Künstlerische Alltagspraktiken als Politik

Perspektiven der (Nicht-)Bewegungsforschung auf Ägypten

in (03.04.2017)

"Das ist ein Projekt, das nichts damit zu tun hat, wie viel Talent du hast, aber sehr viel damit zu tun hat, wie viel Leidenschaft und Liebe du in das, was du machst, steckst, wie viel Loyalität du deinem Wort zeigst. Hören Sie heute mit ihrem Verstand und mit ihrem Herzen, damit, wenn diese Leute später im Abu Zaabal Gefängnis landen, Sie wissen, warum sie dort gelandet sind. Meine geehrten Gäste, erlauben Sie mir Ihnen Mashrou Choral (= Projekt Chor) vorzustellen" (Youssef 2012 in Khaled & Sami 2014, 1:01:49f). Schon in diesem kurzen Ausschnitt der heute in Ägypten verbotenen politisch-satirischen Sendung Die Sendung von Bassem Youssef, wird die Verbindung zwischen politischem Protest und künstlerischen Praktiken von Individuen sichtbar.

Keywords: social non-movement, social movement studies, art, Egypt, public spaces, framing, memes, graffiti, revolution

Schlagwörter: Soziale Nicht-Bewegung, Bewegungsforschung, Kunst, Ägypten, Öffentlichkeit, Framing, Memes, Graffiti, Revolution

"Die Gäste heute haben eine Geschichte. Die Geschichte eines Projektes. Ein Projekt von Amateuren, die Dinge sagen, für die viele Professionelle nicht mutig genug sind. Sie sagen Dinge, die aus dem Herzen und dem Verstand kommen. Dinge, die ihnen Probleme machen, und fast zu ihrer Verhaftung führten.

Das ist ein Projekt, das nichts damit zu tun hat, wie viel Talent du hast, aber sehr viel damit zu tun hat, wie viel Leidenschaft und Liebe du in das, was du machst, steckst, wie viel Loyalität du deinem Wort zeigst. Hören Sie heute mit ihrem Verstand und mit ihrem Herzen, damit, wenn diese Leute später im Abu Zaabal Gefängnis landen, Sie wissen, warum sie dort gelandet sind. Meine geehrten Gäste, erlauben Sie mir Ihnen Mashrou Choral (= Projekt Chor) vorzustellen" (Youssef 2012 in Khaled & Sami 2014, 1:01:49f).

Schon in diesem kurzen Ausschnitt der heute in Ägypten verbotenen politisch-satirischen Sendung Die Sendung von Bassem Youssef, wird die Verbindung zwischen politischem Protest und künstlerischen Praktiken von Individuen sichtbar. Es geht hier um Individuen, die sich nicht als politisch organisierte Gruppe verstehen, deren Praktiken dennoch (durch die Form oder den Inhalt der Kunst) kritisch gegenüber dem Regime, den Normen oder der Gesellschaft und in vielen Fällen illegal oder gesetzeswidrig und gesetzunterminierend sind und daher nicht selten in den Bereich des Politischen fallen. Die ägyptische Revolution und ihre Wirkung auf die dortigen künstlerischen und politischen Praktiken haben viele Fragen aufgeworfen.[1] Im Rahmen dieses Beitrags soll der Frage nachgegangen werden, warum individualisiertes künstlerisches Aktiv-sein als eine Form von politischem Aktiv-sein angesehen werden kann. Wie können wir die individualisiert künstlerisch Tätigen als kollektiv Handelnde verstehen und ihre Handlungen als politisch begreifen? Dafür müssen vor allem die Beziehungen zwischen individuellen künstlerischen Praktiken, deren AkteurInnen und der öffentlichen Sphäre(n) beleuchtet werden.

Meine These ist, dass künstlerische Praktiken von Menschen, die durch Form und Inhalt kritisch, wenn auch nicht direkt politisch sind, als machtvolle soziale Praktiken angesehen werden können. Sie wirken vor allem in der Öffentlichkeit, deren Logik sie, gegen den Willen des Staates, weitgehend verändern. Durch die Konzeptionalisierung der Gruppen als Nicht-Bewegung(en) und das Betrachten ihrer Handlungen und Diskurse mit Hilfe des Framing-Ansatzes wird veranschaulicht, warum die künstlerischen Praktiken dieser Gruppen als politische Praktiken bzw. politischer Aktivismus angesehen werden können. Die Konzipierung dieser Individuen als künstlerische Nicht-Bewegung hilft uns, sie analytisch als Gruppe zu fassen. Dies ist jedoch nicht genug, um zu verstehen, warum ihre Handlungen/Praktiken politisch sind. An diesem Punkt hilft uns der Framing-Ansatz weiter, der erklärt, wie die Werke der Kunstschaffenden (politische) Bedeutung konstruieren und was diese für eine Wirkung hat.

Die für diesen Beitrag verwendeten Beobachtungen und Interviews sind dem Filmprojekt "Kairos Keller" (Khaled & Sami 2014) entnommen, das die Underground und unabhängige Kunst in Kairo untersucht.

Kunst, Politik und Gesellschaft

Für diese Arbeit wird Kunst als "schöpferisches Gestalten aus den verschiedensten Materialien oder mit den Mitteln der Sprache, der Töne in Auseinandersetzung mit Natur und Welt" definiert (Duden 2016). Mit Blick auf die politische und gesellschaftliche Relevanz wird nicht auf das Können, die Qualität oder Komplexität der Werke geschaut und geprüft, inwiefern sie einer künstlerischen Strömung zuzuordnen sind oder nicht, sondern es wird nach ihrer Bedeutung für gesellschaftliche Auseinandersetzungen gefragt. Die Offenheit des benutzten Kunstbegriffs erlaubt es, unterschiedliche AkteurInnen darin zu verorten. Diese Gruppen bzw. Individuen sind unabhängig in dem Sinne "der Unabhängigkeit vom Staat und von den Kulturpalästen. Wir können diese Definition benutzen, auch wenn es mehrere andere gibt" (Elsheikh in Khaled & Sami 2014: 1:03:35)

Vor allem die politische und gesellschaftliche Bedeutung ist in diesem Beitrag von Relevanz. Kunst hat in dieser Hinsicht verschiedene Funktionen: a) sie kann als Trägerin, Produzentin und Reproduzentin von kollektivem Gedächtnis und Geschichte(n) fungieren; b) sie kann als Vorreiterin für Kritik an sozialen Normen und Praktiken agieren; c) sie hat die Fähigkeit, die (nationale) Identität zu konservieren und d) sie wirkt grundlegend für soziale – und politische – Veränderung (vgl. El Husseiny 2012: 1)[2].

