"I didn’t break any laws"

Über die Produktion von Un-/Glaubwürdigkeit

Auseinandersetzungen um sexuelle Grenzüberschreitungen erregten in den letzten Jahren große mediale Aufmerksamkeit, beispielhaft erwähnt seien hier der Fernsehwettermoderator Jörg Kachelmann, die Auseinandersetzungen um den FDP-Politiker Rainer Brüderle und der "Fall" Gina-Lisa Lohfink. In allen Beispielen spiegeln sich gesellschaftliche Machtverhältnisse, gemischt mit Fragen nach juristisch angemessener Würdigung und dem (un)verantwortlichen medialen Umgang. Louise Haitz und Lydia Kray unternahmen eine diskursanalytische Untersuchung des "Falls" Gina-Lisa Lohfink mit einem Seitenblick auf die Aktivitäten sogenannter "Pick-up-Artists".

Die Leser*in möge sich einen jungen Mann vorstellen, der in einer Geste empörter Selbstverteidigung die Hände hebt und obenstehenden Satz vorbringt. Dieser junge Mann entzieht sich der Adressierbarkeit gegenüber einem Menschen, der ihm sagen könnte: "Du hast mir weh getan. Du hast mich verletzt. Du hast mir Gewalt angetan." Die abwehrende Geste verweist zwar auf sein Erahnen der Möglichkeit seiner Schuld, die aber mit der Anrufung des Gesetzes als eigentliche Instanz des Urteils abgewiesen wird. Die Substitution des Urteils des Gegenübers durch das Urteil des Gerichtes, dessen Milde erhoffend selbstbewusst antizipiert wird, bringt zwei Individuen zum Verschwinden: Die Person, die den jungen Mann als Täter adressiert, verschwindet hinter dem Gesetz, dessen Urteil jenes der sprechenden, leidenden, klagenden Person ersetzt. Auch der Angeklagte verschwindet, der die persönliche Schuld in den Rahmen einer gesetzlichen Strafbarkeit stellt, die ihn entschuldigen könne. Der Angeklagte, der in unserem Text als Mann vergeschlechtlicht ist, spricht sich von einer individuellen Verantwortung frei, Strafbarkeit und persönliche Schuld treten auseinander. Wer vor dem Ausruf "I didn’t break any laws" noch als Individuum für seine Taten angreifbar schien, situiert sich nun im Rechtsraum. Als Mensch mit einem persönlichen Interesse daran, nicht nur im Rahmen von Gesetzen, sondern auch dem, was man Anstand oder Achtung nennen könnte, verantwortlich zu sein, hat sich dieses Subjekt aus dem Staub gemacht.

Wir betrachten "I didn’t break any laws" in diesem Aufsatz als eine Formel, in der eine Form der Entschuldigung zur Aussage geronnen ist, der wir in den folgenden zwei Beispielen nachgehen werden, um drei Beobachtungen darzulegen.

