Lizenz zum Plündern

Die Freihandelsabkommen TTIP, CETA, TISA & Co.

Unter dem Motto „TTIP & CETA stoppen! – Für einen gerechten Welthandel!“ haben am 10. Oktober 2015 bis zu 250.000 Menschen in Berlin protestiert. Die DemonstrantInnen waren aus allen Teilen des Landes angereist. Sie wollen, dass die TTIP-Verhandlungen der EU mit den USA gestoppt und das mit Kanada verhandelte CETA nicht ratifiziert werden. Es war die größte Demo seit 12 Jahren in Deutschland. Nie zuvor sind in Europa mehr Menschen zu diesem Thema auf die Straße gegangen. Zur Demo aufgerufen hatte ein großes zivilgesellschaftliches Bündnis. (1) In der GWR 402 haben Anete Wellhöfer und Ginny Irish dargestellt, welche Protestbewegungen sich aus welchen Gründen in den USA gegen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership/Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) engagieren. Diesmal analysiert Wolfram Treiber (Aktionskreis Internationalismus – AKI Karlsruhe) die Folgen der verschiedenen Freihandelsabkommen und die Perspektiven des antikapitalistischen Widerstands. (GWR-Red.)

 

Die seit Juli 2013 laufenden Verhandlungen von EU und USA über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP sind geheim und intransparent.

Die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ würde rund 800 Millionen Menschen betreffen und wäre damit eine der größten Freihandelszonen der Welt. Zusammen mit dem ebenfalls zurzeit verhandelten Transpazifischen Abkommen (TTP) würde es einen Großteil des Welthandels umfassen.

Bereits 2014 hatte sich die EU-Kommission mit Kanada auf das Freihandelsabkommen CETA geeinigt, das eigentlich im Mai 2014 noch vor den Europawahlen verabschiedet werden sollte. Nachdem dies öffentlich bekannt wurde, verhinderte ein länderübergreifender Protest bislang die Verabschiedung. Öffentlichkeit und EU-Parlament wurden erst jetzt zum Teil über den Inhalt dieses Freibriefs für die Konzerne informiert.

 

TPP

 

Das Transpazifische (Geheim-)Abkommen TPP wurde Anfang Oktober 2015 zwischen USA, Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Mexiko, Malaysia, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam abgeschlossen.

Es ist aber noch nicht von den entsprechenden Parlamenten abgesegnet worden. In den meisten Ländern wächst der Widerstand gegen das Abkommen, auch in Kanada und den USA.

Wikileaks hat nun das TTP-Kapitel über Investitionen enthüllt, das nicht nur Kompensationen für direkte oder indirekte Enteignungen einräumt, sondern auch für vorgebliche Verluste von Investoren durch soziale Konflikte, Änderungen von Steuer-, Umweltschutz- oder Gesundheitsgesetzgebungen. Das TPP-Abkommen würde somit die Möglichkeit, soziale und Umweltstandards zu verbessern, untergraben. In der Präambel des TPP heißt es, dass sein Inhalt nach Inkrafttreten noch weitere vier Jahre geheim bleiben soll.

 

TISA

 

Ziel des geplanten Freihandelsabkommen TISA („Trade in Services Agreement“), ist es, den weltweiten Handel mit Dienstleistungen zu deregulieren und nationale Dienstleistungsmärkte für ausländische Investoren zu öffnen und zu privatisieren.

Betroffen davon sind vor allem die öffentliche Daseinsfürsorge und Infrastruktur: Wasser, Strom, Bildung, Gesundheit, Altersvorsorge, Bildung, Wohnen, Sozialdienstleistungen usw.

TISA fordert, dass die öffentliche Daseinsvorsorge wie Wasser, Abwasser, Abfallentsorgung, Bildung und Kulturförderung, Dienstleistungen der Stadtwerke, Kommunalbetriebe und der öffentliche Verkehr frei ausgeschrieben werden müssen. Eine spätere Rekommunalisierung, z.B. bei Regierungswechsel, soll durch verschiedene Vertragsklauseln unmöglich gemacht werden. Damit werden bspw. durch Bürgerbegehren, bzw. Mobilisierungen der Bevölkerung erkämpfte Rückkäufe/Rekommunalisierungen von Wasserversorgungen wie in Berlin nicht mehr möglich sein. Dies ist ein umfassender Eingriff in demokratische Willensbildung von unten. Eröffnet wurden die geheimen Verhandlungen offiziell im Jahr 2013. Am Verhandlungstisch sitzen die EU, sowie 23 weitere Staaten: Australien, Kanada, Chile, Chinesisch Taipeh (Taiwan), Kolumbien, Costa Rica, Hong Kong, Island, Israel, Japan, Liechtenstein, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Südkorea, die Schweiz, die Türkei, Mauritius und die Vereinigten Staaten. Zusammen erbringen diese Staaten knapp 70 Prozent des globalen Handels in Dienstleistungen. Uruguay war zunächst dabei, die Regierung der Frente amplio musste aber erfreulicherweise aufgrund des Drucks der sozialen Bewegungen aussteigen.

