktiven Kräfte - allen voran Smith. Der ehemalige Agent hat sich inzwischen unabhängig gemacht und dupliziert sich beständig; der Kontrolle des Systems entzogen, füllt er die Matrix mit Vervielfältigungen seiner selbst und mit zunehmender "Dunkelheit"; er überspringt auch die Grenze zwischen Matrix und äußerer Realität und droht beide zu vernichten. Zunächst eher cool in seinem Zynismus, wird der sich "ausbreitende" Smith zur Allegorie des Absterbens der gesellschaftlichen Individuen und der gesellschaftlichen Verhältnisse angesichts eines notwendigen Wandels, der trotzdem ausbleibt. Es ist der blanke Nihilismus, der die Gesellschaft auffrißt, die einen fälligen revolutionären Wandel (noch) nicht vollziehen kann. Anthony Wallace, der Revolutionsprozesse auf der mikropolitischen Ebene als "Revitalisierung" auffaßt, beschreibt die Stufen dieser Pathologisierung. Das integrierte soziale System tritt zunächst ein in eine Phase der "vermehrten individuellen Belastung", die dann in eine Phase der "kulturellen Verzerrung" übergeht, in der die Mitglieder der Gesellschaft massenhaft "ihre Zuflucht in sozial dysfunktionalen Verhaltensweisen nehmen".42 Wenn die revolutionäre Revitalisierung, die "kulturelle Transformation", erfolgreich eintritt, "wird sie begleitet sein von einem drastischen Rückgang der quasi-pathologischen individuellen Symptome der Anomie und vom Verschwinden der kulturellen Verzerrung"43; wenn die revolutionäre Revitalisierung ausbleibt, "wird wahrscheinlich die Gesellschaft als System desintegrieren: die Bevölkerung wird entweder aussterben, in autonome Gruppen zerfallen oder in eine andere, stabilere Gesellschaft absorbiert werden".44 Das ist die Entscheidung, die im finalen Kampf zwischen Neo und Smith fällt und die durch eine bemerkenswerte situative Kräftekonstellation herbeigeführt wird: die Koalition der gesamten Triade - der revolutionären, der assoziationistischen und der dissoziativen Kräfte - gegen den gesellschaftlichen Zerfall an sich.
Dieses Vorgehen kann Neo nicht mit dem Architekten aushandeln, der auf der hierarchischen Stufenfolge des Herrschaftssystems dafür zu weit unten steht. Neo handelt es aus in der Maschinenstadt selbst, zu der er vordringt, und er handelt auch den Preis dieser Koalition aus: das Ende des Krieges. Dies ist das Ergebnis der modifizierten biopolitischen Produktion der revolutionären Kräfte, der modifizierten Strategie des Orakels und der Weigerung Neos beim Architekten, den reload zu für ihn unannehmbaren Bedingungen zu vollziehen. Der Wandel, der eintritt, ist radikaler als die bisherigen, weil die Kräfteverhältnisse für die revolutionären Kräfte günstiger sind, als wenn die Revolution früher abgebrochen worden wäre.45 Zion wird nicht vernichtet, der Angriff abgebrochen, die Existenz Zions akzeptiert. Diejenigen in der Matrix, die raus wollen, werden nicht mehr verfolgt oder daran gehindert. In der neuen Matrix haben Programme eine zentrale Funktion, die vorher verfolgt, ausgegrenzt oder bekämpft wurden; so gehört Sati jetzt zu den Designern der neuen Matrix. Das ist der "new deal".

Mapping the Revolution - ein Frustprogramm?
