„Ist es ethisch vertretbar, etwas ‚Interessantes‘ über ein Massaker zu schreiben, während das Massaker noch immer weitergeht?“ Das frage ich mich immer wieder. „Ist das nicht eine Form, in der die Toten ausgebeutet werden, um aus den verwesenden Leichen Literatur zu schöpfen?“ Ich beginne, über Levi-Straussʼ Analyse des Tricksters und des Aasfressers als Vermittler zwischen Leben und Tod nachzudenken (Die Sage von Asdiwal).
„In jedem Fall“, sage ich mir, „ob ethisch oder nicht, gibt es doch eine praktisch gesehen noch fundamentalere Frage. ‚Ist es möglich zu schreiben (punktum), während das Massaker noch immer weitergeht?‘“ Ich finde es zweifellos sehr schwierig, das zu tun.
Ich wurde ungefähr gleichzeitig von Julie Billaud (für Allegra) und von Fadi Bardwail (für Megaphone) gebeten, etwas über Gaza zu schreiben. Mein überwältigendes Gefühl war Trauer darüber, was geschieht und auch Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit. Ich brachte es einfach nicht über mich zu schreiben. Einige derselben Überlegungen, mit denen ich mich herumschlug, als ich „The Haunting Figure of the Useless Academic: Critical Thinking in Coronavirus Time“ (European Journal of Cultural Stuidies, Bd. 23. Nr. 4, 2020, https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1367549420926182, letzter Aufruf: 12.3.2024) schrieb, blockierten meinen Schreibhorizont. „Zeit des Massakers“ war sogar noch mehr geeignet als „Zeit des Coronavirus“, einem Intellektuellen das Gefühl zu geben, im Moment am allerwenigsten benötigt zu werden. Wer möchte intellektuellen Ergüssen lauschen, wenn Tote begraben werden?
Da war auch ein Gefühl er Vergeblichkeit, das sich einstellt, wenn man intellektuell ein déjà vu erlebt. Ich höre mir einige der Argumente an, die derzeit in Bezug auf das Massaker der Hamas an israelischen Zivilist:innen ausgetauscht werden. Viel davon ist zuvor in Bezug auf Selbstmordattentate vorgebacht worden. Was ist der Unterschied zwischen Terrorismus und Terrorist:innen? (Ich denke, der Angriff der Hamas war ein Akt des Terrorismus, aber ich glaube nicht, dass sie dies zu einer terroristischen Organisation macht. Terrorismus ist eine Form politischer Gewalt. Auch Israel setzt Terrorismus ein. Auch es wird dadurch nicht zu einer terroristischen Organisation). Worin besteht der Unterschied dazwischen, politische Gewalt zu verstehen und sie hinzunehmen? Ich habe einmal ein Wort zur Bezeichnung von Selbstmordattentaten geprägt: Exighophobie, die Angst vor sozio-historischer Erklärung. Davon ist jetzt eine Menge im Schwange. Würden logische Argumente unlogische Politik besiegen, so wären wir nicht da, wo wir uns jetzt befinden. Und ich spreche nicht allein über nahöstliche Politik, ich spreche über das Auftreten und immer neuerliche Auftreten extrem rechter Politik, von Rassismus, Sexismus, Homophobie usw.
Ich denke über vieles nach, aber nicht viel davon ist es wert, darüber zu schreiben. Von Zeit zu Zeit taucht etwas auf, das nicht Anlass gibt, dieselben Argumente bis zum Erbrechen zu wiederholen, und das löst dann neue Überlegungen aus. Ich habe ein Zoom-Gespräch mit meinem Freund Abbas E Zein (er ist in Australien, ich in Deutschland), und ich spreche darüber. Er macht eine interessante Bemerkung, und ich fand, es sei wert, darüber nachzudenken: Der Angriff von Hamas erinnert eher an die frühen Flugzeugentführungen durch die PLO. In dem Sinne, dass der Angriff als eine Form zu verstehen sei, die Existenz des palästinensischen Volkes und der palästinensischen Sache zur Geltung angesichts einer Realität (Befriedung zwischen den arabischen Regimen und Israel) zu bringen, die sich entwickelte, als ob sie und ihre Rechte und ihr Leiden nicht existierten. Aber weiter gehen die Ähnlichkeiten nicht. Die Raffinesse, mit der operiert wurde, die strategischen Absichten und das erschreckend andere Ausmaß und der Maßstab des Massakers an Zivilist:innen führt uns woanders hin. In der Tat, es hat uns woanders hin geführt. Und eine andere interessante Frage ist hier im Zusammenhang mit der Verstrickung der Hamas in die iranische Politik dies: Ist anti-kolonialer Widerstand in einem Zeitalter möglich, das mehr als jemals überdeterminiert scheint durch geopolitische Machtstrategien?
