Der Standpunkt, dass als Nachwirkung von 1989 eine globale Ökonomie entsteht, lässt sich rechtfertigen. Die WTO demontiert alle verbleibenden Hemmnisse der zwischenstaatlichen Bewegung von Kapital,.
... Gütern, Dienstleistungen und intellektuellem Eigentum, was zur Folge hat, dass transnationale Konzerne freie Bahn haben. Da die Arbeitsbedingungen eines immer größer werdenden Anteils der Weltbevölkerung direkt oder indirekt von diesen Konzernen abhängen, scheinen schließlich die Umstände einzutreten, die den Vollzug von MarxÂ’ Verfügung am Ende des Kommunistischen Manifests möglich werden lassen: >Proletarier aller Länder, vereinigt euch!Diese Studie geht von einer Dynamik des Kapitalismus aus, die aus den miteinander verknüpften Prozessen der Inwertsetzung (commodification) und Akkumulation resultiert. Einerseits ist er unersättlich auf neue Waren aus, durch deren Produktion Mehrwert gewonnen werden kann, andererseits auf neue Märkte, die seine unerschöpfliche Expansion antreiben. Neue Waren entstehen entweder durch die Einbeziehung von vormals unbezahlter Arbeit in die Geldwirtschaft oder durch die Weiterentwicklung bestehender Waren. Am Anfang und Ende des Prozesses stehen folglich menschliche Tätigkeiten und Bedürfnisse: Produktion und Konsumtion. Der Impetus läuft auf eine vollständige Industrialisierung des Globus zu, die die gesamte Weltbevölkerung in die Produktion und Zirkulation von Waren einbezieht und somit immer abhängiger von den Produkten des Akkumulationsprozesses macht.
Der Inwertsetzungsprozess bringt kontinuierliche seismische Verschiebungen in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung mit sich. An dieser Stelle kann nicht detailliert beschrieben werden, wie die Subsistenzwirtschaft vor einer marktabhängigen Landwirtschaft zurückweicht, oder wie in diesem Prozess neue gesellschaftliche Kategorien entstehen, etwa die des landlosen, lohnabhängigen Agrararbeiters oder die des Plantagenverwalters. Ebenso wenig kann ausgeführt werden, wie aus den Veränderungen in der Landwirtschaft der Zwang resultiert, dass Bauern ihre Kinder zur Lohnarbeit in die Städte schicken, oder wie die Automation von Fabriken zu einer steigenden Komplexität der Arbeitsteilung führt, durch die neue Gruppen zwischen Proletariat und Bourgeoisie entstehen: beispielsweise die der Vorarbeiter, die der Produktionsplaner und der Einkaufsmanager. An dieser Stelle genügt es zu betonen, dass das Entstehen und Vergehen solcher Gruppen nicht nur die Zusammensetzung der Arbeiterschaft, sondern auch die Struktur des Markts und die Organisation der Konsumption modifiziert, da jede von ihnen ebenso Waren kauft, wie sie die Ware Arbeitskraft verkauft.
Dieser Zusammenhang wird insbesondere dann relevant, wenn wir uns mit der augenblicklichen Welle technologischer Veränderungen, der Ausbreitung des Gebrauchs von Informations- und Kommunikationstechnologien befassen, weil diese sowohl Produktions- als auch Konsumptionstechnologien sind -- was ungewöhnlich für die bisherige Geschichte der Automation ist. Der Besitz oder Nichtbesitz dieser Technologien erzeugt wahrscheinlich eine neue Trennlinie, die sich durch ganze Bevölkerungen zieht. "Digital divide" ist der modische Ausdruck dafür. Vor der detaillierten Untersuchung dieser neuen Demographie ist es jedoch notwendig, einen Schritt zurück zu treten und zu definieren, worüber wir reden.
I
Während ich über diesen Aufsatz nachdachte, schrieb ich in einem Newsletter:
#z#>Aktuelle Arbeiten haben in einer sehr scharfsinnigen Form die Fragestellung aufgebracht, wie die neuen Formen der Arbeit zu benennen sind, die Telematik einbeziehen. Die traditionellen Ausdrücke sind unzureichend. "White Collar" assoziiert man mit einem bestimmten Typ des männlichen Büroangestellten, der spätestens irgendwann in den 50ern nicht mehr typisch war (wenn er es denn je gewesen ist). Das Attribut "nicht-körperlich" verdeckt, dass das Einhämmern auf eine Tastatur während des ganzen Tages eine physische Dimension hat. Der Ausdruck "Büroarbeit" bindet die mit ihm bezeichneten Tätigkeiten an einen spezifischen Ort, obwohl doch die Pointe der aktuellen Entwicklungen ist, dass diese überall ausgeführt werden können. Und die meisten der neueren Ausdrücke sind noch schlechter. [...] Manche Kommentatoren haben Kategorien wie "Digitalanalyst" oder "Wissensarbeiter" eingeführt, die jedoch -- außer dass sie einigermaßen hochgestochen klingen -- eine Unterkategorie der Arbeit am oberen Ende der Qualifikationsskala beschreiben. Andererseits tappt ein Ausdruck wie Informationserfasser in die entgegensetzte Falle, weil er sich nur auf Routinearbeiten wie Dateneingabe anwenden lässt. Ich habe festgestellt, dass das "New Ways to Work"-Gremium der Europäischen Kommission in letzter Zeit von "E-Arbeit" und "E-Arbeitern" gesprochen hat. [...] Vielleicht ist "E-Arbeit" noch die am wenigsten schlechte Variante.Ich hatte Spaß an ihrer Erörterung darüber, wie man "sie" bezeichnen soll. Bei uns gab es eine dauerhafte, sehr ähnliche Diskussion über "den" Ausdruck. Unserer Erfahrung nach geht es um zweierlei: Erstens darum, eine angemessene Beschreibung zu finden, und zweitens darum, eine zu finden, mit