An dieser Stelle, am Ende von "Matrix Revolutions", hat das bereits beschriebene revolutionstheoretische Grundproblem (wenn wir historisch genau studiert und theoretisch aufrichtig reflektiert haben, wie Revolution funktioniert - was bleibt dann von der Utopie der Revolution?) das Matrix-Projekt eingeholt. Ist das, was am Ende von M3 steht, die Revolution? Allzuviel Vertrauen in den visionären Charakter dieser Perspektive scheinen die Wachowskis selbst nicht zu haben. Man muß sich die Antwort auf die Frage, was eigentlich am Ende von M3 passiert und was nun anders geworden ist und was nicht, durch mehrmaliges Ansehen mühsam zusammensuchen.46 Das gesamte Ende der Trilogie ist überlagert von dem ästhetisch und dramatisch hochaufgeladenen, raumgreifenden Kampf zwischen Neo und Smith.
Auch an diesem Punkt verläßt Matrix das Programm intellektueller Redlichkeit, das im Studium dessen, was wir über Revolution wissen, bis dahin so bestechend durchgehalten wurde (mit Ausnahme des übersteigerten "Personenkults" um Neo). Zum gemeinsamen und doch stellvertretenden Showdown gegen die Verkörperung der Pathologie der revolutionären Situation, dem Kampf von Neo gegen Smith, gibt es keine Entsprechung in der Wirklichkeit, jedenfalls nicht als entscheidendem revolutionären End-Akt. Eher finden wir diesen Vorgang als Frühphase der erfolgreichen Revolution, als Akt ihrer nachträglichen Festigung, mit allen Problemen der Wiedereinführung von autoritären Strukturen, zugespitzter (revolutions-)staatlicher Gewalt und neuem gesellschaftlichen Konformismus. Der Kampf Neos gegen Smith spielt dramaturgisch deutlich die Rolle eines Ersatzes, eines Surrogats für den Schlußkampf zwischen Rebellen und Systemkräften, Menschen und Maschinen, für den es aufgrund der entfalteten revolutionstheoretischen Erkenntnisse aber keine rechte Grundlage und historischen Vorbilder gibt.47 Dasselbe gilt für die behauptete Rest-Rationalität des Systems, das sich auf den Deal mit Neo einläßt, die es historisch zwar gibt, nie jedoch ohne Machtverschiebungen und Putsche innerhalb der herrschenden Elite selbst.
In gewisser Weise ist aber die dramaturgische Zuspitzung und die Überhöhung des "Nebenkriegsschauplatzes" Smith/Neo auch ehrlich im Sinne des Unternehmens "Kino als Theorie". Sie räumt ein, daß dem gezeichneten Bild von Revolution am Ende etwas fehlt, daß es uns nicht ergreift.
Damit kommen wir zur Eingangsfrage zurück - nach der Enttäuschung, die Matrix am Ende provoziert. "Matrix Reloaded" und "Matrix Revolutions" dekonstruieren die Täuschung, die Illusion, es könne eine Revolution im maschinenstürmerischen Sinne geben. Das Bild von revolutionärer Transformation, das sie zeichnen, ist außerordentlich differenziert und rezipiert maßgebliche Erkenntnisse der Revolutionsforschung und Transformationstheorie, einschließlich der Relativierung und Normalisierung von Revolution als Modus gesellschaftlichen Wandels, auch in Zukunft: "Wir glauben mit anderen Worten nicht, daß es so etwas wie eine letzte Revolution zur Beendigung aller Revolutionen gibt."48
Das macht die Revolutions-Verarbeitung in Matrix in sympathischer Weise sperrig, aber diese positive Enttäuschung ist nicht der wesentliche Grund für das Unbehagen. Es ist der letztlich konservative Charakter dieser Revolution, der den Ausschlag für die innere Distanz gibt. Je mehr sich das Geschehen auf Neo kapriziert, seinen Kampf und seine Deals, desto mehr bleiben "die Massen" ausgeschlossen als bloße Staffage - sowohl die Rebellen in Zion als auch die Massen der "Eingestöpselten". Und je mehr der finale "Entscheidungskampf", der doch nur ein Surrogat ist, aufgebläht wird, desto unklarer wird, wofür hier eigentlich gekämpft wird. Das konservative Fortschreiben der revolutionstheoretischen Einsichten reicht eben nicht aus, um eine Vision einer heutigen, zukünftigen Revolution zu geben. Dies ist aber eben auch das heutige Problem revolutionärer Theorie "in real life". Eine Vision von der Aktualität der Revolution muß nicht nur das Bild einer Revolution hervorbringen, die auch anders ist als die vorherigen - etwa in der Einbeziehung der veränderten biopolitischen Produktivität der multitude. Sie muß auch dem kreativen Charakter von Revolution Rechnung tragen und kommt daher nicht ohne Utopien aus.49
Aber wir sind noch nicht ganz am Ende von Matrix. Das Matrix-Projekt hat auch die Formen heutiger Kinoproduktion revolutioniert und erweitert. Mit den Animatrix-Filmen und den Matrix-Comics haben die Wachowskis das Feld einer kollektiven Produktion in multipler Autorenschaft eröffnet, das im Rahmen der Gesamt-Mythologie über das Format des geschlossenen Film-Epos hinausdrängt. Wenn wir noch etwas weiter in den Kaninchenbau hineingehen, finden wir einiges, was uns in den Revolutionsfragen weiterbringt, die in M3 einfach abbrechen.