He said she said - eine hierarchische Konstellation

Das, was im Deutschen mit der Phrase "Es steht Aussage gegen Aussage" übersetzt wird, bekommt in der englischen Redewendung "He said, she said" eine vergeschlechtlichte Dimension. Vergeschlechtlichungen gehen mit Wertungen, kulturellen Symbolen und hierarchischen Ordnungen einher. Das, was im Deutschen so charmant neutral und juristisch-blind bleibt gegenüber den Subjekten, die hinter den Aussagen stehen, verwandelt sich in der englischen Fassung und benennt die beiden stellvertretenden Subjekte als Mann und Frau, die sich oft in der juristischen Auseinandersetzung finden, wenn es um sexualisierte Gewalt geht. Dabei sind diese beiden Subjekte nicht gleichwertig, ihre Aussagen bleiben an ihr Geschlecht gebunden. Justiz und Öffentlichkeit sind keineswegs blind gegenüber dem Geschlecht der Subjekte, die sexualisierte Gewalt betrifft und von denen sie ausgeht. Ihr Geschlecht wird mit großer Ausdauer benannt, inszeniert und zementiert. So ist etwa die Unmöglichkeit, als Frau ein "gutes Opfer" sexualisierter Gewalt zu sein, das "Richtige" zu sagen, nicht zu viel zu weinen, nicht zu abgeklärt und kalt zu wirken, das Trauma zu zeigen, aber nicht von ihm verzehrt zu werden, also kurz: nicht unglaubwürdig zu wirken, berüchtigt, denn es gilt: In dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten).1 Was sie sagt (und für sie sagbar ist) steht zu bezweifeln und dieser Zweifel dient dem anderen, dem Angeklagten. Um der Frage nachzugehen, wie eine solche Vergeschlechtlichung funktionieren kann, werden wir uns hier mit der medialen Verfertigung der Konfrontation von Sebastian Castillo Pinto und Gina-Lisa Lohfink am Beispiel eines Clips im Sat.1-Frühstücksfernsehen auseinandersetzen.

Pinto wurde 2012 von der TV-Prominenten Lohfink wegen Vergewaltigung angezeigt und im selben Jahr freigesprochen. Daraufhin wurde Lohfink wegen falscher Verdächtigung angeklagt. Der Prozess gegen sie wurde im Sommer 2016 öffentlich geführt und erhielt einige mediale Aufmerksamkeit. Das Besondere an diesem Fall stellen Videos dar, die von Pinto und dem weiteren mutmaßlichen Täter Pardis F. von den sexuellen Handlungen gemacht und gegen Lohfinks Willen online gestellt wurden. Auf diesen Aufnahmen ist zu hören, dass Lohfink "Hör auf" sagt. Die Richter*innen in den zwei Prozessen gegen Lohfink entschieden beide, dass sie damit die Videoaufnahme, nicht jedoch den Sex erfolglos abwehren wollte. Unter dem #TeamGinaLisa versammelten sich feministische Unterstützer*innen Lohfinks, die ihren Protest gegen ein täteridentifiziertes und opferfeindliches Strafrecht mit ihrer Solidarität für Lohfink verbanden. Vor dem Gerichtssaal des Amtsgerichts riefen sie "Nein heißt Nein" - eine Formulierung, die im Juli 2016 als Paradigma ins Strafrecht aufgenommen wurde. Der Bundestag entschied, dass der Straftatbestand der Vergewaltigung nun "bereits" dann verwirklicht sein soll, wenn der*die Täter*in sich wissentlich über den entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegsetzt.2 Zuvor galt ein Übergehen des Willens, wenn dieser nicht durch Schläge, akute Drohung gegen Leib und Leben oder Ausnutzen einer schutzlosen Lage gebrochen wurde, nicht als strafrechtlich relevante sexuelle Gewalt.3

