"Hafen der Erinnerung"

Die Besetzung von Jaffa

in (06.01.2014)

Der folgende Text ist die Projektbeschreibung des Dokumentarfilms "Hafen der Erinnerung" von Kamal Aljafari, wie er sie vor Drehbeginn verfasst hat. Der Epilog stammt aus einem Interview mit dem Regisseur über den fertiggestellten Film, das im Montreal Serai erschien. Der Film basiert auf der Projektbeschreibung, ist jedoch direkte Übersetzung in bewegte Bilder. In Aljafaris filmischen Arbeiten spielen Architektur und Urbanisierungspläne in seinen Heimatstädten Ramla und Jaffa eine zentrale Rolle. Er untersucht, wie die andauernde Nakba die Städte verwundet.

 

Motivation

Am 13. Mai 1948 fällt Jaffa, eine Küstenstadt im Mandat Palästina, in die Hände der israelischen Streitkräfte und wird ihrer Bewohner gewalttätig entleert. 100.000 Palästinenser haben bei Kriegsbeginn hier gelebt und aufgebaut, was seinerzeit eine der lebendigsten und kosmopolitischsten Städte der Levante war - kulturell, ökonomisch und politisch. Der Rest flieht unter ständigem Beschuss in Booten Richtung Exil. In der palästinensischen Literatur wird Jaffa zu einem gewichtigen Symbol für Vertreibung und Exil – der letzte Hafen im Paradies.

Jaffa ist Jahrtausende alt. Im Laufe dieser Zeit wurde die Stadt mehrfach besetzt, teilweise zerstört und wieder aufgebaut. In der Moderne war der bis dato brutalste Angriff auf die Stadt die Besetzung durch Napoleon Bonaparte. 1799 hat seine Armee Tausende Einwohner Jaffas massakriert und große Zerstörung angerichtet. Sogar diesen Angriff hat Jaffa als Stadt überlebt. Bis 1948. Während und nach dem Krieg hat der neue Staat Israel eine massive Abrisskampagne durchgeführt, der ein Großteil der urbanen Struktur Jaffas zum Opfer fiel, nur einige wenige Stadtviertel um den alten Hafen blieben erhalten. Dieser Rumpf, der heute auf Hebräisch als Tel Aviv–Yafo bekannt ist, wurde Tel Aviv eingemeindet. Palästinensische Häuser wurden der armen jüdischen Bevölkerung Israels übergeben, während um den zerstörten Kern Neubaugebiete in Massenproduktion hochgezogen wurden.

Die wenigen tausend Palästinenser, die weiterhin in Jaffa lebten, waren in einem Gebiet eingeschlossen, das de facto zu einem arabischen Ghetto wurde, bestehend aus baufälligen Häusern. Viele dieser Häuser wurden nach dem Krieg durch den israelischen Staat als 'Besitz Abwesender' enteignet. In den nicht von Israelis besetzten Häusern durften Palästinenser als zahlende Mieter wohnen bleiben. Heute werden viele dieser alten, pittoresken Häuser entweder zerstört oder ihren verarmten palästinensischen Besitzern und Bewohnern abgekauft, um sie zu Luxus-Anwesen im exotischen, pseudo-orientalischen "Designer-Stil" für reiche Israelis oder Amerikaner umzubauen oder zu renovieren. Jeden Tag sind Bulldozer und Sprengungseinheiten am Werk. Obwohl Jaffa nicht mehr existiert, zeigt der Film, dass seine Besatzung und Zerstörung sowohl physisch als auch imaginär andauert.