Die Ermächtigung, die aus diesen Funktionen der Kunst entspringt, ist für die Kunstschaffenden von besonderer Bedeutung. Das hängt damit zusammen, dass sie ihnen Macht über das gibt, was jenseits ihrer unmittelbaren Realität liegt (vgl. ebd.). Diese Ermächtigung kann als Transformation gesehen werden, die sich auf individueller Basis, d. h. in/an den Kunstschaffenden, vollzieht, da sie ihre Handlungsperspektiven verändert und somit ihre Position als AkteurInnen durch die Veränderung der Handlungsperspektiven und somit Handlungsmöglichkeiten transformiert. Dies ist jedoch keine rein persönliche Angelegenheit, denn die Wirkung dieser Ermächtigung, die Macht der Kreativität und die Überbrückung des unmittelbar Wahrnehmbaren, gehen über das Persönliche hinaus: diese Macht ist ansteckend. Mit Kreativität zu interagieren und in Verbindung zu treten, ist ermächtigend, da Menschen die Schranken ihres gelebten Alltags überschreiten sowie einen über ihre unmittelbare Realität hinaus gehenden Möglichkeitsraum betreten (vgl. ebd.). Ähnlich beschreiben es Heba Elsheikh (aus dem Projekt Mahatat) sowie Moustafa (Graffiti-Künstler) im Film Kairos Keller:

"Heba Elsheikh: Hinter der Kunst steht die Kreativität. Kreativität bedeutet, die Fähigkeit zu träumen. Träumen zu können bedeutet, eine bessere Zukunft, bessere persönliche Entwicklung und bessere Chancen zu haben. Wenn du immer fähig bist zu träumen, kannst du eine bessere Realität schaffen. […] Moustafa: Es [das Kind] wird fühlen, dass es ihn bewegt, und wird anfangen daran [an seinen Fähigkeiten] zu arbeiten und sich selbst zu entdecken." (Khaled & Sami 2014: 1:30:05ff)

Kunst als solche kann soziale und politische Veränderung herbeiführen. Dies hat zwei Gründe: erstens können Menschen durch Kunst, Kreativität und den Akt des Überbrückens der unmittelbaren Realität in Gefühl und in Gedanken, eine alternative Vorstellung zum Status quo entwickeln; und zweitens hängt die Veränderung von Normen und Wertvorstellungen nicht selten mit Veränderungen in kleinen Schritten zusammen, die Kunst "destilliert" und in zugänglicher Weise darstellen kann, womit auch der Weg zu weiteren kleinen Schritten eröffnet wird (El Husseiny 2012: 4). Außerdem ist Kunst eine der größten Quellen "wenn wir nach Stärke und Entschlossenheit suchen" (ebd.: 5, Übersetzung der Verfasserin).

Wenn wir über Kunst in Ägypten sprechen, sprechen wir über verschiedenartige Diskursstränge, die je nachdem mehr oder weniger machtvoll sind. Die Benutzung verschiedener Kunstformen und -inhalte zur Vermittlung politischer oder gesellschaftlicher Thematiken, Ideale oder Meinungen reicht bis zur pharaonischen Zeit zurück. So finden wir die Artikulation von Hegemonie und Macht durch die altägyptische politische Elite in der Schaffung von Statuen des Pharao an unterschiedlichen Orten und Tempeln, die Artikulation von politischer Unzufriedenheit in Form von gängigen Liedern in der Zeit des Mamlukensultanats und des osmanischen Reiches (z.B. "Ali Aliua"[3]), angeklebte Flyer während des antikolonialen Kampfs, Murals oder You-Tube-Videos während der Mubarak-Ära[4] oder Online-Comics heute.

Die Wahl der Medien oder Kunstformen und Inhalte hängt unabdingbar mit der Position der AkteurIn im Diskurs über Macht und Nation zusammen. Die untersuchten Gruppen befinden sich eher am Rande dieses Diskurses um Macht und Teilhabe sowie am Rande des herrschenden künstlerischen Diskurses. Als Aufschrei gegen diese Marginalisierung, die in manchen Situationen bis zur Dehumanisierung führt, wie z.B. bei Inhaftierungen und Folter wegen kritischer Inhalte oder ähnliches, schreit Picasso (Straßenkünstler): "Wir sind was wert. Wir sind Menschen und haben einen Wert, einen hohen sogar!" (Khaled & Sami 2014: 0:10:35) An anderer Stelle beschreibt das Lied "Ana El Nessian (Ich bin das Vergessen)" der Underground Band Quarar Ezala über GraffitikünstlerInnen und StraßenkünstlerInnen deren Position folgendermaßen:

"Ich bin das Vergessen. Wenn ich vergehe, werdet ihr euch an mich erinnern. Mit einem schwachen zerbrechlichen Wort in die Wände eingraviert. […] Ich bin der Ketzer, jedes Normsystem verschmäht mich. Ich bin der Mörder und der Ermordete zugleich… Für meine Träume leide ich." (ebd.: 0:11:03)

Durch die abrupte Fokussierung der – vor allem westlichen – Medien nach der Revolution auf die unabhängigen ägyptischen KünstlerInnen und ihre Werke wurde die Assoziation bei vielen geweckt, dass die vermeintliche "Blüte" der unabhängigen Kunst in Ägypten in direktem Zusammenhang mit der Revolution stehe, wenn nicht gar ein Kausalzusammenhang konstruiert wird, wie zum Beispiel im Film "Art War" von Marco Wilms (2013) oder in der Reportage "Szene Kairo" im Magazin Art (Altmann & El-Refai 2013). Die Revolution wurde als ein Wendepunkt dargestellt, quasi als Bruch mit den alten Formen hin zu neuen Formen der Kunst. Der Frage, warum diese Interpretation bzw. Darstellungsart für viele westliche Medien naheliegend war, wird hier nicht nachgegangen, da es den Rahmen des Artikels sprengen würde[5]. Allerdings kann die Revolution als ein Ereignis gesehen werden, das bestimmte Schranken auflöste, wodurch mehr unabhängige Kunst sichtbar wurde, oder wie es Heba Elsheikh formuliert:

"Etwas passierte, das die unsichtbaren Barrieren zwischen dem Individuum und seinem Zugehörigkeitsgefühl zur öffentlichen Sphäre dekonstruierte. Das öffnete Räume dafür, dass Vorführungen auch in der Metro oder auf der Straße stattfinden können. Das öffnete auch Räume in uns. Street Art ist ein altes Genre, das aber nicht weit entwickelt war." (Khaled & Sami 2014: 1:25:30)

Einen anderen Aspekt beleuchtet Yara Mekawi, freie Kuratorin und Video-Künstlerin:

"Vielleicht gab die Revolution den behandelten Themen mehr Kühnheit. Vor der Revolution gab es diese Themen und Auffassungen in der Kunst bereits, aber sie waren nicht sehr verbreitet. Nach der Revolution wurden sie bekannter. Ich glaube, die Revolution hat die [unabhängige] Kunst nicht so stark beeinflusst… am meisten nur die Graffiti." (ebd.: 1:28:14)

Ein Kontinuum der Symbole und "Remediation" der Inhalte ist hier zu sehen.[6] So finden wir Symboliken aus der pharaonischen Zeit, wie z.B. die Kuh als Graffito in der Mohamed Mahmoud Straße in 2012, oder die Lieder des Sheikh Emam in abgeschlossenen Settings während der Mubarak-Zeit. Beobachtbar ist ebenso die Remediation der heutigen Popkultur bis in die 1980er Jahre, in Online-Comics oder Graffiti, durch kunstschaffende Menschen, die von anderen geteilt, "geliked" oder weiter bearbeitet werden.

Die AkteurInnen und künstlerische Praktiken

In dieser Auseinandersetzung stehen als AkteurInnen vor allem (junge) Menschen, die Kunst schaffen, rezipieren und damit in Interaktion treten im Vordergrund. Beide Parteien (Schaffende und Rezipierende) bilden unter dem Aspekt eine Einheit, so dass der Prozess der Veränderung im Austausch sowie im Weiterdenken der Rezipierenden über die Kunst manifestiert wird. Jedes Rezipieren eines Kunstwerkes ist daher eine Performanz und zugleich eine Interpretation desselben, da das Kunstwerk neue Perspektiven gewinnt (vgl. Eco 1989: 4f). Wenn hier von RezipientInnen gesprochen wird, bedeutet dies nicht eine passive Form oder passive Rolle in einer Interaktion, ganz im Gegenteil. Das Rezipieren eines Kunstwerkes ist stets zugleich eine neue Interpretation desselben; eine gewisse Reproduktion des Werkes, die durch das Assoziieren und Verbinden mit ganz unterschiedlichen individuellen Wissensfeldern der RezipientIn passiert (vgl. Rancière 2009: 11ff).

