Israels Regierung und die US-Neokonservativen um George W. Bush und Dick Cheney trommeln für einen Militärschlag gegen den Iran. Anfang Juni drohten Schaul Mofas und Benjamin Ben-Elieser, beide amtierende Minister der israelischen Regierung, dem Iran mit Krieg: »Die Sanktionen sind unwirksam. Es wird unvermeidlich sein, den Iran anzugreifen, um seine Atompläne zu stoppen.« Fast gleichzeitig forderte Israels Ministerpräsident Ehud Olmert in Washington in Anwesenheit von George W. Bush und den beiden US-Präsidentschaftskandidaten dazu auf, die »iranische Bedrohung« zu stoppen, »mit allen möglichen Mitteln«. Veranstalter war die zionistische Lobbygruppe American Israel Public Affairs Committee (AIPAC). Derweil erreichten auch die Kriegsvorbereitungen eine neue Stufe. Unter der Überschrift »Vorbereitung des Schlachtfelds« berichtete Seymour M. Hersh in dem liberalen Magazin The New Yorker vom 30. Juni, daß die Bush-Regierung ihre geheimen Aktivitäten im Iran ausgeweitet habe. Diesem Bericht zufolge hat der Kongreß Ende 2007 dafür bis zu 400 Milliarden Dollar bewilligt.
Die Motive Israels und der US-Neokonservativen sind unterschiedlich, das Ziel aber ist das gleiche. Die Regierung in Tel Aviv fürchtet einen Iran mit Atomwaffen, weil Israel sein Monopol, als einziges Land im Nahen und Mittleren Osten mit Atomwaffen ausgerüstet zu sein, endgültig verlieren würde und nicht länger in der Lage wäre, seine politischen Ziele einer ganzen Region zu diktieren und die Besetzung Palästinas aufrecht zu erhalten. Und die Neokonservativen, mit dem militärindustriellen Komplex im Rücken, wollen durch einen »regime change« im Iran das größte Hindernis beseitigen, um den gesamten »Greater Middle East« und dessen Öl- und Gasquellen weitere Jahrzehnte kontrollieren zu können. Sind Irans Atomwaffenambitionen für Israel das eigentliche Angriffsziel, so stellen sie für Bush und Cheney lediglich einen Vorwand dar, um einen Krieg zu legitimieren. Beide Seiten sehen die nächsten Monate der Amtszeit von Bush als letzte Chance zum Zuschlagen.
Die US-Neokonservativen wollten seit langem und erst recht nach dem Sturz von Saddam Hussein im Irak auch die Regierung der Islamischen Republik Iran beseitigen. Das Kriegsdesaster im Irak hat diese Pläne verzögert, aufgegeben haben sie sie nie.
Ein neuer Krieg, der das Chaos im Mittleren und Nahen Osten um ein Vielfaches vergrößern würde, widerspricht allerdings jedweder Vernunft, er wäre völkerrechtswidrig und moralisch nicht zu rechtfertigen. Die wahren Kriegsziele und die vorgebrachten Begründungen klaffen auseinander wie Himmel und Erde. Um die Begründungslücke zu schließen, bedienen sich die Kriegstreiber in Jerusalem und Washington und deren Propaganda-Agenturen einer massiven Emotionalisierungsstrategie und malen den Vormarsch des »Islamofaschismus« und eines »zweiten Holocaust« an die Wand. Damit übertreffen sie bei weitem alles, was Huntingtons »Krieg der Kulturen« an Feindbildern zur Legitimierung der US-Kriege in den letzten zehn Jahren heraufbeschworen hatte.
In Deutschland hat dazu Josef Joffe mit seinem Leitartikel »Islamo-Faschismus« bereits in Die Zeit vom 18. März 2004 Vorarbeit geleistet. Dann setzte sich Henryk M. Broder (Der Spiegel) an die Spitze. Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter schloß sich diesem Kreis der Propagandisten der neuen Kampfparole in den deutschen Medien an. Ayaan Hirsi Ali, die aus Somalia stammende Niederländerin, die seit kurzem in dem US-ThinkTank American Enterprise Institute ihr Brot verdient, ließ keine mediale Gelegenheit aus, um den »Islamofaschismus« an die Wand zu malen, den Islam insgesamt als böse und inhuman darzustellen und ihn für ihr persönliches Leid und für die Beschneidung der Frauen in Afrika verantwortlich zu machen - auch dort, wo der Islam nie Wurzeln geschlagen hat. Diese Vier und einige weniger Prominente wie die türkischstämmigen Necla Kelek und Seyran Atesh und obendrein die im »Zentralrat der Ex-Muslime« Versammelten hofieren sich gegenseitig, reichen die propagandistische Staffel weiter und liefern in den Medien, gewollt oder ungewollt, die Rechtfertigung für den drohenden Krieg gegen den Iran. Der Zweck des neuen Kampfbegriffs »Islamofaschismus« liegt auf der Hand: Alle westlichen, in »christlich-jüdischer« Tradition stehenden Demokratien sollen endlich die Gefahr eines neuen weltumspannenden, eben islamischen Faschismus erkennen und USA und Israel, die an vorderster Front gegen diese Gefahr ihren präventiven Krieg führen, nicht allein lassen, sondern sie unterstützen, notfalls auch beim Einsatz von Atomwaffen gegen den Iran, der als die Speerspitze des »islamischen Faschismus« gilt.