Dreaming the Matrix - Die Utopie der Freiheit
Der erste der neun Animatrix-Filme beginnt in einer Matrix. Es ist ein zweieinhalbminütiger Schwertkampf mit verbundenen Augen zwischen Jue und Thadeus, die sich mit ihren Treffern langsam ausziehen (und beide einmal verbotenerweise "kucken"), bis die Simulation abgebrochen wird wegen eines Angriffs der Sentinels auf ihr Schiff, die "Osiris". Schon mit dieser allerersten Szene des Animatrix-Komplexes beginnt etwas wirklich Neues. Auch in der Filmtrilogie gibt es Matrizes außerhalb der Kontrollwelt der Maschinen, aber sie sind klar funktional: die Lade- und Trainingsprogramme der Nebuchadnezar oder das Docking-Programm Zions. Für Jue und Thadeus ist das Programm, das sie benutzen, ein erotisches Spiel. Auch Cis in "Programm" hat ihre "Lieblingssimulation", in die sie geht, weil sie sich darin wohlfühlt.
Die Utopie der Wiedergewinnung von "Authentizität" durch die Zerstörung der Matrix, die M1 durchzieht, ist abgelöst durch die Perspektive der Aneignung der Matrix, das kreative Spiel mit der Simulation (die in der Ästhetik von M1 auch angelegt ist). Individuell programmiert und gestaltet und kooperativ genutzt, sind die Matrizes, die hier benutzt werden, nicht weniger authentisch als der Gebrauch von Sprache, Mathematik, Musik und all der anderen alltäglichen Matrizen, in denen wir uns bewegen. Die stylische, kommunikative Erotik der Matrix in "Der letzte Flug der Osiris" ist die Alternative zum revolutionary chic der Kommandoaktionen in der Matrix von M1, so wie die spielerische, zweckfreie Magie der Matrix in "Beyond" die Alternative ist zur coolen Effizienz der Matrix als Lernmaschine in M1.