Diese Kunst ist regime-, norm- und gesellschaftskritisch. Sie beansprucht in der virtuellen und der physischen Öffentlichkeit Platz. Die kunstschaffenden Gruppen sind vor allem urbane Gruppen, auch wenn soziale Netzwerke verschiedene Geographien in einer medialen Metaebene verbinden, z.B. Facebook oder Twitter. Das Thema dieses Artikels sind junge kunstschaffende und -rezipierende Menschen aus Ägypten. Allerdings kann man dieses Phänomen und ähnliche Gruppen in anderen Ländern und Kontexten ebenso finden, vor allem da Internetforen wie beispielsweise 9gag, Boredpanda oder Imgur global die "globalisierte Jugend" miteinander in Verbindung treten lassen. Auch Blogs, Twitter oder Facebook erlauben es, gezeichnete und gemalte Werke digitalisiert hochzuladen sowie sich darüber auszutauschen und miteinander neue Stencils etc. zu entwickeln und damit unterschiedliche Städte zu besprühen (vgl. Flender 2013: 187). Wichtig dabei ist die Beobachtung, dass diese Gruppen sehr heterogen sind, und fast immer nicht als Gruppe, sondern als Individuen vereinzelt handeln. Sie sind allerdings oft untereinander vernetzt und es kommt zu punktueller Zusammenarbeit und Solidarität.

Im Folgenden wird zwischen Handlungen in der virtuellen und der nicht-virtuellen Sphäre unterschieden, da diese unterschiedliche Handlungsformate bilden und dennoch miteinander verzahnt sind. In der virtuellen Sphäre, vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook, werden von Individuen (oft anonym) Comics, mit Photoshop bearbeitete Bilder, Videos, Vines und ähnliches veröffentlicht. Der Inhalt dieser Werke ist manchmal direkt politisch, als Kommentar zu einem politischen Ereignis, wie beispielsweise eine Aussage des Präsidenten, seiner Person oder einer Gesetzgebung, und manchmal indirekt politisch, indem patriarchalische Strukturen in der Gesellschaft, Defizite im Bildungssystem, infrastrukturelle Defizite, oder die politische, ideologische, ökonomische Elite, aus einer Mikro- (z.B. die Darstellung von Alltagssituationen im Haushalt; Abb. 1 [Um die Abbildungen anzuschauen, verwenden Sie bitte die PDF, A.d.R.]), Meso- (z.B. die Darstellung von strukturellen Defiziten im Staat) oder Makroebene (z.B. die Darstellung von zwischenstaatlichen Abkommen) satirisch angesprochen werden. Vor allem sind Rage Comics (= Wut-Comics) verbreitet, da ihr Format dem Anliegen der Kunstschaffenden gelegen kommt (Abb. 1).[7] Weiter wurden das Schaffen, das Empfangen und das Interagieren mit Werken Teil des Alltags von Millionen von NutzerInnen dieser sozialen Netzwerke, was man anhand der angegebenen Abrufzahlen unter einem Werk sehen kann. Nicht nur die ProduzentInnen dieser Werke sind AkteurInnen in diesem (politischem) Akt, sondern ebenso alle anderen, die damit in Interaktion treten. Produzierende und Rezipierende verstricken sich in einer (Alltags-)Praxis, die im Rahmen eines autoritären Staates illegal ist, da die Werke fast immer sarkastisch, parodierend oder ironisierend sind.

Obwohl de jure den KünstlerInnen bzw. kunstschaffenden Menschen durch die in der Verfassung (Art. 65 und 67 der Verfassung von 2014) verankerte Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst das Recht gegeben ist, ihre Meinung zu artikulieren, sieht es de facto anders aus. Unterschiedliche Anklagen werden gegen Kunstschaffende und sogar Rezipierende erhoben. Beispielsweise wurde der Cartoonist Islam Gawisch 2016 wegen Betreiben einer Facebook-Seite ohne Lizenz[8] festgenommen. Während der Untersuchung ging es jedoch darum, dass er regimekritische Karikaturen, die staatliche Symbole lächerlich machen, gezeichnet habe.[9] Obwohl Gawischs Cartoons größtenteils nicht politisch sind und eher für ihre gesellschaftlichen Thematiken bekannt sind, wurde Gawisch nach dem Zeichnen eines Cartoons, in dem eine Person als Al-Sisi interpretiert worden ist[10], festgenommen. Auf Druck seitens mehrerer AktivistInnen und aufgrund der ausgelösten Empörung wurde Gawisch freigelassen. Weniger Glück hatte der weniger bekannte Student Amr Nohan, der auf einem Bild von Al-Sisi diesen mit Mickey-Mouse-Ohren versah und dafür zu drei Jahren Haft wegen des Versuchs "des Regimesturzes" verurteilt worden ist (Abuzaid 2016). 2014 hat die ägyptische Polizei annonciert, dass sie Facebook überwacht und somit alle "Posts und Kommentare einsehen könne" (Hassan: 2014). Außerdem hat sie eine Facebook-Seite mit dem Namen "Polizei zur Überwachung von Facebook" (ebd.) erstellt, deren Cover-Bild (s. Abb. 4, S. 36) an ein Panoptikum erinnert. Auch zu dieser Annonce sind Comics (z.B. s. Abb. 5, S. 36) erstellt worden:

Bei diesen Maßnahmen und Prozessen geht es vor allem darum, die Gefahr, willkürlich verhaftet zu werden, allgegenwärtig zu halten. Vor dem Hintergrund der vermehrten willkürlichen Verhaftungen seit Anfang des Jahres (2016) nimmt die Angst zu. Das bedeutet, dass obwohl diese Aktivitäten an sich nicht strafbar sind, sie dennoch durch die repressiven Maßnahmen der Regierung und des Staatsapparates ins Illegale gezogen werden und ihre "Täter" durch unterschiedliche Anklagen strafbar "gemacht" werden.

Die Praktiken in der nicht-virtuellen öffentlichen Sphäre sind illegal, da sie unter das Gesetz des Vandalismus fallen (z.B. bei Graffiti, Stencils, Murals etc.) oder weil sie aufgrund der Beanspruchung der Öffentlichkeit ohne staatliche Erlaubnis (z.B. bei Performances) strafbar sind (vgl. Khaled & Sami 2014). Die Inhalte sind, im Gegensatz zu den Werken im Internet, oft nicht direkt politisch, dafür aber sind die Akte des Malens und die Aneignung der Stadt illegal und werfen damit die politische Frage auf: wem gehört die Stadt? (vgl. ebd.).

Der Hauptunterschied zwischen den Praktiken im virtuellem und im nicht-virtuellem Raum sind die Unterschiede in Form und Inhalt. Während die Form der Kunst in der nicht-virtuellen Sphäre illegal ist, wird der Inhalt der Kunst in der virtuellen Sphäre illegalisiert. Es kommt nicht selten vor, dass Individuen, die in der virtuellen Sphäre aktiv sind, ebenso in der nicht-virtuellen Sphäre aktiv sind und umgekehrt. Eine weitere Gemeinsamkeit liegt in der Zugänglichkeit und der Anzahl der Menschen, die mit der Kunst in Interaktion kommen (als RezipientInnen und ProduzentInnen). Weiter werden Symbole, Zeichen und Aussagen von den Comics oder anderen Werken der virtuellen Sphäre in Werke der nicht-virtuellen Sphäre übernommen und umgekehrt (z.B. die Darstellung der "Maske" in Abb. 6 als Mural in Kairo [Badkar 2012]).

