Geschlechterimplikationen von Privatisierung
Privatisierung stellt eine Kernstrategie gegenwärtig dominanter, vom "Glaube(n) an die ökonomische Vernunft" (Senf 2002, 8) geleiteter neoliberaler Politik dar. Neoliberalismus bezeichnet einen ...
... umfassenden, auf ökonomischer Selbstregulierung durch den Markt basierenden, gesellschaftlichen Ordnungs- und Entwicklungsentwurf, demgemäß Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen Marktprinzipien entsprechend restrukturiert, das Verhältnis von Staat und Ökonomie sowie Privatem und Öffentlichem neu definiert und diese Kategorien selbst reinterpretiert werden. (vgl. Schui/Blankenberg 2002; Willke 2003, Michalitsch 2004)
Privatisierung bedeutet, bis dato staatliche Aktivitäten in dem Privaten zugerechnete Bereiche wie Markt und Haushalt zu transferieren, damit die Idee des Staates zu verengen und die Sphäre des Politischen, des demokratisch Verhandel- und Kontrollierbaren, zu redefinieren. Mit Privatisierung gehen demnach Entstaatlichung, Entpolitisierung und Entdemokratisierung einher. Entsprechend umfasst Privatisierung nicht nur Transformation öffentlichen Eigentums in privates, Liberalisierung und Deregulierung der Ökonomie oder Abbau des Staatsapparates, sondern eine Vielzahl von Politiken, die öffentliche Verantwortung zunehmend durch private ersetzen.
Privatisierung stellt folglich - verdeckt von ökonomischen Imperativen wie Budgetkonsolidierung, internationaler Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz oder Innovation - die Relation von Staat und Politik grundsätzlich zur Disposition. Der herrschende Diskurs blendet die damit verbundene Verschiebung von Machtverhältnissen aus, dessen geschlechtsneutrale Rhetorik verhüllt patriarchale Restrukturierungen von Geschlechterverhältnissen. Auch in Österreich wirken vermeintlich geschlechtsneutrale neoliberale Transformationsprozesse auf Männer und Frauen infolge differierender Lebenskontexte und Zuschreibungen höchst unterschiedlich, ohne jedoch öffentlich diskutiert zu werden.
Im Kontext der Redefinition von Öffentlichem und Privatem stellt der vorliegende Beitrag daher Formen und Folgen von Privatisierung insbesondere öffentlicher Dienstleistungen zur Diskussion, um vielfach verdeckte Geschlechterimplikationen von Privatisierung und damit verknüpfte Rekonstruktionen von Geschlecht zu decouvrieren.
1. Öffentlichkeit und Privatheit
Das Dispositiv von Öffentlichem und Privatem durchzieht die Geschichte der Moderne, es markiert - je nach Deutung - die Grenze zwischen Politik und Ökonomie oder Haushalt und Unternehmen (vgl. Elshtain 1993; Pateman 1994; Brodie 1994; Kerchner /Wilde 1997; Weber 2001) und fungiert als soziale Beziehungen regulierendes, gesellschaftliches Organisations- und Wahrnehmungsmuster (Sauer 2001, 5), als "symbolische Ordnung, die eine spezifische Repräsentation des sozialen Raums organisiert" (Demirovi? 2001, 13).