 

Das Ziel der Freihandelsabkommen ist es, weltweit alle Lebensbereiche der kapitalistischen Verwertungs- und Profitlogik zu unterwerfen.

 

Bereits 1995 gab es Geheimverhandlungen der in der OECD zusammengeschlossenen 29 reichsten Industrieländer über ein „Multilaterales Abkommen über Investitionen“ (MAI) zum Schutz von Auslandsinvestitionen. Nachdem dies kurz vor Unterschriftsreife am Rande einer ILO-Tagung durch einen Whistleblower öffentlich bekannt wurde, konnte das Abkommen durch weltweiten Widerstand verhindert werden.

Die feministische Soziologin und Globalisierungskritikerin Maria Mies nannte es damals „Ermächtigungsgesetz für die transnationalen Konzerne zum plündern“. Dessen Ziele wurden jedoch weiterverfolgt. Die Durchsetzung einer weltweiten Liberalisierung von Handel und Dienstleistungen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO scheiterte bislang am Widerstand aus den Entwicklungs- und Schwellenländern des globalen Südens. Daher wurden zunächst vermehrt bilaterale Freihandelsabkommen abgeschlossen.

Allein Deutschland hat über 130 bilaterale Freihandelsabkommen mit Investitionsschutzklauseln abgeschlossen. Weltweit gibt es mehr als 3000. Deren gravierende Folgen für die Menschen in anderen Ländern sind bezeichnender Weise hier in den Metropolen und auch in der Bewegung gegen TTIP und Co weitgehend unbekannt - es betrifft uns ja nicht?

Was mit TTIP und CETA wirklich auf uns zu kommt lässt sich erahnen, wenn wir uns das Freihandelsabkommen NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko anschauen. Nicht ohne Grund war der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Freihandelsabkommens NAFTA am 1.1.94 auch der Beginn des zapatistischen Aufstands in Mexiko.

Die folgenden Beispiele kurz nach Abschluss des NAFTA-Abkommens sprechen für sich:

* Der US-Konzern Ethyl Corporation verklagte die kanadische Regierung auf 250 Millionen US-Dollar Entschädigung, weil die kanadische Regierung ein Gesetz verabschiedet hatte, das die Beimischung von der giftigen Substanz MMT zu Benzin verbietet. Durch dieses Gesetz sah sich der Konzern um jetzige und künftige Gewinne beraubt, d.h. „indirekt enteignet“.

Die US-Firma Metalclad Corp. wollte in San Luis Potossi in Mexiko Giftmüll entsorgen.

Weil ein Gutachten vor einer Trinkwasserverseuchung für die benachbarte Bevölkerung warnte, wurde das entsprechende Gebiet zum Umweltschutzgebiet erklärt und die Ablagerung von Giftmüll verboten. Metalclad klagte wegen Enteignung und der Verletzung der NAFTA-Bestimmungen auf 90 Millionen US-Dollar, was mehr als das Jahreseinkommen aller mexikanischen Familien ist, die in diesem Gebiet leben.

 

Grundsätze der Freihandels- und Investitionsschutzabkommen, die in den meisten Freihandelsver­trägen in ähnlicher Weise gelten bzw. künftig gelten sollen:

 

* Pflicht, für politische Sicherheit und ein günstiges Investitionsklima“ zu sorgen.

* „roll-back“ Klausel: alle Gesetze und Regeln eines Landes, die der Liberalisierung und Deregulierung noch entgegenstehen, müssen bis zu einem bestimmten Datum (sun-set-time) aufgehoben werden.

