„Willst Du das Leben verändern? Dann geh in die Kirche! Es gibt keine Alternative.“ (Pastor Isaac)[1]
Isaac hatte in den 1990er Jahren als stadtbekannter DJ die Funkparties beschallt, die für junge Bewohner_innen von Rios Favelas die wichtigste Vergnügung darstellen. Im Höhenflug seiner Erfolge, so erzählt er, sei er den Drogen verfallen und schließlich am Ende seiner Karriere und verlassen von seiner Familie in der Gosse gelandet. Erst als er „Jesus akzeptiert“ habe, habe sich sein Leben radikal gewandelt.
Nach einem Selbststudium der Bibel gründete er als Pastor eine eigene Gemeinde und gab sie als Filiale der großen Assembléia de Deus aus, ohne sie dort registrieren zu lassen. Selbst Leute, die ihn früher als Süchtigen erniedrigt hätten, erbäten sich nun Gebete von ihm, wenn sie Probleme hätten. Isaac, der jetzt Anzug trägt, um seinen Pastoren-Status sichtbar zu machen, strebt danach, vom Kirchenzehnten seiner Gläubigen zu leben. Da diese aber zu arm für größere Spenden sind und die Gemeinde nur etwa dreißig Mitglieder hat, muss er seinen Lebensunterhalt auf Baustellen verdienen.
„Wir sind hier Ausländer in diesem Land und viele von uns sind auf der Durchreise. Wenn du hier ankommst, dann gehst du zur Kirche, um mit deinen Brüdern und Schwestern zu beten. Aber wir beten nicht nur zusammen, dein Bruder vermittelt dir vielleicht einen Job oder hilft dir bei der Wohnungssuche. In der Gemeinde finden wir unsere Landsleute und Orientierung, ein Stück Heimat in einer fremden Umgebung.“ (Pelé)
Bevor Pelé im Dezember 2010 in Rio de Janeiro ankam, hatte er in verschiedenen Ländern Afrikas gelebt. Geboren in der Demokratischen Republik Kongo, zog er zu Beginn der 1990er mit seinen Eltern nach Angola, wo er aufwuchs und studierte. Danach lebte er neun Jahre in Kapstadt und Johannesburg und arbeitete dort im Bausektor. Rio verkörpert für ihn lediglich eine Transitstation auf seinem Weg in sein Traumland Kanada. Bereits einige Tage nach seiner Ankunft hatte sich Pelé der Assembléia de Deus em Bras de Pina, der derzeit einzigen kongolesisch/angolanischen Erweckungsgemeinde Rios angeschlossen. Seit seiner frühen Kindheit sang Pelé in verschiedenen evangelikalen Kirchengemeinden. Auch in Rio trat er der Kirchenband RDCongo Elembo bei und avancierte schnell zu ihrem Leiter. Sein Wunsch ist es, eines Tages professioneller Sänger zu sein.
Das Forschungsvorhaben „Global Prayers – Redemption and Liberation in the City“ (vgl. Becker u.a. 2014; Lanz 2014) hat gezeigt, dass urbane Religion nicht einfach als ein Bündel religiöser Praktiken und Strukturen verstanden werden kann, die in einem containerhaften urbanen Raum stattfinden oder verortet sind. Vielmehr generieren sich die sinnlichen, materiellen, sozialen und symbolischen urbanen Religionspraktiken überhaupt erst in der Interaktion mit dem Städtischen: „Urbane Religion ist der Ort sich annähernder und miteinander konfligierender Visionen und Stimmen, Praktiken und Orientierungen, die aus den komplexen Wünschen, Bedürfnissen und Ängsten vieler unterschiedlicher Menschen heraus entstehen“ (Orsi 1999: 44f) und im sozialen Feld einer Stadt miteinander interagieren. Urbane Religion existiert in Form spezifischer „urban-religiöser Konfigurationen“, zu verstehen als „Assemblagen aus materiellen, sozialen, symbolischen und sinnlichen Räumen, Prozessen, Praktiken und Erfahrungen, in denen das Religiöse und das Städtische ineinander verwoben sind und sich gegenseitig hervorbringen, beeinflussen oder transformieren“ (Lanz 2014: 30).
Die urban studies betrachten die weltweit zu beobachtende Bedeutungszunahme neuer religiöser Bewegungen oft entweder stark problematisierend oder erklären sie mit monokausalen Logiken. So trifft beispielsweise Mike Davis (2004) eine klare Unterscheidung zwischen linken emanzipatorischen und reaktionären religiösen Bewegungen und geht davon aus, dass letztere die ersteren zunehmend ablösen. Die urbane Konjunktur etwa der Pfingstbewegung, oder des politischen Islam wird häufig eindimensional an steigende urbane Armut und Verelendung gekoppelt (vgl. dazu metroZones 2011). In diesem Beitrag wollen wir unter Bezugnahme auf das von Aihwa Ong und Ananya Roy (2011) weiterentwickelte Konzept des „worlding“ am Beispiel von Rio de Janeiro den Blick auf die komplexen Praktiken von Gläubigen richten und die Vielschichtigkeit und Verflechtungen zwischen Religion, Globalität und urbanem Alltag beleuchten. In den eingangs dargestellten Kurzbiographien scheinen solche Verschränkungen bereits auf. Wir diskutieren am Beispiel verschiedener, unter dem Dach der Assembléia de Deus versammelter Pfingstgemeinden, und dabei im Vergleich zwischen einheimischen Favela-Kirchen und kongolesischen Migranten-Gemeinden, drei Aspekte einer urbanen Konfiguration der Pfingstbewegung: die Verortung der Gemeinden bezogen auf ihr Verhältnis zum städtischen Raum generell und zum Alltag der Favela im Besonderen, ihre Interaktion mit urbanen Alltagskulturen, insbesondere mit Musik, und schließlich ihren transitorischen Charakter.[2]
Die Transformation des Religiösen in Rio de Janeiro
Die Metropolen haben einen zentralen Anteil an der „dramatischen Transformation“ (Birman & Leite 2000: 271) des Religiösen in Brasilien, die den Bevölkerungsanteil der evangelikalen Christ_innen im vermeintlich größten katholischen Land der Welt von 6,6% im Jahr 1980 auf 22,2% im Jahr 2010 ansteigen ließ (IBGE 2012). In Rio de Janeiro, der heute am wenigsten katholischen Stadt Brasiliens, schrumpfte der Katholizismus nur zwischen 2000 und 2010 von 61,2% auf 51,2% der Stadtbewohner_innen. Ihnen stehen nun 23,4% Evangelikale gegenüber. Sowohl bezogen auf den städtischen Raum als auch auf soziale Gruppen sind diese Zahlen ungleich verteilt: Während in den Wohlstandsvierteln der Zona Sul den circa 62% Katholik_innen nur 9% Evangelikale gegenüberstehen, gibt es in den armen Peripherien und im städtischen Westen, der als schnellst wachsende auch die ärmste Zone Rios ist (IPP 2012), heute fast ebenso viele Evangelikale wie Katholik_innen. Bezogen auf soziale Gruppen offenbart sich ein ebenso eindeutiges Bild, wonach die Zugehörigkeit zu evangelikalen Kirchen umso höher ist, je geringer Einkommen, formale Bildung und Alter sind (ebd.). In der geringsten statistischen Einkommensklasse stehen 39% Katholik_innen bereits 32% Evangelikale gegenüber (IPP 2013). Zwar beschränkt sich das Wachstum der Evangelikalen und unter ihnen der Pfingstkirchen nicht auf urbane Armutsterritorien, gleichwohl rekrutieren die Kirchen einen Großteil ihrer Konvertiten in den Favelas (vgl. u.a. Oosterbaan 2006; Birman 2006; 2011; Vital da Cunha 2009), den irregulären Siedlungen der Stadt, in denen ca. ein Viertel der Einwohner von Rio leben. Die heutige Spannbreite der Favelas reicht von etablierten, staatlich regulierten und sozial gemischten Stadtteilen in der reichen Zona Sul bis hin zu prekären, improvisierten und von den Ärmsten bewohnten Squatter-Siedlungen in den geographischen Peripherien der Stadt. Bis vor einem Jahrzehnt waren nahezu alle Favelas von Drogengangs beherrscht, die alle Aspekte des Alltags kontrollierten. Obwohl der öffentliche Diskurs Favela und urbane Gewalt kausal aneinander koppelt und die Bewohner_innen entsprechend stigmatisiert, ist der korrupte und mörderische Polizeiapparat, dessen tödliche Opfer meist schwarze männliche Jugendliche sind, integraler Teil des Drogenkomplexes (Lanz 2012). In den 2000er Jahren wurden immer mehr Favelas von illegalen Bürgerwehren (den sog. milicias) besetzt, die mit ebenfalls mörderischen Mitteln der Selbstjustiz die Drogengangs verjagen.
