Nachdem die Welt das Schockerlebnis der Wahl halbwegs verkraftet und sich damit abgefunden hat, dass der künftige Präsident der USA Donald Trump heißen wird, wendet man sich den damit verbundenen Folgen, Lehren und Konsequenzen zu. Das gilt insbesondere für die Wirtschaft, denn die „Trumponomics“ geben den Ökonomen wegen ihrer Widersprüchlichkeit und Unausgegorenheit nicht nur einige Rätsel auf; sie würden, sofern sie 1:1 umgesetzt werden, der Weltwirtschaft auch erheblichen Schaden zufügen. Dies resultiert vor allem aus ihrer Anti-Globalisierungstendenz.
Die Globalisierung des Wirtschaftslebens gehört seit dem 19. Jahrhundert zu den Megatrends kapitalistischer Entwicklung. Sie ist untrennbar mit diesem Wirtschaftssystem verbunden. Trotzdem gab es immer wieder Bestrebungen, sie aufzuhalten oder zurückzudrehen und die Integration einzelner Volkswirtschaften in den Weltmarkt durch ein Streben nach Autarkie, Abschottung, Nationalismus und Protektionismus zu konterkarieren. Die letzten verzweifelten Versuche dieser Art stellten die Kriegswirtschaft Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, der Protektionismus der USA während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre und die Etablierung eines eigenständigen, vom Weltmarkt getrennten Wirtschaftsraumes im Rahmen des RGW dar. Wenn Donald Trump jetzt erklärt, der Wirtschaft der USA neue Impulse verleihen zu wollen, indem er sie gegenüber dem Weltmarkt abschottet und durch Zölle schützt, so reiht er sich in diese wenig erfolgversprechende protektionistische „Tradition“ ein – und es ist auch diesmal zu befürchten, dass es nicht gut ausgeht, weder für die USA noch für die übrige Welt.
Warum aber versucht er es trotzdem? Dazu ist zunächst zu bemerken, dass es sich hierbei um eine „Reaktion“ und nicht um eine frei gewählte Strategie handelt. Die USA haben sich auf dem „freien Markt“, im ökonomischen Wettbewerb mit China, Südkorea, Vietnam, der EU und anderen Staaten trotz politisch und militärisch begründeter Vorteile mehr und mehr als Verlierer erwiesen. Das beweisen die seit Jahrzehnten passive Leistungsbilanz und die wachsende Verschuldung der USA im Ausland. Sie haben es darüber hinaus weder vermocht, den durch die digitale Revolution bewirkten Strukturwandel industriepolitisch zu gestalten, noch auf infrastrukturellem Gebiet, bei der Energiewende oder in der Bildungspolitik den Herausforderungen der Zeit mit entsprechenden Investitionen zu begegnen. Die Folgen sind desaströs und mitverantwortlich für den Ausgang der Wahlen am 8. November. Darauf wird nun reagiert. Der angekündigte Kurs in der Wirtschaftspolitik bedeutet jedoch, statt sich den Herausforderungen zu stellen, sich hinter Schutzzöllen, Mauern und Zäunen sowie protektionistischen Maßnahmen zu verbarrikadieren, also zu versuchen, die Globalisierung aufzuhalten und die Uhr zurückzustellen. Ob es den USA dadurch aber gelingen wird, wieder auf Wachstumskurs zu kommen, darf bezweifelt werden.
Es ist eine Tatsache, dass das Wirtschaftswachstum weltweit zurückgeht und deshalb bereits von einer „säkularen Stagnation“ die Rede ist. Folglich stagniert auch der Welthandel. Hinter dieser Entwicklung verbirgt sich aber nicht unbedingt ein Versagen der bisherigen Politik. Möglicherweise ist diese Entwicklung auch Ausdruck eines globalen Strukturwandels, der unzureichenden Erfassung sich vollziehender Innovationen und Produktivitätsfortschritte in der Statistik, falscher Preise und anderer Ursachen mehr, worüber gegenwärtig heftig diskutiert wird. Die „alten Industrien“ mit Hilfe protektionistischer Instrumente wieder wettbewerbsfähig machen zu wollen, ist ganz sicher aber der falsche Weg, um aus der Misere herauszukommen. Die USA drohen dadurch wirtschaftlich noch mehr ins Abseits zu geraten und sich vom Fortschritt in der Welt weiter abzukoppeln.
Die Ankündigungen Trumps, internationale Verträge aufzukündigen, das Klimaschutzabkommen nicht anzuerkennen, und überhaupt, den Klimawandel und die Notwendigkeit, wirtschaftspolitisch darauf mit strukturverändernden Maßnahmen zu reagieren, nicht ernst zu nehmen, sind bedrohliche Anzeichen für eine sehr gefährliche und die Welt gefährdende Politik. Der Fehlwahrnehmung folgt die Fehlsteuerung, dieser dann die Fehlentwicklung. Die ursächlichen Krisenerscheinungen werden dadurch nicht behoben, sondern eskalieren, so dass die nächste Drehung der Spirale erfolgt. Dies führt zwangsläufig in die Katastrophe.
Aber wie kann man eine solche Entwicklung stoppen? Durch einen industriepolitischen Nationalismus, wie ihn Donald Trump vertritt und wofür er von Sahra Wagenknecht am 23. November im Deutschen Bundestag auch noch gelobt wurde, bestimmt nicht. Durch die lautstark vorgetragenen Parolen der Globalisierungsgegner wohl auch nicht mehr. Letztere bekämen sonst Politiker wie Donald Trump zu ihren Verbündeten. Die „linke“ Anti-Globalisierungsbewegung muss sich, um glaubwürdig zu bleiben, künftig von „rechten“ Globalisierungsgegnern und Populisten à la Trump klar abgrenzen. Sie muss sich neu aufstellen und ihre Konzepte und Argumente überprüfen, da sich die Fronten verschoben und die Bündnisse nicht unwesentlich verändert haben.
Die Hauptrichtung sollte dabei ein Eintreten für Weltoffenheit und Globalität sein, auch und gerade in der Ökonomie. Wenn man sich darüber einig ist, kann man faire Regeln fordern, gerechtere Bedingungen im Handel sowie Entwicklungsprogramme für benachteiligte Staaten, Bevölkerungsgruppen und Regionen. Das bedeutet dann aber keine Gegnerschaft mehr gegenüber der Globalisierung als solcher, sondern lediglich gegenüber deren machtpolitischem Missbrauch und der neoliberalen Ausgestaltung. Das wäre dazuzulernen – nicht zuletzt wegen Donald Trump.