Deutsche Staatsräson und die Verunmöglichung Palästinensischer Realität

Wer ist Terrorist?
Ich ein Terrorist?
Wie kann ich Terrorist sein, nur weil ich hier lebe?!
Wer ist Terrorist?
Du bist Terrorist!
Du hast alles gestohlen, was mal mein Land war,
Tötest mich, wie du meine Großeltern getötet hast.
Und du Terrorist nennst mich dann Terrorist?
DAM[1]

„Es ist ja nicht die deutsche Sprache […], die verrückt geworden ist“[2]

Palästina und Palästinenser:innen werden, Sanabel Abdelrahman folgend, nicht nur ignoriert und zum Schweigen gebracht, das eigentliche und endgültige Schweigen besteht darin, dass der wissenschaftliche Betrieb es nekrophil vorzieht, sich mit toten bzw. zum Schweigen gebrachten anstatt mit lebenden und atmenden Palästinenser:innen zu befassen (vgl. Abdelrahman 2021; 2022; 2023; 2024). Diese Präferenz ist weder abstrakt noch metaphorisch, wird doch die tödliche Gewalt, mit der Palästinenser:innen seit Jahrzehnten in Palästina konfrontiert sind, in Deutschland insofern normalisiert, als dass sie weitgehend als notwendige Selbstverteidigung Israels hingenommen wird. Auch der eingangs zitierte Track bezieht sich auf die Normalisierung von Tod, in der Palästinenser:innen, wenn sie nicht tot/schweigend sind, die Rolle von Terrorist:innen oder Opfern zugeschrieben wird, sie aber selten als politische Subjekte oder Menschen wahrgenommen werden, die auch dann ein Recht auf Leben haben, wenn sie nicht unschuldig sind.[3]

Vor Jahren habe ich mich dagegen entschieden, auf Deutsch über Palästina zu schreiben, um mich damit einer Debatte zu entziehen, in der ich mich als politisches Subjekt nur auflösen kann. Zu dem Entschluss kam ich in der ersten Woche meines Studiums der Politikwissenschaft. Jemand stellte mir die Frage, woher ich käme, und die Reaktion auf meine Antwort „Palästina“ war: „Nein, das darfst du nicht sagen. Das ist antisemitisch.“ Ich hatte den Eindruck, dass allein meine Existenz auf meine Kommiliton:innen zwar nicht unbedingt bedrohlich wirkte, aber auf irgendeine Weise an ihrem Selbstverständnis kratzte. Keine:r der anderen Studierenden widersprach, und so stand ich inmitten einer Gruppe von Menschen, die allein mein „Da‑sein“ als feindselig wahrzunehmen schienen. Benjamin Schütze (2024) schreibt, dass die bloße Existenz als Palästinenser:in in Deutschland kriminalisiert wird.[4] Es ist fast so, als ob Palästinenser:innen, die darauf bestehen, frei, aber nicht vogelfrei zu sein, den deutschen Staat und seine Existenzgrundlage behindern.

Warum sollte ich auf Deutsch über etwas schreiben, für das in Deutschland kein Raum ist, da es dem Selbstverständnis dieser Bundesrepublik, mit ihrem gebetsmühlenartig wiederholten, selbstreferenziellen Narrativ von Wiedergutmachung und Staatsräson diametral gegenübersteht? Ich habe darauf (noch) keine Antwort. Eine Kollegin rät mir, doch lieber nichts zu schreiben, weil die Atmosphäre in Deutschland gegenüber palästinensischen Stimmen im besten Fall unfreundlich sei. Kann es in diesem Kontext für lebende und atmende Palästinenser:innen und deren Realitäten eine Sprache geben? Es könnte eine Sprache geben, denn es ist, um von Hannah Arendt zu leihen, ja nicht die deutsche Sprache, die palästinensisches Leben unsichtbar macht oder zerstört. Nur weil der herrschende deutsche Diskurs keinen Raum lässt, heißt das nicht unbedingt, dass es den Versuch nicht wert ist, gegen die Barriere anzuschreiben, welche diese Leerstelle umgibt. Hierbei bin ich nicht allein. Es gibt viele palästinensische Perspektiven zu Palästina, und auch zu Deutschland. Doch bleibt von diesen wenig bis nichts übrig, nachdem sie durch die deutsche Staatsräson gefiltert wurden.