Die mit ihrer bis heute größten Kirche Assembléia de Deus bereits 1910 nach Brasilien gelangte Pfingstbewegung war bis in die 1980er Jahre weitgehend unsichtbar geblieben und hatte im Schatten einer nationalen Identität existiert, die seit dem Kolonialzeitalter an einen populären Katholizismus gekoppelt war. Die aus den USA stammende Assembly of God hat sich beginnend mit dem frühen 20. Jahrhundert zu einem weltweiten Netzwerk von Pfingstkirchen ausgedehnt. Aufgrund zahlreicher interner Abspaltungen seit Beginn der 1980er Jahre vereinen sich unter ihrem Dach heute in Brasilien verschiedene unabhängige Denominationen (Chesnut 1997). Während die der offiziellen Convenção Nacional das Assembleias de Deus no Brasil mit Sitz in Rio angehörenden Gemeinden in einer Mischung aus episkopaler und kongregationalistischer Struktur verwaltet werden, bestehen die vielen anderen Kirchen, die ebenfalls den Namen der Assembléia de Deus tragen, aus einem losen Netzwerk von Gemeinden, die häufig lokal fest verankert und an den Bedürfnissen ihrer Gläubigen ausgerichtet sind (Oosterbaan 2006).
Der rapide Aufstieg der Pfingstkirchen seit den 1980er Jahren gerade in den Favelas kann nicht durch eindimensionale Paradigmen erklärt werden (Droogers 2006; Oosterbaan 2006: 5ff). So liefern weder das Anomie-Modell, das diesen als Reaktion auf eine Aushebelung klarer Normen durch rapiden sozialen Wandel deutet, noch der Klassenkampfansatz, der die Pfingstbewegung als Instrument deutet, um in einer ungleichen Gesellschaft aus einer inferioren Klassenposition aufzusteigen, noch ein Ansatz, der den Erfolg der Pfingstkirchen auf den selektiven Charakter sozialer Modernisierungsprozesse zurückführt, adäquate Erklärungen. Denn die Pfingstbewegung verfügt über eine hohe innere Diversität und über komplexe symbolische und soziale Strukturen, die Menschen in sehr unterschiedlichen sozialen Situationen anziehen können. Ihr immenses, immer noch anhaltendes Wachstum sollte mithilfe eines multiplen Ansatzes analysiert werden, der nicht nur externe gesellschaftliche Faktoren beleuchtet und den Erfolg der Pfingstbewegung auf eine Spiegelung sozialer Trends verkürzt, sondern der wesentlich auch ihre internen Prozesse betrachtet (Droogers 2006: 67).
Wesentliche Anhaltspunkte für diesen Erfolg liefern die religiösen Praktiken der Pfingstbewegung – wie der durch eine Konversion vollzogene Bruch mit der weltlichen Ordnung, die hohe Bedeutung des Heiligen Geistes, das Zungenreden, die Wunderheilungen oder die Vorstellung von Teufel und Dämonen als zerstörerisch auf Menschen einwirkende Agenten (Oosterbaan 2006). Sie knüpfen faktisch an afro-synkretistische Formen der Religiosität an, die in der Favela historisch eine hohe Bedeutung hatten. Dabei steht der Pfingstkirchenboom in einem komplexen Zusammenhang mit der inferioren Position der Favela bezogen auf die nationale Identität und die bürgerliche Stadt, mit ihrer Auslieferung an das Gewaltregime des Drogenkomplexes sowie mit einer gestiegenen Unfähigkeit des Katholizismus, religiöse Alltagsbedürfnisse der Bewohner_innen zu befriedigen. Religiöse Deutungen, so Patricia Birman und Márcia Pereira Leite (2000: 277f), bezogen sich in Rio historisch immer auf Sinnstiftungen und Handlungsanweisungen im Rahmen konkreter Alltagsprobleme. Gerade Erfahrungen im Kontext einer seit den 1980er Jahren rapide angestiegenen städtischen Gewalt hätten dazu geführt, dass die Pfingstbewegung eine höhere Plausibilität erhielt und traditionelle religiöse Deutungen an Glaubwürdigkeit verloren.
Nach der vatikanischen Zerschlagung der befreiungstheologischen Basisgemeinden, deren religiöse Programmatik sich von einer an Wunderglauben geprägten Alltagskultur der Favelas entkoppelt hatte und für die Lösung sozialer Probleme eher weltliche Mittel vorsah, zog sich die katholische Kirche in den 1980er Jahren häufig aus Armutsvierteln zurück und war im Alltag der Bewohner_innen nicht mehr verfügbar. Dagegen gewannen die unter ähnlichen Lebensbedingungen wie andere Bewohner_innen mit ihren Familien in den Favelas lebenden Pastor_innen der Pfingstkirchen, die vor ihrer Konversion nicht selten selbst kriminell oder süchtig waren, an Reputation. Pastor_innen, die sich mit der urbanen Gewalt auseinandersetzten, wurde die Macht zugeschrieben, diese mithilfe „der Rituale des Exorzismus und des Wortes Gottes“ (ebd.: 281) besiegen zu können. Bereits in ihrer eigenen Person bezeugen sie den pfingstkirchlichen Diskurs, wonach es eine Konversion ermöglicht, sich mithilfe göttlicher Wunder von den Leiden und Konflikten im Favela-Alltag befreien und ein neues, durch einen „status aparte“ (Oosterbaan 2009a) geprägtes Leben beginnen zu können. Letztlich bieten die Pfingstkirchen ihren Gläubigen bezogen auf soziale und materielle, spirituelle und kulturelle Fragen paradoxe Programmatiken und Praktiken an, die glaubhaft vermitteln, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können, wenn sie ihre Lebensweise Jesus und der Führung einer Kirche unterwerfen.