Öffentlichkeit bezieht sich auf Staat, Parteien, Kunst, Medien, während Privatheit, stets an Persönliches geknüpft, Ehe, Familie, Freunde umfaßt. Doch die Zuordnung bleibt arbiträr, gilt der Markt aus Staatsperspektive doch als privat, aus Sicht der Versorgungsökonomie als öffentlich. In seiner idealtypischen liberalen Fassung wird das Private als dem Öffentlichen komplementär jenseits des Politischen verortet. Doch Privatheit ist nicht von staatlich-politischer Öffentlichkeit getrennt, sondern vielmehr deren Kehrseite, asymmetrisch mit dieser verbunden. Wird Öffentlichkeit mit Freiheit, Demokratie, Rationalität, Universalität, und Männlichkeit assoziiert, so figuriert das Private als mit entgegengesetzten Attributen wie irrational, freiheitsbeschränkend, undemokratisch, weiblich verknüpfter Bereich. Obgleich die Dichotomie von Öffentlichem und Privatem als "zu ungenau, um deutlich abgrenzbare Sphären zu bezeichnen" (Demirovi? 2001, 13), gilt, firmiert sie im feministischen Diskurs als zentraler Topos von Macht, Herrschaft und Unterdrückung, denn sie verbindet sich mit "historisch flexible(n) Be- und Entgrenzungsprozesse(n), die Zweigeschlechtlichkeit je neu konstituieren" (Sauer 2001, 6). Stets bildet sie ein geschlechtliches Trennungdispositiv, an das sich Hierarchie, Exklusion und Unterordnung knüpfen. (vgl. Elshtain 1993; Pateman 1994)
Privatheit wie Öffentlichkeit unterliegen gegenwärtig einem fundamentalen Transformationsprozess. Da nunmehr eine Vielzahl von Allgemeingütern "wie öffentlicher Transport, Kommunikation, Bildung, soziale Sicherheit privat erzeugt und zu einem Mittel der Kapitalakkumulation" (Demirovi? 2001, 16) werden, wird der öffentliche Raum verengt, während zumindest Teilbereiche des Privaten einem Prozess zunehmender Veröffentlichung und Kommerzialisierung unterliegen, der mit Informationsüberfluß einhergeht. "(E)inheitliche und umfassende Öffentlichkeit" zerfällt infolge knapper individueller Aufmerksamkeit in eine "Vielzahl von Öffentlichkeiten" (Demirovi? 2001, 19), in "hierarchisch aufeinander bezogene Segmente" (Demirovi? 2001, 16). Das Öffentlichkeitsprinzip, der damit verbundene "machtvolle Zugriff auf gesellschaftliche Kommunikation" (Demirovi? 2001, 14), wird zerstört, während das Private "sozial und kommunikativ ausgehöhlt", gleichermaßen entprivatisiert wie entpolitisiert, "zum Primärort individueller Lebensentscheidungen" und "Garant individualistischer Lebensstile kulturell aufgewertet" (Lang 2001, 92) wird. Öffentlichkeit hingegen fungiert zunehmend "als überdimensionale Projektionsfläche, auf die eigene Sehnsüchte und Ängste projiziert werden, ohne dass sie dabei ihren privatisierten Charakter einbüßen" (Lang 2001, 94).
Dieser Wandel von Privatheit und Öffentlichkeit, deren Umdeutung in neue, individualistisch geprägte semi-privatisierte Öffentlichkeiten stellt einen besonders für Frauen repressiven Prozess der Reprivatisierung dar, in dem Retraditionalisierung, Individualisierung und spezifisch neoliberale Politisierung ineinandergreifen: Retraditionalisierung bezieht sich hierbei auf zunehmende Verengungen öffentlicher Diskurse auf traditionelle Geschlechtermuster, Individualisierung verweist auf Umdeutungen gesellschaftlicher Konflikte in autonome individuelle Wahlentscheidungen, während spezifisch neoliberale Politisierung bedeutet, gesellschaftliche Konflikte zwar öffentlich als gesellschaftlich relevant zu diskutieren, aber - im Kontext spezifisch neoliberaler Rhetorik - auf privatistische Lösungen auszurichten.[1] (Lang 2001, 95ff.)
Privates wie Öffentliches stehen damit zur Disposition. Was als öffentlich, was als privat gilt, wird von staatlich verkörperten gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen bestimmt: "What is privatized, and how, represents the stateÂ’s continuing intervention within the economy, favouring certain capitals at the expense of others and mediating between capital and labour in economic, political and ideological arenas." (Fine 1999, 43) Dies gilt ebenso für gesellschaftliche Intervention und die (Re-)Produktion von Geschlecht.