„Ich verstehe deinen Ärger“, schreibt ein Kollege, nachdem ich erklärte, warum ich das „Statement der Geistes‑ und Sozialwissenschaftler:innen“[5] vom 26. März 2024 zum andauernden Gaza Krieg[6] als feige, verspätet und ungenügend erachte. Der offene Brief kritisierte die deutsche Regierung für ihr ausbleibendes Handeln bzw. die aktive Unterstützung des israelischen Staates bei seinem Krieg in Gaza. Die Autor:innen behaupten, dass Deutschlands Handeln seinen eigenen Prinzipien widerspräche. Schwierig ist an dieser Sicht, dass die deutsche Außenpolitik aus der Staatsräson folgt und dieser eben nicht widerspricht. Hier wird eine angeblich mangelhafte Umsetzung von Prinzipien kritisiert, ohne das Fundament derselben in Frage stellen zu müssen.[7] Darüber hinaus kommen auch in dieser Erklärung Palästinenser:innen nicht als eigenständige politische Subjekte vor, womit ihnen eher die Rolle von Requisiten zukommt. Abgesehen von diesem Echo auf koloniale Einstellungsmuster, ist es für Wissenschaftler:innen ein intellektuelles Armutszeugnis, sich mehrheitlich erst Ende März 2024 öffentlich zu äußern, also nach fast einem halben Jahr Flächenbombardement in Gaza, Ausweitungen von Landnahme[8], Intensivierung der tödlichen Unterdrückung von Palästinenser:innen in der Westbank[9] und Einschüchterung von palästinensischen Staatsbürger:innen Israels.[10] Diese Kritik mag man harsch finden, mit Ärger hat sie jedoch wenig zu tun. Vielmehr kann schlicht konstatiert werden, dass diese Erklärung zuallererst der eigenen Selbstvergewisserung dient. Ständige Hinweise auf die deutsche Besonderheit bestätigen nur, dass es in deutschen Debatten zu Palästina und Israel zuallererst um Deutschland geht (Schütze 2024; vgl. auch: Marwecki 2020; 2024; Shohat 2024).

Im Folgenden wird zunächst Deutschlands Staatsräson und die mit ihr verbundene Identitätspolitik dargelegt, welche eine palästinensische Realität geradezu undenkbar zu machen versucht und macht. Exemplarisch für deren Hineinwirken in den Raum der Bildung wird kurz ein deutsch-israelischer Schulaustausch genauer beleuchtet. Mit Bezug zum Magischen Marxismus geht es anschließend um das Potenzial von Phantasie, Träumen und Vorstellungskraft für die Möglichkeit, sich Freiheit auszumalen, sie zu denken und zu realisieren.[11]Magischer Marxismus (Merrifield 2011) ist der Versuch einer Beschleunigung oder eines Herauslösens, eine Bewegung hin zu freischwebenden, transzendierenden politischen Visionen und radikalen Ideen – eine Art idealistisches Werkzeug, um die Grundlage für eine fortschrittlichere und gerechtere Realität zu schaffen. Wenn Marxismus als Theorie und Praxis zur Überwindung des Kapitalismus verstanden wird, knüpft Magischer Marxismus daran an, nimmt Träume und Fantasien als in der Realität verankert ernst, transzendiert diese aber. Es ist eine Strategie oder Möglichkeit, eine Zukunft zu imaginieren und herbei zu träumen, die über den tödlichen Alltag hinausgeht, also bereits ideell existiert. Magischer Marxismus kann ein Analysewerkzeug und eine Perspektive sein, um den Willen zum Leben nachzuvollziehen und zu verstehen.