"Männlicher" Kamerablick

Pinto tritt am 08.08.2016 im Sat.1-Frühstücksfernsehen auf, um "seine Geschichte" zu erzählen.4 Im Clip werden die beiden Subjekte der Aussagen nicht nur vergeschlechtlicht, sondern zugleich ihre Glaubwürdigkeit hierarchisiert bzw. für Pinto Partei ergriffen. Während Pinto in Interviewsituationen an einem Fluss ins Bild gesetzt wird, gekleidet in weißes Hemd und beigen Pullover, werden für die Präsentation Lohfinks hauptsächlich Bilder in den Clip montiert, die aus anderen Kontexten stammen. Das erste Mal erscheint Lohfink in Aufnahmen, die sie in privat wirkenden Räumen für die Kamera posierend zeigen. Sie trägt Hotpants und gibt der Kamera, die ihren Körper für einen voyeuristischen Blick abfährt und damit für die Zuschauer*innen zur Schau stellt, Luftküsse. In der letzten Szene trägt sie ein tief dekolletiertes Dirndl, entblößt ihre Beine, indem sie den Rock hochzieht und blickt lasziv in eine weitere Kamera, die im Begriff ist, sie als Model abzulichten. Lohfink erscheint hier in weiblich kodierten Posen als medienaffine Frau und wird durch einen Kamerablick sichtbar, der sich mit der Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey als ›männlich‹ beschreiben lässt.5 Zugleich lassen sich dieser Blick und damit auch ihre Sexualisierung Lohfink selbst zuschreiben. Nicht die Kamera, die noch immer ihre Diskursivierung als objektiv abbildendes Medium trägt, sondern Lohfink selbst scheint sich zum Objekt der Blicke zu machen, die wir nicht auf sie werfen, sondern die sie auf sich zieht.6 In der Logik des Clips, die sich maßgeblich durch den Schnitt ergibt, antworten Lohfinks sexy Posen auf Pintos vorangestellte Aussagen über ihren angeblich freiwilligen, nächtlichen Besuch in seiner Privatwohnung, bei dem keine Drogen im Spiel gewesen seien und Konsens bezüglich des Sex‘ bestanden habe. Lohfink selbst erhält erst nach zwei Minuten die Möglichkeit, sich zu äußern, ihre Glaubwürdigkeit ist da bereits durch weitere visuelle Inhalte untergraben, die wiederum Pintos Aussagen Evidenz verleihen. Dieser kurze Clip verrät Vieles über den herrschenden Diskurs rund um sexuelle Selbstbestimmung und Geschlecht: 1. Das "Nein" einer Frau, deren Kleider "ja" sagen, kann nicht gehört werden 2. Der audiovisuell produzierte Zweifel an ihr stärkt seine Position und entschuldigt ihn und 3. Stehen hier weniger Aussage gegen Aussage als Aussage gegen Bild, denn ihre Position wird eher visualisiert denn verbalisiert und damit reinszeniert sich die Subjekt/Objekt-Logik des sexuellen Übergriffes einmal mehr, auch dieses Mal in Form eines Videos.

