Hefteditorial iz3w 398 (September/Oktober 2023)
Zurzeit beschäftigen uns im iz3w zwei sehr unterschiedliche Krisen: die multiple weltweite Wirtschaftskrise, über die wir für das nächste Jahr ein Dossier planen. Zum Zweiten treibt uns die Krise der eigenen Zeitschrift iz3w um. Ihre Dimension ist deutlich überschaubarer. Sie ist verbunden mit der Krise, in der die aktuelle Publizistik steckt.
Nur symptomatisch: Die österreichische Zeitschrift lateinamerika anders hat ihre Printausgabe eingestellt. Die Webseite besteht fort. Ihren Leser*innen teilt sie drei Gründe mit: der Generationenwechsel in der Redaktion ist misslungen. Der »natürliche Abgang« von Abonnent*innen kann nicht mehr ausgeglichen werden. Zusammen mit der permanenten Unsicherheit der Medienförderung, den steigenden Produktionskosten (Papier, Druck) und immer höheren Ausgaben für Layout, Druck, Versand und Co. warf die Zeitschrift jetzt das Handtuch.
Die Zeitungslandschaft ist überall in der Krise. Ein Gutachten im Auftrag der Bundesregierung über die lokale Presse in Deutschland ergibt: Die Printauflagen sind in den letzten beiden Jahrzehnten stetig gesunken. Die Gesamtauflage der betreffenden Abonnementzeitungen fällt von 16,6 Millionen im Jahr 2000 auf 10 Millionen in 2021 ab. Ein Blick auf die Gesamtumsätze zeigt, dass Digitalprodukte den Rückgang bei weitem nicht ausgleichen. Laut einer Prognose der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers werden die gesamten Umsätze bis zum Jahr 2026 weiter deutlich zurückgehen. Es ist keine Krise von Printerzeugnissen, sondern eine der gesamten Publizistik.
Auch die linke Medienlandschaft bleibt nicht verschont. Die Tageszeitung nd schreibt: »Das nd steckt in einer Krise – in einer existenziell gefährdenden Krise.« Das Missy Magazine bittet in Fettschrift: »Um weiterhin über Themen kritisch zu berichten und um die Arbeit von Autor*innen, Fotograf*innen und Illustrator*innen angemessen zu bezahlen, brauchen wir deine finanzielle Unterstützung!« Die Wochenzeitung Jungle World fordert in einer Abokampagne: »Retten Sie uns den Arsch«. Und wo steht die iz3w?
Anders als den Kolleg*innen aus Österreich ist uns der Generationswechsel gelungen. Wir bekommen gute Rückmeldungen für unsere Arbeit. Wir sind Feuer und Flamme für die Zeitschriftenproduktion und stürzen uns täglich aufs Neue hinein. Unsere Gedanken sind immer bei der nächsten Ausgabe, dem nächsten Online-Feature oder der nächsten südnordfunk-Sendung. Darauf, dort hin zu schauen wo andere wegschauen. Etwas Anderes können wir uns gar nicht vorstellen.
Die iz3w-Buchhaltung macht die andere Rechnung auf: Die Produktionskosten steigen, die Abozahlen sinken, wir rutschen ins Minus. Zwar haben wir das vorausgesehen und uns mit einem neuen Webauftritt in den Onlinejournalismus begeben. Aber der Durchbruch ist das noch nicht: Wir ‚wechseln‘ von der Printpublizistik, die in der Krise steckt, in die Onlinepublizistik, die schon immer in der Krise war. So liegt unser Online-Gewinn, in schnöden Euro gerechnet, aktuell deutlich unter null. Das Internet ist genial, um Inhalte zu verbreiten. Aber es ist ein Abgrund, wenn man dort publizistisch die Existenz absichern muss.
Dabei arbeiten wir schon immer prekär: Mit wenig Lohn und unbezahlten Überstunden sowie Autor*innen, die ohne Entlohnung für uns schreiben. Dafür als Überzeugungstäter*innen im Kollektiv, ohne Verwertungszwang und immer gegen die falschen Verhältnisse. Wir haben eine eigensinnige Agenda dessen, was wir relevant finden und vertiefen … mit viel Fokus auf den Globalen Süden & kritisch gegen alle. Darauf verzichten? Niemals!
So sehr wir den digitalen Wandel lobpreisen: Die kapitalistische Vergesellschaftungsweise sorgt nicht gerade für dessen inhaltlich brillante Ausgestaltung. Beim Herumklicken merkt man, dass Qualität in einem Meer von Gratis-Junk untergeht … oder hinter der unüberwindbaren Bezahlschranke steht. Momentan droht ein Fundament aufklärerischer Debattenkultur wegzubrechen. Aufwändig konzipierte Storys fallen nicht vom Himmel.
Im iz3w haben wir einen Raum geschaffen, um diese Geschichten im Zeitschriftenformat regelmäßig zu entwickeln und zu erzählen. Jetzt müssen wir überlegen, wie wir das aufrechterhalten und online ausbauen können.
Wir sind der Überzeugung: Es lohnt sich, für diese konzeptuelle Arbeit zu kämpfen! Dafür sind wir auf deine Unterstützung und auf neue Leser*innen angewiesen: Falls noch nicht geschehen, abonniere die Zeitschrift (Print oder Digital oder gar als Förderabo), erzähle deinen Freund*innen von uns und rühre die Werbetrommel. Auf dass unser Freiburger Hinterhofbiotop nicht austrocknet! Kurzfristig müssen wir leider wie alle die Preise erhöhen, denn auch die globale Krise schlägt lokal zu. Wir verweisen dazu auf den beigelegten Flyer.
Wir stürzen uns derweil in die Arbeit für die nächste iz3w. Denn: Realitätsflucht hilft immer.
die redaktion