Ich höre, dass ein rechter britischer Journalist zu Piers Morgan sagt, dass „die Leute in Gaza nicht gerade peacenicks sind“. Es ist immer interessant wie manche Westler:innen es beklagen, dass die Kolonisierten für ihren verfeinerten Geschmack schlicht zu vulgär, gewaltsam und grob sind. Als ob Jahre über Jahre kolonialer Brutalität eine nette, liberale kosmopolitische Kultur hervorbringen sollten. Es gibt viele zwanzig-, dreißig- und vierzigjährige Palästinenser:innen, die in Gaza aufgewachsen sind und beständig von den Israelis bombardiert, eingesperrt und gedemütigt wurden, dabei eine Verwandte hier und einen Freund da verloren haben, eins ihrer Gliedmaßen hier und ein wenig von ihrer Seele da – alljährlich oder sogar jeden Monat. Ist es so schwer zu begreifen, warum es ihnen nicht gegeben war, die Opfer der Mordtaten der Hamas vom 7. Oktober zu betrauern?
Es gibt natürlich jene unter uns, die unbeschadet ihrer Gegnerschaft gegen das zionistische ethnonationale Projekt aus dem Komfort unserer sozialen und geographischen Orte und aufgrund unserer vielfältigen Bindungen in der Lage waren, die Opfer der Mordtaten der Hamas zu betrauern. Dennoch waren wir nicht in der Lage, diese Trauer mit der Art und Weise zu teilen, wie sie von den Israelis und ihren westlichen Verbündeten betrauert wurden. Denn als das Massaker der Israelis an Palästinenser:innen in seinem Ausmaß und in seiner rassistischen Entwertung der Getöteten schnell das Massaker der Hamas in den Schatten zu stellen begann, wurde deutlich, dass dies keine übliche Totentrauer war. Das war eine suprematistische Trauer; die Welt sollte es akzeptieren, dass die ermordeten Israelis etwas Besonderes waren, anders als Palästinernser:innen, die ständig ermordet werden. Sie waren höherwertige Tote, die in einer Weise gerächt werden mussten, die jede und jeden, aber besonders die Mörder:innen daran erinnert, wie wertvoll sie waren. Alles andere war „antisemitisch“.