Deutsche Staatsräson

Die deutsche Staatsräson bedeutet unbedingte Solidarität mit Israel.[12] Diese Staatsräson ist zunehmend gleichbedeutend mit dem Verleugnen palästinensischer Realitäten und politischer Existenz. Damit einher geht häufig die Annahme, Kritik an Israel sei gleichzusetzen mit einer „pro-palästinensischen“ Haltung, wobei nicht definiert wird was damit genau gemeint ist.[13] Allerdings ist Kritik an Israel nicht gleichzusetzen mit einer Haltung, die in irgendeiner Weise unterstützend für Palästinenser:innen ist. Dieser Text verweigert sich dieser Nullsummenlogik und Vereinnahmung. Vielmehr unternimmt er den Versuch, Palästina für sich stehen zu lassen. Dieser Versuch mag für manchen unangenehm sein, aber Wissenschaftler:innen und ihre Texte sollen, zumindest laut Edward Said (1994: 12), stets unbequem sein.

„Die Israelpolitik seit der Wiedervereinigung lässt sich mit dem Wort ‚Staatsräson‘ beschreiben“, schreibt Daniel Marwecki (2024: 143) in seiner ins Deutsche übertragenen Dissertation. Er argumentiert, dass sich damit aber die deutsche Debatte einem demokratischen Diskurs entziehe, da der Begriff Staatsräson eher mit dem Absolutismus verbunden sei.[14] „Staatsräson bedeutet nicht zuletzt, den israelisch-palästinensischen Konflikt durch die Brille des Holocaust zu betrachten.“ (ebd.: 157) Dies erleichtert für Deutschland die Solidarisierung mit Israel, das dann stellvertretend für das von Nazi-Deutschland größtenteils vernichtete europäische Judentum stehen muss, erschwert oder verunmöglicht jedoch, die Gründe für palästinensischen Widerstand (ob nun gewaltfrei oder gewaltsam, zivil oder bewaffnet) genauer nachzuvollziehen und beurteilen zu können, oder gar: zu wollen. Denn indem Deutschland die Existenz und Sicherheit Israels zur eigenen Staatsräson erklärt, stören die Palästinenser:innen mit ihrer bloßen Existenz als politische Subjekte nicht nur den israelischen Staat, sondern auch den deutschen Staat.[15] Palästina oder Palästinenser:innen werden also so weit möglich gar nicht erst erwähnt.[16]

„… human animals“

„…Verordnung einer vollständigen Belagerung von Gaza. Kein Strom, kein Essen, kein Wasser, kein Treibstoff. Alles wird dicht gemacht. Wir bekämpfen menschliche Tiere und werden entsprechend handeln.“ (Verteidigungsminister Yoav Gallant, 9 Oktober 2023)[17]

Die Bezeichnung von Palästinenser:innen als „human animals“ ist weder neu noch überraschend (vgl. Abdelrahman 2023; Tharoor 2015; Younes 2024). Genauso wenig, wie die deutsche Unterstützung für Israels Krieg Deutschlands Prinzipien widerspricht, genauso wenig weicht diese Aussage des israelischen Verteidigungsministers von israelischer Politik ab. Die Aussage hat vielmehr Wiedererkennungswert. 2004, während der zweiten palästinensischen Intifada, wurde der Israel-Austausch meines Gymnasiums beinahe aus Sicherheitsgründen abgesagt, fand dann aber statt. Voraussetzung für eine Teilnahme am Schüler:innenaustausch war der vorherige Besuch eines „Israel-Seminars“, das sich über ein ganzes Schuljahr zog. Der geschichtliche Teil dieses Seminars begann mit dem Alten Testament und endete 1948 mit der Staatsgründung Israels. Fragen danach, ob nicht die israelische Geschichte zumindest formal 1948, mit der Staatsgründung, beginne und was diese Geschichte seither beinhalte, wurden abgewiegelt. Tatsächlich wurde in diesem Seminar wenig über Politik oder historische Zusammenhänge im Nahen Osten gesprochen. Auf aktuelle Politik wurde höchstens als möglicher Grund für ein Absagen des Austauschprogrammes eingegangen. Vielmehr ging es überwiegend um die Shoah aus Täterperspektive und damit um die Geschichte und die Verbrechen der Deutschen. Welche Bedeutung eine postmigrantische Geschichte haben könnte, in der auch lebende Jüdinnen und Juden mitgedacht werden sowie Menschen, deren Eltern, Groß‑ oder Urgroßeltern 1933‑1945 nicht in Nazideutschland gelebt hatten, schien völlig unwichtig. So ging es in diesem Seminar auch in allererster Linie um deutsche Geschichte und die Wiedergutwerdung der Deutschen, mit israelischen Austauschschüler:innen als Statist:innen, die durch Ihren Besuch bestätigen, dass Deutschland es gut gemacht hat.