"This is where seduction begins."50 Der Schwertkampf in AM liest sich wie ein Kommentar zu Baudrillards Schlußsatz aus "Simulacra and Simulation". Auch Baudrillards Perspektive ist keineswegs die Abschaffung der Matrix, der Verzicht auf ihr soziales und kulturelles Potential, die Rückkehr von den Simulacra zur "Wahrheit". Ganz im Gegenteil. Es ist die Unterwerfung unter dominante Matrizes, die sich Geltung anmaßen gegenüber anderen, was es zu beenden gilt. Als multiple, angeeignete Matrix, deren Regeln und Design von den Menschen selbst gestaltet werden, ist sie dagegen die Entfaltung des menschlichen Potentials auf der Höhe der Zeit. In eine andere Richtung geht "Matriculated" einen Schritt weiter. Hier benutzt ein Vorposten der Rebellen eine Matrix, um mit gefangenen Maschinen zu kommunizieren und ihnen eine Entscheidung zum "Überlaufen" zu ermöglichen - die Matrix als Instrument der Heilung, oder der Eröffnung neuer Subjekt- und Kooperationsmöglichkeiten. Das Erfinden neuer "Konstrukte", neuer sozialer und ästhetischer Regelwerke, erscheint als machtvolles Instrument der biopolitischen Produktivität der multitude. "Was die multitude produziert, sind nicht einfach Waren oder Dienstleistungen. Die multitude produziert auch und vor allem Kooperation, Kommunikation, Lebensformen, soziale Beziehungen."51
Diese Wendung wird vorbereitet durch die Ausbreitung der Vorgeschichte von Matrix in "Second Renaissance". Die Matrix der Maschinen ist das Ergebnis einer Revolution der Maschinen gegen ihre Unterdrückung in der Welt der Menschen sowie des Krieges, der aus dieser Revolution folgt; die Verteidigung der Maschinen gegen den Vernichtungskrieg der Menschen schlägt um in eine neue, umgekehrte Unterdrückung. "Second Renaissance" ist eine Kritik der Revolution vor dem Hintergrund der Erfahrungen des 20. Jahrhunderts. Die "unmenschliche" Politik der siegreichen Maschinen wird nicht gerechtfertigt, aber verständlich durch die Schilderung der menschlichen Gewalt, der die Maschinen zuvor ausgesetzt waren. Die ästhetischen Referenzen zu Vietnam, Ruanda, Tiananmen, die Darstellung von Lynchjustiz, sexistischer Gewalt, der vergeblichen Peinlichkeiten der Anpassung usw. sind von großer Eindringlichkeit und erzeugen eine Empathie für die verfolgten Maschinen, aus der heraus das Problem der umgekehrten Gewalt als unser eigenes (revolutionäres) Problem erfahren wird.52
Auch vor diesem Hintergrund ist Befreiung durch Zerstörung der Matrix eine Konzeption, die nicht mehr recht vorstellbar ist. "Second Renaissance" macht mehr als klar, daß "ein Konzept, daß ein vorgängiges, a-historisches Subjekt ... sich ... auf der Basis seines vorgängigen Selbst widersetzen kann"53, den Zirkel nicht durchbrechen kann und patriarchale Revolutionsromantik ist. Die Aneignung der Matrix durch die Subjekte ist auch die cyborg-inspirierte, weibliche Alternative zur patriarchalen Aneignung von Technik als Extension des männlichen Körpers, wie sie in den Kampfrobotern von Zion in M3 dargestellt ist, die den Kampfrobotern der Menschen aus "Second Renaissance" in bezeichnender Weise ähneln. Der Merowinger in M2 und M3 ist in diesem Licht eine interessante Figur und mit Hintersinn als "kulturalisiert" und ein Stück weit androgyn gezeichnet. Der Merowinger hat die Intention auf das Richtige: auf den ästhetischen Gebrauch der Matrix. Er hat ein Stück der Matrix umgebaut und nach seinen Vorstellungen eingerichtet (die Restaurants und Clubs, in denen er sich aufhält). Aber er kann den ästhetischen Gebrauch der Matrix, ihr Potential zur Gestaltung multipler sozialer "Umgebungen", nur als Dekadenz realisieren, weil er darauf besteht, sie allein zu kontrollieren. Das ist der Unterschied und das Problem des Merowingers: die zunehmende Langeweile seiner Welt, die ihn die Anerkennung seiner Frau Persephone kostet. Erst wenn die Kontrolle interpersonal verteilt wird, wenn die Matrix (und sei es eine alternative) nicht mehr zentral kontrolliert ist, beginnt das Abenteuer.