Für jede und jeden, die etwas von Kolonialgeschichte verstehen, war es ganz klar, dass der Rachefeldzug Israels nach Gaza alle Kennzeichen der kolonialen Strafexpedition trug. In der Tat folgte er einem wohlbekannten Drehbuch, dessen Struktur in jedem kolonisierten Raum und von jeder Kolonialmacht ohne Ausnahme wiederholt worden ist. Die Kolonisierenden brechen ein, nehmen das Territorium in Beschlag, vertreiben die Eingeborenen von ihrem Grund und Boden sowie aus ihren Häusern und zerstören ihre Lebensgrundlagen und ihre Lebensweise. Kommen die Kolonisierten so weit, dass sie, wie Fanon es formuliert hat, „nicht atmen können“, so revoltieren sie, greifen einige der Kolonisierenden an und töten sie – manchmal auf wirklich furchtbare Weise. An diesem Punkt bringen die Kolonisierenden ihr Entsetzen zum Ausdruck, als gebe es für solch barbarisches mörderisches Verhalten keinen Grund. Sie machen „ihr Recht, sich zu verteidigen“ geltend und beginnen eine „Strafexpedition“. Die Strafexpedition bewegt sich immer außerhalb des Rechts, sie setzt die Sprache von Rechten ein, aber sie sucht nach Rache und zielt darauf ab, auf völlig illegale Weise so viele Eingeborene umzubringen wie möglich. Die Kolonisierenden setzen die fortgeschrittensten Tötungstechniken gegen eine weit unterlegene Militärmacht ein und gehen zu einem genozidalen Massaker mit dem Ziel über, den Eingeborenen eine Lektion zu erteilen, „die sie nie vergessen werden“. Das ist die Art, wie Kolonisierende immer ihre sehr besonderen Toten betrauert haben. Die USA, Frankreich und Großbritannien sind Experten in dieser Hinsicht. Sie haben alle angeblich ihren einstigen Kolonialismus gesühnt, aber sich gern der transnationalen Koalition angeschlossen, die diesen bestärkt. Die australische Kolonialgeschichte ist voll von diesen genozidalen Straf-Massakern. Aber aus irgendwelchen Gründen konnte die australische Regierung die Ähnlichkeit nicht erkennen, als sie ihre volle Unterstützung für Israels Recht erklärte, sich zu verteidigen. Man kann nachrechnen. Die deutsche Kolonialgeschichte in Afrika liefert bemerkenswerte Beispiele für solche genozidale Massaker. Aber auch die deutsche Regierung konnte sich an ihre Geschichte nicht erinnern. Sie setzen eine Gräueltat, die sie begangen haben, ein, um die Erinnerung an eine andere zu blockieren.
Ich denke all das, aber ich hatte es bis jetzt nicht in einen linearen Text gebracht. Ich schrieb das in Fragmenten. Ein Vortrag in Stockholm über Zerstörung. Ein paar posts in den sozialen Medien. Ich füge das in eben diesem Augenblick beim Schreiben neu zusammen.
Ich dachte über diese Unfähigkeit zu schreiben nach, als Fadi Bardawil wieder auf mich zukam, um zu sehen, ob ich es geschafft hatte, etwas für ihn zu schreiben. Er versteht die Schwierigkeit sicherlich. Wir reden nicht viel davon. Ich sage ihm, dass ich mich bemühe. Aber ich sage mir selbst, dass da über die „Schrecken des Massakers, den Unwillen, ein Aasfresser zu sein und all diese Dinge“ hinaus etwas war, was mich vom Schreiben abhielt. Ich bemerke, dass ich den Zeiten, als es während des libanesischen Bürgerkrieges intensive Gefechte gab, manchmal Schwierigkeiten hatte, Sätze abzuschließen. Bei diesem Krieg habe ich aber Probleme, sie zu beginnen. Jeder Satz, den wir anfangen zu schreiben, ist voller Hoffnung. In jedem Fall braucht es Zeit, einen Satz zu Ende zu bringen, und wenn wir das erste Wort aussprechen, hegen wir zum Allermindesten die Hoffnung, lange genug zu leben, ihn abschließen zu können. Sätze anzufangen, auch wenn man sie nicht beendet, ist ein Zeichen der Hoffnung, auch wenn der fehlende Abschluss bedeutet, dass diese Hoffnung mittwegs zunichte wurde. Aber sie nicht zu haben, um Sätze zu beginnen, ist ein Anzeichen für Depression.
Als ich mit Fadi gesprochen hatte, fiel mir mitten in der Nacht ein früherer Vorfall ein. Seit vielen Jahren habe ich mich damit abgefunden, dass es mir zwar selten schwerfällt einzuschlafen, dass ich aber unfähig bin, länger als vier bis fünf Stunden am Stück zu schlafen. Das bedeutet, dass ich gewöhnlich zwischen 2 und 3 Uhr nachts aufwache, und dann kann ich weder erneut einschlafen noch aufstehen und etwas tun. Also verbringe ich oft ein oder zwei Stunden, in denen ich nicht sicher bin, ob ich träume oder mich an Dinge erinnere. Und in dieser Situation fiel mir dieser Vorfall wieder ein. Ob Traum oder Erinnerung, ich fand, es war wichtig, dass es mir zu diesem Zeitpunkt einfiel.