2. Privatisierung und Geschlecht
Vor diesem Hintergrund läßt sich Privatisierung nicht bloß als Neuverteilung von Eigentum[2] deuten, vielmehr muss Privatisierung als übergreifende Strategie neoliberaler Transformation verstanden werden. Im Folgenden werden fünf Dimensionen von Privatisierung unterschieden, sie alle sind mit zum Teil erheblichen geschlechterspezifischen Effekten verbunden.
Übertragung öffentlichen Eigentums
Privatisierung von Eigentum bezieht sich auf Übertragung öffentlicher Besitztitel in private, vielfach beschränkt sich diese aber auch auf Schaffung privatrechtlicher Unternehmensgrundlagen. Veräußerungen öffentlichen Eigentums führten bisher nur in seltenen Fällen zu dessen nachhaltiger Dezentralisierung und breiter Streuung, stattdessen kam es zu massiver Konzentration bei institutionellen Investoren wie Versicherungen, Investment-Fonds oder Banken. (Fine 1999, 59; Weber 2001, 27) Begünstigt durch Verflechtungen zwischen politischem Consulting und Finanzberatung entwickelten sich Eigentumsprivatisierungen selbst jedoch - mit entsprechenden Kosten für den öffentlichen Sektor - zu hochprofitablen Geschäften. (Fine 1999, 59) Weder als Beraterinnen noch als Anlegerinnen dürften Frauen direkte Vorteile aus Veräußerungen öffentlichen Eigentums gezogen haben, da sie infolge massiv männerbündischer Strukturen selten in diesem Consulting-Segment vertreten sind, und kaum über Vermögen mit entsprechenden Anlageoptionen verfügen.
Deregulierung der Ökonomie
Deregulierung, Reduktion staatlicher Regelungen vorrangig zugunsten von Unternehmen, führte etwa am Arbeitsmarkt zu massiver Erosion von Normalarbeitsverhältnissen und verstärkter geschlechtlicher Segregation. Der Arbeitsmarkt zerfällt zunehmend in einen männlich dominierten Kernarbeitsmarkt und einen weiblichen marginalisierten Arbeitsmarkt, in dem "atypische" Arbeitsverhältnisse wie Teilzeitarbeit, geringfügige und befristete Beschäftigungen oder Scheinselbstständigkeit, hohe Arbeitsplatzunsicherheit, niedrige Löhne, fehlende Aufstiegschancen, schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnde soziale Sicherheit vorherrschen.[3] Darüber hinaus wird es durch Deregulierung zunehmend schwieriger, Gleichstellungs- und Lohngleichheitsforderungen zu artikulieren und deren Durchsetzung zu überwachen, da die zunehmende Heterogenität von Arbeitsverhältnissen mehr Information und neue Techniken erfordert, um indirekte Diskriminierungen zu identifizieren. (Madörin 1997, 7)
So lagen die Median-Bruttojahreseinkommen aus unselbständiger Beschäftigung in Österreich Jahr 2000 für Frauen bei rund 15.000 Euro, für Männer bei 25.000 Euro. (BEIGEWUM 2002, 76) Nur knapp 5 % der unselbständig erwerbstätigen Männer, aber 33 % der unselbständig erwerbstätigen Frauen gingen im Jahr 2000 einer Teilzeitbeschäftigung nach. (Tálos 2001, 78) Weiters waren 2000 181.000 geringfügig Beschäftigte gemeldet, davon über 70 % Frauen. (Tálos 2001, 83; Kreimer 2000, 6) Mit einem Anteil von 7,5 % im Jahr 2000 spielen befristete Beschäftigungsverhältnisse in Österreich im Vergleich zu knapp 33 % in Spanien oder 13 % in Deutschland, wo bereits knapp 38 % aller Neueinstellungen mit Befristung erfolgen, noch eine relativ geringe Rolle (Tálos 2001, 79), doch auch von Befristungen sind Frauen stärker als Männer betroffen. (vgl. Kreimer 2000, 7)