der die in Frage stehenden Arbeiter etwas anfangen können. Wir haben es nicht geschafft, beidem zugleich in befriedigender Weise gerecht zu werden. Wenn wir andere Ausdrücke als "Büroangestellte", "Verwaltungsberufe" [...] oder "Verwaltungsmitarbeiter" benutzen, dann glauben die Leute, die die Arbeit machen, nicht, dass es um sie geht. Mir scheint "Informationsarbeiter" am passendsten zu sein, weil ich glaube, dass damit ein Großteil der Arbeit angemessen beschrieben und eine zentrale Platzierung in der "Informationsökonomie" angedeutet wird. Ich benutze den Ausdruck (ebenso wie "front-line-Informationsarbeiter"), wenn ich mit Gruppen von Büroangestellten spreche, und bin der Auffassung, dass das gut funktioniert, wenn man es in einen Zusammenhang stellt. Aber wenn man ihn im Titel eines Textes oder einer Veranstaltung verwendet, können damit nur sehr wenige Leute etwas anfangen.die Unehrlichkeit, Illoyalität und Nachlässigkeit jedes menschlichen Akteurs unterstellt, den es beschäftigtEine solche Typologie hätte zu jedem Zeitpunkt in den letzten zweihundert Jahren entworfen werden können. Sie jedoch auf spezifische Fälle anzuwenden ist im Lauf der Zeit sehr viel schwieriger geworden. Die Komplexität der Arbeitsteilung ist gestiegen. Die vielleicht wichtigste Veränderung, die stattgefunden hat, ist die zunehmende Inwertsetzung von "Diensten". Angesichts der relativ einfachen Marktverhältnisse, die Marx und Engels untersucht haben, war es möglich, als archetypische kapitalistische Ware einen physischen Gegenstand zu betrachten, der in einer Fabrik hergestellt wurde, um entweder an einen Kapitalisten (als Mittel zur Produktion weiterer physischer Gegenstände) oder an einen Groß- oder Einzelhändler (der ihn den Konsumenten zugänglich machte) verkauft zu werden. Seitdem haben enorme Weiterentwicklungen stattgefunden, da mit der anscheinend unermüdlichen Erfindungsgabe des Kapitals jeder Bereich menschlicher Tätigkeit zur Grundlage für profitable neue Waren wird -- von Softwareverpackungen und Psychopharmaka über elektronische Überwachungssysteme und Kreditkarten bis hin zu Lern-CD-Roms und Babyfon. Im Produktionsprozess jeder Ware, selbst wenn er innerhalb einer Mutterorganisation als untergeordnete Schleife des Produktionsprozesses einer weiteren Ware vollzogen wird, wird die ganze Spannbreite der beschriebenen Tätigkeiten (Planung, Management, Ausführung, Lieferung an den Kunden) in Miniaturform reproduziert.
Die Analyse wird zudem durch die Veränderungen in der Besitzstruktur der Unternehmen kompliziert. Die ineinander greifenden Auswirkungen von Privatisierung, der Aufspaltung großer Organisationen in ihre Bestandteile, der Konvergenz zwischen Sektoren, von Über-Kreuz-Besitz und "vertikaler Integration" haben die traditionelle saubere Aufteilung zwischen primärem, sekundärem und tertiärem Sektor sowie zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor wie auch die von offiziellen Statistikern verwendeten subsektoralen Kategorien unsinnig gemacht. Der neue Multimedia-Sektor beispielsweise umfasst Organisationen, die zuvor sehr verschieden verortet wurden -- im öffentlichen Sektor (staatliche Rundfunkanstalten), in der metallverarbeitenden Branche (Elektronikhersteller), im Bereich von Geschäfts- und Finanzdienstleistungen (unabhängige Softwarefirmen, die nicht zu Hardwareherstellern gehören), in der Spielzeugherstellung (die Vorläufer mancher Computerspielfirmen), in der Verlagsbranche, in der Plattenindustrie, im Filmverleih und im Bereich der Telekommunikation. Konvergenzeffekte finden in vielen anderen Bereichen der Wirtschaft statt, z.B. zwischen Bankwesen und Einzelhandel und (dank der Biotechnologie) zwischen Pharmaindustrie und Landwirtschaft.
Es ist nicht nur so, dass alte Sektoren sich auflösen und neue sich formieren, sondern es bilden sich auch komplexe Beziehungen zwischen den Unternehmen heraus. Manche gehen wechselnde Allianzen ein, um bestimmte Märkte zu erobern oder in der Entwicklung neuer Produkte zusammenzuarbeiten; bei anderen kommt es durch Aktienkauf zu Überkreuzbeteiligungen (das betrifft durchaus auch Firmen, die in der öffentlichen Wahrnehmung als Konkurrenten angesehen werden). Unternehmensfusionen, -aufspaltungen und -übernahmen werden ständig bekannt gegeben. Neben diesen externen Veränderungen unterliegen die meisten Unternehmen einem stetigen Prozess der internen Neuorganisation; die anstehenden Aufgaben werden getrennten "Profitzentren" oder ausgegründeten Unternehmen zugeordnet. Hinzu kommt die Auslagerung bestimmter Unternehmensfunktionen, die von Fremdfirmen übernommen werden. All das mündet in einer Konstellation, in der Unternehmen nicht mehr als stabil und homogen betrachtet werden können. Eher müssen sie als sich gegenseitig durchdringende Einheiten in stetiger Fluktuation betrachtet werden, die durch ein kunstvolles Netz von stetig neu zu verhandelnden Verträgen zusammengehalten werden. Die sektorale Klassifikation der Arbeitenden nach einem "Arbeitgeber" ist ein fast zufälliges Nebenprodukt dieses Wirbels. Daher ist unmöglich, die offiziellen Statistiken in ihrer gegebenen Form zur Grundlage einer ernsthaften Analyse zu machen.