Als die israelische Delegation zu Gast war und wir das KZ Dachau besuchten, prägte sich mir vor allem die ausgelassene Stimmung vieler meiner Mitschüler:innen ein, eine Klassenfahrt wie jede andere. Als Reaktion auf Horror zu lachen, weil Worte fehlen, oder um die eigenen Gedanken zu sortieren, ist zwar verständlich (Al‑Taher 2023), wirkte hier aber dennoch wie eine Verweigerung, sich mit der Vernichtung emotional zu befassen, zumal der Besuch auch im Nachgang nicht weiter besprochen wurde. Bis heute ist die Erfahrung beim Besuch in Dachau eine der einprägsamsten meiner Schulzeit, der Besuch hat mich nie wieder losgelassen, das Ausmaß der Zerstörung nicht greifbar, Gutmachung eine Illusion. In Israel sollten wir mit den Austauschpartner:innen über unsere Zukunftsvorstellungen sprechen. Eine israelische Schülerin teilte mit, sie wolle gerne Pilotin werden, weil sie als Pilotin Bomben abwerfen könne, und damit „mehr dreckige palästinensische Tiere umbringen kann, als mit dem einzelnen Schuss eines Gewehrs“. Die Reaktion der deutschen Lehrerin war, dass ich dazu zu schweigen habe, denn als Teilnehmerin auf der deutschen Seite des Austausches hätte ich kein Recht, mich daran zu stören. Die Reise in Palästina war von Checkpoints geprägt, und von Mauern – materiellen und ideellen.

Magie und Vorstellungskraft … und sie flogen über die Zäune hinweg

Gleitschirme über dem Grenzzaun von Gaza. Ein Bulldozer durchbricht den Grenzzaun, der Gaza umgibt. Die Symbolkraft dieser Bilder ist enorm: Ausbruch, Rückkehr, Freiheit. Ein Bulldozer, sonst verantwortlich für die Zerstörung palästinensischer Dörfer und Häuser, reißt einen israelischen Grenzzaun ein. In diesem kurzen Moment wird eine Vorstellung möglich: Befreiung. Unabhängig davon, wie man strategisch, militärisch oder politisch zu der von verschiedenen Gruppen ausgeführten Operation steht, ist diese Möglichkeit für viele zumindest kurz realisiert und lebt im kollektiven Gedächtnis fort. Palästinenser:innen durchbrechen die Technologie, die sie zerstört.

Für die meisten Palästinenser:innen ist ein freies Palästina außerhalb der eigenen gelebten Realität. Wie es aussehen könnte oder sollte, ist Gegenstand zahlreicher politischer Kontroversen und privater Streitgespräche. Die Gräben zwischen den verschiedenen Fraktionen und deren Befreiungsstrategien laufen durch Familien und Freundeskreise. Vor diesem Hintergrund repräsentierten diese und andere Bilder für viele Palästinenser:innen einen erweiterten Horizont, der sprichwörtlich aufgebrochen wurde; in den man hineinfliegen oder gleiten kann, allen Begrenzungen zum Trotz. Gaza ist unter Militärembargo, umgeben von einem militärischen Grenzzaun. In der Westbank kann der Zugang der meisten Städte und Dörfer von beweglichen Checkpoints jederzeit abgesperrt werden. Palästinense:rinnen in der Diaspora, die meisten von ihnen Kinder und Enkel:innen von Geflüchteten, können nicht ohne weiteres nach Palästina. Die anfängliche Erleichterung über den durchbrochenen Zaun wich schnell, als man die Folgen realisierte. Momente, in denen die Realität der Unfreiheit kurz durchbrochen wird, werden simultan als befreiend und beängstigend wahrgenommen. Am durchbrochenen Grenzzaun zeigt sich, dass die Politik, Palästina aus dem Diskurs zu verbannen, gescheitert ist. Dieser Durchbruch umfasst mehr als nur ein Narrativ, mit entsprechenden Deutungen. Die Tatsache, dass der 7. Oktober nicht nur für Tod steht, sondern auch mit Freiheit verbunden ist, lässt sich nicht einfach ignorieren, auch wenn die deutsche Staatsräson eine solche Interpretation nicht zulassen kann.