Darüber hinaus wird Frauenerwerbsarbeit verstärkt in den informellen Sektor gedrängt.[4] Schätzungen gehen davon aus, daß unter Einbeziehung nicht-existenzsichernder Teilzeitarbeit etwa die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen in diesem sich ausweitenden Bereich informeller Erwerbsarbeit tätig ist, zu dessen zentralen Beschäftigungsfeldern Hausarbeit, Betreuung und Pflege zählen. Nur 5.000 Personen waren 2000 offiziell als in Privathaushalten Beschäftigte registriert, 92 % davon Frauen, geschätzt wird die Zahl an Haushaltshilfen jedoch auf rund 160.000 Personen, in der Mehrzahl Migrantinnen mit überwiegend 5 bis 10 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit. (Kreimer 2000, 11)
Eigenständige Sicherung über Erwerbsarbeit wird vor allem für Frauen demnach zunehmend erschwert, die damit verbundene ökonomische Ungleichheit der Geschlechter aber vom Sozialsystem immer weniger abgeschwächt. Es kommt zu Feminisierung von Armut und sozialer Polarisierung, wie sie seit Jahren in Großbritannien, Kanada und den USA zu beobachten sind. (vgl. Madörin 1997, 7) Auch in Österreich galten 1999 nur 9 % der Männer, aber 13 % der Frauen als armutsgefährdet. (BEIGEWUM 2002, 73ff.) Etwa die Hälfte der von Armut Betroffenen zählt zu den "working poor". (vgl. Tálos 2001, 74)
Aber auch Spaltungen zwischen Frauen verschärfen sich. Professionalisierter Berufstätigkeit steht "Refeudalisierung" von Hausarbeit gegenüber, das Verhältnis von "Herrin und Magd" (Young 2000) wird neu belebt. Vor allem Migrantinnen schaffen für gut ausgebildete Frauen in beruflichen Karrieren entsprechende Unterstützungsstrukturen in Haushalt, Reinigung, Kinderbetreuung, Alten- und Krankenpflege.
Rückbau des Staates und dessen Redefinition als Unternehmen
Rückbau des Staates durch Auslagerung öffentlicher Leistungserbringung an private Unternehmen und "Verschlankung" der Verwaltung implizieren massive Personalreduktion im öffentlichen Dienst. Damit gehen Arbeitsplätze in einem Bereich verloren, der sich durch wesentlich geringere geschlechtsspezifische Einkommensdifferenzen als der privatwirtschaftliche Sektor und die Geltung des Bundesgleichbehandlungsgesetztes mit seiner Verpflichtung zur Frauenförderung auszeichnet. (vgl. Grisold 2000)
Aber auch der Staat selbst wird zunehmend als Unternehmen definiert und entsprechend Marktprinzipien unterworfen. Gewinnorientierung und betriebswirtschaftliche Effizienz treten als zentrale Kriterien staatlicher Aktivitäten gegenüber anderen Zielen in den Vordergrund, während Ideale öffentlichen Managements mehr und mehr jene politischer Führung ablösen, und politische Institutionen zunehmend entpolitisieren und entdemokratisieren.
Vermehrte Inkorporierung von Marktprinzipien fördert aber auch die Aushöhlung der Legitimationsbasis des öffentlichen Sektors, denn sobald dieser traditionelle demokratische Werte durch Gewinnorientierung ersetzt, transformiert er nicht nur seine spezifischen Aufgaben und Funktionen, sondern öffnet diese potentiell privatwirtschaftlichen Anbietern. (vgl. Fine 1999, 62)
Individualisierung von Politiken
Individualisierung bedeutet verstärkte Ausrichtung von Politiken, vor allem im Sozial- und Arbeitsmarktbereich, auf individuelle Lösungen, indem öffentliche Leistungen zugunsten von Transferzahlungen eingeschränkt und in weiterer Folge verstärkt über den Markt zugekauft oder im Privaten erbracht werden. Wie Pflegeversicherung, Kinderbetreuungsgeld oder Altersvorsorge zeigen (siehe Abschnitt 3), zielt Individualisierung auf eigenverantwortliche Lösungsstrategien und belastet vor allem die von Frauen getragene Versorgungsökonomie, zumal Beschränkungen öffentlicher Dienste deren Marktpreise in der Regel erhöhen. Vermehrte unbezahlte Privatarbeit von Frauen aber verschärft geschlechterspezifische Spaltungen am Arbeitsmarkt sowie damit einhergehende Ungleichheiten in sozialen Sicherungssystemen, und verstärkt folglich Geschlechterdisparitäten.