Zweifel am Angeklagten als Zweifel am Rechtsstaat

Pinto behauptet im Anschluss an die oben beschriebene Inszenierung: "Es war von vornherein klar, dass sie lügt, sonst hätte die Staatsanwaltschaft sie ja nicht angeklagt." Mit dem Rechtsstaat im Rücken, an dessen Unfehlbarkeit Pinto zu glauben vorgibt, kann er sich selbst viktimisieren.7 Er entschuldigt sich nicht lediglich dadurch, dass er behauptet das Gesetz nicht gebrochen zu haben, sondern zusätzlich durch die Selbstdarstellung als Opfer der "Lügnerin" Lohfink. Ein Zweifel an Pintos Glaubwürdigkeit wird so zum Zweifel am Rechtsstaat - er bedient eine Figuration des männlichen Angeklagten, der als eigentliches Opfer an den Rechtsstaat appelliert, die sich auch in anderen Beispielen findet. Unter dem #TeamRechtsstaat (der damit auf den #TeamGinaLisa antwortet) organisieren sich online die Gegner*innen Lohfinks, die auf das Prinzip [i]in dubio pro reo[/i] pochen und sich dabei gerade nicht für Lohfink, die tatsächlich Angeklagte, sondern für Pinto und potentiell falsch Verdächtigte einsetzen. Das selbsternannte "Team Rechtsstaat", steht dem männlichen Opfer zur Seite, dessen Verdächtigung mit jener der Prinzipien des Rechts in eins gesetzt wird. Die feministische Kritik an der Rechtsgrundlage, die Opfer sexueller Gewalt nur höchst selten Recht gibt, wird in diesem Diskurs als Gefährderin markiert. Der Richter Ralf Fischer, der in der Revision im Februar 2017 das Urteil gegen Lohfink bestätigt, erklärt in seiner Urteilsbegründung, die Behauptung mit Lohfink sei ein "Vergewaltigungsopfer auf der Anklagebank" gelandet, stamme aus der "irrealen Welt alternativer Fakten".8 Mit den Alternative Facts, die Trumps Advokatin Conway erfand, um die Benennung seiner und Sean Spicers Aussagen als Lügen zu umgehen, wird die fundierte feministische Kritik am juristischen Umgang mit Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung diskreditiert. Das Bezweifeln der Neutralität und Gerechtigkeit von Urteilen in verhandelten Fällen von Vergewaltigung wird mit programmatischer Desinformation gleichgesetzt, die die Unterscheidbarkeit von Realität und Fiktion, Fakten und Lügen, gefährdet. Der Vorwurf Feminismus sei dogmatisch, ideologisch und (tendenziell) gefährlich findet sich in unterschiedlichen Abstufungen, dem Vorwurf des Männerhasses, des Genderwahns, der Bezeichnung von Feminist*innen als Feminazis bei sogenannten Männerrechtlern, im konservativen Feuilleton oder parlamentarischen Debatten.9 Der Vorwurf der "Ideologie" wird dabei aus der Norm heraus geltend gemacht, die sich selbst damit als Norm bestätigt und die eigenen Prämissen nicht infrage stellen muss. Damit erweitert sich die Konstellation von Aussage gegen Aussage im Sat.1-Frühstücksfernsehen und ermöglicht eine über das Beispiel hinausgehende Beobachtung: Pinto viktimisiert sich und findet einen ihn darin bestätigenden Diskurs. In diesem führt die Vergeschlechtlichung der Aussagen zur Hierarchisierung der Glaubwürdigkeit, die den Glauben an das männliche Subjekt mit dem Glauben an die Rechtsstaatlichkeit verquickt. Das männliche Subjekt ruft das Gesetz und den Rechtsstaat nicht lediglich zur Hilfe an seine Seite, sondern es positioniert sich auf der Seite des Gesetzes - He didn’t break any laws because he is the law - nicht als Individuum, sondern als symbolischer Vertreter patriarchaler Struktur.

Die Öffentlichkeit als gefährlicher Ort

"… Wie man zum Kuss kommt, wie man zu der Intimzone der Frau gelangt, ohne große Widerstände. Wenn das Prinzip einmal klar ist, werden Sie überall fremde Frauen küssen - im Club, bei Dates, auf der Straße, einfach immer und an jedem Ort. Sie werden nie wieder Angst vor der Eskalation haben, denn Sie werden sie vollkommen beherrschen."10