Karl Marx erkannte die Vorstellungskraft als Ursprung von Produktion und Kreation oder Schöpfung:

„Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war.“ (Marx 1968 [1867]: 193).

Die Vorstellungskraft des Arbeiters oder der Arbeiterin ist Voraussetzung, um diese aktiv in die Realität zu übertragen. Magischer Marxismus folgt dieser Methodologie und Methode. Zwar wird die Kunst des Schaffens aus der Realität gespeist, diese wird aber im Prozess des Schaffens verwandelt. Somit hat die Imagination die Macht, über das Bestehende hinaus Realität zu erschaffen. Was im deutschen Diskurs nicht gesehen werden kann, und im Keim erstickt werden muss, ist die Möglichkeit, sich Freiheit auszumalen. Und deshalb ist das Gefährlichste für die bestehende Ordnung das Narrativ der Befreiung. Das Bild davon lässt sich allerdings nicht mehr ent-denken.

Literatur

Abdelrahman, Sanabel (2021): „samt al akademiyeen ama yahdoth fi falastin“. In: 7iber, https://www.7iber.com/politics-economics/صمت-الأكاديميين-عما-يحدث-في-فلسطين/, letzter Aufruf: 20.5.2024.

Abdelrahman, Sanabel (2022): „Occupying the Palestinian Dream“. In: NO NIIN Magazine, https://no-niin.com/issue-9/occupying-the-palestinian-dream/, letzter Aufruf: 25.5.2024.

Abdelrahman, Sanabel (2023): „Whose Humanities? Western Academiaʼs Persisting Complicity“. In: Kohllective, https://kohllective.com/Whose-Humanities-Western-Academia-s-Persisting-Complicity, letzter Aufruf: 27.7.2024.

Abdelrahman, Sanabel (2024): „The Urgency to Tell the Palestinian Story to the World and to Keep Reminding Palestinians of Their Own Story is Crystallizing at This Moment. – 5in10 with Sanabel Abdelrahmanʼ“. In: TRAFO – Blog for Transregional Research / Forum Transregionale Studien, https://doi.org/10.58079/vnhg, letzter Aufruf: 27.7.2024.

Achcar, Gilbert (2023): Israelʼs War on Gaza. London.

Al‑Taher, Hanna (2023): „Fragments of Liberation and Wayward Rhythms of a Reluctant Traveling Feminist“. In: Kohl: A Journal for Body and Gender Research, https://kohljournal.press/fragments-liberation, letzter Aufruf: 22.4.2024.

Al‑Taher, Hanna, & Anna-Esther Younes (2023): „Lebensraum, Geopolitics and Race – Palestine as a Feminist Issue in German-Speaking Academia“. In: Ethnography, (https://doi.org/10.1177/14661381231216845).

Barenboim, Michael (2024): „Resolution ‚Nie Wieder ist Jetzt‘: Einer Demokratie unwürdig“. In: Süddeutsche Zeitung, 11.8. 2024, https://www.sueddeutsche.de/kultur/michael-barenboim-resolution-antisemitismus-bundestag-lux.EjUq1rG9JX9s4EjXokwwvG, letzter Aufruf: 15.8.2024.

Bundeszentrale für politische Bildung (o.J.): „Staatsräson“. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321175/staatsraeson/, letzter Aufruf: 10.9.2024.

Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste (2023): Entstehung, Wandel und Entwicklung des Staatsräson-Begriffs in Deutschland. Ausarbeitung WED 1‑3000-024/23. https://www.bundestag.de/resource/blob/984994/b6599ace70df398d643cc9e584d29caf/WD-1-024-23-pdf.pdf, letzter Aufruf: 25.5.2024.

Doughan, Sultan (2024): „‚Free Palestine from German Guilt‘? Responsibilization, Citizenship, and Social Death“. In: Errant Journal, Nr. 6 Debt, S. 11‑20.