Pfingstbewegung von Kinshasa nach Rio de Janeiro
Die Migration aus der heutigen Demokratischen Republik Kongo (DRK) in den globalen Norden und in andere afrikanische Länder existiert seit mehreren Jahrzehnten (de Boeck 2007; Garbin 2010). Mit den politischen und ökonomischen Krisen im Zuge des Zerfalls des Mobutu-Regimes und des ersten afrikanischen Weltkriegs von 1997‑2006 nahm sie allerdings erheblich zu (Ngoie Tshibambe & Vwakyanakazi 2009). Zeitgleich haben die EU, die USA und Australien, aber auch Länder wie Südafrika Einreisemöglichkeiten drastisch eingeschränkt und somit ein neues Mobilitätsregime (vgl. Balibar 2003; Hess & Kasparek 2010) mit weitreichenden Folgen für Migrierende errichtet. Da es für Kongoles_innen immer schwieriger wird, „legal“ in den globalen Norden zu migrieren (Heck 2008; 2011), haben sie ihre Migrationsstrategien zu ändern begonnen: Meist machen sie Umwege und durchqueren diverse Länder, bevor sie ihr Zielland erreichen.
Die neuere kongolesische Migration nach Brasilien begann Anfang der 1990er Jahre. Ein relativ generöses Flüchtlingsgesetz von 1997 und die vergleichsweise offene Visapolitik machten Brasilien zu einem attraktiven Transit‑ und Einwanderungsland (Fischel de Andrade & Marcolini 2002). Seit 2003 nahm die Zahl der kongolesischen Asylsuchenden in Brasilien bemerkenswert zu (Petrus Tannuri 2010: 181). Daneben leben dort beachtlich viele nichtdokumentierte Migrant_innen (so genannte visa overstayers) sowie Studierende aus der DRK (Focus Migration 2008). Der Großteil der in Rio Ankommenden plant, wie Pelé, nach Nordamerika oder Europa weiterzureisen. Viele haben bereits Angola und/oder Südafrika durchreist, um nach Brasilien zu gelangen. Die Größe der kongolesischen community in Rio ist statistisch nicht erfasst, Kongoles_innen selbst schätzen sie aufgrund der hohen Fluktuation auf zwischen 200 und 350 Personen.[3]
Wie in anderen Subsahara-Ländern (vgl. Meyer 2004) haben auch in der DRK in den letzten beiden Dekaden pfingst‑ bzw. erweckungschristliche Strömungen rasant zugenommen. Der von den meisten Kirchen benutzte Begriff „Eglises de Réveil“[4], Erweckungskirchen, bezieht sich auf eine radikale Erneuerung der religiösen Landschaft der DRK. Diese „Erweckung“, die gegen Ende der Mobutu-Ära vor dem Hintergrund politischer Instabilität, ökonomischer Krise und eskalierender Gewalt aufkam, hatte nicht nur in religiösen Kreisen einen großen Einfluss. Sukzessive hat die Pfingstbewegung im öffentlichen und insbesondere im urbanen Raum sowie in der Populärkultur an Einfluss gewonnen (Garbin 2010; Pype 2006: 300). Es etablierten sich neuartige religiöse Musik, Film‑ und Theaterproduktionen sowie Radio‑ und Fernsehsender. In ihrer Studie über erweckungschristlichen Tanz in Kinshasa zeigt die Anthropologin Katrien Pype, wie sich mit dem Anwachsen der Pfingstbewegung ein „charismatischer Habitus“ (Coleman 2000: 63) etabliert hat. Hunderte „weltlicher“ Musikbands und Theatergruppen konvertierten zu pfingstkirchlichen Ausdrucksweisen ihrer Kunst (Pype 2006). Auch traditionelle Vorstellungen von Verwandtschaftsmodellen, von Moral und Solidarität haben sich dabei verändert (de Boeck & Honwana 2005: 1f). In den vergangenen Jahren hat sich im Zuge der Migration auch in den westlichen Metropolen und in den asiatischen, lateinamerikanischen oder afrikanischen Städten, die häufig als Etappen auf den Migrationsrouten dienen, ein weitverzweigtes diasporisches Netzwerk kongolesischer Pfingstgemeinden entwickelt.
Verortungen und Verflechtungen zwischen Pfingstgemeinden und Favela
Die räumliche Verortung und die Beziehungen der religiösen Gemeinden zu ihrem urbanen Kontext sind sowohl an die Ressourcen im Sinne eines ökonomischen, sozialen und symbolischen Kapitals gekoppelt, über das Gründer_innen und Gläubige verfügen, als auch an die Funktionen und Bedeutungen der Gemeinden im städtischen Alltag. Mithilfe von einigen Beispielen wollen wir im Folgenden unterschiedliche Art und Weisen nachvollziehen, wie sich in Rio die Pfingstkirchen auf den sozialen Raum der Favela beziehen:
Der bereits hier eingeführte Isaac, der sich selbst zum Pastor ermächtigt hat, mietete einen kleinen Laden-Raum an seinem Wohnort und eröffnete, zunächst getragen von einigen Verwandten, die er gleich zu Beginn missioniert und getauft hatte, seine Kirche dort, wo er Gläubige in seinem alten sozialen Umfeld rekrutieren konnte. Glaubhaft konnte er Verwandten und einigen Nachbarn seine Wiedergeburt vermitteln, und dieses „Wunder“, das Jesus an seiner vermeintlich gescheiterten Persönlichkeit vollbracht habe, offensiv für seine Missionierungsbemühungen nutzen. Als autodidaktisch gelernter Pastor führt auch Sergio gemeinsam mit seiner Frau Marcia eine autonome Kirchengemeinde, die sie als Mitglied der Assembléia de Deus ausgeben. Die Möglichkeit zu ihrer Gründung hatte sich ergeben, als ein befreundeter Pastor seine Gemeinde mangels Erfolg aufgab und ihnen seine Kirche – ein mit Plastikstühlen und Altar möbliertes Erdgeschoss eines irregulär gebauten Wohnhauses – vermachte, wo sie ihre eigene Gemeinde gründen konnten. Obwohl sie sich erst im Zuge dieser Option und völlig autonom zum Pastor und zur Missionarin ermächtigt und davor keine Beziehungen zu dieser Favela unterhalten hatten, gelang es ihnen in einem hochgradig kompetitiven Umfeld – in der gleichen Straße existieren vier weitere Pfingstkirchen – eine ausreichende Anziehungskraft auf Gläubige zu entwickeln, um mit ihnen eine neue Gemeinde aufzubauen, die heute etwa 30 Mitglieder hat. Im biografischen Weg, den sie bis dahin zurücklegten, spiegelt sich das typische Geschlechterverhältnis innerhalb der Pfingstbewegung: Zehn Jahre, so erzählt Marcia, habe sie beten müssen, bis ihr Ehemann Sergio endlich zu Jesus gefunden habe. Oft habe sie nicht mehr gewusst, wie sie ihre sechs gemeinsamen Kinder durchbringen sollte, wenn Sergio betrunken ihre knappen Einkünfte verprasst hatte. Sie selbst war 19, bereits zweifache Mutter und „müde vom ganzen Chaos“, als sie sich von den wöchentlichen Funkparties abwandte, bei denen sie als Tänzerin Geld verdient hatte, sich in einer Pfingstkirche taufen ließ und ihr Leben neu erfand. Obwohl sie mit der Motivation, ihre Familie zu retten, die treibende Kraft hinter Sergios Konversion war, übernimmt schließlich er die Pastorenrolle, während sie nur die untergeordnete Position der „Missionarin“ erfüllt. Beide bezeichnen diese hierarchische geschlechtliche Rollenteilung als „gottgewollt“.