Wichtig ist anzumerken, dass in beiden Sphären die HauptakteurInnen junge Menschen sind, die sich nicht als AktivistInnen bezeichnen, sondern Kunst machen, um Kunst zu machen und sich nicht als politische Gruppe oder als politische Gruppierungen verstehen (vgl. Khaled & Sami 2014). Es muss zudem berücksichtigt werden, dass in beiden Sphären ebenso organisierte politische AktivistInnen aus genuin politischen Gründen dieselben Praktiken wie die hier beschriebenen kunstschaffenden Gruppen ausüben. Der Hauptunterschied liegt in der Motivation und der Selbstbezeichnung.

Künstlerische soziale Nicht-Bewegungen

Die beschriebenen Handlungsgruppen werden hier als "soziale Nicht-Bewegungen" bezeichnet. Ein Begriff von Asef Bayat, der die Bewegungsforschung um dieses Konzept 2010 bereichert hat (vgl. Bayat 2015) und Prozesse der Solidarisierung und des Widerstandes nicht zusammenhängender, aber paralleler Praktiken nicht-kollektiver Akteure in nicht-westlichen, politisch geschlossenen Settings erfasst (vgl. ebd.: 16).

Soziale Bewegungen können als ein Netzwerk verstanden werden, das auf der Basis geteilter kollektiver Identität aus Individuen und Organisationen besteht, dessen Ziel es ist, mithilfe von überwiegend nicht-institutionalisierten Taktiken sich politischen, ökonomischen, sozialen oder kulturellen Wandel zu widersetzen, diesen herbeizuführen oder ihn rückgängig zu machen (vgl. Haunss 2004: 23). Bayat unterscheidet soziale Nicht-Bewegungen von sozialen Bewegungen durch vier Merkmale: 1. Es wird "unmittelbar" gehandelt. 2. Es wird nicht ideologie-geleitet agiert. 3. Soziale Nicht-Bewegungen setzen sich aus Praktiken zusammen, die zu einem wesentlichen Teil des Alltags werden und in direktem Zusammenhang mit den Alltagstätigkeiten in Verbindung stehen. 4. Die Anzahl der praktizierenden Menschen, die diese alltägliche Praxis teilen, ist sehr groß, auch wenn diese Handlungen fragmentiert bleiben (vgl. Bayat 2015: 38).

Man kann argumentieren, dass die der Kunst verbundenen (jungen) Menschen eine Nicht-Bewegung darstellen. Trotz ihres fragmentierten oder atomisierten Handelns sind sie Teil einer Gruppe, die sich nicht als politisches oder ideologiegeleitetes Kollektiv definiert, sondern als junge Menschen, die ihre Jugendlichkeit auf eine bestimmte Weise ausleben. Man kann beobachten, dass ihr Handeln einen gewissen "Lifestyle" aufgreift, der global verbreitet ist und lokal ausgelebt wird, d.h. an lokale Bedeutungskonstruktionen, Werte und Konflikte anknüpft. Weiter wird auch hier unmittelbar agiert, sei es in der physisch erlebbaren öffentlichen Sphäre oder in der virtuellen Sphäre: Es wird nicht auf die Erlaubnis vom Staat gewartet, um die öffentliche Sphäre bearbeiten zu dürfen, oder die Idee eines Comics oder Vines aufgrund eines kritischen Inhalts nicht umgesetzt. Wie es zum Beispiel Amr beschreibt:

"Ich denke nicht, dass ich eine Legitimation brauche, Kunst in der Metro zu machen, wenn so viele in der Metro für Politik und Religion Werbung machen […] Ja, auch vor der Revolution." (Khaled & Sami 2014: 00:25: 23)

Es wird nicht gefordert, Kunst in der öffentlichen Sphäre zu verbreiten, sondern Teile der öffentlichen Sphäre werden zu einem Graffiti-Museum umgewandelt und "natürlich wird uns die Regierung nie unterstützen oder zuhören, wir sind ja meistens gegen sie" (Amr in ebd.: 00:09:03).

Das Kriterium "Praktiken" als drittes Merkmal für Nicht-Bewegungen wird hier ebenso erfüllt. Die kunstschaffenden und rezipierenden jungen Menschen verbinden alltägliche soziale Praktiken, wie das Teilen von und die Interaktion mit den Werken in den physischen und virtuellen Sphären. Vor allem im Internet ist es zur täglichen Routine geworden, auf Facebook und anderen Seiten diese Werke zu schaffen, zu kommentieren, zu teilen, weiterzubearbeiten und damit in Interaktion zu treten (vgl. Wardhani 2009). Das dritte und wesentliche Merkmal der sozialen Nicht-Bewegungen – die große Anzahl der Beteiligten – ist ebenso erfüllt. Allein auf den Facebook-Seiten "Egypt´s sarcasm society" sind mehr als dreieinhalb Millionen "Likes", sowie mehr als 12 Millionen "Likes" auf Asa7be sarcasm society. Die Zahl der kunstschaffenden und rezipierenden Menschen in der physischen öffentlichen Sphäre ist schwerer anzugeben, dennoch kann man sie ebenso hoch schätzen. Vor allem die Zahl der RezipientInnen ist sehr hoch, da die Straße ein Raum ist, den man alltäglich betritt.

Eine weitere Besonderheit der sozialen Nicht-Bewegungen liegt im Aspekt der Illegalität (vgl. Bayat 2015: 38). Die Praktiken dringen in Bereiche der Macht, des Eigentums sowie der Öffentlichkeit ein und untergraben damit herrschende Gesetze und Normen (vgl. ebd.). Im physischen Raum sind die Formen der Kunst häufig illegal, da sie unter das Vandalismus-Gesetz fallen oder dem Verbot unterliegen, öffentliche Räume, ohne Erlaubnis des Staates zu gestalten. In der virtuellen Sphäre werden die Inhalte der Werke eher illegalisiert, da sie das Regime, die Gesetze oder die Elite kritisieren und ironisieren. Als Beispiel für die Ernsthaftigkeit und das Risiko dieser Praxis kann der erwähnte Fall von Amr Nohan dienen (vgl. Calderwood 2015). Dieser Fall und andere ähnliche haben die Produzierenden und Rezipierenden nicht davon abgehalten, ihre tägliche Praxis beizubehalten. In der Persistenz gegenüber einer latenten, dauerhaft bestehenden Gefahr manifestiert sich das Widerstandspotenzial und die Macht der künstlerischen Nicht-Bewegungen. Solidarität wurde ebenso auf den Foren gezeigt, und viele NutzerInnen haben ihr Profilbild zum bearbeiteten Bild von Al-Sisi mit Mickey-Mouse-Ohren die Beschriftung beigefügt: "Amr Nohan wurde vor einem ägyptischen Militärgericht der Prozesse gemacht; er wurde wegen eines Fotos zu drei Jahren Haft verurteilt." (Alhussaini 2015).[11]

Dies leitet uns weiter zum Punkt der Solidarität und der kollektiven Identität. Wie beschrieben sind die Mehrzahl der Beteiligten in dieser Nicht-Bewegung junge Menschen. Man kann argumentieren, dass diese Nicht-Bewegung eine Subgruppe der "globalisierten Jugend" darstellt. Obwohl sie miteinander transnational vernetzt sind, und sich gegenseitig beeinflussen, wie z.B. durch Foren wie 9gag etc., heißt dies nicht, dass sie unter denselben Bedingungen agieren. Ob die Jugendlichen "nur" wegen des Lifestyles der globalisierten Jugend so agieren, wie sie agieren, ist fraglich. Dennoch kann es ein Motiv sein. Ein wichtiger Grund oder ein wichtiges Motiv wäre eine Aneignung der "Jugendlichkeit", die mit einem bestimmten Habitus und kognitiven Veranlagungen, die mit dem Jungsein assoziiert werden, in Verbindung steht und von der Repression des Regimes unterdrückt und den Jugendlichen geraubt wird (vgl. Bayat 2015: 159). Dieser Habitus ist öfters rebellisch und herausfordernd und wird ebenso in der Rolle der Jugendlichen als (politische) Subjekte sichtbar (vgl. Hafeneger 1995: 1). Jugendliche können natürlich auch selber im repressiven Regime aktiv sein, oder es bejahen. Doch sobald sie es als Dieb oder Unterdrücker ihrer Jugendlichkeit sehen und aktiv dagegen (politisch) handeln, ist dies als eine Aneignung ihrer Jugendlichkeit zu verstehen (vgl. Bayat 2015: 159).