El Bulbeisi, Sarah (2020): Tabu, Trauma und Identität. Subjektkonstruktionen von PalästinenserInnen in Deutschland und der Schweiz, 1960‑2015. Bielefeld (https://doi.org/10.1515/9783839451366).

Leber, Sebastian (2024): „Die traurige Realität: Warum Gemäßigte Palästinenser in der Öffentlichkeit Schweigen – Hamas Angriff“. In: Tagesspiegel, https://www.youtube.com/watch?v=ihQnwmMBveU, letzter Aufruf: 25.5.2024.

Malm, Andreas (2024): „The Destruction of Palestine Is the Destruction of the Earth“. In: Verso Blog, https://www.versobooks.com/en-gb/blogs/news/the-destruction-of-palestine-is-the-destruction-of-the-earth, letzter Aufruf: 25.5.2024.

Marwecki, Daniel (2020): Germany and Israel: Whitewashing and Statebuilding. London.

Marwecki, Daniel (2024): Absolution?: Israel und die deutsche Staatsräson. Göttingen (https://doi.org/10.5771/9783835386464).

Marx, Karl (1968 [1867]): Das Kapital. 1. Band. (= MEW 23), Berlin (DDR).

Merrifield, Andy (2011): Magical Marxism: Subversive Politics and the Imagination. Marxism and Culture. London & New York, US‑NY.

Renner, Jens (2024): „Deutsche Staatsräson. Dringende Warnung vor einem ebenso vagen wie gefährlichen Kampfbegriff“. In: AK. Analyse und Kritik, Nr. 702, https://www.akweb.de/politik/deutsche-staatsraeson-israel-kriegstuechtigkeit-warnung-vor-einem-gefaehrlichen-begriff/, letzter Aufruf: 2.10.2024.

Said, Edward W. (1994): Representations of the Intellectual: The 1993 Reith Lectures. New York, US‑NY.

Schütze, Benjamin (2024): „Supporting Plausible Acts of Genocide: Red Lines and the Failure of German Middle Eastern Studies“. In: POMEPS – Project on Middle East Political Science. https://pomeps.org/supporting-plausible-acts-of-genocide-red-lines-and-the-failure-of-german-middle-eastern-studies, letzter Aufruf: 25.5.2024.

Shohat, Gil (2024): „Die Realität ist binational“. In: AK. Analyse und Kritik, Nr. 706, https://www.akweb.de/politik/israel-palaestina-gaza-die-israelisch-palaestinensische-linke-hat-keine-verbuendeten-aber-eine-grosse-staerke/ letzter Aufruf: 2.10.2024.

Tharoor, Ihsaan (2015): „Israelʼs New Justice Minister Considers All Palestinians to Be ‚The Enemy‘“. In: Washington Post, 7.5.2015, https://www.washingtonpost.com/news/worldviews/wp/2015/05/07/israels-new-justice-minister-considers-all-palestinians-to-be-the-enemy/, letzter Aufruf: 30.9.2024.

Younes, Anna (2024): „Regarding ‚Human Animals‘ and Settler Colonialism“. In: Identities Journal Blog, http://www.identitiesjournal.com/1/post/2024/02/regarding-human-animals-and-settler-colonialism.html, letzter Aufruf: 11.6.2024.

Younes, Anna, & Hanna Al‑Taher (2024): „Erasing Palestine in Germanyʼs Educational System: The Racial Frontiers of Liberal Freedom“. In: Middle East Critique, Bd. 3, Nr. 33, S. 397‑417 (https://doi.org/10.1080/19436149.2024.2383444).