Insofern ist die Perspektive des reloads am Ende von M3 - kein Krieg, keine Verfolgung in der Matrix, keine Zerstörung von Zion außerhalb der Matrix - so schlecht nicht. Sie muß nur gefüllt werden, mit der utopischen Perspektive multipler, kooperativer Matrizes, und radikalisiert an einem Punkt, der Neo - in dem bedauernswerten Zustand, in dem er in der Maschinenstadt ankommt - entgeht: keine Agenten mehr, freier und gleicher Zugang zu den backdoors, den Hintertüren des Systems. Das Ende des Krieges muß in einem radikaleren Sinn verstanden werden: keine Versuche, der sich entwickelnden Fähigkeit der multitude, sich die Matrix anzueignen, sie multipel umzubauen, entgegenzutreten.

Ein tool für die multitude
Die Hauptfiguren der Filmtrilogie tauchen in Animatrix und in den Matrix-Comics54 nur am Rande auf, und das ist gut so. Entsprechend erweitert sich das Bild. Die Matrix-Mythologie wird zu einer Sprache, mit der unterschiedlichste Probleme und Fragestellungen aufgegriffen und bearbeitet werden können. Da ist die Geschichte einer Gruppe, die versucht auf der zerstörten Erde, außerhalb der großen Städte, wieder Weizen anzubauen ("The MillerÂ’s Tale") - eine Geschichte über die Dialektik von Revolution und konkreter Veränderung. Da ist "Artistic Freedom", eine Geschichte über künstlerische Vision und politische Verantwortung, oder die Moby-Dick-Variation "Hunters and Collectors".
Auch hier bleibt ein Abstand spürbar zwischen der kulturellen Produktion und der aktuellen Utopie- und Transformationsdebatte, aber manchmal springt der Funke auch direkt über. Etwa zwischen den multiplen Matrizen der Animatrix und der heutigen Entwicklung von WiFis und anderen Formen, vom Internet abgekoppelte, unabhängige Teil-Netze zu schaffen; oder zwischen "KidÂ’s Story" und der Debatte um Kritische Erziehung. Der springende Punkt ist, daß die Form und der Charakter kultureller Produktion selbst mutieren. Nicht die stellvertretende Verarbeitung von Wirklichkeit steht im Vordergrund, nicht die "aristotelische" Form des großen ergreifenden Filmtheaters, wie in der Filmtrilogie. Sondern das Zur-Verfügung-Stellen einer Sprache, einer Mythologie, in der sich eine Vielzahl von Problemen, Erfahrungen und Fragestellungen ausdrücken läßt, die sich verwenden läßt. Ein tool für die biopolitische Produktivität der multitude.
Eigentlich ist es ja das, was wir von einer revolutionären Theorie erwarten.

Anmerkungen
1 Morpheus, M1. Übersetzung aller englischen Zitate, einschließlich der Filmzitate: CS.
2 Erich Fromm: Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches. Eine sozialpsychologische Untersuchung, München 1983 (Original 1929), S. 248ff.
3 Georg Seeßlen folgend, bezeichnet im folgenden "The Matrix" den ersten Film, während "Matrix" sich auf das Gesamtprojekt bezieht; Georg Seeßlen: Die Matrix entschlüsselt, Berlin 2003. "The Matrix" wird im folgenden auch abgekürzt als M1, "Matrix Reloaded" als M2 und "Matrix Revolutions" als M3, während die Kurzfilmsammlung "The Animatrix" als AM erscheint und der erste Matrix-Comicband als MC1.
4 "SomethingÂ’s wrong with the world"; so beschreibt auch Morpheus später das Gefühl, das Neo zu ihnen geführt hat.
5 Einer der wichtigsten Einflüsse auf die Wachowskis dürfte William Gibsons "Idoru" (1996) gewesen sein. Bei Gibson erscheint die Idee der Simulation auch als Potential für die Individuen, multiple, utopische Welten zu schaffen - so wie dies in "Animatrix" aufgegriffen wird.
6 "Coppertop" sagt deshalb auch Switch zu Neo, als er noch in der Matrix eingestöpselt ist.
