Der neue GID: Rassismus in den Lebenswissenschaften

Inwiefern beleben humangenetische Forschungen über menschliche Diversität Vorstellungen von „Rasse” wieder neu? Der aktuelle Schwerpunkt des GID ist dieser alten und gleichermaßen hochaktuellen Dimension der Humangenetik gewidmet. Aktuell ist diese Fragestellung zum einen, weil die Bioinformatik derzeit immer schneller immer größere Datenmassen bewältigt und immer mehr Genvariationen statistisch in Zusammenhang mit unterschiedlichen körperlichen Anlagen oder auch regionalen Herkünften bringt.
Zum anderen finden die Ergebnisse der Genomforschung immer neue Anwendungsbereiche. Die Erkenntnisse über so genannte Biomarker „wandern” von der Genforschung in die Biomedizin, die Forensik, die Migrationspolitik, die Genealogieforschung oder die Reproduktionsindustrie.

Folgende Titel finden Sie im THEMENHEFT GID Nr. 197: „Wandernde Biomarker - Rassismus in den Lebenswissenschaften“ (Einige Artikel finden Sie bei Linksnet eingestellt, das komplette Heft erhalten Sie über unsere Webseite: www.gen-ethisches-netzwerk.de):

Ein Interview mit der AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften leitet den Schwerpunkt ein. Die Berliner Arbeitsgemeinschaft hat in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass trotz der Vermeidung des Begriffs „Rasse” ein biologischer Rassegedanke in den deutschen Lebenswissenschaften dennoch virulent bleibt.(online)

Die Wissenschaftsforscherinnen Joan H. Fujimura und Ramya Rajagopalan geben daraufhin einen Überblick über die US-amerikanische Diskussion zu Rassismus in der medizinischen Genomik. Sie suchen nach Ansätzen, wie genomische Diversität ohne Rückgriff auf Rassevorstellungen erforscht werden könnte.

Skeptisch äußert sich Osagie Obasogie vom US-amerikanischen Center of Genetics and Society zu den oftmals als Alternative vorgeschlagenen „biogeografischen” Markern oder auch „Haplotypen”. Er nimmt unter die Lupe, auf welchen extrem fragwürdigen wissenschaftlichen Grundlagen diese Marker beruhen. Und er zeigt, welche Rolle sie derzeit auf dem Markt für Abstammungs-Tests spielen; gerade unter AfroamerikanerInnen stoßen solche Gentests bei der Suche nach ihrer Herkunft auf großes Interesse.

Wie spiegeln sich Thesen über unterschiedliche genetische Krankheitsanlagen im deutschen Klinik-Alltag wieder? Wir dokumentieren auszugsweise, wie Christiane Hutson in ihrer Arbeit „Schwarzkrank” ihre eigenen Erfahrungen mit rassistischen Zuschreibungen in der Medizin analysiert.

Anschließend diskutiert Thomas Brückmann die Ambivalenzen der Kategorie „Migrationshintergrund” in der deutschen Gesundheitsforschung - zwischen der begrüßenswerten statistischen Erfassung soziale Unterschiede und der Gefahr, dass die heterogene Gruppe der MigrantInnen vor dem Hintergrund alter Stereotype doch wieder als biologisch Andere begriffen wird.

Last but not least zeigen Francisco Vergara-Silva und Carlos López-Beltrán, wie die Humangenom-Forschung auch in Mexiko seltsame Blüten treibt: Allen voran propagiert das staatliche Institut INMEGEN die Existenz eines „mexikanischen Genoms” - ein Paradox angesichts der Tatsache, dass der Mythos der mexikanischen Identität gerade auf der Idee der Mestizaje, also der Vermischung und Hybridität aufbaut. (online)


Weitere Themen im aktuellen GID:

Anne Schweigler informiert darüber, wie die Europäische Union derzeit die Saatgut-Gesetzgebung überarbeitet.

Christof Potthof gibt einen Überblick darüber, wie sich die Agro-Gentechnik als klimaschonend verkauft - und was dagegen einzuwenden ist.(online verfügbar)

Monika Feuerlein diskutiert die fragwürdige Informations- und insbesondere Daten-Politik, die es ermöglichten, die Schweinegruppe zu einem nationalen Notstand zu erklären.(online verfügbar)

Ulrike Baureithel gibt einen Ausblick in die kommende Legislaturperiode des Deutschen Bundestages, angesichts der Devise der gelb-schwarzen Koalition: Wissenschaftsförderung = Wirtschaftsförderung.


Diese und noch eine Reihe weiterer Artikel finden Sie im aktuellen GID. Das Inhaltsverzeichnis und einige ausgewählte Artikel im Internet unter: www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/197.

Darin auch ein Magazin mit neuen Materialien, mit Tipps zu Büchern, Aktionen und Terminen und zum Beispiel einer Rezension zu dem Buch „Promising Genomics” von Mike Fortun. Promising Genomics ist ein Buch über die isländische Genomforschung - angesichts der aktuellen Pleite des Unternehmens deCode Genetics höchstaktuell.(online)


Kontakt:
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Gen-ethischer Informationsdienst - GID 197, Dezember 2009 - Schwerpunkt: Wandernde Biomarker; 25. Jahrgang - ISSN 0935-2481

Der Gen-ethische Informationsdienst (GID) ist die Fachzeitschrift des Gen-ethischen Netzwerks und berichtet seit 25 Jahren kritisch und kompetent zu den Themen Gentechnologie und Fortpflanzungsmedizin. Der GID erscheint zweimonatlich und kann beim Gen-ethischen Netzwerk in Berlin bestellt werden. Ein Einzelheft kostet 6,50 Euro.

Der GID ist in Teilen frei über das Internet verfügbar unter: www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid.

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