Ohne materielle Mittel und völlig autonom gewagt, konnten die Kirchengründungen von Isaac und von Marcia und Sergio nur glücken, indem sie all ihre Optionen ausschöpften, um selbst Ressourcen zu produzieren. Eine solche Handlungspraxis stimmt mit den historisch dominanten Lebensweisen der Favela überein. Um das Leben in Situationen des Mangels, der Prekarität und der erzwungenen Selbstregierung jenseits der bürgerlichen Gesellschaft, welche die urbane Konstellation der Favela historisch charakterisiert, managen zu können, war ein Großteil der Bewohner_innen stets auf eine permanente Improvisation und auf die Verknüpfung aller verfügbaren Netzwerke – im Haushalt, im sozialen Alltag, im „Geschäft“ – angewiesen. Diese informelle Lebensweise, die in urbanen Räumen ohne ausreichende Ressourcen mit allen verfügbaren Mitteln danach strebt, selbst Ressourcen zu generieren (Simone 2004), überträgt sich auf den Charakter einer dort gegründeten Kirche: Mit dem self-made urbanism der Favela korrespondiert die self made religion des lokalen Pentekostalismus.
Um eine Kirche gründen zu können, wird jedes verfügbare Angebot genutzt: Sie wird provisorisch in irregulären Gebäuden eingerichtet und in Selbsthilfe mit einfachsten Mitteln ausgestattet; die Pastorenprofession wird autodidaktisch gelernt, Gläubige werden aus Verwandten und Bekannten rekrutiert. Oft wird die Zugehörigkeit der eigenen Gemeinde zu einer berühmten Mutterkirche behauptet, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, ohne sie dort registrieren zu lassen. Viele Kirchen, auch die beiden hier verhandelten, sind auch ökonomische Unternehmungen. Als Mini-Entrepreneurs versuchen die Pastor_innen, ihren Lebensunterhalt mit dem Kirchenzehnten der Gläubigen zu erwirtschaften, dessen biblische Pflicht sie diesen immer wieder nahelegen. Dies reicht allerdings nur selten zum Leben und muss mit allen möglichen Jobs kombiniert werden. Solange die religiöse Performanz des Pastors seine Gläubigen überzeugt, gilt eine solche Verschmelzung von Religion und Ökonomie keineswegs als anstößig, gerade insofern das konsequente Nutzen aller Einkommensmöglichkeiten konstitutiver Bestandteil der informellen Lebensweise darstellt.
Unser dritter Protagonist, Paulo, ging hingegen den offiziellen Weg. Nach der regulären Ausbildung zum Pastor schickte ihn seine der offiziellen Assembléia de Deus angehörende Gemeinde mit dem Auftrag, eine neue Gemeinde zu gründen, dorthin, wo er schon vor seiner „Wiedergeburt“ agiert hatte – und zwar als Chef der lokalen Drogengang, die die Favela bezogen auf alle Aspekte des Regierens territorial beherrschte (vgl. dazu Lanz 2012). Unterstützt von seiner pfingstgläubigen Mutter hatte Paulo den Weg in die Kirche nach einem Gefängnisaufenthalt gefunden und konnte so diese fast alternativlose Ausstiegsmöglichkeit aus dem Gangsterdasein nutzen. Während die meisten Mitglieder seiner früheren Gang heute tot sind, ist er als Pastor äußerst erfolgreich. Die Muttergemeinde beauftragte ihn mit der Gründung einer Gemeinde unter dem Kalkül, dass er gerade im ärmsten, von der Ökonomie und Kultur der Gang dominierten Teil der Favela seine Autorität als früherer Drogenboss in einen missionarischen Erfolg übersetzen könnte.
Hier ist das generelle Verhältnis zwischen Pfingstbewegung und Drogengangs von Bedeutung: Die Anthropologin Alba Zaluar (1998) hat darauf hingewiesen, dass sich die Attraktivität der Pfingstkirchen in der Favela u.a. daraus speist, dass ihre religiöse Programmatik auf dem Erweckungserlebnis einer reinigenden Katharsis beruht, scharf zwischen Gut und Böse trennt und so für die in ein unauflösbares Geflecht aus Korruption und Gewalt verwickelten Bewohner_innen den Weg einer legitimen Ordnung weist. Eine zentrale Bedeutung kommt hier der Notion und dem Ethos des „Krieges“ zu (Alvito 2001), der in der Favela sowohl als staatlicher „Krieg gegen die Drogen“ wie als „spiritueller Krieg“ der Pfingstbewegung im Sinne eines kosmischen Kampfes zwischen Gut und Böse existiert (Birman 2011: 191; Vital da Cunha 2009).
Die Attraktivität und der „Krieg“ der Pfingstkirchen gegen das „Böse“ erschließen sich im Rahmen des hegemonialen Diskurses der offiziellen Stadt, der Favela und urbane Gewalt kausal aneinander koppelt. Dazu kommen die Erfahrungen der Bewohner_innen mit der realen Gewalt des Drogenkomplexes, die neben den Gangs von brutalen Polizeieinheiten ausgeübt wird (Lanz 2012). Der Pfingstbewegung gelang es, diese „Bilder und Narrative der urbanen Gewalt zu adoptieren und die Dichotomie zwischen dem Guten versus dem Bösen in den pfingstkirchlichen Dualismus zwischen Gott und dem Teufel zu transformieren“ (Oosterbaan 2005: 361). In dieser Vorstellung kann erst einer vollständig zur Pfingstbewegung konvertierten Favela das im Drogenkomplex symbolisierte Böse ausgetrieben werden, das die Bewohner_innen seit Jahrzehnten unterdrückt: Ein zum Pastor konvertierter Drogenboss wie Paulo symbolisiert daher par excellence die reale Chance einer zukünftig zur Stadt Gottes transformierten Favela.