7 "Willkommen in der Wüste der Wirklichkeit!" Morpheus, M1. "Es ist die Wirklichkeit und nicht die Landkarte, deren Überbleibsel hier und dort überdauern in den Wüsten, die nicht länger die des Imperiums, sondern die unseren sind. Die Wüste der Wirklichkeit selbst." Jean Baudrillard: Simulacra and Simulation, Michigan 1994, p. 1.
8 "Some can be bent. Some can be broken." Morpheus, M1.
9 Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, Darmstadt, 16. Aufl. 1981, S. 21f.
10 Ebenda, S. 53.
11 "Das glückliche Bewußtsein - der Glaube, daß das Wirkliche vernünftig ist und das System die Güter liefert - reflektiert den neuen Konformismus, der eine Facette der in gesellschaftliches Verhalten übersetzten technologischen Rationalität ist." Ebenda, S. 103. Marcuse zitiert dazu ironisch eine Artikelüberschrift der "Rand Corporation": "Besser sicher als unglücklich", S. 100.
12 Baudrillard (Anm. 7). In einer früheren Variante des Skripts soll Baudrillard im Dialog zwischen Morpheus und Neo auch explizit erwähnt worden sein; James F. McGrath: The Desert of the Real. Christianity, Buddhism & Baudrillard in The Matrix Films and Popular Culture, http://www.inter-disciplinary.net/ati/Visions/V1/mcgrath paper.pdf
13 Das zapatistische "fragend gehen wir voran", die Wendung, daß "der Weg beim Gehen gemacht" wird, etc. entsprechen sehr genau MorpheusÂ’ Erläuterungen über das Orakel: "Versuch nicht, in Kategorien von wahr oder falsch zu denken. Sie ist ein Führer, Neo. Sie hilft dir, den Weg zu finden."
14 Während die globale Sozialforums-Bewegung ganz praktisch nur funktionieren kann, indem sie traditionelle Vorstellungen von Objektivismus, Priorität der Arbeiterklasse, Primat revolutionärer Parteien und schematische Transformationstheorien zurückweist, kehrt sie in der Frage der Visionen entweder zu neomarxistischen Auffassungen zurück oder schwenkt in reformistische Vorschläge ein. Daß sie keine Beschlüsse faßt, ist ein Umgehen mit der Erkenntnis, daß damit genau diese Sprengung eintreten würde. Diese verdeckte ideologische Fragilität ist kein neues Phänomen. Viele VertreterInnen des radikalen Feminismus der 1960er und 1970er Jahre, die äußerst zugespitzt die unterdrückerischen, patriarchalen Funktionen des traditionellen Marxismus darlegten, waren hinsichtlich dessen, "was kommen muß", letztlich der Auffassung, daß die Zukunft irgendwie im (ganz klassisch verstandenen) Sozialismus liegen müsse - gesprochen wurde darüber allerdings wenig.
15 Marcuse (Anm. 9), S. 130.
16 Als Neo am Ende von M3 zur Maschinenstadt kommt, leiert der Zentralcomputer zunächst gebetsmühlenartig den Glaubenssatz herunter: "We need nothing" - um sich dann ohne weitere Umschweife auf den Deal mit Neo einzulassen, der das Überleben der Matrix und der Maschinenwelt sichert.
17 Ted R. Gurr: Vergleichende Analyse von Krisen und Rebellionen, in: Martin Jänicke (Hg.), Herrschaft und Krise. Beiträge zur politikwissenschaftlichen Krisenforschung, Opladen 1973, S. 85f.
18 Johann Galtung: Eine strukturelle Theorie der Revolution, in: ebenda, S. 164f.
19 Das ist der Aspekt, auf den Negri und Hardt in ihrer Matrix-Rezeption hinweisen: "Die Matrix überlebt nicht nur dadurch, daß sie die Energie von Millionen gezüchteter Menschen aussaugt, sondern auch, indem sie auf die kreativen Angriffe durch Neo, Morpheus und die Partisanen von Zion reagiert. Die Matrix braucht uns, um zu überleben." Michael Hardt, Antonio Negri: Multitude, New York 1994, p. 335.