Redefinition öffentlicher Verantwortung
Während Individualisierung von Politiken grundsätzliche - in Transferleistungen ausgedrückte - Anerkennung gesellschaftlicher Problemstellungen und entsprechender politischer Regulierungserfordernisse impliziert, werden gesellschaftliche Konflikte darüber hinaus vielfach als private Problemlagen jenseits politischer Zuständigkeit redefiniert. Mit der Zurückweisung öffentlicher Verantwortung wird der Bereich des politisch - und damit demokratisch - Verhandel- und Kontrollierbaren eingeschränkt, die Grenze zwischen Öffentlichem und Privatem verschoben, bislang Politisches privatisiert.
Diese Reduktion öffentlicher Verantwortung betrifft Geschlechterpolitik besonders, da Postulate von Chancengleichheit und Eigenverantwortung gesellschaftliche Geschlechterdifferenzen verdecken und Geschlechterdisparitäten verstärkt als individuelle Problemlagen interpretiert werden. (vgl Lang 2001) "(D)ass ein soziales Verhältnis als öffentliches anerkannt wird", stellt jedoch wesentliches "Mittel der Emanzipation" (Demirovi? 2001, 23) und Voraussetzung ausgleichender politischer Intervention dar.
3. Privatisierte Dienste
Im Folgenden werden anhand ausgewählter Beispiele geschlechterspezifische Implikationen österreichischer Privatisierung öffentlicher Dienste skizziert, an denen auch unterschiedliche, einander zuweilen überlagernde, Dimensionen von Privatisierung deutlich werden.
Öffentlicher Verkehr
Privatisierung des öffentlichen Verkehrs beschränkte sich in Österreich bisher weitgehend auf Ausgliederungen, Schaffung privatrechtlicher Unternehmensgrundlagen und damit Verankerung von Gewinnorientierung bei Anbietern wie etwa den ÖBB oder kommunalen Nahverkehrsbetrieben.
So reduzierten zwischen 1996 und 2002 etwa die ÖBB die Zahl der Beschäftigten um fast 20%, im Fall der Wiener Linien kam es trotz Netzerweiterung und steigender Fahrgastzahlen zu einem Beschäftigungsabbau von 7 %. (Atzmüller/Hermann 2004, 47, 73) Verdichtung und Verlängerung von Arbeitszeiten, stärkere Arbeitsbelastung, zunehmender Zeitdruck und hohe Überstundenzahl sind die Folge, Einkommen von Neubeschäftigten werden darüber hinaus erheblich reduziert.
Aufgrund sehr geringer Frauenanteile an den Beschäftigten - bei den ÖBB-Bediensteten liegt dieser bei nur 6 % (Atzmüller/Hermann 2004, 50) - sind nur wenige Frauen direkt von Personalabbau betroffen, dennoch trifft sie die fast gänzliche Auslagerung spezifischer Bereiche, wie der weiblich dominierten Reinigungsdienste, besonders, denn Outsourcing geht mit wesentlich schlechteren Arbeitsverträgen und Einkommensverlusten gegenüber ÖBB-MitarbeiterInnen einher. (Atzmüller/Hermann 2004, 52) Im Bereich des Personennahverkehrs kam es jedoch sogar zu einem Anstieg von Frauenbeschäftigung. (Atzmüller/Hermann 2004, 32)
Da Frauen deutlich seltener über einen eigenen PKW verfügen[5], nutzen sie öffentliche Verkehrsmittel wesentlich häufiger als Männer. (Bauer/Reeger/Zwingl 1995, 65) Für gleichwertige Lebensverhältnisse, insbesondere im Hinblick auf Zeitbudgets[6], stellt Anbindung an öffentlichen Verkehr in der Wohnumgebung eine zentrale Voraussetzung dar. Vor allem in ländlichen Gebieten und an Stadträndern fehlt es jedoch vielfach, verstärkt durch Einstellungen unprofitabler Linien, an entsprechender Verkehrsinfrastruktur. Ob und wieweit Privatisierungsmaßnahmen des öffentlichen Verkehrs Preissteigerungen, verstärkte KundInnenorientierung oder verbessertes Leistungsangebot mit entsprechenden Vorteilen für Frauen als Nutzerinnen nach sich ziehen, bleibt abzuwarten.