Anschrift der Autorin:
Hanna Al‑Taher
hanna@altaher.ps

https://doi.org/10.3224/peripherie.v44i2.08


 


[1]       DAM ist eine palästinensische HipHop-Gruppe aus Lydd, gegründet 1999 von den Brüdern Tamer und Suheil Nafar und deren Freund Mahmoud Jreri. Der zitierte Track „Meen Irhabi?“ (deutsch: „Wer ist Terrorist?“) wurde 2001 während der zweiten palästinensischen Intifada (2000‑2005) veröffentlicht und ist bis heute der bekannteste und kontroverseste Track der Gruppe; eigene Übertragung aus dem Arabischen; Textabschnitt im Original (Transliteration): „meen irhabi? ana ihrabhi? keef irhabi w ana ayesh bibladi?! meen irhabi? enta irhabi! makelini w ana ayesh bibladi, matelni zay ma atalet jdadi w enta ya irhabi betnadini irhabi?“

[2]       Hannah Arendt, aus: Zur Person – Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus (1964): „Es ist ja nicht die deutsche Sprache gewesen, die verrückt geworden ist.“ https://www.zdf.de/uri/90ddf3f1-0c21-44e0-9ac6-4a873c248505, letzter Aufruf: 25.4.2024.

[3]       Andreas Malm (2024) schreibt in einem Verso-Blogpost: „Palästinensisches Leben zählt nicht in Palästina, es ist ganz und gar entbehrlich. Palästinenser:innen sind völlig wertlos. Diese Lehre ziehen wir, erneut, aus dem letzten halben Jahr […]. Zudem sind Palästinenser:innen und Palästinenser selbst schuld an ihrem Tod, wie seit dem Beginn des Genozids betont wird: das massenhafte Töten passierte, weil Palästinenser:innen ihre eigenen Geschosse in Krankenhäuser abfeuerten; weil sie die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde nutzen, weil sie ihre Waffen in, oder in der Nähe von, Schulen und Wohnhäusern platzieren; wegen dem was sie am 7. Oktober getan haben.“ Eigene Übertragung aus dem Englischen, Textabschnitt im Original: „In the land of Palestine, the lives of Palestinians do not count. They are completely expendable. They have no value, none at all. This is the lesson we have learnt, once again, in the past half year […]. And then the death of the Palestinians is also their own fault, highlighted with particular insistence when the genocide took off: the mass killing happened because the Palestinians send their own rockets crashing into hospitals; because they use their civilians as human shields; because they place their weapons in or next to or under schools and residential buildings; because of what they did on 7 October“.

S. ebenfalls beispielhaft den Kommentar von Sebastian Leber vom 14. Juli 2024 zu öffentlichen Debatten in Deutschland: „Hier kommt eine traurige Wahrheit, dass die Palästinenser und ihre Unterstützer in der Öffentlichkeit so schlecht dastehen, hat vor allem einen Grund – und der sind sie selbst!“

[4]       Vgl. Al‑Taher & Younes 2023; Younes & Al‑Taher 2024.

[5]       Statement Geistes‑ und Sozialwissenschaftler:innen aus oder in Deutschland „Deutschlands Reaktionen auf den Israel-Gaza Krieg entsprechen nicht seinen eigenen Prinzipien“, https://statementisraelgaza.wordpress.com/de/, letzter Aufruf: 20.5.2024.

[6]       Gaza (Stadt) steht im kollektiven Gedächtnis für eine Geschichte palästinensischer Selbstbestimmung und Widerstand: Hier wurde 1948 die Unabhängigkeit eines Palästinensischen Staates proklamiert. Seit 1948 führt Israel zahlreiche Kriege in Gaza. In den letzten zwanzig Jahren wurde Gaza vor allem in den Jahren 2014, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022 bombardiert. Für weitere Kontextualisierung der andauernden Bombardierung in Gaza, s. z.B. Achcar 2023.

[7]       S. auch Barenboim 2024.

[8]       Israel genehmigt Anfang Juli 2024 die größte Landnahme in der Westbank seit Ende der Osloer Prozesse (Palästinensische Gebiete werden zu israelischem Staatsland erklärt und dadurch unter anderem für den Siedlungsbau freigegeben): https://apnews.com/article/israel-palestinians-hamas-war-news-07-03-2024-033deab379a16efdf9989de8d6eaf0f8, letzter Aufruf: 15.7.2024.