Eine weitere Methode zur Bestimmung von Büroangestellten ist, sie an Hand ihrer Tätigkeiten zu unterteilen, der Aufgaben, die sie im Arbeitsprozess ausführen. Wo immer Arbeiter in der Lage waren, sich zu organisieren, und insbesondere dort, wo sie durchsetzen konnten, dass auf der Grundlage anerkannter Qualifikationen Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Berufen entstehen, können diese Berufe als größtenteils gesellschaftlich bestimmt angesehen werden; ihre Abgrenzung kommt in den Verhandlungen ausdrücklich zur Sprache, und ihre Praktiken werden durch die Gewohnheiten und die Wachsamkeit der Akteure bestimmt, die von dieser Form der Einschließung (so der weberianische Begriff von Parkin 1978) profitieren. In den meisten Fällen jedoch sind die Aufgaben, die von einer Gruppe von Arbeitern ausgeführt werden, zum großen Teil durch die technische Arbeitsteilung bestimmt, womit die entsprechenden Arbeitsprozesse vor allem durch die Gestalt der vorherrschenden Technologie geformt werden (die ihrerseits durch die Interessen und Vorstellungen derer geprägt ist, die sie wirtschaftlich einsetzen).
Selbst den Berufsgruppen, die ihre ererbten Arbeitspraktiken am stärksten gegen die Angriffe des letzten Vierteljahrhunderts verteidigt haben, ist es unmöglich gewesen, sich den Auswirkungen von Informations- und Kommunikationstechnologien vollständig zu widersetzen. Ärzte und Anwälte, und nicht zu vergessen Telefoningenieure, überprüfen im Allgemeinen von Zeit zu Zeit ihre E-Mails. Die Erwartung, über eine persönliche Sekretärin verfügen zu können, ist beim Führungspersonal unter 45 mit Ausnahme der allerhöchsten Positionen fast verschwunden. Währenddessen hat innerhalb der restlichen Belegschaften eine außergewöhnliche, nie gekannte Annäherung stattgefunden. Ein großer und wachsender Anteil der täglichen Arbeitszeit von so unterschiedlichen Berufsgruppen wie Angestellten im Bereich des Teleshopping, von Schriftsetzern, Versicherungsangestellten, Bibliothekaren, Buchhaltern, Bauprüfern und Musterschneidern wird auf die gleiche Art und Weise verbracht, nämlich vor einer Tastatur sitzend, über der die eine Hand im Gleichgewicht gehalten wird, während die andere sich von ihr zur Maus und zurück bewegt. Vor sich sehen diese Arbeiter auf dem Bildschirm hässliche graue Rechtecke in Pseudo-Flachrelief, die in der jeweiligen Landessprache mit "Datei", "Bearbeiten", "Ansicht", "Format", "Extras", "Fenster" oder "Hilfe" bezeichnet sind; eine grausige Hinterlassenschaft eines Microsoft-Angestellten der späten 80er Jahre, der sich ästhetisch herausgefordert fühlte. Verschwunden sind die Linotype, die Rotationskartei, der Zettelkatalog, die Bündel mit Rechenpapier, der Mimeograph, das Reißbrett, der Schneidetisch, das Telex und all die anderen unzähligen Apparate aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Beherrschung ihrer Bedienung berechtigte zu einem spezifischen Titel, der die stolze Verfügung über eine einzigartige Fähigkeit zum Ausdruck brachte. Verschwunden ist damit auch die kollektive Identität derjenigen, die dieselbe Fähigkeit besaßen. Wir müssen jedoch daran erinnern, dass die Sicherheit, die aus der Beherrschung dieser Fähigkeiten resultierte, oft der einer Zwangsjacke gleich kam. Die eingeschränkte Übertragbarkeit solcher Kenntnisse ging mit steigender Verwundbarkeit bei jeder Welle technologischer Innovation einher. Andererseits gab sie eine Grundlage für Organisation ab und spielte eine gewisse Rolle bei den Verhandlungen über die Bedingungen, unter denen neuere Technologien eingeführt werden sollten.