* „stand-still“ Klausel: die unterschreibenden Regierungen verpflichten sich, auch in Zukunft keine neuen Gesetze zu verabschieden, die nicht mit dem Freihandelsabkommen (z.B. TTIP oder CETA) übereinstimmen. Das heißt, die Deregulierungs- und Liberalisierungspolitik wird auch für die Zukunft festgeschrieben und sie binden auch nachfolgende Regierungen.

* alle nationalen Regelungen zum Schutz von Arbeiter_innen und Arbeitsplätzen, zum Schutz von „Standorten“, Regelungen über Minimallöhne, Umwelt­schutzgesetze, natio­nale Men­schenrechts­be­stimmungen, Verbraucherschutzregeln und Subventionen dürfen die Investitionstätigkeit und Realisierung der Gewinnerwartun­gen nicht behindern, wenn sie nicht aus­drück­lich in Fuß­noten aus dem Ab­kom­men herausge­nom­men wer­den,

* Private Schiedsgerichte entscheiden in geheimer Verhandlung bei Klagen von Konzernen gegen Staaten bzw. Regionalregierungen. Die Entscheidungen sind bindend - Rechtsmittel gibt es keine.

*  Jeder Investor aus einem Unterzeich­ner­land kommt au­tomatisch in den Genuss der „gün­stig­sten Bedin­gungen, die das betref­fende Land einem Investor ge­währt“. Damit ist eine Unterstützung von örtlichen Strukturen und Betrieben nicht mehr möglich. Keine Re­gierung hat das Recht, den freien Ge­winntransfer zu behin­dern. Die Unter­neh­men sind nicht ver­pflichtet, den Gewinn dort zu inve­stieren, wo sie ihn gemacht ha­ben.

* Bei Streitfällen haben Investoren das Recht, von dem „Gast“-Staat Schadenser­satz für Ver­luste der Investitio­n oder enttäuschte Gewinnerwartungen zu ver­langen. Die Entscheidung ist bindend. Anderer­seits brau­chen sie selbst keinen Scha­dens­ersatz für ver­ursachte soziale und ökologi­sche Schä­den zu zahlen. 

* Alle noch nicht privatisierten Staatsunte­rneh­men oder „Staats-Monopole“ wie z.B. Post, Wasser, Energie, Gesundheitsvorsorge, Schulen und Erzie­hungswesen) müssen aus­schließlich nach wirtschaftli­chen, ge­winn­ma­ximierenden Ge­sichts­punkten geführt wer­den, und nicht etwa soziale und ökologische Bedürf­nisse der Bevölkerung berücksichtigen.

* Die Abkommen gelten einmal unterschrieben oft für mindestens 20 Jahre. Will ein Staat aus dem Vertrag austreten, hat er eine Kündigungs­frist von fünf Jah­ren. Au­ßerdem sind die aus­ländi­schen Investitio­nen in die­sem Land für weitere 15 Jahre ge­schützt. Falls eine konservative, neoliberale Regierung so ein Abkommen unterschreibt, können auch zukünftige progressive Regierungen nach der nächsten Wahl nicht einfach wieder austreten, sondern wären 20 Jahre an das Abkommen gebunden!     

 

Die Zeche zahlt jeweils die Bevölkerung

 

Wesentlicher Bestandteil fast aller Freihandels­abkommen ist der Schutz privater Investoren durch Etab­lierung ei­nes Son­derrechtes auf Han­delsli­beralisierung und Garantie zukünftiger pri­vater Investitions­gewinne.

Die­ses für  interna­tionale Kon­zerne geschaffene „Supergrundrecht“ geht dann elementaren Menschenrech­ten vor, und darf nicht durch Verbesserung von sozialen und öko­logischen Standards behindert werden. An­sonsten drohen Schadensersatzkla­gen von in­ternationa­len Konzernen in Millionen- oder Milli­ardenhöhe.

An diesem Prinzip ändert sich auch nichts, wenn solche Klagen, wie von der SPD vorgeschlagen, vor einem neugeschaffenen Handelsgerichtshof verhandelt werden und nicht mehr vor geheimen privaten Schiedsgerichten.

Bestandteil von TTIP und CETA soll zudem eine Klausel sein, nach der neue Gesetze, z.B. zu sozialen und ökologischen Verbesserungen, zunächst den HandelspartnerInnen vorgelegt werden müssen,  bevor diese überhaupt ins Parlament eingebracht werden können, damit diese prüfen können, ob diese einen negativen Einfluss auf die Investitionen haben. Ein Kommentar dazu erübrigt sich.