So heißt es in der Bewerbung des "Eskalations-Trainings" auf der Seite des Pick up Forums Deutschland. Der Begriff der Eskalation lässt sich als ersteigern, erstürmen, Überwindung der Festungsmauern übersetzen. Hier ist ein Prinzip heteronormativer Beziehungsanbahnung zur Kenntlichkeit entstellt, jenes von Jäger und Beute, sich zierend-wehrender Frau und erobernd-wollendem Mann. Pick Up Artists (PuAs) versprechen, dass sie aus einem "Nein" ein "Ja" machen können und erklären den Willen einer Frau zu einer überwindbaren Mauer, ihre Sexualität zur Beute. PuAs sind dabei nicht lediglich als extreme Ausnahme und individuelle Sexisten zu markieren. Sich über sie als Ausnahmephänomene zu entsetzen, macht vielmehr unmöglich, den Sexismus und die sexuelle Gewalt, die dem bestehenden Geschlechterverhältnis inhärent sind, als alltäglich zu erkennen und zu benennen. Diesem lässt sich auch an anderen Stellen nachspüren. Sabine Rückert schreibt im Juli 2016 kurz vor der Sexualstrafrechtsreform in der Zeit über "Das Schlafzimmer als gefährliche[n] Ort" und spielt dabei nicht auf Sexualstraftäter*innen im persönlichen Nahbereich an, sondern auf die Frau, die "künftig am Tag danach" definiere "was leidenschaftliche Liebesnacht und was Vergewaltigung war".11 Die Frau wird gefährlich, weil das Strafrecht zu weit in die Intimsphäre eindringt, zu subjektive Möglichkeitsräume für die Definition von sexueller Gewalt öffnet und damit alle Frauen zu potentiellen Gefährderinnen der öffentlichen Ordnung macht, indem sie potentiell alle (Ehe-)Männer zu Opfern einer Falschbeschuldigung macht. Rückert diskreditiert so nicht nur den feministischen Erfolg, häusliche Gewalt aus dem Privaten in die Öffentlichkeit geholt zu haben, wo sie vor Gericht gerecht verhandelbar werden soll, sondern kehrt diesen in sein Gegenteil. Sie verdeutlicht dies u.a. am Beispiel, das Rolf Raum, Richter am BGH formuliert hat. Eine "zärtlichkeitsbedürftige Frau", die ihren fußballguckenden (Ehe-)Mann zum Sex ermuntern möchte und ihm - "sein ›Nein‹ überhörend - in den Schritt" greife, könne unter reformiertem Strafrecht empfindlich bestraft werden. Es ist ein rhetorischer Trick aus der antifeministischen Debattenkultur, den "Reverse-Sexism" ins Feld zu führen, sobald es um die Benennung sexistischer Verhaltensweisen geht.12  Dazu zählt auch die obligatorische Nennung von männlichen Opferzahlen bei sexueller Gewalt. Ja, es gibt sie. Und ja, Frauen können Täterinnen sein. Diese beiden Tatsachen sind aber kein Argument gegen jene einer Kultur der systematischen Objektifizierung von Frauen, die ebenso systematische Konsequenzen hat: Im Alltag von Frauen wie in Gerichtssälen. Das heutige Strafrecht macht (in Einzelfällen ebenso sichtbar wie in der öffentlichen Debatte über sie) es mithin unmöglich, als Opfer oder Überlebende mit der Tat oder dem Erlebten umzugehen, sobald die Sphäre des Privaten verlassen wird. Das Private zum Politikum zu machen, es ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, war eine entscheidende Forderung des frühen Feminismus. Damit einher geht die Feststellung, dass das Private, das von Frauen Erlebte, mitnichten individuell-subjektiv, vereinzelt und daher zu bezweifeln, sondern systematisch und strukturell ist. Es kann erst in der Entgrenzung, also in der Sichtbarmachung, Benennung und Veröffentlichung als Strukturelles erkannt werden. Dass das Licht der Öffentlichkeit im Umkehrschluss aber nicht immer ein positives oder gar aushaltbar für diejenigen ist, die sonst Dunkelziffern bleiben, ist damit noch nicht gesagt. Vielmehr muss diese noch immer geltende feministische Forderung ergänzt werden um eine weitere: nämlich das Politische überhaupt erst zu erschaffen als Raum, in dem ein Sprechen von sexueller Gewalt(erfahrung) möglich ist und in dem Zweifel und Glaubwürdigkeit nicht von vornherein ungleich verteilt werden.

Anmerkungen

1) Vgl. Hierzu Mithu M. Sanyal 2016: Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens, Hamburg: 85f.

2) Inbegriffen in die Reform sind Verschärfungen des Aufenthaltsrechts und ein Straftatbestand, der Straftaten aus der Gruppe heraus umfasst, der auf die Übergriffe der Kölner Silvesternacht reagiert und als verfassungswidrig diskutiert wird. In der Reform schlägt sich eine Verschränkung von Rassismus und Sexismus nieder. Sie ist zum Zeitpunkt dieses Textes noch nicht in Kraft getreten.

3) Vgl. Katja Grieger / Christina Clemm / Anita Eckhardt / Anna Hartmann: "Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar". Fallanalyse zu bestehenden Schutzlücken in der Anwendung des deutschen Sexualstrafrechts bezüglich erwachsener Betroffener, veröffentlicht vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) Berlin 2014. Pinto kann dieser Studie zufolge lediglich dann nicht erklären, "I didn’t break any laws", wenn er, wie im Fall Lohfink diskutiert wurde, sie gemeinsam mit Pardis F. mit K.o.-Tropfen betäubt hatte. Das Gericht entschied , dass dies nicht der Fall gewesen sei.