Die Fähigkeiten, die das Bedienen eines Computers erfordert, können natürlich nicht als Gesamtheit der Anforderungen für jede beliebige Arbeit angesehen werden. Sie ergänzen oft die Kernqualifikationen, die für die Ausführung der jeweiligen Arbeit erforderlich sind. Jedoch unterliegen auch letztere einem Veränderungsprozess. Sozialarbeiter beispielsweise erleben, dass sie standardisierte Formulare auf dem Bildschirm ausfüllen müssen statt differenzierte, qualitative Berichte über ihre Klienten vorzutragen oder zu schreiben; Lehrer, dass sie standardisierte Tests abnehmen müssen; Beschäftigte, die in einer Versicherung Ersatzleistungen festsetzen, dass sie die Entscheidungsfreiheit darüber verloren haben, welche Kompensation ein Anspruchsberechtigter empfangen soll; Internet-Journalisten, dass ihre Texte sehr eng definierten Standardformaten gehorchen müssen, Architekten, dass sich ihre Aufgabe auf das Zusammensetzen von Standardkomponenten reduziert. Oft werden diese Transformationen durch eine Veränderung in der Arbeitsteilung verdeckt. Die Arbeitsinhalte eines Ausgebildeten werden auf bestimmte Kerntätigkeiten beschränkt und die Anzahl ausgebildeter Angestellten reduziert, während die Bereiche der Arbeit, die standardisiert werden können, in den Aufgabenbereich niedriger qualifizierter Arbeiter übertragen werden. Beispielsweise können Routineanfragen an einen Computerkundenservice durch automatisierte E-Mail-Antworten oder niedriger qualifizierte Angestellte bearbeitet werden, während nur die wirklich schwierig zu lösenden Probleme an den höher bezahlten Experten weitergeleitet werden. Kranke können dazu aufgefordert werden, ein Call Center anzurufen, in dem Krankenschwestern arbeiten, bevor sie einen Termin beim Arzt machen. Das sieht beispielsweise das "NHS [National Health Service] Direct"-Programm in Großbritannien vor.
Im Allgemeinen kann festgehalten werden, dass die Zahl der Berufe, die standardisierte, typisch computerbezogene Fähigkeiten voraussetzen, schnell steigt, ob das nun an Hand der Anzahl der Menschen gemessen wird, deren Arbeit sich auf die Anwendung dieser Fähigkeiten beschränkt, oder durch ihren Anteil an der Arbeitszeit von Kräften, deren Berufe weitere Qualifikationen erfordern. Diese Entwicklung hat merkwürdige und widersprüchliche Konsequenzen. Die Tatsache, dass die Computerqualifikationen inzwischen typisch sind, erleichtert den Wechsel des Arbeitsplatzes, des Unternehmens und der Branche, in der man arbeitet. Durch dieselbe Entwicklung jedoch wird jeder einzelne Arbeiter entbehrlicher und leichter austauschbar; die neuen Möglichkeiten gehen also mit neuen Gefahren einher. Die Kombination dieser neuen beruflichen Mobilität mit der immensen Erweiterung der Menge potentieller Arbeitskräfte hat zur Folge, dass sich stabile Gruppenidentitäten auf der Grundlage gemeinsamer Fähigkeiten wesentlich schwieriger herausbilden. Versuche, Gruppen mit spezifischen Fähigkeiten abzuschirmen, werden durch die Geschwindigkeit der Veränderung durchkreuzt. Jede Investition von Zeit und Energie in das Erlernen der Handhabung einer neuen Software kann sich, wenn ein das alte ersetzendes Produkt auf den Markt gebracht wird, innerhalb von ein paar Monaten als Verschwendung herausstellen. Bestehende Hierarchien werden in Frage gestellt, während gleichzeitig neue Spaltungslinien entstehen. Im Hauptbüro bringt das E-Mailen niedriger und höher gestellte Mitglieder der Belegschaft in direkten Kontakt, wobei das mittlere Management außen vor gelassen wird. Eine seltsame Kameraderie zwischen Kollegen mit unterschiedlicher Stellung entsteht, da der eine dem anderen zeigt, wie man einen Virus löscht oder wie man ein Attachment entpackt. Gleichzeitig kann eine unüberbrückbare Distanz zwischen den Angestellten im Hauptbüro und ihren Mitarbeitern in anderorts gelegenen Call-Centers oder Datenverarbeitungsabteilungen entstehen.
Wenn das Einzige, was mit Sicherheit vorausgesagt werden kann, weitere Veränderung ist, wird es schwierig, Aussage über verallgemeinerbare Trends in der Berufswelt zu machen: Während manche Arbeitsprozesse taylorisiert und entqualifiziert werden, werden andere komplexer und erfordern eine Vielzahl an Qualifikationen; während manche Gruppen ausgeschlossen werden, eröffnen sich für andere neue Möglichkeiten. Eine interessante empirische Studie von Marie Lavoie und Pierre Therrien hat die Beziehung zwischen Computerisierung und Beschäftigungsstruktur untersucht. Im Anschluss an Wolff und Baumol unterscheiden sie folgende Kategorien von Berufen: "Wissensarbeiter", "Management", "Datenarbeiter", "Dienstleitungsarbeiter" und "güterproduzierende Arbeiter". Sie haben auf dieser Grundlage festgestellt, dass diejenige Kategorie von Arbeitern, die sich durch die Computerisierung am stärksten vermehrt hat, nicht, wie es in der Alltagsmythologie behauptet wird, die der Wissensarbeiter ist, sondern die der Datenarbeiter, also diejenigen, die >die von den Wissensarbeitern entwickelten Informationen bearbeiten und anwenden
Die offiziellen Statistiken enthalten keine Kategorien mit Bezeichnungen wie "Websitedesigner", "Call Center Agent" oder irgend eines anderen neuen, im Entstehen begriffenen Berufs, obwohl diese Berufsbezeichnungen in Stellenangeboten auftauchen und auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar sind. Die Frage ist, wie lange sie relevant bleiben und ob sie eine Grundlage für neue Gruppenidentitäten abgeben. Oder werden sich die Arbeiter an Hand anderer Variablen gruppieren, zum Beispiel an Hand des gemeinsamen Arbeitgebers oder des Ort ihrer Arbeit? Die Antwort auf diese Frage ist zentral für Bestimmung der Unabhängigkeit neuer Klassenidentitäten von geographischen Faktoren und des Potenzials, sich transnational zu organisieren.