Inhaltliche Zusammenfassung

Der Film wird die Ereignisse, die die Bevölkerung von Jaffa dazu gezwungen haben, aus der Stadt zu fliehen, untersuchen und das Schicksal der Stadt nach dem Krieg nachzeichnen. Insofern ist sein Ziel, die Geschichte der palästinensischen Katastrophe, der Nakba, am Beispiel eines Ortes neu zu erzählen. Der Film bezieht sich auf originales Quellenmaterial, indem er Berichte von Zeitzeugen, die den Krieg und seine Vertreibungen erlebt haben, aufnimmt. Viele dieser Menschen sind in ihrem Lebensabend, daher bietet dieses Projekt eine letzte Gelegenheit, ihre Geschichten und die ihrer Stadt zu erhalten.

Der Film wird jedoch nicht nur als historische Aufzeichnung fungieren, sondern auch die aktuelle Realität Jaffas untersuchen. Was war Jaffa einst und was ist Jaffa heute? Wie von einer kleinen aber wachsenden Schule israelischer Architekten und Stadthistorikern zunehmend anerkannt, symbolisiert Jaffa Israels Widersprüche mit der palästinensischen Geschichte sowie Gegenwart. Die Stadt bleibt Metapher für die gelebte Realität Israels palästinensischer Bürger: eines Volkes, das seit 1948 täglich neu erlebt, wie seine Geschichte und Identität ausgelöscht und als orientalistischer Themenpark neu erfunden werden.

Die eine Million Palästinenser Israels sind heute drittklassige Bürger ihres Staates, sie sind Diskriminierung, Polizeigewalt sowie einer Stadtplanung ausgesetzt, die sie zunehmend in überfüllte und in regelmäßigen Abständen durch Abriss "sanierte" Wohn-Ghettos abdrängt. Durch Filmaufnahmen alter Überlebender des Exodus in Jaffa im Kreise ihrer Kinder und Enkel wird der Film die Brücke zwischen der Vergangenheit und deren Auswirkungen auf die heutige Generation palästinensischer Israelis schlagen: Er wird zeigen, dass die Vergangenheit sehr lebendig ist, dass die Vergangenheit auch die Gegenwart ist.

Vor dem Hintergrund der starken Analogie zwischen dem Schicksal der Bewohner Jaffas und dem der Stadt selbst zeigt der Film, dass die Zerstörung eines Ortes die Zerstörung seiner Seele bedeutet. Dies gilt für die Menschen, die sie durchlebt haben, wie für nachfolgende Generationen. Eine Chronik der Architektur Jaffas, seiner Schönheit, Ruinen und lebendigen Geister - so wird dies ein Film über die Landschaft der Erinnerung, gemalt mit menschlichen Zeugnissen und Bildern von Orten, Häusern und Objekten.

"Hafen der Erinnerung" arbeitet die Bedeutung Jaffas als eines Ortes der mutwilligen Verwüstung, Fahrlässigkeit sowie illusorischen Repräsentation heraus, indem er die jüngste Geschichte der Stadt in der ästhetischen und politischen Routine verortet, in der der Westen, besonders die USA, den ihm unbekannten Anderen darstellt. In einer prägnanten Schicksals-Spirale wurde Jaffa in den 1970er und 1980er Jahren zu einer beliebten Kulisse für amerikanische Actionfilme wie beispielsweise The Delta Force mit der amerikanischen Action-Ikone Chuck Norris. Diese Filme kooperierten bei der physischen Zerstörung der Stadt, die sie in Echtzeit filmten, um ihre kineastische Gewalt zu produzieren. In Interviews mit Schauspielern wie Chuck Norris wie mit lokalen Palästinensern, die als Statisten die Bösewichte bei The Delta Force gemimt haben, will "Hafen der Erinnerung" unter anderem untersuchen, wie kineastische Fiktionen mit politischer Realität verwoben sind.