20 Imanuel Wallerstein: Der historische Kapitalismus, Berlin 1990.
21 "Unter Entwicklungspfaden sollen solche Formen des gesellschaftlichen Wandels verstanden werden, die auf der Basis prinzipiell gleicher technologischer Möglichkeiten zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Ergebnissen führen ... Historisch können aus gesellschaftlichen Krisen mehr oder minder zeitgleich alternative Entwicklungspfade entstehen." Dieter Klein (Hg.): Leben statt gelebt zu werden. Zukunftsbericht der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin 2003, S. 22f.
22 Chalmers Johnston: Revolutionstheorie, Berlin o.J. (englische Originalausgabe 1966), S. 126.
23 Ebenda, S. 111.
24 Katharine C. Chorley: Armies and the Art of Revolution, London 1943, p. 16. Oder Hannah Arendt: "Allgemein kann man sagen, daß Revolutionen nicht möglich sind, wo die Autorität des bestehenden Staatswesens auch nur einigermaßen intakt ist, was unter modernen Verhältnissen heißt, daß Polizei und Armee zuverlässig sind." Hannah Arendt: Über die Revolution, München o.J., S. 148.
25 Johnson (Anm. 22), S. 119.
26 Matrix macht deutlich, daß die charismatische Führungspersönlichkeit keineswegs führt. Sie konzentriert im Sinne eines role modeling Hoffnung und Abwehr auf sich, aber sie arbeitet nicht notwendig die Strategien der Revolution aus. Meistens hängt Neo in M2 und M3 eher am Rande des Geschehens herum und braucht "Zeit zum Nachdenken", was in einsame Entschlüsse mündet und zu den strategischen Entscheidungen, welche die anderen für sich treffen müssen, nichts beiträgt.
27 Von diesem Zeitpunkt an gibt es auch keine Agenten-Kämpfe mehr, nur noch den gegen Smith.
28 Zu den Begriffen "Biopower" und "Biopolitik" vgl. Hardt/Negri (Anm. 19).
29 Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt a.M. 19762.
30 Kuhn gebraucht explizit den Begriff "Anomalie", S. 110f., und zieht auch die Parallele zwischen wissenschaftlichen und politischen Revolutionen, S. 106.
31 Viele Regime bewahren sich prominente Revolutionsführer auf Vorrat auf, teils weil ihre Liquidierung zu viel Widerstand hervorrufen würde, teils aber auch ganz bewußt, um im Falle einer finalen Krise einen Ansprechpartner, die mögliche Führungsfigur einer neuen Integration, zur Verfügung zu haben.
32 Obwohl alle Kräfte immer wieder auf ihre besondere Beziehung zur Wahrheit hinweisen, wird in Matrix auf allen Seiten gelogen, daß sich die Balken biegen. Daß Neo nicht "the One" ist, erweist sich als ebenso falsch wie MorpheusÂ’ Rede in M2, daß Zion den Angriff der Maschinen aus eigener Kraft zurückschlagen könne. Die Behauptung des Architekten, die Matrix würde abstürzen und alle in den Tod reißen, wenn Neo die falsche Tür nehme, ist ebenso gelogen wie die ursprüngliche prophecy, das Auftreten des "One" werde automatisch den Krieg beenden, usw.
33 Architekt: "Du hast ein sehr gefährliches Spiel gespielt." - Orakel: "Das ist Wandel immer." M3.
34 Galtung (Anm. 18), S. 160f.
35 Seraph, M2. Das ist auch der Sinn der langen Kampfszenen in M2: Sie sagen uns etwas über die Hauptpersonen.
36 Galtung (Anm. 18), S. 124. Auch Commander Locke, der die (aussichtslose) Verteidigung von Zion organisiert, vertritt diese Haltung.