Wasserversorgung
Im Gegensatz etwa zu Deutschland sind in Österreich Privatisierungseffekte im Bereich Wasserversorgung bisher "nur in Ansätzen feststellbar" (Atzmüller/Hermann 2004, 81). Weder eindeutige Beschäftigungstrends noch Preisentwicklungen lassen sich bisher ausmachen.
Pflegeversicherung
Die mit der Neuregelung der Pflegeversicherung 1993 verbundene Substitution des Ausbaus öffentlicher Betreuungseinrichtungen durch individuelle Transferleistungen illustriert die Individualisierung von Politik. Das nach Pflegebedürftigkeit gestaffelte, einkommens- und vermögensunabhängige Pflegegeld ermöglicht individuellen Zukauf von Pflegeleistungen über den Markt, wobei etwa 90 % aller zu Hause lebenden PflegegeldempfängerInnen auf informelle Arbeit zurückgreifen (Kreimer 2000, 10f.), die rein marktliche Bereitstellung spielt hierbei jedoch eine "marginale Rolle" (Hammer/Österle 2001, 66). Vielmehr werden Pflegeleistungen im Privaten - zumeist durch weibliche Familienangehörige - erbracht, zumal Marktpreise und Gebühren für öffentliches Leistungsangebot im Zuge der Neuregelung erheblich stiegen. (vgl. Hammer/Österle 2001, 64f.) Pflege wird damit vielfach zu vorrangig weiblichem Liebesdienst. (vgl. Michalitsch 2000)
Geschlechterspezifische Folgen von Privatisierung zeigen sich im Pflegebereich demnach vor allem in der Ausweitung weiblicher informeller Niedriglohnarbeit, unbezahlter Versorgungsarbeit, damit einhergehender Stärkung geschlechtlicher Arbeitsteilung und Verfestigung von Geschlechterstereotypen. (vgl. Hammer/Österle 2001, 66)
Kinderbetreuungsgeld
Mit der Neuregelung des Kinderbetreuungsgeldes 2001 ersetzte gleichfalls eine Transferzahlung fehlendes öffentliches Leistungsangebot. Das nicht länger als Ersatz für entgangenes Erwerbseinkommen, sondern als Betreuungsentgelt in nicht-existenzsichernder Höhe[7] konzipierte Kinderbetreuungsgeld wirkt ähnlich wie das Pflegegeld. Obgleich es Zukauf entsprechender Betreuung über den Markt erlaubt, stützt es vorrangig traditionellen geschlechtsspezifischen Zuschreibungen entsprechende Leistungserbringung von Frauen im Privatbereich: Als erwerbsarbeits- und einkommensunabhängige Transferleistung, die durchschnittlich höhere Männereinkommen nur zu einem geringen Prozentsatz ersetzt, werden Unterbrechungen männlicher Erwerbstätigkeit kaum ermöglicht. Auch die Ausweitung des Bezugszeitraums geht mit verstärkter unbezahlter weiblicher Versorgungsarbeit und vermehrten Frauen-exkludierenden Effekten am Arbeitsmarkt einher.