Mit den Freihandels- und Investitionsschutzabkommen sollen globale Re­gelungen für Investitionen  multinationalen Konzernen unbegrenzte Rechte und Frei­heiten ge­währen, überall in der Welt zu kaufen, zu verkaufen, zu besitzen, zu produzie­ren, wo und wie sie wol­len, und dabei von keiner nationalen Gesetzgebung in Bezug auf Arbeits­rechte, Umweltschutzgesetze, Men­schenrechte, VerbraucherInnenrechte mehr behindert zu werden.

Investition kann dabei jedes beliebige Gut­ha­ben, jedes ver­trag­lich ge­währte Recht oder Eigentum sein, also auch einfacher Ak­tien­besitz, oder auch Ge­schäfte mit Pa­tenten auf pflanzliche, tieri­sche, menschli­che Gene, Inve­stitionen aus Spekulatio­nen, aus Waffen- und Drogen­han­del, usw.

Bei Streitfällen haben Investoren das Recht, von dem Gaststaat Schadenser­satz für Ver­luste der Inve­stition zu ver­langen.

Anderer­seits brau­chen sie selbst keinen Schadens­ersatz für ver­ursachte soziale und ökologi­sche Schä­den zu zahlen.

Durchgeführt werden die meisten Verfahren durch wenige international operierende große Anwaltskanzleien. 15 davon führen mehr als die Hälfte der Verfahren - ein lukratives Geschäft, denn die Kosten betragen laut OECD durch­schnittlich mindestens 8 Mio. Dollar und oft mehr.

Die Folgen dieser Verfahren treffen insbesondere die Bevölkerung im Globalen Süden in „bester kolonialisti­scher Tradition“. Die folgenden Bei­spiele zeigen auf, wie diese Verfahren in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen und ein­zelner Staaten eingreifen, und wie dabei die ökologischen, sozialen und demokratischen Rechte der Bevölkerung unter die Räder kom­men:

 

Beispiele für „Investitionsschutz“-klagen von Konzernen gegen die Bevölkerung

 

* Philipp Morris klagt gegen Uruguay auf Scha­denersatz in Höhe von 2 Mrd. US-Dollar, dies entspricht 5% des BIP von Uruguay oder 1/7 des Staatshaushalts, sowie gegen Australien wegen Warnhinweisen auf Ziga­rettenschachteln.

Dabei klagt jeweils die Zweigniederlassung des Kon­zerns, die in dem Land mit dem „güns­tigsten“ bilateralen Freihan­delsabkommen ist, in diesem Fall war dies Hongkong.

* Ägypten wurde vom privaten Wasserversorger Veolia wegen Anhebung des Mindestlohns von 41 auf 72 US $ im Monat auf entgangenen Ge­winn durch höhere Lohnkosten verklagt. Eine weitere Klage gegen Ägypten gab es wegen der kommu­nalen Müllentsorgung in Alexandria.

* Verschiedene Konzerne, wie z.B. Suez, Vi­vendi, Anglian Water und Aguas de Barcelona u.a. klagten gegen Argentinien, wegen Preiskon­trollen zum Schutz der Bevölkerung, die während der schweren Krise 2001/2 für Strom, Gas und Wasser verhängt worden waren. Das Schiedsge­richt sprach allein EU-Kon­zernen 1,2 Mrd. $ zu.

* Der texanischen Private Equity Fonds Lone Star versuchte Steuervermeidungstricks gegen Südkorea ein­zuklagen, aufgrund eines 1976 un­terzeichneten Freihandelsabkommen zwischen Südkorea und Belgien/Lu­xemburg. Lone Star erwarb im Rahmen der asiatischen Finanzkrise die Korea Exchange Bank. Lone Star ver­klagte Südkorea vor der internationalen Schiedsstelle

ICSID, die der Weltbank angehört, wegen einer gewinnschmälernden Kapitalertragssteuer von 10 % beim späteren Weiterverkauf der Bank.

* Ecuador wurde zur Zahlung von 2,3 Mrd. an Occidental Petroleum verurteilt. Mit diesem Be­trag könnte Ecuador sein Gesundheitssystem für die Hälfte der Bevölkerung ein Jahr lang finanzie­ren, er entspricht dem jährlichen Einkommen der ärmsten 20% der Bevölkerung - ca. drei Millionen Menschen. Auf Druck der indige­nen Amazonas­-Bevölkerung, die seit langem gegen die Öl-Explo­ration und die damit verbundenen fatalen Aus­wirkungen auf Umwelt und Gesellschaft protes­tierte, wurde dann die Ölförderung verstaatlicht.