[9]       Laut Medicins Sans Frontiers (MSF) war 2023 das tödlichste Jahr für Palästinenser:innen in der Westbank seit 2005, https://www.doctorswithoutborders.org/latest/palestinians-west-bank-2023-was-deadliest-year-record, letzter Aufruf 27.5.2024; MSF greift auf Daten des United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) zurück, Stand 14. Dezember 2023: Hostilities in the Gaza Strip and Israel Flash update #67: „With a total of 475 Palestinian fatalities, 2023 is the deadliest year for Palestinians in the West Bank since OCHA began recording casualties in 2005“, https://www.ochaopt.org/content/hostilities-gaza-strip-and-israel-flash-update-69, letzter Aufruf: 27.5.2024.

[10]      The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel, Detentions Report (Arabisch): https://www.adalah.org/uploads/uploads/ar_1311_detentions_report.pdf, letzter Aufruf: 2.6.2024; Jahresbericht 2023 (English): https://www.adalah.org/uploads/uploads/Annual_Report_2023.pdf, letzter Aufruf: 1.6.2024; s. auch Interview mit Gil Shohat (Leiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung Tel Aviv): „Die palästinensische Bevölkerung Israels erlebt seit dem 7. Oktober heftigste Repression. Die Verhaftungen und Folterungen sind nur die Spitze.“ (Shohat 2024)

[11]      Der Versuch, den 7. Oktober als Moment zu verstehen, der verschiedene und widersprüchliche Realitäten und Narrative umfasst, wurde im Vorfeld als ein „Feiern“ von Befreiung bei fehlender „Verurteilung“ von Massakern missverstanden. Auch dies könnte als Spiegel für die deutsche Staatsräson verstanden werden, in welchem das Bestehen auf einem palästinensischen Narrativ von Lebendigkeit stets mit dem Tod gleichgesetzt wird.

[12]      Deutscher Bundestag: https://www.bundestag.de/israel-solidaritaet, letzter Aufruf: 28.5.2024.

[13]      Eine Definition bleibt meist aus, die Formulierung ist diffus. Unabhängig davon geht es in diesem Text nicht darum, einen Staat zu befürworten oder abzulehnen, sondern darum, die Lebensrealitäten, Geschichte, und Politik von Palästinenser:innen in Palästina und in ihrer Diaspora wahrnehmen zu können.

[14]      Vgl. Renner (2024) zitiert das Universallexikon (München 1992): „Staatsräson, auf N. Machiavelli zurückgehende, im Absolutismus herrschende Lehre, dass dem staatlichen Interesse jedes andere unterzuordnen sei“, und führt aus, dass die Staatsräson in demokratischen Staaten „keine Rolle spiele“ (s. auch: Bundeszentrale für politische Bildung o.J.; Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste 2023).

[15]      Vgl. Bekenntnis zur Existenz Israels als Voraussetzung für die Einbürgerung in Deutschland; Erlass Sachsen-Anhalt im Wortlaut: „Das Existenzrecht des israelischen Staates ist deutsche Staatsräson. Die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit erfordert das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Einbürgerungsbewerber haben daher unmittelbar vor der Einbürgerung schriftlich zu bestätigen, dass sie das Existenzrecht Israels anerkennen und jegliche gegen die Existenz des Staates Israel gerichteten Bestrebungen verurteilen. Diese schriftliche Bestätigung ist zur Einbürgerungsakte zu nehmen.“ Das Dokument und der gesamte Wortlaut des Erlasses ist hier verfügbar: https://www.lto.de/fileadmin/files/artikel/2023/Dezember/Erlass_Einbuergerungen_Sachsen-Anhalt.pdf, letzter Aufruf: 2.6.2024.

[16]      Vgl. El Bulbeisi 2020; Doughan 2024.

[17]      „… imposing a complete siege on Gaza. No electricity, no food, no water, no fuel. Everything is closed. We are fighting human animals and will act accordingly“: Statement des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant, zitiert in Südafrikas Antrag beim Internationalen Gerichtshof. Original (Hebräisch) Armee Update vom 9. Oktober 2023: https://www.youtube.com/watch?v=1nxvS9VY-t0, letzter Aufruf: 25.5.2024. Übersetzung ins Englische von Emanual Fabian auf Times of Israel: https://www.timesofisrael.com/liveblog_entry/defense-minister-announces-complete-siege-of-gaza-no-power-food-or-fuel/, letzter Aufruf: 25.5.2024.