Man kann argumentieren, dass Nicht-Bewegungen aus Notwendigkeit ihre illegalen Praxen durchsetzen. So nimmt die Familie aus Mansheyet Nasser Strom illegal von der Straßenlaterne, weil es notwendig ist, und die Straßenhändlerin nimmt einen Teil der Straße illegal für sich, damit sie finanziell überleben kann. Dem gegenüber kann man die Ansicht vertreten, dass das Ausleben der Jugendlichkeit und das Sich-Ausdrücken keine überlebenswichtige Notwendigkeit darstellt, und daher diese Gruppe mit dem Konzept der Nicht-Bewegung inkompatibel sei.

Die Frage, was eine menschliche Notwendigkeit ist, ist eine normative Frage, über die sich streiten lässt. Es braucht empirische Daten, um die Frage zu beantworten, ob es für die AkteurInnen eine Notwendigkeit darstellt. Festzuhalten ist, dass es ihnen wichtig genug ist, das Risiko dafür einzugehen, verhaftet und gefoltert zu werden. Abgesehen von dem Kriterium der Notwendigkeit argumentiere ich, dass alle anderen Kriterien einer Nicht-Bewegung von diesen Gruppierungen erfüllt werden, weshalb sie in dieser Arbeit als Nicht-Bewegung angesehen werden.

Framing und Frames

Die arabischen Transformationen zeigten einerseits, wie wichtig die Bewegungsforschung für die Erforschung des gesellschaftlichen Wandels ist; bisher wurde vorherrschend der Wandel politischer Regime sowie das Verhalten von Regimeeliten in den Blick genommen (Scheiterbauer 2012: 89). Andererseits wird deutlich, wie dringend in der Bewegungsforschung neue Blicke und Konzepte gebraucht werden, da die alten die Ereignisse durch die Vernachlässigung der Vielfalt und Dynamiken eher verstellen als erhellen (Harders 2011; Scheiterbauer 2014). Die arabischen Transformationen zeigten, wie stark die Sozialwissenschaften diese Region wissenschaftlich homogenisiert, kulturalisiert und ihre Vielfalt und Dynamiken vernachlässigt haben (vgl. Said 1974: 11ff). Theorien über gesellschaftlichen Wandel in dieser Region waren deshalb häufig in den Zwängen dieser Kategorien gefangen (vgl. ebd.). Bayat spricht daher von einem "nahöstlichen Exzeptionalismus" (Bayat 2015: 3), wenn es um Wissensproduktion geht, und versucht, diesen zu dekonstruieren.

Nachdem ich im letzten Abschnitt begründet habe, warum hier von einer künstlerischen Nicht-Bewegung ausgegangen werden kann, werde ich nun in einem weiteren Schritt den Nicht-Bewegungsansatz mit dem Framing-Ansatz koppeln. Der Framing-Ansatz erklärt, wie durch künstlerische Produktion auch ungewollt politische Bedeutung konstruiert wird, indem die Kunstproduzierenden versuchen, die Kunstrezipierenden an sich zu binden und die Beziehungen zwischen sich und der Außenwelt zu beschreiben.

Framing wird in der Bewegungsforschung als die "Inszenierung eines Protestthemas" durch eine soziale Bewegung verstanden (Hellmann 1998: 20). Der Framing-Ansatz stellt die Prozesse der Bedeutungsproduktion in und durch Bewegungen in den Vordergrund. Frames werden dabei als "Interpretationsschemata" verstanden, mit denen soziale Bewegungen soziale Konflikte wahrnehmen, identifizieren und begrifflich fassen (Haunss 2004: 36). Mit diesen Deutungsrahmen legitimieren soziale Bewegungen ihr Handeln und rechtfertigen gegenüber der Gesellschaft, warum sie protestieren bzw. zum Protest aufrufen. Frames ermöglichen zudem die Mobilisierung weiterer AnhängerInnen.

Das Besondere an künstlerischen Nicht-Bewegung(en) ist ihre ständige Produktion und Reproduktion von Bedeutungen und die Konstruktionen von sozialer Wirklichkeit durch das Instrumentarium der Kunst (vgl. Sanders 2012: 144ff; El Husseiny 2012: 2ff). Während soziale Bewegungen mit politischer Zielsetzung Deutungsschemata verändern, nutzen und generieren, um vor allem Handlungsperspektiven zu entwickeln, AnhängerInnen zu mobilisieren oder um ihr Anliegen zu kommunizieren (vgl. Haunss 2004: 36), stehen bei künstlerischen Nicht-Bewegungen der persönliche künstlerische Ausdruck und der Wunsch nach dessen Wahrnehmung im Vordergrund. Dennoch liegt es in der Essenz der hier behandelten Form von Kunst ([Rage-]Comics, Vines, Graffiti etc.) an Alltagssituationen anzuknüpfen und dabei Bedeutungen herzustellen und zu konstruieren, die politisch relevant werden können (vgl. El Husseiny 2012: 1ff).

Durch die Kopplung der Werke an die soziale Realität der RezipientInnen expandieren die Nicht-Bewegungen, da die Werke geteilt, "geliked" und weiterbearbeitet werden, sowie auf den Straßen kommentiert, willkommen geheißen und deren ProduzentInnen "von den Mitmenschen nicht weg gescheucht werden. […] Unsere echte Legitimation ist die Zustimmung unserer Mitmenschen (nicht des Staates)." (Amr in Khaled & Sami 2014: 30:00:02)

Das bedeutet, dass aufgrund der Bedeutung schaffenden Natur der Kunst Frames um der Kunst willen geschaffen werden, die jedoch nicht die Funktion haben zu mobilisieren, da die Kunstschaffenden sich nicht als politische Gruppe verstehen, oder wie es Hend formuliert:

"Wir müssen das Gefühl haben, dass wir etwas machen, denn wir wollen uns der gegebenen Situation [Ausgangssperre 2013] nicht fügen. Also machen wir Musik, wir brechen die Regeln, aber dann lassen wir die Tür nicht offen sondern nur halb offen. Wir nutzen die Zeit, um uns gegenseitig kennenzulernen und zusammen kreativ zu arbeiten, auch wenn wir dabei die Regeln brechen." (Khaled & Sami 2014: 1:14:05ff)