Als charismatischer Pastor ist Paulo so erfolgreich, dass er seine Gemeinde vom Hügel herab an die Hauptstraße verlagern konnte, die seine Favela von einem Wohnviertel der Mittelklasse trennt. Er nutzte dort ein offiziell errichtetes Gewerbegebäude in seine Kirche um. Der Umzug und der nun formelle Charakter seiner Kirche verschafften der Gemeinde, der heute über 200 getaufte Gläubige angehören, neuartige Wachstums‑ und Prosperitätschancen. Denn nun gelingt es, auch einkommensstarke Bewohner_innen der offiziellen Stadt, die niemals die alte Kirche im Gang-Territorium betreten hätten, zu missionieren und zu Spenden zu bewegen.
„Wir sind von zu Hause vor einem Krieg geflohen und kommen hier in Rio an und finden uns wieder in einem Krieg: hier in den Vierteln, in den Favelas, in denen wir leben – es ist ein anderer Krieg, ein Krieg zwischen den Drogenhändlern und der Polizei.“
So beschreibt der kongolesische Jugendliche Adam das Leben in den Favelas der Nordzone von Rio, in denen ein Großteil der kongolesischen Migrant_innen wohnt. Adam ist 2009 im Rahmen einer Familienzusammenführung zusammen mit einem Bruder und zwei Schwestern aus Kinshasa in Rio angekommen. Kurz nach ihrer Ankunft nahm sein Vater, obwohl selbst zu dieser Zeit praktizierender Muslim, seine beiden Söhne mit zur Assembléa de Deus und stellte sie ihrem Pastor vor.
„Ich kannte Pastor François, und ich wusste, sie haben eine Musikband in der Kirche. Peter und Adam machen seit ihrer Kindheit Musik in der Kirche. Es ist schwer für uns Afrikaner, hier unser Leben zu bestreiten. Und dann sind rund um uns überall die Drogenhändler, die Geld machen. Für die Jugendlichen könnte dies eine zu große Verführung sein. Zu wissen, dass sie sich im Umfeld der Kirche aufhalten, gab mir etwas Sicherheit [...]“, erklärt Jean-Luc auf die Frage hin, warum er als gläubiger Muslim seine Kinder in eine christliche Erweckungsgemeinde schickt.
François, selbst kongolesischer Immigrant, lebte schon mehrere Jahre in Rio und verdiente seinen Lebensunterhalt, indem er Flüchtlinge aus der DRK in Brasilianisch unterrichtete, als ihn ein kongolesischer Transitmigrant und Pastor von seiner Vision überzeugte, eine afrikanische Kirche ins Leben zu rufen. Sie gründeten gemeinsam im Jahr 2007 die erste kongolesische Erweckungsgemeinde in einer Favela und François avancierte so zum Pastor. Aufgrund interner Differenzen fiel die Kirche schon ein Jahr später auseinander, François’ Kollege verlies Rio und migrierte weiter.
Obwohl der Großteil der Gemeindemitglieder in der benachbarten Favela lebt und dort akzeptiert ist, wurden Kirchgänger_innen, die aus anderen Vierteln den Gottesdienst besuchten, als „Fremde“ bedroht. Da die in den Favelas herrschenden Drogengangs Personen, die sie nicht kennen, als potenzielle Verräter betrachten, können Fremde eine Favela nicht einfach betreten. Mehr als die Gangs fürchteten Gemeindemitglieder, wie der jüngere Bernard jedoch die Polizei: „Mit den Dealern haben wir keine Probleme, wir kennen sie, sie kennen uns, wir lassen uns einfach gegenseitig in Ruhe. Um ehrlich zu sein, die Polizei ist wesentlich gefährlicher hier.“ Daher entschloss sich Pastor Francois, als er 2008 offiziell der Assembléia de Deus in Rio beitrat und mit deren Unterstützung die Kirche wieder eröffnete, aus der Favela in einem angrenzenden Stadtteil umzuziehen. Für viele Gläubige verkörpert die Kirche somit in zweierlei Hinsicht einen sicheren Ort: einen räumlichen Ort „außerhalb der Favela“ und damit zu jeder Zeit leicht erreichbar, sowie einen Ort, der ihren Kindern eine psychologische Stärke und ein Lebensmodell bietet, das sie von Drogenhandel, Alkohol oder Drogenmissbrauch fernhalten könnte.
Sowohl bei den brasilianischen als auch bei den kongolesischen Gemeinden sind also die verschiedenen Strategien zur Etablierung einer Kirche sowie deren sozialräumliche Verortung innerhalb der Stadt an den sozialen Status und die ökonomische Situation der Pastor_innen und der Gemeindemitglieder gekoppelt. Zugleich gibt es in der Bezugnahme auf das urbane Umfeld klare Unterschiede zwischen einheimischen und Migranten-Gemeinden. Dies offenbart beispielhaft ihr Verhältnis zu der die Favela dominierenden Drogenökonomie: Zwar positionieren sich brasilianische wie kongolesische Kirchengemeinden explizit gegen den Drogenkomplex, aber ihr öffentlichen Umgang damit unterscheidet sich fundamental. Während brasilianische Gemeinden die öffentliche Predigt gegen den Drogenhandel für ihre Evangelisierungsstrategie nutzen, die Drogenhändler explizit zu missionieren versuchen und sich häufig auch politisch in ihrem Stadtteil engagieren, interveniert die afrikanische Assembléia de Deus öffentlich nicht in ihrer urbanen Umgebung. Sie hat keinerlei offiziellen Kontakte zu anderen sozialen und politischen Organisationen in der Favela oder im Stadtteil und zielt weder darauf, die Drogenökonomie zu bekämpfen, noch darauf, die darin Involvierten zu erretten. Als „migrantische Kirche“ und in Anbetracht der oft nur transitorischen Aufenthalte ihrer Mitglieder in Rio, versucht sie außerhalb der sozialen Strukturen der Favela zu bleiben. Dies wird auch durch ihre räumliche Verortung symbolisiert, die zwar an die Favela angrenzt aber deutlich erkennbar außerhalb von ihr liegt.
Musik und Alltagskultur: Die Anschmiegsamkeit der Pfingstbewegung
Neben der informellen Lebensweise, die sowohl das Leben in der Favela als auch jenes in der irregulären Migrationssituation prägt, interagiert die Dynamik der Pfingstbewegung auch mit den Alltagskulturen der vorgefundenen urbanen Kontexte – sei es in Rio, Kinshasa, Luanda. Wie wir im Folgenden an einigen Beispielen zeigen, offenbart sich in der Art und Weise, wie ihre religiösen Programmatiken mit weltlichen urbanen Alltagskulturen interagieren, die Fähigkeit der Pfingstbewegung, sich auf globaler Ebene flexibel an lokale Kontexte und Praktiken anzuschmiegen, sie aufzugreifen, zu sakralisieren und sich nutzbar zu machen.