Einen dritten Zugang zur Charakterisierung der Büroarbeiter gewährt die Analyse ihres Verhältnisses zu den Produktionsmitteln. Grob und in der Sprache des klassischen Marxismus gesprochen: Wenn die Arbeiter Produktionsmittel besitzen, gehören sie zur Bourgeoisie; wenn ein Besitzer von Produktionsmitteln sie für Lohn beschäftigt (und sie daher zur Erwirtschaftung von Mehrwert beitragen), zählen sie zum Proletariat. Selbständige Arbeiter und Besitzer kleiner Firmen gehören in diesem Schema zum Kleinbürgertum, das im Verlauf der Kämpfe zwischen Kapital und Arbeit aufgerieben wird, so dass die meisten von ihnen ins Proletariat absinken, während wenige Glückliche selbst zu Kapitalisten werden.
Aber dieses Modell lässt sich immer schwerer auf Büroarbeiter anwenden. Zum einen will sich die Tendenz der Selbständigkeit zum Aussterben nicht recht realisieren. Wenngleich nicht in dem Maß ausgeweitet wie es die Neoliberalen der 1980er Jahre gehofft hatten, ist der Anteil der Selbständigen an der Erwerbsbevölkerung einigermaßen konstant geblieben, zumindest in den entwickelten Ländern. In der EU z.B. hat er sich in den zwei Dekaden zwischen 1975 und 1996 auf kaum schwankenden 15% gehalten (Angabe nach Eurostat). Freilich deckt diese große statistische Kategorie eine Vielfalt von Klassenlagen ab. Auf der einen Seite stehen die klassischen Selbständigen mit einigen Angestellten, die man vielleicht am ehesten mit dem alten Kleinbürgertum vergleich kann; dann folgen die genuinen Freelancers und schließlich, am anderen Ende, Arbeiter, deren Selbständigenstatus einem gespannten Arbeitsmarkt geschuldet ist und die nicht die Verhandlungsmacht haben, einen ordentlichen Arbeitsvertrag zu bekommen, selbst wenn sie faktisch nur für einen einzigen Arbeitgeber tätig sind. Daten aus Großbritannien sprechen dafür, dass sich diese interne Zusammensetzung verschoben hat. Während eine Studie aus den frühen 90ern herausgebracht hat, dass der Anteil der Selbständigen mit Angestellten zwischen 1981 und 1991 von 39 auf 31% gefallen ist (Campbell/Daley 1992), stellte eine andere fest, dass neue Selbständige inzwischen häufiger Frauen, jung und mit bescheidenen Servicearbeiten beschäftigt sind (Meager/Moralee 1996). Die Analyse der britischen Haushaltsstatistik zeigte, dass Selbständige dreimal größere Chancen haben als Angestellte, in der niedrigsten Verdienstkategorie ihrer Sparte zu landen. Und selbst wenn man die tendenziell zu niedrigen Einkommensangaben der Selbständigen in Betracht zog, waren die Chancen immer noch zweimal so hoch (ebd.).
Selbständigkeit muss freilich nicht von Dauer sein; eine weitere Arbeit von Meager und Moralee (1996), die sich auf Eurostat-Daten stützt, verzeichnet eine hohe Fluktuation. Das erschwert es, die Quote der Selbständigen zur Analyse von Klassenverhältnissen zu nutzen -- für viele mag sie einfach eine Durchlaufstation zwischen zwei anderen Jobs darstellen. Eine weitere Schwierigkeit dabei, Selbständigkeit als eigene Kategorie zu nutzen, resultiert aus der Neigung vieler Arbeitgeber, ihre Beschäftigten als Scheinselbständige zu behandeln. Ergebnisorientiertes Management und leistungsorientierte Bezahlung ohne feste Arbeitszeiten produzieren zusammen mit verstärktem Arbeitsaufkommen und der Furcht, überflüssig zu werden, eine Situation, in der der Druck des Aufsehers internalisiert ist. Die Geschwindigkeit der Arbeit wird daher eher durch innere Zwänge bestimmt als durch die Autorität des Chefs. Näher am Akkordlohn als am Zeitlohn der Fabrikarbeit, tendiert dieses Beschäftigungssystem dazu, die Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten zu verwischen, besonders dann, wenn auch noch ihre räumliche Trennung hinzukommt. Einer von zwanzig britischen Berufstätigen und ein etwas größerer Anteil in Nordamerika, Skandinavien und den Niederlanden (allerdings ein geringerer in den anderen europäischen Ländern) arbeitet inzwischen mindestens einen Tag in der Woche zuhause und nutzt den vernetzten Computer, um seine Ergebnisse abzuliefern. Beinahe die Hälfte dieser Arbeiter sind selbständig. Da viele von ihnen ihren eigenen Computer nutzen, liegt es nahe, sie mit den Baumwollwebern im Verlagswesen der Frühmoderne zu vergleichen -- aber kann man Computer wirklich als Produktionsmittel begreifen? Ein Webstuhl kann unabhängig von anderen genutzt werden, während der Computer an einem Netzwerk hängt, das nicht dem Arbeiter gehört.