4) SAT.1-Frühstücksfernsehen: Mann aus Gina-Lisas Sexvideo: "Es war klar, dass sie lügt!", 08.08.2016, URL: http://www.sat1. de/tv/fruehstuecksfernsehen/video/1-mann-aus-gina-lisas-sexvideo-es-war-klar-dass-sie-luegt-clip (letzter Zugriff 28.02. 2017); auch zu finden auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v= OquP-PBNs Ps10.09.2016, (letzter Zugriff 22.11.2016).

5) Laura Mulvey 1999: "Visual Pleasure and Narrative Cinema.", in: Leo Braudy, Marshall Cohen (Hg.): Film Theory and Criticism: Introductory Readings, New York: 833-844.

6) Vgl. Abigail Solomon-Godeau 2016: "Erotische Fotografie erneut betrachtet. Bemerkungen zu einem historischen Bergungsprojekt" (1987-1991), in: Kathrin Peters, Andrea Seier: Gender & Medien-Reader, Zürich-Berlin: 139-158.

7) Der Moderator Mathias Killing kündigt den Clip über "Sebastian" mit den Worten "einer der Männer, den Gina-Lisa der Vergewaltigung beschuldigt, bricht nun erstmals sein Schweigen und erzählt uns seine Geschichte" an. Killing belegt so die Rede des Mannes, der wegen Vergewaltigung angezeigt war und nun als Zeuge gegen Lohfink aussagt, mit einer Wendung, die üblicherweise für Betroffene von Missbrauch und sexueller Gewalt gebraucht wird. Das Schweigen der Opfer von Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung wird so rhetorisch dem Schweigen des Opfers einer falschen Verdächtigung gleichgestellt.

8) So zitiert ihn Kathrin Spoerr: Gina-Lisa Lohfink - nicht Opfer, sondern Täterin, in: http://Welt.de, 10.02.2017.

9) Sabine Hark / Paula-Irene Villa 2015: Anti-Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen, Bielefeld.

10) Pick up Forum, URL: http://www.pickupforum.de/calendar/event/416-premium-escalation-berlin/ (letzter Zugriff 28.07. 2017).

11) Sabine Rückert: Das Schlafzimmer als gefährlicher Ort, in: http://Zeit online 02.07.2016.

12) Ebenso auffällig ist die ausschließende Gegenüberstellung von gewollten heterosexuellen Beziehungen wie Ehe und Familie mit feministischer Kritik an sexistischer Adressierung von Frauen als Sexobjekte. Der scheinbar harmlose Flirt, der vorgeblich wunderbare Ehen ermögliche, werde durch Feminist*innen, die gegen Übergriffe "aufschreien", gefährdet. So findet diskursiv eine Abwägung zwischen Ehe und feministischer Kritik an (Alltags-)Sexismus statt.

Louise Haitz ist Masterstudentin in Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften an der Universität Konstanz. In Ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich mit Produktionen von Un-/Glaubwürdigkeit im Fall Gina-Lisa Lohfink. Ab dem Wintersemester beginnt sie ihre Promotion am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Frauen- und Genderpolitik des freien zusammenschlusses von studierendenschaften (fzs).

Lydia Kray ist Masterstudentin der Europäischen Medienwissenschaft an der Universität Potsdam und hat zuvor Medienwissenschaft und Gender Studies in Konstanz studiert. Sie koordiniert die bundesweiten Aktionswochen Gesellschaft*Macht*Geschlecht für den freien zusammenschluss von studierendenschaften (fzs) und ist als feministische Referentin tätig. Auch sie ist Mitglied im Ausschuss für Frauen- und Genderpolitik des freien zusammenschlusses von studierendenschaften (fzs).