In der Favela lässt sich beobachten, dass sich die Pfingstbewegung zunächst an einige dort vorherrschende Gebräuche adaptieren musste, bevor sie erfolgreich sein konnte. Zugleich bedeutet die Abkehr vom bisherigen Lebensstil, welche die religiöse „Wiedergeburt“ charakterisiert, immer auch den Bruch mit solchen Alltagskulturen. Dieser von Konvertiten zu vollziehende Bruch, so betonen unsere brasilianischen Interviewpartner_innen, sei in den 1990er Jahren viel härter gewesen als heute. Zwar ist es ihnen als Pfingstgläubige noch heute nicht erlaubt, Alkohol, Tabak oder Drogen zu konsumieren, außerehelichen Sex zu praktizieren oder generell weltliche Vergnügungen zu goutieren. Bezogen auf die körperliche Präsenz der Gläubigen im öffentlichen Raum haben sich die meisten Kirchen jedoch an die Bräuche in der Favela angepasst: Die früher zwingende festliche Kleidung bei Kirchenbesuchen und die Verhüllung des Körpers der Gläubigen durch förmliche Anzüge (bei Männern) oder hochgeschlossene Kleider (bei Frauen) ist heute meist der üblichen Alltagskleidung der Bermuda-Shorts, kurzen Röcken, ärmellosen Blusen und Badeschlappen gewichen.
Dagegen symbolisiert die Abkehr von den allgegenwärtigen Musik‑ und Vergnügungskulturen der Favela nach wie vor die Härte und Seriosität einer religiösen Konversion. Stets betonen Konvertierte wie Paulo, Isaac oder Marcia, dass sie früher Sambistas oder Funkeiros gewesen seien, sei es als Musiker, DJ oder Tänzerin, als Mitglied der Sambaschule, als Funkpartyfan oder Karnevalsgänger_in. In der Favela spielt die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Musikstil und seiner Subkultur eine zentrale Rolle für die soziale Identität der Bewohner_innen. Dies gilt vor allem für den Samba und seine escolas als Orte des Karnevals und für den Carioca-Funk, der seit drei Jahrzehnten die jugendlichen Subkulturen der Favela dominiert. Seiner wöchentlichen bailes, deren grandiose Lautstärke eine Favela zu einem einzigen sonic space zusammenzieht und noch über sie hinaus strahlt, haben sich die Drogengangs bemächtigt, nicht zuletzt um ihre territoriale Herrschaft symbolisch zu markieren (vgl. Lanz 2013; Oosterbaan 2009b). So war Paulo vor seinem Aufstieg zum lokalen Drogenboss Musiker in der Sambaschule und mochte den elektronischen, ordinären und basslastigen Carioca-Funk nicht. Zur Funktion des Drogenbosses gehörte aber dann die Verantwortung für die wöchentliche Ausrichtung der Funkparties. Dominiert von pornographischen, die Drogengang verherrlichenden Lyrics, durchdrungen von exzessivem Drogenkonsum, einer Zurschaustellung der waffenstarrenden gang culture und einer sexualisierten Atmosphäre symbolisieren diese für pfingstbewegte Gläubige mehr als alles andere das „Wirken des Teufels“ in der Favela. Als Pfingstgläubiger schließlich musste Paulo nicht nur dem Drogengeschäft und dem Funk, sondern auch dem ebenfalls als sündig geltenden Samba abschwören.
Musik spielt auch in den meisten Pfingstkirchen eine zentrale Rolle. Es gibt kaum Gemeinden, und seien sie noch so klein, die keine eigene Band haben. Dabei sind weltliche und religiöse Sounds scharf voneinander getrennt. Die Gläubigen der brasilianischen Assembléia de Deus sollen keine weltliche, vermeintlich zum Sündigen verführende Musik hören. Besonders scharf ist die Abgrenzung gegenüber Musikstilen, die mit Afrika verbunden werden. Selbst afrikanische (Schlag‑)Instrumente durften in den Kirchen nie genutzt werden. Dies hängt damit zusammen, dass die Pfingstkirchen die afro-synkretistischen Religionen, die in der Favela historisch eine bedeutende Rolle gespielt haben, als vermeintliche Götzenanbetung mehr als alles andere dämonisiert und mit allen Mitteln aus den Favelas zu vertreiben versucht haben. Diese Feindschaft betrifft auch den afrobrasilianischen Samba.
Die engen, hochgradig verdichteten, fragil gebastelten und durch fließende Innen-Außen-Übergänge geprägten Räume der Favela generieren spezifische soundscapes. Die verschiedenen Musikstile dringen aus den offenen Häusern auf die Straßen und Winkel, sie überlagern sich, konkurrieren miteinander und verhandeln die an die Sounds gekoppelten sozialen Grenzen: zwischen Funkeiros und Sambistas, zwischen dem Weltlichen und dem Religiösen. Der Wettkampf der Kirchen um Sichtbarkeit, um Gläubige und um ihre Bedeutung im sozialen Gefüge wird nicht unwesentlich mithilfe der elektronisch verstärkten Sounds der Gospelsongs und Predigten geführt. Die Türen der Kirchen sind bei Gottesdiensten immer geöffnet, viele übertragen die Darbietungen ihrer Bands per Lautsprecher auf die Straßen. Die am dichtesten von Kirchen gesäumten Straßen transformieren sich so an Sonntagen und an Abenden in religiöse sonic spaces, in denen, elektronisch verstärkt und verzerrt, Rhythmen und Gesänge, Predigtgeschrei und Zungenreden miteinander konkurrieren und ineinander fließen. Hier ist unmittelbar körperlich zu erfahren, dass das „urbane Charisma“ pfingstkirchlicher Prediger nicht zuletzt ihrer Fähigkeit folgt, translokale Gospelsounds mithilfe elektro-akustischer Technologie in den urbanen Raum zu übermitteln (Oosterbaan 2009b).
Mit der zunehmenden Präsenz der Pfingstgemeinden im sozialen Raum der Favela sind allerdings die scharfen Grenzen zwischen weltlichen und religiösen Musikstilen in Bewegung geraten. Hier erweist sich die hohe Anpassungsfähigkeit der Pfingstbewegung an die sozialen Kontexte, in denen sie agiert. Die pauschale Abgrenzung von allem Weltlichen weicht im Zuge der Konkurrenz zwischen den unzählbaren Kirchen zunehmend einer geschmeidigen Fähigkeit, sich weltliche kulturelle Formen einzuverleiben, die früher als inkompatibel mit der Pfingstbewegung galten. So existieren heute Samba-Gospel, Funk-Gospel, Gospel-Tanzpartys oder gar religiöse Karnevalsformationen (Oosterbaan 2014). Der Spirituelle Krieg fokussiert hier nicht mehr auf kulturelle Stile als Ganze sondern verlagert sich in das Innere dieser Stile und versucht sie von allem Weltlichen zu reinigen – so wird beispielweise der Funk von Drogen, Gangs und Sex entkoppelt, mit christlichen Lyrics gefüllt und in Gottesdiensten und alkoholfreien Nachmittagspartys als Gospel-Funk aufgeführt. Gerade die Fragilität solcher Grenzziehungen, so argumentiert Martijn Oosterbaan (2009a: 69f), macht die Pfingstbewegung so anziehend. Die Unterscheidungsmacht zwischen Gut und Böse, Göttlich und Weltlich werde von den Kirchen zunehmend in die Hände der Gläubigen verlagert:
„Insofern eine [religiöse] Purifizierung nie ein für alle Mal erreicht werden kann, erfordert dies eine kontinuierliche Evaluation und Bestätigung des eigenen Platzes gegenüber der Welt und dem Anderen. Es ist ein reflexives Projekt geworden, zwischen Gut und Böse in allen Situationen zu entscheiden und angemessen zu handeln zu versuchen.“ (ebd.)