* Kanada wurde vom amerikanischen Öl- und Gasunternehmens Lone Pine Resources Inc. aufgrund des NAFTA-Abkommens auf 250 Mio. Dollar Schadensersatz verklagt. Quebec hatte 2011 ein Fracking-Moratori­um verhängt.

* Kanada wurde von der US-amerikanischen Entsorgungsfirma S.D. Myers Inc. wegen Verbot des Exports von Giftmüll auf 20 Mio. Dollar ent­gangenen zukünftigen Gewinn verklagt und schließlich vom Schiedsgericht zum Scha­dener­satz in Höhe von 4,8 Mio. Dollar verurteilt.

* El Salvador wird aktuell durch den kanadi­schen Konzern Pacific Rim Corporation wegen einem Bergbaumoratorium für eine Goldmine auf 301 Millionen US-Dollar aufgrund des mittel­amerikanischen Freihandelsabkommens CAFTA verklagt.

Das Moratorium wurde nach Protesten der Bevölkerung gegen die öko­logischen und so­zialen Auswirkungen des Berg­baus durch das salvadorianische Parlament im Jahr 2008 ver­hängt, da der Abbau die Trinkwasserversor­gung für große Teile der Bevölkerung bedroht.

* Eines der dramatischsten Beispiele ist der Fall Agua del Turani gegen Bolivien - Schadenersatz wegen ent­gangener zukünftiger Gewinne bei der Wasserprivatisierung (ICSID Case No.RB/02/3).  

Aufgrund einer Weltbankauflage von 1997 für neue Kredite musste Bolivien die Wasserversor­gung der dritt­größten Stadt Cochabamba privati­sieren(!).

Aguas del Turanis größte Anteilseigner sind das US-Unternehmen Bechtel und die spa­nische Fa. Abengoa. Vertragsinhalt war die Kon­zes­sion über die Wasserversorgung für 40 Jahre mit einem garantierten Jahresgewinn von 16% und einem gesetzlichen Verbot der Nut­zung pri­vater Brunnen und sogar des Sammelns von Regen­wasser.

Die Folge war Protest ge­gen Preisan­stiege in Cocha­bamba von 50 - 200 %.

Die Regierung verhängte das Kriegsrecht, was insgesamt über 100 Verletzte zur Folge hatte, und  versuchte die Proteste mit Hilfe von Polizei und Militär niederzuschlagen.

Nach der Ermor­dung des 17-Jährigen Victor Hugo Danza durch die Polizeikräfte eskalierte der Protest, so dass sich die Regierung nicht mehr in der Lage sah, die Sicherheit von Aguas del Turani zu garantie­ren.

Der Konzern verließ Bolivien im April 2000, die Kon­zession wurde zurückgenommen und ein neues Wassergesetz verabschiedet.

Daraufhin verlegten die US-amerikanischen und spani­schen Anteils­eigner ihre Konzernzentrale in die Niederlande, weil zwischen den Nie­derlanden und Bolivien ein Investitionsschutzabkommen bestand.

Sie verklagten Bolivien auf entgangene zu­künftige Gewinne in Höhe von 50 Millionen US-Dollar vor dem bei der Weltbank angesie­delten International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID).

Das ICSID tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit, gegen des­sen Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel.

Erst im Jahre 2006 und vor dem Hintergrund von über Jahre hinweg anhaltender, auch internatio­naler Protes­te gaben Aguas del Turani, bzw. dessen Mutterkonzerne nach, und einigten sich mit Bolivien darauf, dass das Verfahren gegen Zahlung eines Symbolbetrags eingestellt wurde.

* Aktuell klagt die Fa. Vattenfall gegen die BRD wegen dem Atomausstieg bei AKW Krümmel und Bruns­büttel auf  3,7 Mrd. € - ein Skandal ersten Ranges. Bereits 2009 hatte Vattenfall mit einer Klage gegen die BRD we­gen des Kohle­kraft­werks Moorburg in Hamburg 1,4 Mrd. € ge­fordert und in einem Vergleich dann eine Locke­rung der Umweltschutzauflagen durchgesetzt.