Studien

I. Sadika Bilbesie (75) erinnert sich gut an 1948. Sie war damals 17 Jahre alt, frisch verheiratet und mit ihrem ersten Sohn Ahmad schwanger. Sadika stammt aus Stadtteil Manshiye in Jaffa, dem ersten, der während des Krieges angegriffen wurde. Er wurde von Tel Aviv aus bombardiert, sofort besetzt und systematisch dem Erdboden gleichgemacht. Sadika, ihr Mann und ihre Familie fanden Schutz in der Altstadt, die als nächstes bombardiert und besetzt wurde. Sie fanden sich unter Tausenden von Menschen wieder, die im Hafen zusammengepfercht waren, permanentem Beschuss ausgesetzt und vollständig von den israelischen Streitkräften umzingelt. Ihre einzige Wahl war das Meer. Sadika erinnert sich an Bilder des Schreckens. Die Flüchtlinge im Hafen besaßen nur noch das, was sie am Leib trugen; wenige Glückliche hatten Decken. Fischerboote und andere Schiffe brachten bereits viele in den Libanon und den Gazastreifen. Der Beschuss veranlasste viele, ins Wasser zu springen und zu versuchen, zu den Booten zu schwimmen, die einige hundert Meter draußen im Meer warteten. Viele ertranken.

Sadika und ihr Mann Hussein mussten einige Tage warten, bis sie ein kleines Fischerboot fanden, das bereit war, sie wegzubringen. Der Rest ihrer Familien war bereits fort. Sie bestiegen das Boot in der Hoffnung, nach Beirut zu gelangen. Sehr bald jedoch änderte sich das Wetter, und die Wellen schlugen so hoch, dass sie zur Rückkehr in den Hafen gezwungen waren. Der war noch immer voller Menschen, die darauf warteten, dass sich die See beruhigen möge. Eine Woche lang schliefen sie am Hafen, mit Tausenden anderen, zusammengedrängt in allen Winkeln und Ecken. Manche von ihnen machten sich auf den Weg, trotz hoher und stürmischer See. Andere entschieden sich, zu bleiben. Sadika und ihr Mann gehörten zu den letzteren. Sie sollten die einzigen Mitglieder ihrer jeweiligen Familien sein, die - wie nur wenige hundert weiterer Einwohner - in Jaffa blieben.

Die Stadt war mittlerweile vollständig besetzt. Sadika erinnert sich, wie sie in ihre Straßen zurückging. Die Stadt war menschenleer; sie sah Katzen und Hunde, Möbel, Koffer auf den Straßen und Zerstörung. Die Menschen, die geblieben waren, wurden von der israelischen Armee zusammengetrieben und im Viertel Ajami zusammengepfercht. Sie waren gezwungen, in leeren Häusern von Palästinensern, die bereits geflohen waren, zu wohnen. Es gab kein Zurück mehr in ihre eigenen Häuser. Sadika und Hussein verloren ihr Haus in Manshiye für immer. Manshiye selbst wurde umgehend und vollständig dem Erdboden gleich gemacht.

Sadikas Geschichte führt zum Anfang einer längeren militärischen Belagerung, die bis 1950 dauerte. Während dieser Zeit durfte ihre Familie für die Dauer von fast einem Jahr weder das Ajami-Viertel verlassen noch eine Arbeit aufnehmen. Sadika sah ihre Eltern und ihre drei Brüder nie wieder. Sie starben in Syrien und im Libanon. Nur ein Bruder besuchte sie in Jaffa, nachdem Israel und Jordanien 1995 einen Friedensvertrag geschlossen hatten. Kurz danach starb er. Sadika brachte acht Kinder zur Welt. Ihr ältester Sohn Ahmad starb mit Ende dreißig an einer Überdosis Drogen. Zwei weitere Söhne wurden drogenabhängig. Ihr Mann Hussein wurde Alkoholiker und starb 1996.