Auf den ersten Blick sieht die Assembléia de Deus em Bras de Pina aus wie eine der unzähligen kleinen Pfingstkirchen in Rio: ein unauffälliges einstöckiges Haus. Von außen sind die einzig wahrnehmbaren Unterschiede zu den brasilianischen Kirchen die andere Sprache und vor allem der Musikstil, der während des Gottesdienstes auf die Straße schallt. Die kongolesische und angolanische Musik, das Tanzen sowie die besondere Art des Gottesdienstes, in der die Kirchgänger_innen eine tiefe Verbindung mit Gott verspüren, haben viele der afrikanischen Gläubigen in Rio als Hauptgrund genannt, die église africaine, wie sie von ihren Besucher_innen genannt wird, zu besuchen. Singen und Tanzen sind integrale Bestandteile des Gottesdienstes auch kongolesischer Pfingstkirchen (vgl. Pype 2006; Simon 2003). Die Musik ermöglicht es, die göttliche Macht und Energie zu erfahren, wie Leandro, einer der Kirchenmusiker erklärt. Wie in den brasilianischen Kirchen gilt auch hier, dass religiöse Musik für die Gläubigen fundamental ist, da sie in Abgrenzung zu weltlicher Musik zur Selbstbestätigung der religiösen Identität dient (vgl. Oosterbaan 2006: 57). Dennoch haben sich Musiker_innen der kongolesischen Pfingstbewegung, anders als in der brasilianischen, schon früh weltlicher Musikstile bedient. Die erweckungschristliche Musik Kongos hat sich unter dem Einfluss kongolesischer Rumba entwickelt und sie gründet häufig auf den gleichen musikalischen und strukturellen Elementen (White 2002: 666). Auch findet man die Tam Tam, die kongolesische Trommel in vielen Kirchen. Die musikalische Durchkreuzung von christlichen mit säkularen (und teilweise mit traditionellen) Musik‑ und Tanzstilen entwickelte sich bereits in den frühen 1990er Jahren. Um neue Gläubige zu gewinnen, bezogen sich pfingstgemeinschaftliche Prediger_innen auf die erfolgreiche Populärkultur im damaligen Zaire. So hielten auch weltliche Tänze wie ndombolo Einzug in den religiösen Raum (Pype 2006).
Besonders im Alltag kongolesischer Gläubiger existiert – anders als bei den brasilianischen Gemeinden – häufig keine strikte Grenzziehung zwischen religiöser und weltlicher Musik. So erklärt Pelé, dass er zwar Gospel singe, aber auch weltliche Musik höre:
„Ich singe Gospelmusik, weil ich weiß, woher ich komme. Ich bin Christ, und ich sehe nichts, was gut für mich wäre, wenn ich nicht für Gott singen würde. Aber ich würde niemals jemand verurteilen, der einen anderen Weg des Singens wählt. [...] Ich selbst höre auch andere Musik. Musik ist für uns alle. Es gibt nicht eine Tür für den Gospel und eine für die weltliche Musik, es ist alles dasselbe. Der Unterschied kommt, wenn wir die Nachricht übersetzen. Wenn ich singe, dann um Gott zu loben [...]“.
Gemeinsam ist den brasilianischen und den kongolesischen Pfingstgemeinden hingegen, dass religiöses und weltliches Handeln komplex ineinander verwoben ist. In der kongolesischen Kirche bezieht sich dies aber vor allem auf die prekäre Situation der Migration. Die église africaine scheint hier eine Doppelfunktion zu haben: einerseits als spiritueller Ort für Gottesdienste, anderseits als eine Art afrikanisches Kulturzentrum. Die Möglichkeiten, die community zu treffen, in Lingala zu kommunizieren, über kongolesische und angolanische Politik zu debattieren und „afrikanische Kultur“ zu genießen, waren für viele Gläubige Gründe, zumindest einmal pro Woche aus verschiedenen Stadtvierteln nach Bras de Pina zum Gottesdienst zu kommen. Zudem finden Neuankommende hier Kontakte zu Landsleuten. Daneben ist die Kirche der Ort für das Feiern von Geburtstagen, Hochzeiten und anderen Festivitäten der community. Und so besuchen nicht nur bekennende Erweckungsgläubige die Kirche sondern auch katholische und protestantische Migrant_innen, die sich von der („afrikanischen“) Spiritualität und Musik angezogen fühlen. Für Jüngere ist die Kirche ein Rückzugsort, an dem sie sich zu Hause fühlen, wie Adam betonte: „Für mich ist die Kirche wie das Zusammenkommen der Familie. Hier ist es, wo wir unsere Kultur wiederfinden, unsere communauté fraternelle (in Deutsch: brüderliche Gemeinschaft), das ist die Kirche für mich, meine zweite Familie.“
Unsere Forschung in Bras de Pina offenbarte eine weitere Dimension der Verschränkung zwischen Religion und Musik, die in brasilianischen und kongolesischen Pfingstgemeinden zu finden ist, sich in beiden jedoch zumindest teilweise unterschiedlich ausprägt. Vier Mitglieder der siebenköpfigen Kirchenband RDCongo Elembo träumten von einer Karriere als professionelle Musiker_innen. „Eines Tages werde ich meine eigene CD veröffentlichen“, hofft Nicole, die einzige weibliche Sängerin der Band. Die 27-jährige war vier Jahre zuvor in Rio angekommen und lebte mit ihrem Mann, ebenso Sänger in der Band, und ihrem gemeinsamen Sohn zusammen. Wie viele afrikanische Migrantinnen arbeitete sie bei einem der Afrofriseure in der Innenstadt. In Kinshasa geboren, emigrierte sie wie Pelé mit ihren Eltern im Jugendalter nach Luanda. Dort hatte sie ein Studium der Ökonomie begonnen und wieder abgebrochen. Rio war für sie eine Zwischenstation auf der ersehnten Reise nach Frankreich, wo sie Familie und Freunde hatte. Auch sie sang seit ihrer frühen Jugend in evangelikalen Gemeinden und hoffte auf eine Karriere als professionelle Sängerin.