Der Vorfall hatte mit etwas zu tun, dass sich in dem libanesischen Dorf Mehji ereignete. Das ist eines der Dörfer, wo ich vor zwanzig Jahren meine Feldforschung für mein Buch The Diasporic Condition of Mehji begann. Mehji ist nicht der richtige Name, aber so heißt es in meiner Ethnographie – und jetzt, wo ich mich erinnere, begleitete mich Fadi als junger Student damals in dieses Dorf, also kann das auch der Auslöser gewesen sein. Aber schon lange vorher war mir die Erinnerung an dieses Dorf lieb geworden. Anfang der 1970er Jahre hatte ein Schulfreund ein Haus im alten Stil, wo die Räume besonders gute Akustik hatten und er das Beste vom Besten an Tonsystemen aufgebaut hatte, und wo wir alles Mögliche tranken und alles Mögliche rauchten und alles Mögliche hörten (Frank Zappa, Mahavishnu, Teleman und Bartok waren die Top-Favoriten).
Nachdem ich nach Australien ausgewandert war, war jedes Mal, wenn ich wieder in den Libanon kam, die Rückkehr nach Mehji wie ein Ritual, zu dem das Wiedersehen mit Freunden, aber auch mit dem Raum gehörte. In meinem Fall war das bedeutsamer als die übliche Pilgerreise aus der Diaspora nach Hause. Das war so, weil ich mich damals im Übergang von der Übernahme einer unkritisch ererbten rechten, christlich-maronitischen politischen Orientierung zu einem linken Australier befand. Der Raum, der aus meinen alten Freunden (die hauptsächlich Maroniten waren) und dem dörflichen Haus bestand, gewann für mich eine besondere Bedeutung. Es war der einzige Platz, auf den ich mich seit meinen Teenager-Jahren bezog, wo ich ich selbst sein konnte, und wo ich meine sich ändernde Weltsicht nicht verstecken musste, wie dies bei meinen Verwandten und in der väterlichen Umgebung notwendig war.
Der fragliche Vorfall ereignete sich 1981. Ich war gerade wieder im Libanon angekommen und hörte mit meinen Freunden Musik und rauchte Haschisch, als ein paar Freunde unseres Freundes, den ich zuvor noch nicht getroffen hatte, hinzukamen. Zuerst war es ziemlich wie immer, endloses Reden über Musik, Austausch von Witzen und Anekdoten, aber bald ging das Gespräch auf Politik über, und einer der Neuankömmlinge begann in klassisch maronitischer Weise zu argumentieren: Die Palästinenser wollen den Libanon übernehmen und ihn als Ersatz für Palästina zu ihrem eigenen Land machen, und sie wollen „uns“ aus dem Libanon hinauswerfen.
Ich sage unwillkürlich. „Das ist einfach Blödsinn.“
Er reagierte, als hätte ich gerade die allerfundamentalste Wahrheit geleugnet, die Grundlage seiner Existenz, und wurde sehr schnell recht aggressiv: „Hau ab, ich weiß nicht, wer Du bist, aber hau ab. Wir müssen uns diesen Mist hier nicht anhören“, sagte er.