* Die Hälfte der Klagen kommt übrigens von Konzernen aus EU-Staaten, für 40 Klagen sind deutsche Kon­zerne verantwortlich, da­runter Daimler, Deut­sche Bank, Fraport, Siemens und Telekom.

* Zur Erinnerung: Wir haben auch nicht verges­sen, dass die deutsche Bundes­regierung und die EU-Kommis­sion beim Streik der Transportge­werkschaft in Frankreich in den 90er Jahren die französi­sche Regierung auf­gefordert haben, die Blocka­den der Streikenden notfalls mit Sol­daten zu be­enden, da sich Frankreich sonst we­gen Behinde­rung des freien Handels scha­den­ersatzpflichtig machen würde.      

Es wird deutlich, dass bereits die vorhandenen Freihandelsabkommen gravierende Auswirkun­gen auf die Le­bens- und Arbeitsbedingungen der Menschen weltweit haben.

Mit der Durchsetzung von TTIP, CETA und Co könnte zukünftig u.a. auch jede Kommune in Deutschland betroffen sein,  sofern deren soziale und ökologi­sche Maßnah­men im Interesse der Bürger_innen die zukünftigen Gewinnerwartungen kapita­listischer Konzer­ne beeinträchtigen. Irgendeines dieser Freihandelsabkommen wird der Konzern schon finden, auf welches er seine Klage stützen kann.

Daher haben sich schon fast 300 Kommunen in Deutschland gegen TTIP ausgesprochen.

Aufgrund der zunehmenden Proteste wird derzeit versucht, dem Widerstand durch kosmetische Veränderun­gen die Spitze zu brechen.

So sollen u. a. einzelne Bereiche der Daseinsfür­sorge möglicherweise zunächst erst einmal nicht von den Investitionsschutzabkommen erfasst werden. Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, dass dies dann später nachverhandelt werden soll.

Verschleiert wird auch, dass gerade die deut­sche Bundesregierung und die EU-Kommission zu den treiben­den Kräften bei der Durchsetzung von TTIP, CETA, TISA und Co. gehören. Die Freihandelsabkommen sind letztendlich nichts anderes als eine globale Form des Klassenkampfs von oben, und eine neue Form neokolonialistischer Ausbeutung gegen­über den Menschen des globalen Südens.

 

Fluchtursache Freihandel – „Wir sind hier weil Ihr unsere Länder zerstört“

 

Ziel der „Frei“handelsabkommen ist immer die Liberalisierung von Handel und Dienstleistungen.

So soll weltweit die Öffentli­che Daseinsfürsorge, wie Sozialversicherung, Was­ser, Energie, Gesundheit, Bildung, Kultur oder auch Infrastruktur und Ver­kehrswesen privatisiert werden und nach und nach alle und alles, Mensch und Natur, zur Ware degradiert und der kapitalistischen Profitmaximierungslogik unter­worfen werden – ein gigantisches Geschäft von vielen Hunderten Milliarden Euro für das Kapital. Eine der Folgen: Weltweit sind nach UN-An­gaben mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht.

 

Warum müssen eigentlich so viele Menschen fliehen?

 

Bereits infolge der Nahrungsmittelkrise im Früh­jahr 2008 – die Hungerrevolten in Haiti und der Brot­aufstand in Kamerun sind nur zwei Beispiele – waren weltweit zusätzliche 44 Millio­nen Men­schen Opfer von Unterernäh­rung geworden.

Im Zuge der kapitalistischen „Ban­kenkrise“ sind nach Angaben der Weltbank wei­tere fast 100 Millionen Menschen ins Elend abgerut­scht, die zu den 850 Millionen Hun­gernden hinzuka­men, während die Deutsche Bank bereits im ersten Quartal 2010 einen Ge­winn vor Steuern in Höhe 2,8 Mrd. € erzielt, das zweitbeste Ergebnis der Firmenge­schichte – soweit zum kapitalis­tischen Alltag.

Der Weg­fall von Zöllen und die Liberalisie­rung der Märkte führt zwangsläufig zu struktureller Ungleichheit, zu einer weltweiten Umverteilung aus den armen Staaten in Afrika, Asien oder Lateiname­rika in die reichen Metropolen oder auch innerhalb der EU. Seit vielen Jahren leisten die verschuldeten armen Staaten der Welt, die campesi­no/as wie die ausgebeuteten Arbeite­rInnen in den libe­ralisierten Weltmarktfabriken in Asien „Entwick­lungshilfe“ für die welt­weit operierenden Internationalen Konzerne und ihre Banken oder deren Statthalter vor Ort. „Freihandel“ in der EU hat z.B. zu einer Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50 % in Griechenland und Spa­nien geführt, viele Jugendliche mussten daher in die reicheren EU-Staaten wie Deutschland auswandern bzw. „flüch­ten“.