Man kann zwischen dem Framing-Ansatz und dem Konzept der Nicht-Bewegung analytisch eine Trennlinie ziehen, mit der Begründung, dass sie auf unterschiedlichen Prämissen beruhen und auf verschiedene Analyse-Ebenen abzielen. Eine solche Lesart würde argumentieren, dass der Framing-Ansatz in die Bewegungsforschung eingebettet ist und daher auf soziale Bewegungen und Aktivismen abzielt, während der Nicht-Bewegungsansatz einen praxeologischen Zugang hat und auf die Alltagspraktiken von Nicht-Kollektiven eingeht. Das bedeutet, dass beide Ansätze unterschiedliche AkteurInnen mit verschiedenen Anliegen vorrausetzen. AkteurInnen, die der Framing-Ansatz voraussetzt, versuchen gezielt ihre politische Forderung so zu rahmen, dass ihr Anliegen maximale Aufmerksamkeit erfährt bzw. die Umsetzungschancen der Forderungen steigen. Solche kollektiven AkteurInnen haben die Nicht-Bewegungen nicht. In dieser Lesart erscheinen die beiden Ansätze miteinander unvereinbar. Allerdings haben Alltagspraktiken und Kultur eine konstituierende Bedeutung für soziale Bewegungen (Haunss 2004). Mit Blick auf die Deutungsarbeit (signifying work) von (vor allem feministischen) sozialen Bewegungen, wird sichtbar, dass ihr Aktivismus zwar auf die Veränderung von institutioneller Politik gerichtet sein kann, vordergründig aber auf die Veränderung der (Alltags-)Kultur zielt (Scheiterbauer 2014). Soziale Bewegungen benutzen Frames, um scheinbar normale Verhältnisse als gesellschaftliche Probleme darzustellen. Außerdem wird somit durch die sozialen Bewegungen nicht nur die (Alltags-)Kultur verändert, sondern auch ein Wir-Gefühl konstituiert (ebd.). Ähnliches bewirken die Nicht-Bewegungen. Ob die Grenze zwischen dem Nicht-Bewegungsansatz und dem Framing-Ansatz überwunden werden kann, hängt daher mit der Leseart zusammen. Wenn Framing im Rahmen der Bewegungsforschung funktionalistisch als ein Instrument der sozialen Bewegungen zur Herstellung von maximaler Aufmerksamkeit verstanden wird, ist die Kluft zwischen beiden Ansätze sehr groß. Wird Framing im Rahmen der feministischen Bewegungsforschung gelesen, ist die Kluft kleiner. Durch die vielfältigen künstlerischen Aktivitäten werden hunderte konkurrierende Frames erzeugt und durch "liken" weitergeleitet, weiterbearbeitet und wirkungsmächtig gemacht. Die Vieldeutigkeit und Offenheit von Kunst ist dabei eine wirksame Hilfe. Am Beispiel der Abb. 2 (S. 35) kann man sehen, wie dies funktioniert: selten würde jemand den Satz "Al-Sisi ist an seiner Position fehl am Platz" weiterleiten. Doch als Fotocollage ist es witzig und wird geteilt. Vor allem müssen sich die Teilenden nicht darin einig sein, warum jemand fehl am Platz ist. Durch solche Collagen werden als normal angesehene soziale Verhältnisse problematisiert. Dies kann als Prozess des Framings bezeichnet werden, der Teil der Alltagspraktik der Kunstproduzierenden ist, und durch die Interaktion mit den Rezipierenden zum Teil von deren Alltagspraktik wird.

Der Framing-Ansatz unterscheidet drei verschiedene Funktionen von Frames: Diagnostic, Prognostic und Motivational Frames (vgl. Kern 2008: 142). Mit Diagnostic Frames ist die Identifikation eines Problems gemeint. Prognostic Frames bauen darauf auf und beziehen sich auf die Darstellung von Problemlösungen, damit eine soziale Bewegung glaubwürdig und ernst erscheint. Motivational Frames zielen auf die Mobilisierung von AnhängerInnen um gemeinsames Protesthandeln hervorzubringen (vgl. ebd.).

Bemerkbar an den Inhalten der Werke künstlerischer Nicht-Bewegungen sind meistens die sarkastische Pointierung eines Alltagsproblems und die Zuweisung von Schuld indirekt oder direkt auf eine Institution oder Person. Daher gestalten die Kunstschaffenden durchgängig Diagnostic Frames, die nicht selten auf Resonanz treffen, da sie von vielen geteilte Probleme ansprechen. Allerdings werden sie nicht weiter in Prognostic Frames gewoben, und Alternativen oder eigene Problemlösungen entwickelt. Dies betont, dass es sich nicht um eine politische Gruppe handelt, die versucht, ihre Visionen durchzusetzen und damit Menschen zu mobilisieren. Allerdings können an diesen Diagnostic Frames soziale Bewegungen mit Prognostic und Motivational Frames anknüpfen, und somit mobilisieren. Wie angeführt, bewegen sich diese künstlerischen Nicht-Bewegungen nicht im aktivistInnen- und politikerInnen-losen Raum, Beispiele dafür sind die Facebook-Seiten von AktivistInnen, auf der sie das Teilen eines Werkes mit einer eigenen politischen Interpretation verbinden.

Weiter werden diese drei Frames durch den Memory Frame ergänzt. Dieser baut darauf auf, dass jede soziale Interaktion auf bestimmten Realitätsannahmen beruht, die in der Kommunikation eingeführt oder begründet werden müssen (vgl. ebd.). Der Memory Frame dient der Reflexion und Orientierung (vgl. Kern 2008: 145). Bei der Reflexionsfunktion handelt es sich um den durch das kollektive Gedächtnis aufgespannten Vergangenheitshorizont, vor dessen Hintergrund die Interpretation der Gegenwart möglich wird (vgl. ebd.). Die Orientierungsfunktion beschreibt die Überlieferung von Werten, Normen und Erfahrungen für die Lösung von Gegenwartsproblemen (vgl. ebd.). Für die Bereitstellung einer solchen symbolischen Rahmung bietet die Kunst wichtige Funktionen und Fähigkeiten. Sie kann das kollektive Gedächtnis schützen, produzieren und reproduzieren und somit die historische Entwicklungslinie von der Vergangenheit bis in die Gegenwart herstellen, die Ansatzpunkte für eine Verlaufsbeobachtung der Geschichte anbietet (vgl. El Husseiny 2012: 1f).

Ein Beispiel dafür ist die Benutzung derselben (Wut-)Gesichter, die während der Revolution in Ägypten in den Webcomics benutzt wurden, oder Ausschnitte aus den Liedern der ArbeiterInnen-Bewegungen der siebziger Jahre in heutigen Comics über Alltagssituationen. Gleiches lässt sich bei Graffiti beobachten: Motive, die während der Revolution benutzt worden sind, werden in Flyern von sozialen Bewegungen weiter verwertet und verwendet. Dies bedeutet ebenso, dass eine wesentliche Kraft und Macht der künstlerischen sozialen Nicht-Bewegungen im Rahmen der sozialen Realität durch ihre Kunst liegt, die von anderen AkteurInnen benutzt werden kann.

Des Weiteren wurde in der Forschung die Wichtigkeit des Vorhandenseins eines Master Frames hervorgehoben. Das Vorhandensein eines Master Frames, in dem verschiedene Gruppen ihr Anliegen finden, eröffnet die Möglichkeit für Koalitionen und punktuelle Solidaritäten sowie andere Formen des Zusammenarbeitens (vgl. ebd.). Die Frames, die die künstlerischen sozialen Nicht-Bewegungen herstellen, tragen zur Verbreitung eines oder mehrerer Master Frames bei, in denen andere AkteurInnen sich ebenso wiederfinden. Ein Beispiel für einen Master Frame ist die ägyptische Revolution, in das AktivistInnen sowie viele Werke der künstlerischen Nicht-Bewegung fallen, was Solidarisierungen erlaubt. Ein Beispiel für diese Solidarisierung ist der genannte Fall des 22-jährigen Amr Nohan, der "weder zu einer politischen Organisation noch Gruppierung gehört". Weil er sich in der Wahrnehmung des Staats mit seinem Werk im selben Master Frame wie viele AktivistInnen befand, wurde er inhaftiert. Gleichermaßen haben sich deswegen viele AktivistInnen, wie z.B. Wael Abbas, für ihn eingesetzt (Abuzaid 2016: 06:38). Ebenso haben sich andere Individuen, die in die beschriebene soziale Nicht-Bewegung eingeordnet werden können, mit ihm solidarisiert. Umgekehrt können auch Koalitionen stattfinden, wenn AkteurInnen auf Personen aus der künstlerischen Nicht-Bewegung zukommen, zum Beispiel, als Nazra for feminist Studies, den Straßenkünstler Tefa gebeten hat, mit ihnen die Aktion women on walls 2012 zu gestalten. Dies zeigt, wie durchlässig die Grenzen zwischen verschiedenen Formen des politischen Aktivseins sein können.