Ich fühlte mich durch seine anfängliche Aggressivität nicht eingeschüchtert. Ich redete weiter: „Also, das finde ich interessant. Was für Beweise Du hast, dass die Palästinenser den Libanon als Ersatz für Palästina wollen. Schau Dir ihre Schulbücher an, warum würden sie ihren Kindern noch immer beibringen, das Allerwichtigste auf der Welt sei es, nach Palästina zurückzukehren, wenn das, was Du sagst, stimmt?“ Er schaute mich angewidert an. Ich insistierte: „Hast Du irgendwelche Beweise außer, dass Du glaubst, das sei wahr?“
Als ich zu Ende war, stand der Typ auf und sagte in wirklich drohendem Ton: „Du willst Beweise. Ich gehe zu meinem Auto und hole meine Knarre. Ist das dann Beweis genug?“
Jetzt hatte ich Angst. Aber ich fasste so viel Mut, um zu sagen: „Lass mal. Ich mache nichts mit Knarren. Ich rede lieber einfach.“ Es war ein böses Erwachen: Das Leben in Australien als radikalisierter Student, der nächtelang über Marxismus, Imperialismus und Weltpolitik debattierte und stritt hatte mich eingelullt und zu der Annahme geführt, bei Politik gehe es um eine lange intellektuelle Debatte, schlimmstenfalls mit gegenseitigem Anschreien. An diesem Abend wurde mir an Ort und Stelle klar, dass ich einfach ein dummer australischer Student war. Das war ich nicht. Aber ganz ehrlich, ich war froh, dass ich das nicht war: ein Krieger. Denn wenn ich ein Krieger würde, würde das bedeuten, dass ich eines Tages mit den „interessanten Debatten“ aufhören und die Dinge mit Gewalt regeln müsste. Das war nichts, was ich jemals wollte.
Ich denke, der Grund, warum diese Geschichte mir mitten in der Nacht halb bewusst in den Sinn kam, besteht darin, dass mir seit dem Gaza-Krieg immer dringlicher als je klar wurde, dass ich mich in Bezug auf Israel/Palästina zunehmend in Situationen finde, wo die Kultur der Argumentation und Debatte, die ich bewohne, von einer kriegerischen Kultur des „Haltʼs Maul oder …“ infiltriert wird. Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe das Gefühl, dass dies zu meinen Schwierigkeiten beigetragen haben muss, über Gaza zu schreiben. Es ist nicht die Furcht, von oder in dieser Kultur drangsaliert zu werden – da habe ich eine allzu dicke Haut. Es ist vielmehr die Abscheu zu sehen, wie diese Kultur in meine intellektuelle Welt eindringt und sie übernimmt. Zwar droht niemand, mir ein Gewehr an den Kopf zu halten, doch in Europa und besonders in Deutschland mit seinem schuld-legitimierten „mitfühlenden Zionismus“ zu sein und dabei all den Tabus zu unterliegen, die mit dem Sprechen über Israel verbunden sind, vermittelt sehr stark das Gefühl dieses staatlich sanktionierten Eindringens einer Kultur, die den Einsatz von Gewaltdrohungen (Geldstrafen, Gefängnis, Entziehung von Forschungsgeldern) normalisiert, um komplexe intellektuelle Auseinandersetzungen zu beenden und dem kritischen Denken eine Grenze zu setzen: eine Kultur nach der Devise, „sag dies oder jenes und ich bring Dir die Polizei an den Hals“. Ich weiß, dass das woanders geschieht. Es geschah nicht in dem Libanon, in dem ich aufgewachsen bin, aber ich weiß, dass es jetzt geschieht. Man mag mich einen Dummkopf nennen, aber mir fällt es noch immer schwer zu glauben, dass dies wirklich in den USA und Westeuropa geschieht. Aber es tut es. Es geschieht noch nicht in Australien, aber es schleicht sich ein: z.B. Debatten über den Unterschied zwischen Anti-Semitismus und Anti-Zionismus – ein Unterschied mit einer langen Geschichte, auf den sehr kundige Leute Jahre der Forschung verwendet haben, um das zu verstehen, wird jetzt einfach für uns definiert – a priori von Regierungen und Universitätsverwaltungen.
Ich glaube, dass der Gaza-Krieg uns entschieden auf einem Weg vorantreibt, wo der „Krieger“ über den „Intellektuellen“ herrschen wird, eine Welt, die entschlossen ist, die Arbeit „kritischen Denkens“ zu entwerten und zu der ich als Wissenschaftler weniger und weniger gehören werde. Das ist es vielleicht, was es mir wirklich so schwer macht, zu schreiben. Aber ich habe geschrieben. Ich habe es doch geschafft, etwas Aasfresserei zu betreiben.
Übersetzung aus dem Englischen: Reinhart Kößler
Anschrift des Autors:
Ghassan Hage
ghage@unimelb.edu.au
https://doi.org/10.3224/peripherie.v44i2.02