Gesellschaft

Welternährung

Editorial zum Dossier iz3w 382 (Jan./Feb. 2021)
Biafra-Kinder mit aufgeblähten Bäuchen und Brot für die Welt – das ist alles so Retro wie die Schwarzweißfotos aus den Siebzigerjahren. Als ein Relikt aus längst vergangenen entwicklungspolitischen Zeiten dürften jüngeren Menschen auch Begriffe wie Welternährung und Ernährungssicherheit erscheinen. Nicht ganz zu Unrecht: Eine Zeitlang hatte es ja wirklich so ausgesehen, als ob der Hunger bald aus der Welt geschafft wäre und zu einem Problem von gestern wird. Entsprechende Ziele waren in allen wichtigen internationalen Übereinkünften verankert. Noch vor fünf Jahren waren viele Fachleute optimistisch, dass zumindest ein Mindestmaß an Ernährungssicherheit auf globaler Ebene in Bälde erreicht wird.
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Der neue Weg

Hefteditorial iz3w 382 (Januar/Februar 2021)
Rückblickend mag die Welt im Jahr 1970 einfacher gewesen sein. Es war eine bipolare Welt, in der Konflikte in der Regel als Systemkonflikte interpretiert wurden: Da gab es den kommunistischen Osten und den kapitalistischen Westen. Der Vietnamkrieg galt wie viele andere Konflikte als Stellvertreterkrieg, den die rivalisierenden Systeme ausfochten, um einer direkten Konfrontation (und der Gefahr eines Atomkriegs) aus dem Weg zu gehen. In den Kriegen jener Zeit kämpften überall »Imperialisten« gegen »Kommunisten«, Schattierungen in der schwarz-weißen Welt wollten oder sollten nicht gesehen werden.
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Tödliche Effizienz

Trotz der Corona-Pandemie schließt die Bundesregierung in Deutschland weiter Krankenhäuser

Die Pressekonferenzen von Lothar Wieler, dem Leiter des Robert-Koch-Instituts (RKI), haben für informierte Zuhörerinnen und Zuhörer zurzeit einen bitteren, um nicht zu sagen: toxischen Beigeschmack. Denn während Professor Wieler vor einer drohenden Überlastung der Krankenversorgung warnt und die Bevölkerung zu Achtsamkeit, Abstand und Solidarität aufruft, lässt sein unmittelbarer Vorgesetzter, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), munter weiter Krankenhäuser schließen.

 

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Die unsichtbare Macht

Zum Verhältnis von Verschwörungsmythen und Antisemitismus
Verschwörungsmythen haben Hochkonjunktur. Zwischen ihnen und Antisemitismus bestehen starke Verbindungen, Antisemitismus ist vielleicht der älteste Verschwörungsmythos überhaupt. Im Mittelpunkt antisemitischer Erzählungen steht »die jüdische Weltverschwörung«. Dieses Motiv wird in der Covid-19-Pandemie aktualisiert.
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Wir haben keine Angst mehr

Nach dem gewaltvollen Tod George Floyds durch einen Polizisten im US-Bundesstaat Minnesota am 25. Mai 2020 wurde es etwas ruhiger auf Michelle Elies Instagram Account. Für Elie, die sonst täglich durch Fotos und in ihren Stories rund 20.000 Follower erreicht, fühlte es sich nicht mehr ganz richtig an, nur noch Selfies und Videos von ihr in schönen Kleidern zu posten: „Temporary closed for spiritual maintenance, kündigte sie eine Instagram-Pause an.

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Modethema im Buch

in (10.11.2020)

Die Mode habe eine „Art Schwellenexistenz zwischen Allgegenwärtigem Gebrauchsgegenstand im Alltag, kommerziellem Produkt und künstlerischem Entwurf“, schreibt Sonja Eismann. Nicht zuletzt deshalb sei sie „zentral für unser Verständnis von moderner Gesellschaft und Kultur“. Der von Eismann mit einem historisch-soziologischen Essay eingeleitete Band aus der absolute-Reihe versammelte kurze klassische Texte (Veblen, Simmel, Bourdieu, McRobbie u.v.a) und ermöglicht so einen schnellen wie intensiven Einstieg in den ganzen Diskurs.

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Newton und Mendelejew irrten, Marx nicht?

Der Unterschied zwischen Mainstream und Non-Mainstream, zwischen den Economics, wie sie sich üblicherweise in den Lehrbüchern und Medien finden, und Auffassungen, die davon abweichen, ist wohl in keiner Disziplin größer als in der Ökonomie. Umso mehr ist es anzuerkennen, wenn Ökonomen immer wieder versuchen, mit ihren alternativen Theorien und Überzeugungen gegen die etablierte Lehre anzukämpfen und vor deren Übermacht nicht zu kapitulieren.

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Brüchige Allianzen

LSBTIQ-Aktivismen im Kontext der intersektionalen und dekolonialen Praxis der südafrikanischen Studierendenbewegung
in (06.11.2020)
Am 9.3.2015 bewarf Chumani Maxwele die Statue von Cecil Rhodes am Universitätsgelände der University of Cape Town mit Fäkalien. Aus dem Unmut gegen die Präsenz des Kolonialisten Rhodes an der Universität und damit aus der Kritik an dieser diskriminierenden Erinnerungskultur entwickelte sich eine der größten sozialen Bewegungen Südafrikas seit der Überwindung der Apartheid. Die Studierenden forderten mit dem Rhodes Must Fall und später mit Fees Must Fall den freien Zugang zur tertiären Bildung und einen universitären Raum jenseits von Diskriminierung und Rassismus. Dekolonisierung und Intersektionalität waren dabei zwei zentrale Schlagworte für das Verständnis der Unrechtserfahrungen der Studierenden und zugleich fassten sie die multiplen Forderungen der Studierenden zusammen. Die vielfache Zuschreibung dessen was Dekolonisierung und Intersektionalität bedeuten, ermöglichte es, Allianzen zwischen unterschiedlichsten Studierenden zu bilden und auch jene Studierenden, wie die LSBTIQs zu integrieren, welche aufgrund ihrer mehrfachen Diskriminierung häufig ausgeschlossen bleiben. Im Protestverlauf erlebten jedoch LSBTIQs Studierende vermehrt Diskriminierung und Ausschluss. Geschlechterpositionen wurden zum Streitpunkt und stellten die Allianzen infrage. Was mit einer geteilten Forderung von Dekolonisierung und Intersektionalität begann und damit mit dem Streben nach einem herrschaftsfreien Raum, der Diskriminierung und Rassismus überwindet, endete in der Reproduktion von Ungleichheit und der Herausbildung von Machtpositionen. Allianzen brachen auf, trugen zur Zersplitterung der Studierendenbewegung bei und ließen Gegenproteste entstehen, welche die herrschaftskritischen Proteste in ihrer Reproduktion von Ungleichheit hinterfragten. Vor dem Hintergrund der Studierendenbewegung wird die Brüchigkeit von Allianzen deutlich ebenso wie Notwendigkeit, analytisch den Protestverlauf zu analysieren, denn erst dieser zeigt das Entstehen von Allianzen einerseits sowie von Macht- und Exklusionsdynamiken andererseits.
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