Entsprechend eröffnet das Kinderbetreuungsgeld kaum Wahlmöglichkeiten (vgl. Hammer/Österle 2001, 67f.) und benachteiligt AlleinerzieherInnen, zumal Betreuungseinrichtungen vor allem für Kleinstkinder fehlen. Darüber hinaus führt es zu Ausweitungen von sozial ungesicherter Niedriglohnarbeit im informellen Arbeitsmarkt, in dem 80 % aller Betreuungsleistungen - vor allem für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren - erbracht werden. (Kreimer 2000, 10f.)
Pensionsvorsorge
Massive Einkommensunterschiede, Segregation und "Atypisierung" von Beschäftigung am Arbeitsmarkt führen aufgrund der Erwerbsarbeitszentriertheit des Sozialsystems zu entsprechenden Geschlechterdifferenzen im Bereich sozialer Sicherung. Auf kontinuierlicher Freistellung von Versorgungsarbeit basierend, honoriert das österreichische Sozialsystem vor allem Dauer der Erwerbstätigkeit und Höhe des Erwerbseinkommens, Frauen stehen aufgrund der ihnen zugewiesenen Versorgungsarbeit im Gegensatz zu Männern dem Arbeitsmarkt jedoch nicht kontinuierlich und ausschließlich zur Verfügung, Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt werden damit strukturell im Sozialsystem verfestigt. (vgl. Rosenberger 1995)
Dies manifestiert sich bei Pensionsleistungen, aber auch Arbeitslosenunterstützung oder Notstandshilfe. (vgl. Stelzer-Orthofer 2001) Nur etwa 60 % der Frauen über 60 Jahren bezieht eine eigene Pension, von jenen, die gegenwärtig das Pensionsalter erreichen, hat etwa ein Drittel keinen Anspruch auf eine eigenständige Pension. (BEIGEWUM 2002, 75)
Die durchschnittliche Alterspension von Frauen betrug mit 725 Euro nur 55 % jener von Männern.[8] (BEIGEWUM 2002, 75) Auch bei Neuzugängen bestehen ähnliche Differenzen, die mit Anhebung des Pensionsantrittsalters, Abschlägen für Frühpensionen und massiver Ausdehnung von Beitragszeiten verschärft werden. Der Ausbau eines Drei-Säulen-Modells, das neben staatlicher, betriebliche und private Vorsorge umfaßt, lässt weitere Polarisierung ökonomischer Geschlechterdisparitäten im Alter erwarten. Infolge geringer Einkommen bleiben Möglichkeiten zu individueller Altersvorsorge für Frauen begrenzt, zumal sie bei Privatversicherungen bis dato mit höheren Prämien als Männer rechnen mussten. Frauen profitieren folglich auch von seit 2000 bestehenden steuerlichen Begünstigungen privater Altersvorsorge weit seltener. (vgl. Michalitsch 2001) Darüber hinaus beschränkt sich betriebliche Pensionsvorsorge vorrangig auf Vollzeitbeschäftigte im Kernarbeitsmarkt, in dem Frauen jedoch unterrepräsentiert sind.
Individualisierung von Altersvorsorge verstärkt vor allem im Kontext zunehmender Marginalisierung weiblicher Erwerbsarbeit Geschlechterdifferenzen und bedroht künftige Pensionistinnen mit Armut und zunehmender sozialer Ausgrenzung.
4. Jenseits von Effizienz
Restrukturierung von Geschlechterverhältnissen markiert eine grundlegende Dimension neoliberaler Transformation, sie stellt kein bloßes Nebenprodukt "an sich geschlechtsneutraler" Privatisierung, sondern eine wesentliche Facette neoliberaler Politik dar. (vgl. Kreisky 2001) Privatisierung verstärkt geschlechterspezifische Disparitäten, aber auch Differenzen zwischen Frauen. Auf Verengung des Politischen und Ausweitung des Persönlichen zielend, trägt sie wesentlich zur aktuellen Neuformierung von Öffentlichem und Privatem bei.