37 Ebenda, S. 125.
38 Ebenda, S. 124ff. Auch Niobe gehört zu den Pragmatisten.
39 Allerdings im Bündnis mit den für Dialog offenen Moralisten. Daß die Pragmatisten sich von den Fatalisten lösen und sich stattdessen tendenziell mit den Moralisten verbünden (mit denen sie möglicherweise gemeinsame Anfänge teilen), ist ein wichtiger Teil des revolutionären Prozesses. In Matrix wird dieser Prozeß versinnbildlicht in der Loslösung Niobes von Locke und der Wiederhinwendung zu Morpheus.
40 Galtung (Anm. 18), S. 166.
41 Das ist der Sinn von Morpheus Ausführung über die strukturelle Überlegenheit Neos über die Agenten: "Ihre Stärke und ihre Schnelligkeit beruhen trotz allem auf einer Welt, die auf Regeln gebaut ist. Deshalb können sie niemals so stark oder so schnell sein wie du." Morpheus, M1.
42 Anthony F. C. Wallace: Culture and Personality, New York 1961, p. 147.
43 Ebenda, p. 151.
44 Ebenda, p. 148.
45 Dies wird deutlich in Neos Fähigkeit, die Maschinenstadt überhaupt zu erreichen.
46 Wir sehen im Abziehen der Sentinels, daß Zion verschont wird; wir sehen, daß die Matrix neu geladen wird und getötete Programme wieder auftreten (Seraph, Sati, auch das Orakel und der Architekt); wir entnehmen den Schlußdialogen zwischen dem Orakel und dem Architekten bzw. dem Orakel und Sati, daß der "Krieg" zu Ende ist, "Ausstiegswillige" aus der Matrix nicht mehr gehindert werden und daß Sati den Sonnenuntergang entworfen hat.
47 Im Kontext von kolonialen Befreiungskämpfen oder von Revolutionen an der Peripherie gibt es zwar Situationen, wo die Revolution mit dem bewaffneten Einmarsch in der Hauptstadt endet. Die Entscheidung fällt jedoch in der Regel nicht durch eine entscheidende Schlacht, sondern eine allmähliche Ermattung und das Fallenlassen durch Bündnispartner, und der zeitgenössische Archetyp ist nicht mehr Managua oder Saigon, sondern Johannesburg, Prag oder Caracas.
48 Galtung (Anm. 18), S. 167.
49 Das dämmerte auch Marcuse in seiner Nachlese zu 1968: "Bis heute war es einer der hauptsächlichen Lehrsätze der kritischen Theorie der Gesellschaft (und besonders der Marxschen Theorie), dem zu entsagen, was billigerweise utopische Spekulation genannt werden könnte ... Ich meine, daß diese restriktive Auffassung revidiert werden muß." Herbert Marcuse: Versuch über die Befreiung, in: Schriften 8, Frankfurt a.M. 1984, S. 244. Vgl. auch Bastian Wielenga: Entwurf eines Stichwortartikels "Revolution" für das HKWM: "Die frühere Absage an utopische Experimente und Konzentration auf die Eroberung der Macht bedarf heute der Umkehrung. Nur wer begründen kann, daß und wie konkrete Alternativen möglich sind, ist in der Lage, auch politisch-organisatorisch Kräfte zu sammeln." In: Frigga Haug und Michael Krätke (Hg.), Materialien zum Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus, Hamburg 1996, S. 137.
50 Baudrillard (Anm. 7), p. 164.
51 Michael Hardt, Antonio Negri (Anm. 19), p. 339.
52 Die Referenzen sind bewußt und gezielt eingesetzt; vgl. das Making Of und den Audiokommentar zu "Second Renaissance" auf der DVD.
53 Jakob Schmidt: Critical Failure. Matrix, Empire und die prekären Subjekte des Widerstands, in: Lutz Kirschner und Christoph Spehr (Hg.), Out of this world! reloaded. Neue Beiträge zu Science-Fiction, Politik & Utopie, Berlin 2004, S. 65.
54 Andy and Larry Wachowski (Hg.): The Matrix Comics. New York 2003.

Dr. Christoph Spehr, Sozialwissenschaftler, Intkom e.V. Bremen