Der Export von hochsubventionierten Nahrungsmitteln aus der EU oder der USA in den glo­balen Sü­den, hat dort z.B. zur Zerstörung der Existenz vieler Kleinbauern geführt.

Sie verloren ihr Land an Großgrundbesitzer oder die Banken, und mussten in die Slums der großen Städte fliehen. Einige davon suchen nun eine Per­spektive in der EU.

In den „verteidigungspolitischen Richtli­nien“ der Bundeswehr und ähnlichen Leitlinien steht, dass der Zugang zu Roh­stoffen weltweit militärisch gesichert werden muss. Für die Menschen in vielen Ländern der sogenann­ten Dritten Welt ist somit das Vorkommen von wichtigen Bodenschätzen kein Se­gen sondern ein Fluch.

Viele Menschen fliehen auch vor so genannten Natur-Katastrophen. Doch viele dieser ver­heerenden  „Naturkatastrophen“, wie z.B. die so genannte Klimakatastro­phe, sind ebenfalls Folge einer zerstöreri­schen kapitalistischen Produktionsweise, in der Mensch und Natur nur läs­tige Kostenfak­toren sind.

Anstatt jedoch die Fluchtursachen zu bekämpfen, die in den mächtigsten kapitalistischen Staaten ih­ren Ur­sprung haben, werden diese Staaten wie auch die EU und Deutsch­land, zu Festungen gegen die Geflüchteten ausgebaut und militärisch gesichert.

Während alle Grenzen beseitigt werden sollen, die den weltweiten ungehinderten Zugang zu Profit be­hindern können, und sei es auf Kosten von Le­ben, Gesundheit, sozialer Rechte und Umwelt, während die Grenzen für Bananen, Autos, Waren und Kapital weltweit abgebaut werden, werden um die kapitalistischen Staaten herum immer höhere Zäune gebaut, um diejenigen fern­zuhalten, die vor den Folgen des kapitalistischen „Erfolgsmodells“ fliehen müssen, zu dem es an­geblich keine Alternative geben soll. 

Als Folge dieser Maßnahme ster­ben an den Außengrenzen der EU jedes Jahr Tausende. Die, die es trotzdem geschafft haben, werden diskriminiert und wie Men­schen zweiter Klasse behandelt. Geflüchtete werden in nützliche und unnütze selektiert oder als Wirtschafts­flüchtlinge diffamiert.

Wenn refugees dem Tod entronnen sind, sagen Regierungen, Behörden, Staatsanwälte und Richter, sie sei­en illegal. Für uns ist kein Mensch ist illegal. Wir fordern Globale Bewegungsfreiheit, Bleiberecht und gleiche Rechte für alle.

 

Es gibt nur eine Alternative: make capitalism history

 

Eine gute Nachricht: Der breite Wider­stand hat damals das unterschriftsreife MAI-Ab­kommen ver­hindert. Wir haben es auch diesmal in der Hand TTIP, CETA, TISA und Co zu stoppen.

Sie wollen uns weltweit das Recht nehmen, unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen selbst zu gestalten. Selbst gewählten bürgerlichen Parla­menten wird zunehmend die Entscheidungskom­petenz entzogen. Wir werden ihnen das Recht nehmen, alles ihrer Profitlogik zu unterwerfen. Dazu müssen wir den Widerstand verbreitern und verstärken.

Unter­schriftensammlungen und Aktionstage sind hilf­reich aber sicher nicht ausrei­chend.

Erfolg werden wir erst haben, wenn wir gemein­sam über Grenzen hinweg ihren kapitalistischen Normalbetrieb lahmlegen mit Mitteln des zivilen Massenungehorsams bis zum politischen Streik. Eine Alternative zum kapita­listischen System wird es nur ohne TTIP, CETA, TISA  und Co geben.

Die Kapitalherren und ihre Regierungen fordern Offene Grenzen für Waren Kapital und Profit. Wir fordern Of­fene Grenzen und globale Bewegungsfreiheit für alle Men­schen!