Dieser strittige Punkt kann hier nicht weiter untersucht werden. Er steht jedoch in interessanter Beziehung zu einem anderen hartnäckigen Problem. Zumindest in einer hochgradig warenförmigen Ökonomie ist es sinnvoll, das Verhältnis der Individuen zum Kapital (und damit ihre Klassenlage) nicht allein durch ihre Stellung zu den Produktionsmitteln, sondern auch durch die zu den >KonsumtionsmittelnReproduktionsmittelnDer unaufhaltsame Prozess der Inwertsetzung hat u.a. zum Niedergang der traditionellen Dienstbotenindustrie und ihrer Ersetzung durch Konsumgüter geführt. Um sich selbst und ihre Familie zu versorgen, ordentlich zur Arbeit zu kommen und auch sonst zu funktionieren, sind Arbeiter mehr und mehr darauf angewiesen, in solche Güter von der Waschmaschine bis zum Auto zu investieren. Zudem besteht in den angelsächsischen Ländern ihre einzige Chance auf erträgliche Wohnverhältnisse darin, sich ein Eigenheim zu kaufen. Die Notwendigkeit, all diese Güter zu bezahlen, schließt sie noch fester ins Marktsystem ein. Wie Andrew Carnegie schon vor mehr als hundert Jahren schlau bemerkte, ist Wohneigentum der Arbeiterklasse der beste Schutz gegen Streik und Aufruhr. Es ist daher zumindest vertretbar anzunehmen, dass das Maß, in dem sie diese Dinge erworben haben, die subjektive Sicht der Arbeiter auf ihre Klassenlage verändert. Ob es einen objektiven Unterschied ausmacht, ist eine Frage für weitere Untersuchungen. Es mag eine Analogie zwischen der Beziehung zu den Produktionsmitteln und der zu den "Reproduktionsmitteln" bestehen, der gemäß der Heimeigentümer eine analoge Position zum unabhängigen Handwerker oder zum Einmannbetrieb hat. Die Analogie lässt sich fortspinnen: Die Arbeitsteilung in der Reproduktionsarbeit muss sich nicht auf die Haushalte selbst beschränken. Sie können Wäscherinnen, Babysitter und andere Bedienstete einstellen und so mit einem kleinen Arbeitgeber in der Produktion vergleichbar werden. Diese Überlegung ist insbesondere für Informationsarbeiter in Entwicklungs- oder neu industrialisierten Ländern wichtig, wo die Beschäftigung von Dienstboten noch sehr üblich ist. In Hongkong etwa beschäftigen Facharbeiter (wie etwa Automechaniker) und schlecht bezahlte (etwa in Call Centern tätige) Büroarbeiter, die in Billigunterkünften wohnen, gewöhnlich eine bei ihnen untergebrachte "Haushaltshilfe". >Auch Arbeiterfamilien, die sich keine Helfer leisten können, stellen sie ein und üben dann einen extremen Druck auf sie aus, Kosten zu senken, damit sie "bekommen, was ihr Geld wert ist". [...] Interessant ist, dass nach der Asienkrise die Regierung Hongkongs dadurch die Nöte der durchschnittlichen Familien linderte, dass sie die Löhne der Haushaltshilfen einfror!Die Verwendung nicht berufsbezogener Kriterien zur Bestimmung der Klassenlage von Arbeitern ist meines Wissens nach nicht erprobt. Sie wäre allerdings gerade im Fall der Heimarbeiter sehr interessant, da diese einen großen Teil der Produktionsmittel stellen, für die gewöhnlich der Arbeitgeber sorgt: Arbeitsraum, Lagerraum, Beleuchtung, Heizung, Versicherung, Vorbereitungs- und Aufräumzeit, Überwachung (sowohl in der Form von Selbstkontrolle als auch im Ausfüllen von Arbeitsberichten etc.). Der Computer spielt dabei eine besonders ambivalente Rolle, da er gleichzeitig der Produktion und der Reproduktion dient, ebenso für den Einkauf und die Schulaufgaben der Kinder wie für die Arbeit selbst genutzt wird.
Informations- und Kommunikationstechnologien verwischen die Grenzen zwischen Produktion und Konsumtion weiter, indem sie eine bewegliche Kontaktfläche zwischen Dienstleistern und Dienstempfängern herstellen. Die Buchung eines Fluges z.B. kann entweder per Telefon an den Angestellten eines Call-Centers aufgegeben werden, oder man kann die fraglichen Daten direkt auf der Website des Anbieters eingeben, so dass die Erfassungsarbeit sowohl bezahlt wie unbezahlt erfolgen kann. Es ist daher schwer, eine Diskussion der Arbeitsteilung im bezahlten Sektor von derjenigen über die Arbeitsteilung zwischen "Produktions-" und "Reproduktionsbereich" abzukoppeln, eine Diskussion, die (geschlechtsspezifisch aufgeladen) auf das allgemeinere Thema der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit überhaupt führt -- der vierte Punkt unserer Liste, viel zu komplex, um hier auch nur in Umrissen behandelt zu werden.