Die Künstlerische Nicht-Bewegung in der öffentlichen Sphäre

Es wurde in den letzten Abschnitten immer wieder sichtbar, wie wichtig die öffentliche Sphäre in ihren verschiedenen Formen für die Nicht-Bewegungen und vor allem für die künstlerische(n) Nicht-Bewegung(en) ist. Die öffentliche Sphäre ist Teil der Gelegenheitsstrukturen, der Ort, in dem Frames sowie Netzwerke und Solidaritäten gebildet werden. Zudem ist sie ein wichtiger Bestandteil des Schmiedens einer kollektiven Identität und der Ort, wo man die Werke findet.

(Künstlerische) Nicht-Bewegungen befinden sich vor allem im urbanen Raum, in der nicht-virtuellen Öffentlichkeit vorwiegend in den Straßen (vgl. Bayat 2015: 27). Die Straße wird zur Bühne der Politik, auf der Menschen (zum Beispiel Hausfrauen, Arbeitssuchende, Jugendliche etc.), die aus strukturellen Gründen die institutionellen Formen der Widerstandsleistung (z.B. streiken) nicht haben, Möglichkeiten finden, ihrer Unzufriedenheit mit dem Status quo Ausdruck zu verleihen (vgl. ebd.). Dies nennt Bayat eine Art von Straßenpolitik, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie aus unterschiedlichen Konflikten zwischen vereinzelten oder kollektiven Teilen der Bevölkerung und der Obrigkeit direkt oder indirekt entsteht. Zudem ist sie durch den physischen und sozialen Raum der Stadt geprägt (vgl. ebd.). Konflikte dieser Art entstehen, wenn der öffentliche Raum, der in Städten zum passiven Gebrauch gedacht ist, dort, wo man unbeteiligter Passant sein sollte, der zu Fuß oder im Auto etc. die Straße benutzt, aktiv genutzt wird (vgl. ebd.). Aktiver Gebrauch bzw. partizipative Benutzung der Straße z.B. durch StraßenhändlerInnen oder GraffitikünsterInnen fordert den Zorn der Behörden heraus, da ihre Macht über die Herstellung und Kontrolle der öffentlichen Ordnung mit der unautorisierten Nutzung praktisch in Frage gestellt wird (vgl. ebd.).

Der Begriff der "politischen Straße" bezeichnet eine Sinnzuschreibung, die über die physische Bedeutung der Straße hinausgeht (vgl. ebd.: 30). Diese symbolische Bedeutung manifestiert sich in der Öffnung gegenüber der normalen Bevölkerung auf der Straße, ihre Gefühle und Meinungen kundzugeben: "in Taxis, in Bussen, in Geschäften, auf dem Gehsteig oder in Massendemonstrationen" (ebd.) Um diese Form der Politikgestaltung zu stoppen, müssen Staaten in den Ablauf des Alltages eingreifen, was sich nur sehr schwierig oder mit extremer Repression erreichen lässt (vgl. ebd.: 29). Städte erzeugen daher besondere Formen von Mikro- und Makropolitik, sie dienen als Hauptarena sozio-politischer Konflikte und Auseinandersetzungen und bestimmen die Dynamiken und Muster der Konflikte sowie ihrer Lösungen (vgl. ebd.). Die Straße in solchen Städten ist somit auch ein (politischer oder politisierter) Raum, in dem Menschen Identitäten schmieden, ihre Solidarität vergrößern und verstärken sowie ihren Protest über ihre unmittelbaren Kreise ausweiten, um Fremde und, Unbekannte mit einzubeziehen und einzubinden (vgl. ebd.: 28).

Der Einbezug von Fremden und die Öffnung des Werks ihnen gegenüber ist eine der wichtigsten Elemente und Fähigkeiten der Kunst (vgl. Eco 1989: 4). Nach dem Konzept der Opera Aperta (des Offenen Kunstwerks) des Semiotikers Umberto Eco ist jede Rezeption eines Werkes bzw. künstlerische Arbeit beides, Interpretation davon sowie Performanz, denn durch jede einzelne Rezeption gewinnt das Werk eine neue Perspektive (vgl. ebd.). Das begründet sich darin, dass ein Werk nicht für oder über sich sprechen kann, die Öffnung der Arbeit gegenüber der ZuschauerIn ist im Werk schon inhärent, da es unabhängig von der schaffenden Person besteht (vgl. ebd.: 4ff).

Kunst auf der Straße kann daher als ein ästhetisches Produkt des Widerstands gesehen werden, das den Raum durch eine aktive Benutzung der Straße zurückfordert und zurückgewinnt (vgl. ebd.: 143). Allerdings geht die Veränderung der öffentlichen Sphäre durch die künstlerischen Nicht-Bewegungen weiter als nur bis zur Grenzüberschreitung, die in der Benutzung der Straße, im Übergang vom Passiven zum Aktiven liegt. Um dies zu verstehen, muss zuerst erläutert werden, wie die öffentliche Sphäre funktioniert.

Die städtische öffentliche Sphäre besteht aus unterschiedlichen Logiken, die sich in verschiedenen Formen zeigen: die architektonische Planung, die kulturellen Manierismen oder der visuelle Diskurs etc. (Sanders 2012: 144). Diese Logiken, kommen zusammen in der Öffentlichkeit der Stadt und müssen durch die Praktiken der Menschen in der Stadt bestätigt werden (vgl. ebd.: 146). Das bedeutet auch, dass die Straßenkunst die öffentliche Sphäre besetzt und diese Logiken dekonstruieren kann, indem sie eine Alternative zum Stadtbild anbietet.

Diese Besetzung des städtischen öffentlichen Raumes geht mit einer "Glättung" eines "gekerbten" Raumes einher (Deleuze & Guattari 1992: 658). Die Dichotomie glatt und gekerbt stammt von den Philosophen Gilles Deleuze und Felix Guattari, die diese Dichotomie aufmachen, um zwischen Räumen, die mit Formen und anderen, die mit Intensitäten und Kräften gefüllt sind, unterscheiden zu können (vgl. ebd.). Der Unterschied zwischen einem "glatten Raum" und einem "gekerbten Raum", liegt darin, dass der glatte Raum Performanz vorschreibt und nicht verbietet oder deren Potenzial limitiert. Die/der Kunstschaffende auf der Straße verursacht daher eine diskursive Glättung, als eine Kraft und Intensität, die den durch die Formen und Logiken des Staates gekerbter Raum der Stadt zurückgewinnt (vgl. ebd.). Das heißt die Logiken des Staates, die sich in der "Kerbung" der Stadt manifestieren, werden durch die diskursiv-ästhetische Praxis der künstlerischen Nicht-Bewegung(en), die diese Kerbung glätten, herausgefordert. Diese "Glättung" geschieht in erster Linie durch die Zurückeroberung, die diskursive Besetzung und die Re-Territorialisierung der Stadt, die vom Staat territorialisiert und gekerbt wurde (vgl. ebd.; Sanders 2012: 414f).