Privatisierung impliziert hierbei nicht nur Verschiebung bislang öffentlicher Leistungen in den Marktbereich, sondern auch in die Versorgungsökonomie und weist Frauen damit vermehrt als Liebesdienst betrachtete unbezahlte Arbeit zu. Während eine integrative makroökonomische Perspektive das Zusammenwirken von privater Versorgungs-, privatwirtschaftlicher Markt- und staatlicher Dienstleistungsökonomie berücksichtigt, vernachlässigen mit Privatisierung vielfach verbundene Argumente steigender Effizienz den Bereich der Versorgungsökonomie. Deren Überlastung aber führt zu Produktivitätsminderungen und Kostenerhöhungen in anderen Wirtschaftssektoren. (vgl. Bakker 1994; Bakker/Elson 1998) Gängige Effizienz-Postulate verlieren folglich bei Beachtung solch intersektoraler Relationen ihre Grundlage. Darüber hinaus aber muss der weitgehend um den Effizienz-Topos zentrierte Diskurs entökonomisiert und repolitisiert werden (vgl. Wolff 1999, 73ff.), denn Beschränkung auf ökonomische Effizienz verstellt Fragen nach Machtverhältnissen ebenso wie nach gesellschaftlichen Alternativen.
Anmerkungen
[1] So lösten etwa im Bereich von Geschlechterpolitik personalisierte Benachteiligungsdiskurse strukturelle Diskriminierungsdiskurse ab, entsprechend ersetzten US-Universitäten in Kalifornien und Washington Gleichstellungsmaßnahmen durch spezifische Fördermaßnahmen für Fälle von "individual hardship". (Lang 2001, 101)
[2] In der Literatur wird Privatisierung vielfach auf Dimensionen von Besitzverhältnissen beschränkt. (vgl. Haas/Auer/Keseric/Stefanescu 2004, 11; Atzmüller/Hermann 2004, 13; Raza /Wedl/Angelo 2004)
[3] Deregulierung wird in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik von einem Paradigmenwechsel von Welfare- zu Workfare-Strategien begleitet. (vgl. Schunter-Kleemann 2001)
[4] Bei informeller Erwerbsarbeit handelt es sich um legale, bezahlte Arbeit, die jedoch nicht in das Sozialsystem integriert und überwiegend nicht existenzsichernd ist. Der informelle Arbeitsmarkt umfaßt den nicht-sozialversicherten Teil geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (seit 1998 besteht für geringfügig Beschäftigte die Möglichkeit zur Sozialversicherung, diese wurde 2000 jedoch nur von 15 % der Betroffenen genützt), Bedienstete auf Werkvertragsbasis und HeimarbeiterInnen ebenso wie mithelfende Familienangehörige. Schwarzarbeit ist definitionsgemäß nicht Teil des informellen Arbeitsmarktes. Aus fehlender Integration in das Sozialsystem folgt die manfelnde statistische Erfassung des informellen Sektors.
[5] Nur 16 % der Frauen, aber 58 % der Männer konnten 1983 (neuere Daten liegen nicht vor) jederzeit über ein Auto verfügen. (Bauer/Reeger/Zwingl 1995, 87) "Das Familienauto steht in den meisten Fällen dem erwerbstätigen Vater alleine zur Verfügung, geteilt wird es bestenfalls beim Sonntagsausflug." (Bauer/Reeger/Zwingl 1995, 65) Ledige und geschiedene Frauen liegen bezüglich PKW-Verfügbarkeit deutlich über dem Durchschnitt.
[6] Zu Zeitbudget und familiäre Arbeitsteilung vgl. Faßmann 1995.
[7] Derzeit beträgt das Kinderbetreuungsgeld 436 Euro monatlich, automatische Valorisierung ist nicht vorgesehen. Die Zuverdienstgrenze liegt bei 14.600 Euro jährlich.
[8] 168.000 Frauen, 66.500 Männer erhielten im Jahr 2000 eine Ausgleichszulage, der Ausgleichszulagenrichtsatz für Einzelpersonen lag bei 604 Euro. (BEIGEWUM 2002, 75)
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