Die Geschichte der Familie Bilbesi steht beispielhaft für das Schicksal jener Palästinenser, die nach 1948 in Jaffa blieben, und spiegelt die physischen und psychischen Auswirkungen des Krieges wider. Vor 1948 galt Jaffa bei den Palästinensern als "Die Braut Palästinas". In der Stadt gab es eine breite und emporstrebende Mittelschicht, die sich aus Händlern, Anwälten, Ärzten und Architekten zusammensetzte. Es war die Stadt bedeutender Krankenhäuser, Basare, Kirchen, Moscheen und Kinos. Nach 1948 zerbricht die Bevölkerung, die in Resten der Stadt verblieben ist, auf sozialer Ebene sehr schnell. Enteignet, häufig gesperrte Bankkonten, Diskriminierung und drakonischen legalen Verboten ausgesetzt, verarmt sie rapide. Als eine Art ghettoisiertes Anhängsel von Tel Aviv wird Jaffa in den 60er und 70er Jahren zum Zentrum von Kriminalität und Drogenhandel. Viele aus der Nachkriegsgeneration werden drogen- und alkoholabhängig. Aufgrund der Geburtenrate unter den bleibenden Familien wächst die Community. Sie ist jedoch eigener Institutionen und Führung beraubt und verloren.

II. Als Jaffa besetzt wurde, studierte Fakhri Jdai (80) in Beirut Pharmazie. Als Sohn der Stadt Jaffa wurde er Zeuge, wie Zehntausende Flüchtlinge aus Jaffa im Hafen von Beirut ankamen. Es war ein Albtraum für ihn zu erleben, wie fast die ganze Stadt dort an Land ging, allem außer einiger persönlicher Habseligkeiten beraubt. Er traf Freunde und Nachbarn, konnte aber weder seine Eltern noch andere Familienmitglieder finden. Konnte ihm niemand sagen, wo sie waren und was mit ihnen geschehen war? Unzählige Wochen lang, auch nachdem die anfänglichen Flüchtlingswellen abgeebbt waren, kehrt der junge Fakhri zum Hafen zurück und wartet auf die Ankunft seiner Eltern. Sie kommen niemals an. Fast zwei Jahre lang wusste er nichts über das Schicksal seiner Familie, bis eines Tages ein über das Rote Kreuz übermittelter Brief aus Jaffa ankam, der besagte, dass sie noch in Jaffa lebten.

1952 schloss Fakhri Jdai sein Studium ab und erhielt die Genehmigung, nach Jaffa zurückzukehren. Die Nachricht machte die Runde unter den Flüchtlingen aus Jaffa, und bevor er abreiste, traten eine Menge Leute an ihn heran, die jetzt in Notzelten und -häusern lebten. Viele von ihnen glaubten immer noch, dass ihr Aufenthalt im Libanon nicht mehr von langer Dauer sein werde, und baten Fakhri, nach ihren Häusern zu sehen. Er kehrte mit Hunderten von Schlüsseln in seinen Taschen zurück. Er sollte zu jedem Haus gehen, die Türen öffnen und nachschauen, ob alles in Ordnung wäre.

Als er in Jaffa ankam, war Fakhri schockiert. Die gesamte Bevölkerung der Stadt war durch jüdische Einwanderer aus den Balkanstaaten und Nordafrika ersetzt worden. Bulgarische und marokkanische Juden wohnten jetzt in den Häusern von Jaffa. Er wusste nicht, was er mit den Schlüsseln machen sollte; er konnte nicht einfach die Türen von Häusern aufschließen, die von anderen bewohnt wurden. Als sein Vater die Schlüssel sah, die Fakhri mitgebracht hatte, fing er an zu weinen. Monatelang behielt er die Schlüssel. Eines Tages schließlich entschloss er sich, sie ins Meer zu werfen. Fakhri hatte begriffen, was den Flüchtlingen aus Jaffa im Libanon erst Jahre später klar werden sollte: dass ihr Exil eine sehr lange Zeit andauern würde, vielleicht für immer.