Dazu brauchen wir eine Welt, in der Menschen nicht mehr fliehen müssen, eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung, Rassismus und Krieg.

Öffentliche Güter verteidigen!

 

Die obengenannten Freihandelsabkommen sind ein Generalangriff auf Öffentliche Güter oder Gemeingüter. Öffentliche Güter sind definiert als Güter, die allen Menschen oder sehr großen Gruppen ohne Ausschlussmöglichkeiten zukommen. Sie können zur gleichen Zeit von Vielen genutzt werden, bspw. eine ökologisch intakte Umwelt.

Häufig handelt es sich auch um große und großräumige Infrastrukturen wie Verkehrswege, Deiche, kommunale Krankenhäuser oder auch Wasserwerke in Städten und Gemeinden. Diese Infrastrukturen wurden historisch gesehen häufig durch Gemeinsame Arbeit aufgebaut („wer nicht will deichen, der muss weichen“) oder durch soziale Bewegungen (ArbeiterInnen-, Frauen-, Umweltschutzbewegung) erkämpft.

Viele dieser Gemeingüter sind seid einigen Jahrzehnten durch die Privatisierungsideologie bedroht oder bereits privatisiert worden. Im Grunde werden wir durch solche Prozesse enteignet. Stattdessen sollten wir Vergesellschaftungsprozesse und Selbstverwaltungsstrukturen vorantreiben und uns in die wachsende Diskussion um eine Gemeinwohl- Ökonomie einbringen, haben doch gerade wir viele, auch historische Erfahrungen, mit entsprechenden Projekten und Kommunen. Lasst uns die Gemeingüter verteidigen!

 

Zwischenruf an meine linken Freund_innen

 

Am 10.10.2015 fand in Berlin die größte Demonstration der letzten Jahre mit bis zu 250.000 Teilneh­menden statt. Leider waren grundsätzliche linke und antikapitalistische  Positionen auf dieser Demo nach außen wenig sichtbar, auch wenn sicher viele individuell an der Demo teilgenommen haben.

Offensichtlich ist die Notwendigkeit der Verhinderung von TTIP, CETA, TISA und Co in der radikalen Linken noch nicht beson­ders präsent.

Dabei gab es selten eine so gute Möglichkeit antikapitalistische Positionen und Kritik in so breiten Kreisen zu thematisieren und zur Grundlage von Aktionen zu machen.

Eine stärkere linke Präsenz wäre inhalt­lich wünschenswert und notwendig. Nicht unerhebliche Teile derjenigen, die zu­recht gegen TTIP und Co. mobil machen, haben nicht das gesamte Freihandelsunwesen im Blick und auch nicht die Auswirkungen, die dies bereits heute weltweit und vor allem auf die Bevölkerung im Globalen Süden hat.

Außerdem gibt es erhebliche nationalistische Abgleitflächen, die dringend zurückgedrängt werden müssen, was auch gut möglich ist, wie die Erfahrung gezeigt hat. Weitgehend unbekannt ist auch die Tatsache, dass allein die BRD über 130 bilaterale Freihandelsabkommen abgeschossen hat.

Auch wird oft verkannt, dass es nicht einfach darum geht, die angeblich immer so tollen deutschen oder EU-Standards gegen die schlechten Standards aus den USA zu verteidigen.

Tatsächlich soll mit den geplanten Freihandelsabkommen ein weltweites System etabliert werden, dass alle und alles, Mensch und Natur, zur Ware degradiert und der kapitalistischen Profitmaximierungslogik unter­worfen werden soll, was bis jetzt in den bestehenden internationalen Organisationen nicht zuletzt an Ländern des globalen Südens gescheitert ist.

Mit TTIP und Co. sollen künftig auch alle kommenden Entscheidungen der bürgerlichen Parlamente, diesem Diktat unterworfen und auch jegliche Möglichkeiten sozialer und politischer Bewegungen für eine grundlegende emanzipatorische Umgestaltung der Gesellschaft erheblich eingeschränkt werden.

Grund genug für radikale Linke und libertäre SozialistInnen, für alle, die für eine grundlegende internationalistische und emanzipatorische Alternative zum Kapitalismus eintreten,  sich endlich stärker einzumischen.             

 

Wolfram Treiber (AKI Karlsruhe)

 

Anmerkung:

  1. Siehe: http://ttip-demo.de/home/netzwerk

 

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 403, November 2015, www.graswurzel.net