Gesundheitsförderung durch Generika?

Wie Patente Patienten in Entwicklungsländern das Leben schwer machen

in (05.12.2007)

Gesundheitsförderung durch Generika? - Wie Patente Patienten in Entwicklungsländern das Leben schwer machen

Anfang August diesen Jahres fällte der höchste indische Gerichtshof ein weltweit beachtetes Urteil: Er hatte eine Klage des multinationalen Pharmakonzerns Novartis gegen das indische Patentrecht abgewiesen. Dieses erlaubt die Herstellung preiswerterer Nachahmerpräparaten (Generika) von lebenserhaltenden Medikamenten. Patente auf geringfügige Veränderungen bereits existierender Medikamente werden verweigert. Mit diesem Urteil ist Indiens Rolle als "Apotheke der Armen" vorerst gesichert.

Gesundheit und multinationale Pharmafirmen
Das "Recht auf ein höchstmögliches Maß an Gesundheit" ist ein grundlegendes Menschenrecht und muss vom Staat geschützt werden. Die Forschung und Herstellung von Medikamenten liegt jedoch vorrangig in den Händen großer Pharmakonzerne, die durch ihre Monopolstellung die Preise für Medikamente gewinnmaximierend festlegen. Da lebensnotwendige Medikamente nicht als öffentliches Gut, sondern als Ware gehandelt werden, bestimmen Pharmakonzerne auch den Preis für Gesundheit.

Gerade Schwellen- und Entwicklungsländer sind davon negativ betroffen. Dort ist Armut oft mit Krankheit gekoppelt: Hohe Preise für Medikamente machen sie für arme Menschen unerschwinglich und die mangelhafte Infrastruktur erschwert den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Infolgedessen sterben jährlich etwa 20 Millionen Menschen an behandelbaren Krankheiten.

Patente blockieren Zugang
Gerade der Patentschutz ist ein Hindernis für den Zugang zu günstigen Medikamenten. Patente sollen geistiges Eigentum durch Monopolisierung sichern und Forschungsanreize setzen, indem die Unternehmen durch Profite am späteren Endprodukt belohnt werden. Sie erfüllen aber nicht den Zweck der Gesundheitsförderung: Zwar verursachen Forschung und Herstellung von Medikamenten tatsächlich Kosten, allerdings übersteigen die Profite der Konzerne ihre Ausgaben meist bei weitem. Investiert wird zudem gerade in Forschung an "Lifestyle"-Produkten für kaufkräftiges Klientel sowie in Werbung - um ein vielfaches mehr als in Forschung an Medikamenten gegen Armutskrankheiten, wie sie in Entwicklungsländern auftreten.

Seit 2005 ist das Patentrecht in vielen Ländern keine nationale Angelegenheit mehr, sondern wird in den meisten der 150 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) durch das so genannte TRIPS-Abkommen (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) geregelt. Der Patentschutz ist nun auf 20 Jahre festgelegt. Lediglich durch die Zahlung hoher Lizenzgebühren ist es möglich Nachahmerprodukte herzustellen. Entwicklungsländer können sich dadurch kaum mehr durch Nachahmung Wissen aneignen und sich im Wettbewerb behaupten, denn 97% Prozent aller Patente gehören Unternehmen aus Industrieländern.
Bereits 2001 verabschiedeten WTO-Mitgliedsstaaten als Reaktion auf die negativen Auswirkungen des TRIPS-Abkommens die "Doha-Erklärung" als Ausnahmeregelung zu TRIPS. Diese erlaubt es Ländern mit schweren öffentlichen Gesundheitsproblemen ohne Einverständnis der Pharmakonzerne Zwangslizenzen auf Medikamente zu erteilen und Generika herzustellen. Durch einen erhöhten Wettbewerb sinken dann die Medikamentenpreise.
Bislang machen Brasilien, Thailand, Südafrika und Indien davon Gebrauch und produzieren Generika, die über Exportzwangslizenzen von anderen armen Ländern importiert werden können. Dadurch gehen diese Länder auf Konfrontationskurs mit den großen Pharmaunternehmen, die, wie Novartis, auf dem Patentrecht beharren und mit Druck, Lobbying und auf rechtlichem Weg gegen Zwangslizenzen vorgehen.

Auswege
Einmalige "großzügige" Schenkungsaktionen der großen Pharmaunternehmen sind zwar sehr pressewirksam, stellen aber keine Lösung dar. Eine Möglichkeit wäre, dass die Pharmakonzerne und die WTO mit den Regierungen der Entwicklungsländer und Internationalen (Nichtregierungs-)Organisationen kooperieren, um Wege zu vereinbaren, die den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten für die größtmögliche Zahl von Menschen ermöglichen - so zum Beispiel durch regionale Herstellungskooperationen.

Für eine nachhaltige Bekämpfung der "Armutskrankheiten" wäre es zunächst entscheidend, die Doha-Erklärung breitenwirksam anzuerkennen, d.h. Zwangslizenzen, also Generikaproduktion, für Schwellen- und Entwicklungsländer durchgehend zuzulassen.

Langfristig muss die Forschung und Entwicklung von Medikamenten öffentlich finanziert und Medikamente zu einem öffentlichen Gut werden.