Unsere fünfte Kategorie war die schlicht empirische des relativen Einkommens. Sie hat allerdings denjenigen, die die Gesellschaft als eine saubere hierarchische Pyramide abbilden wollen, seit Jahrhunderten Probleme bereitet. Der arme, aber kultivierte Büroangestellte, der weniger verdient als der ungehobelte Seemann, wandert durch die Romane des 19. Jahrhunderts von Dickens bis Gissing und hat auch im zwanzigsten seine Auftritte, etwa in Forsters HowardÂ’s End. Die Differenz zwischen Status und Einkommen wird in den meisten Schichtungsschemata berücksichtigt, selbst in den empiristischsten und untheoretischsten. Sie schlägt sich z.B. in den Kategorien des Generalregisters nieder, das die Grundlage der Klassenanalyse in den offiziellen britischen Statistiken bildet. Ein älterer leitender Angestellter des Registers argumentierte 1928 gegen eine Klassifizierung anhand des Einkommens, weil >jedes Schema sozialer Klassifikation der Kultur Rechnung tragen sollte, [... wie sie] durch eine berufsorientierte Einordnung in gesunder Weise hervorgehoben wirdallgemeine Rang innerhalb der Gemeinschaft der betreffenden BerufeRosemary Crompton und Gareth Jones (1984) halten fest, dass von 1918 bis 1936 zwischen den Einkommen männlicher Büroarbeiter und Facharbeiter Parität herrschte. Während der nächsten vier Jahrzehnte fiel das relative Einkommen der ersteren, so dass sie schließlich um 1978 im Schnitt weniger verdienten als der Durchschnitt aller manuellen Arbeiter; sogar halbgelernte Arbeiter bekamen zumeist mehr. Die Einkünfte der weiblichen Büroangestellten waren selbstverständlich noch niedriger: Sie stiegen von 42% des männlichen Durchschnittseinkommens (1913) über 57% in den Mitt-50ern auf 74% gegen Ende der 70er, zum Ende der 1990er waren dann EU-weit 80% erreicht. Die Kaufkraft der Büroarbeiter liegt also deutlich unter der der manuellen Arbeiter.
Da inzwischen einiges an informationsprozessierender Arbeit zwischen den Ländern hin- und hergeschoben werden kann, ist es zudem auch notwendig, auf internationale Einkommensrelationen zu achten. Solche Vergleiche sind aufgrund der Differenzen in den jeweiligen Steuer- und Vergünstigungssystemen schwer anzustellen; die Kalkulationen der Firmen, die über die Verteilung ihrer Funktionen entscheiden müssen, bieten jedoch Schätzungen der "totalen Arbeitskosten". Und hier bestehen selbstverständlich große Unterschiede. Nach Zahlen des UNCTAD beliefen sich 1994 die durchschnittlichen Kosten für einen Softwareprogrammierer in Indien auf 3975 US-Dollars, verglichen mit 14000 in Malaysia, 34615 in Hong Kong, 31247 in Großbritannien, 45552 in Frankreich, 46600 in den USA und 54075 in Deutschland (vgl. für die Daten Mitter/Efendioglu 1997). Solche Differenzen können allerdings flüchtig sein. Eben der Erfolg der Softwareindustrie in Bangalore hat dort zu einer Inflation der Löhne geführt, die nun wesentlich höher liegen als im restlichen Indien oder auch in Russland, wo inzwischen von Indien aus über Subunternehmer routinemäßige Softwarearbeiten eingekauft werden. Die transnationalen Konzerne >haben die Einkommensstruktur der indischen Berufswelt verwandelt. Sie können Indern von Ende zwanzig Einkommen bieten, die man in Indiens öffentlichen Unternehmen noch nicht einmal kurz vor dem Ruhestand erreicht.Möglicherweise signalisieren derartige Entwicklungen die weltweite Konvergenz der Löhne von IT-Arbeitern mit genau definierten Fähigkeiten, die ortsunabhängig zur Anwendung kommen können. Eine solche Konvergenz (zu deren Substanziierung noch wesentlich mehr Datenmaterial gesammelt werden müsste), würde einen spürbaren Zuwachs in den Einkommen der IT-Arbeiter in Entwicklungsländern bedeuten, während die ihrer Kollegen in den hochentwickelten Ländern stagnieren (und ihre Reallöhne vielleicht sogar sinken) würden. Dass solche Zuwächse gleichmäßig in die lokalen Wirtschaften der Entwicklungsländer herabsickern würden, kann allerdings nicht sicher angenommen werden. Es mag auch zu neuen Polarisierungen zwischen den Inhabern entorteter Arbeiten und den geographisch fixierten Arbeitern kommen. Das Ausmaß, in dem entortete Arbeiten in einer bestimmten Region Fuß fassen, ist zudem von einer Reihe von Variablen abhängig. Wenn allein Arbeit unter Vertrag genommen wird, ist ihre Verankerung hochkontingent. In diesem Fall bleibt dem Arbeitgeber die Entscheidung überlassen, ob er die Jobs zu den Leuten oder die Leute zum Job transportieren will; das letztere ist in der Software-Industrie als Body-Shopping bekannt. Während der letzten beiden Jahrzehnte war es hier eine übliche Praxis, Flugzeugladungen von Programmierern von Indien nach London, Frankfurt oder Los Angeles zu schaffen. In den 1980ern und frühen 1990ern waren sie dabei typischerweise durch Subunternehmer beschäftigt. 1992 wurde der Export von Software aus Indien liberalisiert, mit der Folge, dass in Bangalore (später auch in anderen Zentren wie Hyderabad, Poona und Chennai) eine große Software-Exportindustrie entstand. Nichtsdestotrotz können die Unternehmer weiterhin wählen, und sowohl die USA als auch die meisten europäischen Staaten haben in den letzten Jahren ihre Einwanderungsverfahren gelockert, indem sie Green Cards für Softwarearbeiter vorsehen. Wo es einen globalen Markt für bestimmte Fähigkeiten gibt, wird mithin die Entscheidung des Unternehmens durch diejenige des Arbeiters gespiegelt, auszuwandern oder in seinem Land zu bleiben.