Der heute 80-jährige Fakhri Jdai lebt noch immer in Jaffa und arbeitet immer noch in der Apotheke, die er nach seiner Rückkehr aufgebaut hat. Sie ist nach seinem Vater "Kamal" benannt, der ebenfalls Apotheker war. Sein ältester Sohn Yusef übernimmt nun das Geschäft von Fakhri. Die Jdai-Familie ist heute eine der letzten Repräsentantinnen einer palästinensische Mittelschicht, die als Klasse in Jaffa so nicht mehr existiert. Das einzige bleibende Zeugnis ihrer einst blühenden Arbeit, Hoffnungen und Träume sind ein paar prachtvolle Häuser, die noch im Ajami-Viertel stehen.

III. Da die Träume der ursprünglichen Einwohner von Jaffa ausradiert waren, wurden die Ruinen der Stadt zu einer Leinwand, auf die bald andere Phantasien projiziert wurden. Während der 70-er und 80-er Jahre wird Jaffa zu einer beliebten Kulisse für israelische und Hollywood-Filmproduktionen. Unter den israelischen Filmen nimmt das Musical Kazablan (1973) von Menahem Golan einen herausragenden Platz ein. Die Hauptfigur Kazablan ist ein jüdischer Immigrant aus Marokko, der in Jaffa lebt und sich von der herrschenden aschkenasischen Schicht europäischer Juden unbeachtet und ausgegrenzt fühlt. Yoram Gaon, ein israelischer Sänger und Schauspieler, spielt die Hauptrolle. Die Erzählung ignoriert nicht nur Jaffas palästinensische Geschichte, sondern auch seine verbliebenen Palästinenser und vollzieht so eine virtuelle, kineastische Entleerung der Stadt. Tragischerweise gelingt es dem Film nicht, die Analogie zwischen dem eigenen filmischen Drama und dem realen Kampf der unsichtbaren Palästinenser wahrzunehmen.

In Kazablan sind alle Bewohner von Jaffa Juden, die gegen die Behörden kämpfen, die sie evakuieren wollen. Ihr Kampf wird mit Liedern kontrastiert, die die Kibbutz-Galuyot preisen - die Sammlung der Exilierten. Der Film beginnt mit Aufnahmen von Fischern, die am Hafen von Jaffa ankommen, untermalt von dramatischer Musik, die an Leones Spaghetti-Western erinnert. Ein alter Fischer - der Erzähler des Films - zeigt auf das Meer und deklamiert:

"… das Meer von Jaffa. Man nennt es auch Mittelmeer.

Dies ist das Meer, in dem der weiße Wal den Propheten Jonas verschluckte.

Dies ist das Meer, das die Kreuzritter, die Türken, Herzl und mich, Moshiko Babayo, den Fischer von Jaffa, herbrachte.”

Die endgültige Ironie Kazablans besteht darin, dass der Stadtteil Jaffas und die Häuser, die zu sehen sind, nicht mehr existieren. Einige wurden nach Ende der Dreharbeiten zerstört, andere im Zuge einer Welle größeren Abrisse. Nach offiziellen israelischen Studien wurden in Jaffa in den 70-er und 80-er Jahren etwa 5.000 Häuser zerstört. Andere Häuser unterdessen wurden für Filme zerstört.

Während der 1970-er und 1980-er Jahre fungierte Jaffa als beliebter Schauplatz für israelische und amerikanische Kriegsfilme, die kreativ mit und mittels der realen Zerstörung der Stadt arbeiteten. Am erwähnenswertesten unter diesen Filmen ist wahrscheinlich die Delta-Force-Reihe, in der der amerikanische Action-Star Chuck Norris arabische Terroristen bekämpft. Im Film wird Jaffa benutzt, um Beirut während des libanesischen Bürgerkriegs darzustellen. Für die Dreharbeiten wurden die Straßen mit Postern von Ayatollah Khomeini und der libanesischen Hizbullah zugekleistert. Seine Schlüsselszene zeigt amerikanische Kommandos, die gegen arabische Banden kämpfen und amerikanische und israelische Geiseln befreien. Im folgenden Crescendo der Gewalt werden tatsächliche Zerstörungen einiger palästinensischer Gebäude in Echtzeit als Action-Effekte eingebaut. Unter den bedeutendsten dieser Gebäude waren ein Krankenhaus und eine Schule, die im Stadtteil Jabaliyeh am Meer standen.