In seinem rechtzeitig für die aktuelle Kriegspropaganda erschienenen Buch »Hurra, wir kapitulieren. Von der Lust zum Einknicken« warnt Henryk M. Broder, Gründer einer »Achse des Guten«, eindringlich vor der »Selbstaufgabe Europas vor moslemischen Horden«. Mit dem Gespenst von »1,5 Milliarden Moslems in aller Welt, die chronisch zu Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen,« will er uns das Fürchten lehren und plädiert mit der Suggestivfrage »Was wären die Folgeschäden eines iranischen Atomschlages?« indirekt für einen präventiven Atomkrieg gegen den Iran. In dieselbe Kerbe haut der israelische Historiker Benny Morris in der Welt und der FAZ, indem er wortreich vor einem »zweiten Holocaust« warnt, den nun Irans islamische Führung mit Atombomben vom Zaun brechen wolle, ohne diese überhaupt schon zu besitzen.
International ist die Kampagne, als deren Vorkämpfer Henryk M. Broder sich darstellt, längst im Gange. Mit Überschriften in englischsprachigen Medien wie »How Europe Died«, »While Europe Slept«, »Europe's Suicide?«, »Eurabia is no Fairytale«, »Goodbye Europe« hetzen die antiislamischen Propagandisten die westliche Welt auf, den neuen globalen Kreuzzug nicht länger hinauszuschieben. Und die dauernde Dämonisierung des Islam insgesamt und des Iran im Besonderen verfehlt ihre Wirkung nicht. Selbst innerhalb der Partei Die Linke ist ein Bundesarbeitskreis »Shalom« am Werk, der das Wort Shalom (Friede) dazu mißbraucht, Kriegsstimmung zu verbreiten.
Wenn dann auch noch Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender dieser Partei, die Solidarität mit Israel zur »Staatsräson deutscher Außenpolitik« erklärt, hat die Friedensbewegung allen Grund zur Sorge, denn man kann sich unschwer ausmalen, welche Konsequenzen eine solche Festlegung im Falle eines Konfliktes mit dem Iran haben würde. Wie weit die Anti-Islam-Propaganda in die Breite wirkt, belegt eine Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2006. Danach verbinden 98 Prozent der Deutschen mit dem Islam Gewalt und Terror, nur sechs Prozent bekunden Sympathie mit dem Islam, 61 Prozent glauben nicht, daß der Islam neben dem Christentum friedlich existieren kann, und 83 Prozent schätzen Muslime als religiöse Fanatiker ein.
An der psychologischen Kriegsvorbereitung von USA und Israel sind Populisten vom Schlage Ahmadinedschads nicht ganz ohne Schuld. Irans Präsident liefert mit seinen antiisraelischen Verbalattacken den westlichen PR-Agenturen reichlich Munition. Hätte er aber ernsthafte Absichten, einen Atomkrieg gegen Israel zu führen, würde er sich, angesichts Israels nuklearer Erstschlagskapazitäten, gleich für die eigene Vernichtung mit entscheiden. Das weiß die iranische Führung, das weiß auch jeder, der das Einmaleins der nuklearen Abschreckungslogik kennt, das weiß selbstverständlich auch Henryk M. Broder, dem es offenbar nichts ausmacht, trotzdem die Öffentlichkeit zu täuschen.
Eine Allianz aus rechtszionistischen Kreisen um Broders »Achse des Guten«, pro-israelischen »Antideutschen« um Matthias Küntzel sowie iranischen Exilgruppen, denen - ohne jegliche Basis im Iran - nichts Besseres einfällt, als Mossad und CIA ihre Dienste anzubieten, veranstaltete im Frühjahr 2008 mit erheblichem finanziellen Aufwand gleich nacheinander in Wien und in Berlin zwei anti-iranische Konferenzen. In beiden durfte als prominentester Gast der israelische Geschichtsprofessor Benny Morris Tel Aviv auffordern, »Irans Atomprogramm präventiv mit konventionellen Mitteln, besser noch mit Nuklearwaffen« zu zerstören, da insgesamt ein Nuklearschlag besser wäre als ein »zweiter Holocaust«, der sich seitens der islamischen »Un-Zivilisation« anbahne.
Ende Mai fand zur Fortsetzung der Pro-Kriegs-Kampagne dann in Köln die »Islamkritische Konferenz« statt, die ebenfalls mit großem Aufwand vom »Zentralrat der Ex-Muslime«, der »Giordano Bruno-Stiftung« und anderen Gruppen veranstaltet wurde. Hier ging es nicht nur um Irans »Islamofaschisten«, sondern um die Muslime in Deutschland und Europa, die dabei seien, »unsere westliche Gesellschaft und Kultur« systematisch und durch den Bau von Moscheen auch wahrnehmbar zu unterwandern.
Mit ähnlichen Zielen mobilisieren Neonazis aus ganz Europa zu einem ihrer größten Treffen für September in Köln. Und so wird das gesamte Spektrum zwischen rechtszionistischen und neonazistischen Strömungen in Europa sichtbar, das sich in einer höchst merkwürdigen, äußerst gefährlichen antiislamischen Allianz zusammengefunden hat.