Man vergleicht sich in den imperialen US-Kreisenso gern mit dem Alten Rom. Dort kannte man das Phänomen des "Caesarenwahns": Selbstermächtigung zu Großverbrechen aus Größenwahn.
Die Haager Landkriegsordnung von 1907 legte bereits in dem Kapitel über die Mittel zur Schädigung des Feindes fest, daß es untersagt ist, "unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschießen". Für das Besatzungsregime gilt, daß es "alle von ihm abhängenden Vorkehrungen zu treffen (hat), um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten". Dort ist ausdrücklich nicht davon die Rede, daß die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung, wie die Besatzungsmacht sie versteht, in der Beschießung oder Bombardierung ziviler Wohnstätten besteht. Doch genau dies veranstalten gegenwärtig die Besatzungstruppen der USA und ihrer Föderaten im Irak, wenn sie die schiitische Stadt Nadschaf oder das sunnitische Falludscha mit Bomben überziehen und sich den Teufel darum scheren, was mit der Zivilbevölkerung passiert.
Das Genfer Abkommen "zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten " aus dem Jahre 1949 fixiert, daß durch das Abkommen die Personen geschützt werden, die sich "gleichgültig auf welche Weise im Machtbereich einer am Konflikt beteiligten Partei oder einer Besatzungsmacht befinden, deren Angehörige sie nicht sind". Und dazu gehört ausdrücklich: "Keine geschützte Person darf wegen einer Tat bestraft werden, die sie nicht persönlich begangen hat. Kollektivstrafen sowie jede Maßnahme zur Einschüchterung oder Terrorisierung sind untersagt Â… Vergeltungsmaßnahmen gegen geschützte Personen und ihr Eigentum sind untersagt." Die USA sind Vertragsparteien beider Konventionen. Im Irak heute interessiert sie das allerdings einen Dreck.
Die USA waren auch eine der initiierenden Mächte des Londoner Viermächteabkommens "über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der Europäische Achse" vom 8. August 1945. Bestandteil dessen ist das Statut für den Internationalen Militärgerichtshof, in dem als "Verbrechen Â…, für deren Aburteilung der Gerichtshof zuständig ist", zunächst "Verbrechen gegen den Frieden" definiert werden: "Planen, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge". Bush, sein Vize Cheney, Kriegsminister Rumsfeld sowie ihre Berater und Generäle haben sich dessen bereits durch die Planung und Durchführung des völkerrechtswidrigen Krieges gegen den Irak schuldig gemacht. Verschärfend kommt nun hinzu, daß die zweite Kategorie von zu ahndenden Verbrechen "Kriegsverbrechen" sind, nämlich "Verletzungen der Kriegsgesetze oder -gebräuche" - was im Irak jetzt zur Alltäglichkeit geworden ist. Siehe oben.
Die genannte Personengruppe wäre nun international zur Fahndung auszuschreiben, zu ergreifen und sofort neben Milos¡evic´ auf die Anklagebank in Den Haag zu setzen. Das traut sich natürlich jetzt niemand zu fordern. Auch die europäischen Regierungen, die so ausdrücklich auf ihre Nichtteilnahme an dem Krieg gegen den Irak verweisen, verabreden sich mit jenen Schreibtischtätern lieber zum diplomatischen Parlieren und schweigen geflissentlich über deren Täterschaft als Kriegsverbrecher. Die Opfer aber sind Tag für Tag in den Medien zu besichtigen, trotz aller Zensur.
Nun mußten Bush und Cheney vor dem US-Kongreß zum 11. September aussagen. Die Umfragewerte im Lande sinken, die Wiederwahl wird fraglich. Fest steht, daß die großmäuligen Ziele der "imperialen Präsidentschaft" bereits jetzt im Wüstensand des Iraks begraben worden sind. Die Welt ist komplizierter und widersprüchlicher, als sich jene Herren (nebst Dame) so dachten, sie ist militärisch nicht beherrschbar, und das Militärische ist nicht zur dauerhaften Grundlage von Politik zu machen.
Und der andere Präsidentschaftskandidat? Wir sollten uns keine Illusionen machen, sagte Egon Bahr kürzlich in einer Veranstaltung im Willy-Brandt-Haus, zwei Dinge würden bleiben: "Power und Mission" - das Stützen auf militärische Macht und das Selbstverständnis von einer besonderen Mission in der Welt. Der Unterschied sei nur, ob dies jenseits des internationalen Rechts erfolge oder ob auch die Supermacht sich an das internationale Recht gebunden fühle. Insofern würde eine neuerliche Präsidentschaft von seiten der Demokraten (Kerry), hier stimme ich mit Bahr überein, bereits dann eine Änderung bedeuten, wenn sie Abschied von völkerrechtswidrigen Kriegen und von dem Irrbild der "imperialen Präsidentschaft" nehme.
Aber vielleicht ist George W. Bush als historisches Phänomen auch etwas ganz anderes: Man vergleicht sich in diesen imperialen US-Kreisen so gern mit dem Alten Rom. Dort kannte man das Phänomen des "Caesarenwahns": Selbstermächtigung zu Großverbrechen aus Größenwahn.
in: Des Blättchens 7. Jahrgang (VII) Berlin, 10. Mai 2004, Heft 10