Ich erinnere mich, wie ich als Schuljunge zugesehen habe, wie Chuck Norris auf einem fahrenden Jeep steht und mit seinem schweren Maschinengewehr durch die gesamte Straße schießt. Für "Hafen der Erinnerung” werde ich Chuck Norris um ein Interview über seine Rolle in den Delta-Force-"Jaffa”-Filmen bitten. Ich werde auch versuchen, den Regisseur Menahem Golan über die Zerstörung echter Häuser, die er für seine Produktionen arrangiert und in die Drehbücher eingearbeitet hat, zu interviewen. Schließlich werde ich einheimische Palästinenser suchen, die angeheuert wurden, in den Filmen arabische Terroristen zu mimen oder sich erinnern, bei den Dreharbeiten zugesehen zu haben, wobei eine Begegnung entstand, die in keine der originalen Produktionen eingeschrieben werden konnte.

IV. Der Niedergang Jaffas steht in einer komplexen Beziehung zu den Hoffnungen und Mythen Tel Avivs, der Stadt, die buchstäblich seine Überreste verschlungen hat. In der israelischen Geschichtsschreibung wird Tel Aviv als Stadt beschrieben, die 'aus dem Sand' erschaffen wurde, und spiegelt das offizielle israelische Narrativ von Palästina-als-Wüste: menschenleer, ohne wirkliche Nation oder Kultur. Vor seiner Zerstörung war Jaffa der Ort, der diesen Mythos am eindringlichsten zur Schau stellte. In neuen israelischen Untersuchungen über Tel Aviv, wie Sharon Rotbards "White City, Black City", wird darauf hingewiesen, dass große Teile Tel Avivs auf Orangenhainen und Vierteln errichtet wurden, die von den Einwohnern Jaffas und der benachbarten Dörfer bebaut und bewohnt waren. Dieser Widerspruch datiert vor dem Krieg von 1948 und wurde eindrucksvoll bestätigt, nachdem die Feindseligkeiten ausbrachen. Die israelische Etzel-Miliz (Irgun Zvai Leumi) begann mit der Bombardierung von Jaffa und dem Manshiye-Viertel bereits, bevor die Briten Palästina verließen. Die Bombenangriffe dauerten an, bis die Stadt komplett geräumt war, lange nachdem der arabische militärische Widerstand effektiv gebrochen war. Zwischen Tel Aviv, dem Meer und Jaffa gelegen, war Manshiye das erste Stadtviertel, das dem Erdboden gleichgemacht wurde.

In den darauffolgenden Jahren erhielt die beträchtliche und gut dokumentierte Plünderung, die mit der Besatzung der Stadt einhergegangen war, eine noch weiter reichende Bedeutung. "Jaffa-Orangen" wurde für alle Zeiten als nationale israelische Handelsmarke eingetragen, weltberühmt, obwohl in der Stadt oder ihrer unmittelbaren Umgebung keine Orangenhaine stehen gelassen wurden. Im Gegensatz zu diesem klangvollen, aber geisterhaften Symbol wurde die Stadt selbst zu einem Ort ohne Bedeutung, dessen Überreste den Slogan von "einem Land ohne Volk für ein Volk ohne Land" erneut heraufbeschworen. Dies wird auf schmerzlichste Weise in "Bet Gdi” offenbar, einem Museum, das nach dem Kommandeur der Etzel-Miliz benannt wurde und die 'Befreiung von Jaffa' dokumentiert. Es befindet sich in einem arabischen Haus in Manshiye, zwischen der Altstadt von Jaffa und Tel Aviv, wo sonst ein Park entstanden wäre. Das Museum besteht aus Ruinen, gekrönt von schwarzem Glas, das als Dach des Gebäudes dient. Die unmittelbare Assoziation ist, dass die Ruinen schon immer Ruinen waren, aus einer verschwommenen und entarabisierten Vergangenheit: sie waren nie echte Häuser.