Nicht alle entortete Arbeit beinhaltet Programmierfähigkeiten. In vielen Entwicklungsländern haben auch die untergeordneten Bürotätigkeiten zugenommen, etwa die der Datenerfassung und der Call-Center-Arbeit. Die Einkünfte sehen hier im Vergleich zur gut organisierten Industriearbeit oft unvorteilhaft aus. Sujata Gotoshkar beschreibt, dass >im indischen Kontext das Lohnniveau junger Call-Center-Arbeiter weit unter dem von Blue-Collar-Arbeitern in den mittleren Jahren liegterfahrene indische Umschreiber etwa achtmal billiger als der US-amerikanischeDiese Unterschiede haben Konsequenzen für die Weise, in der Arbeiter ihre Interessen identifizieren und ihre Möglichkeiten einschätzen, mit denen gemeinsame Sache zu machen, die in anderen Ländern dieselbe Tätigkeit verrichten. Ein weiterer komplizierender Sachverhalt besteht darin, dass Arbeiter, die von Firmen aus anderen Nationen beschäftigt werden, ihre Ausbeutung weniger als kapitalistische denn als koloniale begreifen (vgl. Lloyd 1982). Anstatt eine Verbindung ihres Interesses mit den Arbeitern zu sehen, die von denselben transnationalen Konzernen beschäftigt werden, können sie es als nationales definieren und sich mit den einheimischen Kapitalisten gegen die imperialistischen Fremdlinge zusammenschließen. Verstärkt wird eine solche Wahrnehmung, wann immer sie rassistischen Haltungen bei den Arbeitern der entwickelten Welt begegnen. Wir müssen daher schließen, dass trotz des großen Potenzials für die Entstehung eines gemeinsamen Klassenbewusstseins der Informationsarbeiter, die gleiche Tätigkeiten, gleiche Arbeitgeber und ein gleiches Verhältnis zum Kapital haben, machtvolle Gegenkräfte bestehen, die diesen Prozess vermutlich aufhalten können; die wichtigste darunter ist vielleicht der Rassismus.
Es gibt beachtliche Beispiele für die erfolgreiche Organisierung von "E-Arbeitern" bestimmter Länder, etwa den Streik der Call-Center-Arbeiter bei der britischen Telekom oder die Bildung von Gewerkschaften für Datenerfasser auf den Karibischen Inseln (vgl. Pearson 1991) und in Brasilien (Soares 1991). Es finden sich auch einige Belege dafür, dass Konzerne bei ihrer Standortwahl bewusst Regionen meiden, in denen eine Organisierung wahrscheinlich ist. In ihrer Studie über das indische Zentrum für medizinische Transkription berichtet Sinclair Jones (1990):
#z#Mein Informant merkte an, dass sie zuvor eine Ansiedlung in Kerala erwogen hatten, weil dort die Alphabetisierungsrate besonders hoch ist. Allerdings besteht in Kerala auch ein hohes Niveau von Organisation unter den Fabrikarbeitern, und die Firma ging das Risiko nicht ein. Diese Sorte Dienstleistung ist durch Unterbrechungen extrem verwundbar [...], und das Konzernmanagement bemüht sich aktiv, sich keinen Versuchen zur Organisation der Beschäftigten auszusetzen.#zz#
Trotzdem sind Versuche einer grenzüberschreitenden Organisation rar. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist das Abkommen über Call-Center-Arbeit, das zwischen der Air Canada und der kanadischen Autogewerkschaft sowie ihren Tochtergewerkschaften in den USA und Großbritannien geschlossen wurde. Allgemein finden sich Anzeichen gemeinsamen Widerstandes unter solchen Arbeitern in sporadischerer und anarchischerer Form, etwa in der von Computerviren und anderer Sabotage.
Ein Faktor, der die Bereitschaft der Arbeiter zur Organisation vergrößern wird, besteht darin, dass dies mit deutlicher Wahrscheinlichkeit in ihrem besten ökonomischen Interesse liegt. Wenn niedere Büroarbeiten die unterste Stufe einer Leiter darstellen, die man am besten erklimmt, indem man sich auf der rechten Seite des Chefs hält, wird der sicherste Weg zum Erfolg in harter Arbeit, einer sauberen Weste und Speichelleckerei bestehen. Wenn sich andererseits keine Aufstiegsperspektiven zeigen, weil die nächste Etage auf der anderen Seite des Globus liegt oder nur Männer, Weiße oder Angehörige einer bestimmten Nation oder Kaste befördert werden, könnte die beste Methode zur Einkommensaufbesserung darin bestehen, sich mit anderen Arbeitern zusammenzuschließen. Wieder sehen wir, dass Geschlecht und Rasse eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung von Klassenidentitäten spielen.
Dass ein neues Kybertariat im Entstehen begriffen ist, liegt auf der Hand. Eine andere Frage ist, ob es sich auch als solches verstehen wird.
Aus dem Englischen von Alexander Gallas und Tilman Reitz
#u#Literatur
Braverman, Harry, 1974: Labor and Monopoly Capital: The Degradation of Work in the Twentieth Century, New York
Campbell, M., und M. Daley 1992: >Self-Employment: into the 1990sRelocation of Information Processing Work: Implications for Trade between Asia and the European UnionFirst you see it, Now you donÂ’t: Home Based Telework in the Global Context