Heba el Sheikh beschreibt, wie mit der zunehmenden Glättung der öffentlichen Räume "Räume in uns geöffnet worden sind" (Khaled & Sami 2014: 1:25:00ff). Sie beschreibt, wie Yara Mekawi oder Amr, die innerlichen Schranken, die mit der Revolution aufgelöst worden sind und somit eine freiere Interaktion mit der öffentlichen Sphäre ermöglichen. Man kann die These aufstellen, dass die Kerbung und die Glättung der öffentlichen Räume ebenso auf Gefühle und Gedanken "die innerlichen Räume", einen Kerbungs- oder Glättungseffekt haben. Das heißt, dass die physischen und virtuellen Räume die innerlichen Räume beeinflussen und umgekehrt. Eine mögliche Erklärung für die von Heba el Elsheikh beschriebenen Gegebenheiten wäre, dass die Revolution das politische System so öffnete, dass die BürgerInnen die HauptakteurInnen wurden, vor allem direkt nach dem Sturz Mubaraks. Dies verstärkte und öffnete Sphären im Selbst des/der Bürgers/In, "glättete" diese innerlichen Räume und wurde in Strömen von Kreativität und Kunst im physischen und virtuellen öffentlichen Raum sichtbar.

Zusammenfassung

Nachdem ich den angewandten Kunst-Begriff in seiner gesellschaftspolitischen Funktion erläutert habe, habe ich die Handlungen und Praktiken der künstlerischen sozialen Nicht-Bewegungen dargestellt. In einem weiteren Schritt erläuterte ich, warum die AkteurInnen in diesem Prozess als künstlerische soziale Nicht-Bewegung(en) betrachtet werden können. Ihre künstlerischen Praktiken können als politisch angesehen werden, da sie gesetz- und normunterminierend sind, auch wenn sie in ihrer Form oder ihrem Inhalt nicht direkt politisch sind. Weiter habe ich mit Hilfe des Framing-Ansatzes gezeigt, wie durch das Rekurrieren auf politische, kulturelle oder künstlerische Frames Politik kritisierende und Bedeutung schaffende Konstruktion produziert und reproduziert wird. Dies sorgt in den öffentlichen Sphären für eine Veränderung der Logik(en) dieser Räume, die somit (wenn auch nur temporär) zurückerobert werden.

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Abbildungen (s. die zum Download bereitstehende PDF)

Abb. 1: GestalterIn unbekannt (2016): A'sa7be Sarcasm Society. https://www.facebook.com/asa7bess/photos/a.263636427064801.58209.263629920398785/1190459641049137/?type=3&theater, letzter Aufruf: 3.7.2016.

Abb. 2: GestalterIn unbekannt (2016): https://twitter.com/m7moudel7adiidy. Weiterverarbeitung des Comics "Ahmed Ismail (2016): A'sa7be sarcasm society". https://www.facebook.com/asa7bess/photos/a.263636427064801.58209.263629920398785/1199378900157211/?type=3&theater letzter Aufruf: 7.2.2016.

Abb. 3: Mahmoud Fahmy (2015): https://www.facebook.com/photo.php?fbid=824168160928272&set=a.421461357865623.103496.100000052878226&type=3&theater ,letzter Aufruf: 3.7.2016.

Abb. 4: GestalterIn Unbekannt: https://www.facebook.com/AntiCrimes.Electronic/, letzter Aufruf: 3.7.2016.

Abb. 5: Gestalterin Unbekannt: "'Wir werden Alle festgenommen'. Wie die ÄgypterInnen die Überwachung verlächerlichen (احنا_متراقبين». سخرية المصريين من مراقبة فيس بوك وتويتر» لحظة بلحظة)". In: ElMasry ElYom, 2.6.2014, http://www.almasryalyoum.com/news/details/457263, letzter Aufruf: 7.2.2016.

Abb. 6: Ganzeer (2011): The Mask of Freedom. https://www.facebook.com/theganzeer/photos/a.508822465858987.1073741828.120342874706950/509050979169469/?type=3&theater (überarbeitete Version: https://www.facebook.com/theganzeer/photos/a.508822465858987.1073741828.120342874706950/509052582502642/?type=3&theater), letzter Aufruf: 7.2.2016.

Anschrift der Autorin:
Radwa Khaled
radwa-khaled94@hotmail.com

Peripherie, Nr. 145, 37. Jg. 2017, Verlag Barbara Budrich, Leverkusen



[1]       In der politischen Debatte existieren bezüglich der Umbrüche seit dem 25. Januar 2011 mehrere Positionen. Vor allem über die Bezeichnung gibt es verschiedene Ansichten. In diesem Text wird der Begriff Revolution benutzt, da die Position vertreten wird, dass es sich 2011 um eine Revolution gehandelt hat, bzw. der Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Neben der Massenmobilisierung und dem erzwungenen Rücktritt des Präsidenten wurden Machtmechanismen und -strukturen angegriffen, die zwar auf der Makroebene des Staates nicht vollständig dekonstruiert wurden, dennoch auf der Mikroebene persistent herausgefordert und angegriffen werden.

[2]       Basma El Husseiny ist selbst als Forscherin in den Kulturwissenschaften sowie als politische Aktivistin und Künstlerin tätig (vgl. UNESCO 2015).

[3]       Ali Elzeibaq (bekannt in den Liedern als Ali Aliua) kann man als den ägyptischen Robin Hood verstehen, der während des Mamlukensultanats die Korruption auf den verschiedenen Ebenen der Gesellschaft zusammen mit seiner Mutter durch Tricks und Täuschungen bekämpft hat. Er kommt in unterschiedlichen Liedern vor und wird bis heute in verschiedene Lieder integriert (vgl. Hagag 2014)

[4]       Zum Beispiel: "Ahmed Ezz erinnert sich an den Tagen der Haram Strasse. (أحمد عز يتذكر أيام شارع الهرم)", https://www.youtube.com/watch?v=Z6SxujloqBs (Salakawy2010Channel 2009)

[5]       Erklärungen dafür könnten auf den feministischen Argumentationen von Lila Abu-Lughod und Rabab El-Mahdi in "Beyond the 'Woman Question' in the Egyptian Revolution" (Abu-Lughod & El-Mahdi 2011) sowie "Orientalising the Egyptian Uprising" (El-Mahdi 2011) aufgebaut werden, die stark an Edward Saids Werk Orientalismus (1974) angelehnt sind.

[6]       Der Begriff der Remediation beschreibt medientheoretisch die Aneignung des Inhalts eines Mediums durch ein anderes (vgl. Bolter & Grusin 1999).

[7]       Rage Comics sind eine spezielle und die meistverbreitete Form von Webcomics. Rage Comics zeigen Alltagssituationen, dessen ProtagonistInnen in Wut versetzen und oft eine humorvolle Pointe haben. Dafür gibt es einfache Formate und bestimmte (Wut-)Gesichter, die als Memes bekannt sind (vgl. Adigguser 2011).

[8]       "Managing a Facebook page without a license. That was the accusation they used to detain me." (Gawish in Hussein 2016)

[9]       "They contended that I drew anti-regime caricatures that mock symbols of the state." (ebd.)

[10]      siehe Cartoon: http://66.media.tumblr.com/f53314da41a214a5ec0006b821a49627/tumblr_inline_o1v42rLubn1s1coej_500.jpg (Media-Tumblr 2016).

[11]      "Amr Nohan was tried by Egyptian military court and sentenced 3 years for a photo. Ppl are reposting #StreisandEffect". An dieser Stelle kritisiere ich implizit Bayats These, dass durch das Internet nur "schicke" sowie schnell verflachende Politik möglich sei, da hier eine Form von Persistenz erkennbar ist (vgl. Bayat 2015: 42).