Der Schutt, die Steine und die Erde, die nach dem Abriss von Manshiye übrig blieben, wurden recycelt, um die Küste von Jaffa für israelische Bebauung zu erschließen, als Teil eines Plans namens "The Jaffa Slope". Das ursprüngliche Konzept sah den Bau von Villen vor, die über das Meer ragen. In den 70-er und 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte Israel jedoch einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung. Während derselben Zeit verkam der Küstenstreifen von Jaffa immer mehr zu einer Müllkippe, nicht nur für Jaffas eigene Überreste, sondern auch für den Müll von Tel Aviv. Aus diesen beiden Gründen verließ die jüdische Bevölkerung Jaffa allmählich, um sich in Städten wie Bat Yam and Ashkelon niederzulassen. Im Stadtviertel Ajami blieben nur Araber zurück. Die Stadtplaner von Tel Aviv waren bestrebt, eine Situation zu verhindern, in der Ajami wieder ganz arabisch wird. Nachdem Jaffa als Zentrum von Kriminalität ausgemacht war, wurde in den 1990-ern ein Plan entwickelt, den Stadtteil zu renovieren und aufzuwerten sowie eine "heile soziale", also jüdische Bevölkerung anzusiedeln. Heute ist der Küstenabschnitt von Jaffa eine große Baustelle, vollständig von jüdischen Israelis bewohnt. Ironischerweise jedoch wurde das "Jaffa Slope"-Projekt zugunsten eines "Water Park" abgebrochen, abgebrochen, weil deutlich wurde, dass seine Fundamente nicht stabil genug würden. Dieser Film will zeigen, wie unsicher diese Fundamente in der Tat sind.

Epilog

Ich liebe alte Gemäuer und Steine. Ich will sie einfangen. Viele Filme wurden in meiner Heimatstadt gedreht, sie zweckentfremdeten die Stadt und schlossen mich und meine Geschichte aus diesen Bildern und Filmen aus. Das ist mir Grund genug, den Ort so zu filmen, wie ich ihn sehe. Und Kino kann das: mittels der Einstellung und durch das lange Verweilen bei etwas kann man es einfordern, ihm eine besondere Wichtigkeit geben, sei es ein Stein oder ein Gesicht. In meinen Filmen versuche ich, die Aufmerksamkeit auf diese Orte zu lenken, sie zurückzufordern. Persönlich zurückzufordern. Das ist mein Projekt.

Die alten Gebäude, die ich in meinen Filmen zeige, verschwinden. Sie werden abgerissen. Für mich sind sie jedoch Zeugnisse einer Stadt, die es einmal gab. Jaffa ist keine Stadt mehr. Es sind nur noch ein paar Straßen im Süden von Tel Aviv. Ich sehe die Rolle des Filmemachers auch darin, etwas einzufangen und damit zu bewahren. In dem Sinne wird der Film zum Dokument. Das Gebäude steht dort, mitten auf der Straße. Es ist Zeuge der Zerstörung. Ein Ausdruck für das, was wir seit 1948 beziehungsweise in den letzten einhundert Jahren durchgemacht haben. Ich behandele diesen Ort genau so wie meine Figuren, und es wirkt eine filmische Anziehungskraft zwischen beiden. Der Film befasst sich mit Ort als Idee, mit der Situation, von ihm ausgeschlossen, gleichzeitig dort und nicht dort zu sein. Ich weiss, dass diese Gebäude aus der Realität verschwinden, also habe ich sie wenigstens in meinem Film. Es sind Bilder der Straßen meiner Kindheit, meine Erinnerungen an diesen Ort.

Kamal Aljafari, Regisseur. Aus dem Englischen von Irit Neidhardt.