Die Kirche bot den Musiker_innen die Möglichkeit zu Probe, Praxis und Auftritten. Zudem wurden ihre Talente geschätzt, da Musik als integraler Bestandteil spiritueller Erlösung gilt. Fast jedes Wochenende spielte die Band in einer anderen Kirche, manchmal auch an weltlichen Orten wie einem Kulturzentrum im Vergnügungsquartier Lapa oder einem Theater im Upperclass-Viertel Leblon. Als nächsten Karriereschritt visierte die Band die Produktion ihres ersten Albums an. In Brasilien gibt es seit den 1990er Jahren einen beachtlichen Markt für evangelikale Musik und zahlreiche religiöse Labels (Aubree 1996; Chesnut 1997; Oosterbaan 2006). Zudem sind evangelikale Radio-Stationen heute ebenso populär wie ihre weltlichen Counterparts. Mittlerweile existiert eine große Anzahl pfingstchristlicher Hip-Hop‑, Rock‑ oder Funkbands. Auch brasilianische Pfingstkirchen-Musiker_innen fokussieren diesen Markt mit Blick auf mögliche Optionen für eine professionelle Karriere. Die besondere Mischung aus kongolesischen/afrikanischen und brasilianischen Musik‑ und Tanzstilen sowie der Bandbreite an Sprachen ihrer Liedtexte – Französisch, Lingala, Swahili und Portugiesisch – verleiht den kongolesischen Kirchenmusiker_innen hier jedoch ein Alleinstellungsmerkmal, das sich in der Konkurrenz mit einheimischen Bands einsetzen lässt. Dabei versuchen sich die kongolesischen Kirchenbands nicht nur mit der Vorstellung, sich professionell weiter zu entwickeln, in Rios religiöser (und nicht-religiöser) Musikszene zu etablieren, sondern auch mit dem Ziel, als afrikanische Immigrant_innen in der brasilianischen Gesellschaft Anerkennung zu gewinnen. Ihre Gemeinde wiederum hofft, durch die Förderung der Konzerte ihr Prestige innerhalb Rios Pfingstbewegung stärken zu können.
Die professionellen Ambitionen der kongolesischen Musiker_innen sind nur bis zu einem bestimmten Grad an die Band und an Rio gekoppelt. Obwohl etwa Nicole und Pelé die spezifischen Möglichkeiten gerade von Rio für ihre musikalische Karriere betonten, ergab sich daraus kein Grund zu bleiben. Einige der Musiker_innen waren auf der Suche nach Optionen für ihre Weiterreise. Da alle bereits vor ihrer Ankunft in Rio in Kirchen musiziert hatten, waren sie sicher, auch in ihrem zukünftigen Zielort eine neue Kirche mit einer Band zu finden. Galia Sabar und Shlomit Kanari (2006) haben am Beispiel pfingstbewegter afrikanischer Musiker_innen in Israel gezeigt, dass einige von ihnen zu bekannten Sänger_innen in den globalen afrikanischen Diaspora-communities avancieren konnten. Neben der Weltmusik hat religiöse afrikanische Musik in der vergangenen Dekade auch auf globaler Ebene eine enorme Popularität als kommerzielles Genre gewonnen (Devine 2011: 11). Der transnationale Markt für Musik, Literatur oder Videos, die in den globalen erweckungschristlichen Netzwerken zirkulieren, ermöglicht es, nicht nur auf einen spezifischen Ort angewiesen zu sein.
„Ich bin ein Mann Gottes. Und an jedem Ort, auf den ich meinen Fuß setze, fühle ich mich wohl. Ich fühle mich frei, weil die Bibel sagt, überall, wo du stehst, das gehört zu dir. Dieser Satz hat mich gestärkt im Kern meines Glaubens“, erwidert Pelé auf die Frage, was Religion für ihn bedeutet.
Unabhängig davon, ob sein Asylantrag positiv oder negativ beschieden wird, legitimiert er seinen Aufenthalt in Brasilien direkt aus der Bibel. Auch versichert ihm dies, dass er auf jeder Migrationsetappe einen Weg finden wird, um mit schwierigen Situationen und einer neuen Umgebung umzugehen, nicht zuletzt weil die Pfingstgemeinden dafür psychologische Unterstützung anbieten (Sabar 2007). Auch hier wird deutlich, wie religiöse Praxis und alltägliche Lebensumstände ineinander greifen. Darüber hinaus bietet die kosmopolitische Philosophie der Pfingstbewegung die Grundlage für ein Zugehörigkeitsgefühl der Gläubigen zu einer globalen christlichen „imagined community“ (Anderson 2005). Dieses Zugehörigkeitsgefühl, das sich einer globalen Hierarchie und ihren restriktiven Grenzkontrollen nicht unterordnet, kann auch als neue spirituelle Form einer kosmopolitanen Bürgerschaft gedeutet werden (vgl. Vásquez 2009; Glick Schiller & Çağlar 2006).
Die Kirchengemeinde als transitorischer Raum
Im Gegensatz zu ihren katholischen oder protestantischen Pendants können Pfingstgläubige ohne große Formalität, offizielle Erlaubnis oder ausgebildete Pastor_innen eine Kirche gründen und dies, wenn sie von ihrer weltlichen in eine sakrale Nutzung konvertiert werden, in allen geeignet erscheinenden Räumlichkeiten. Diese informelle, durch Improvisation geprägte Niedrigschwelligkeit korrespondiert, wie wir im Folgenden zeigen, mit der Alltagssituation sowohl der Favela generell als auch der irregulären Transitmigration im Besonderen.
So entstehen in der Migration neue Gemeinden mit neuen Profilen angepasst an den jeweiligen urbanen (nationalen) Kontext. Der permanente Wandel ihrer Form und Funktion im Migrationskontext verleiht ihnen einen transitorischen Charakter. Eine genauere Betrachtung der église africaine macht die Verflechtung von Religion, Diaspora-Netzwerken, transnationaler Mobilität und dem individuellen Streben nach Erfolg sichtbar. In der Gemeinde, die durch die Flüchtigkeit ihrer sich im Transit befindenden Mitglieder gekennzeichnet ist, treffen sich Gläubige, um den Gottesdienst zu feiern. Stets bereiten einige von ihnen ihre weitere Migration vor und hoffen, aus ihren in Rio erworbenen Erfahrungen und Kontakten auf der Weiterreise Nutzen ziehen zu können. Das Wissen (oder manchmal die bloße Hoffnung), auch auf ihrer nächsten Station eine (kongolesische) Erweckungskirche zu finden, gibt ihnen das für den Aufbruch nötige Vertrauen. Die Kirche selbst wird so zu einem transitorischen, fast fragilen Ort, der vom Kommen und Gehen der Gläubigen geprägt ist. Sie ist Teil eines lose verknüpften globalen Netzwerkes kongolesischer und angolanischer Pfingstgläubiger. Die temporäre Präsenz von Durchreisenden verbunden mit den in Rio bleibenden Gläubigen ermöglicht es, transnationale und lokale Kontakte zu knüpfen, die auch die Situation der Gemeindemitglieder vor Ort beeinflussen. Ankommende können auf Hilfestellung bei Job‑ und Wohnungssuche hoffen, gleichzeitig eröffnen sich neue Kontakte für mögliche Ziele der weiteren Migration sowie für potenzielle Auswanderer_innen in der afrikanischen Heimat.
Die Grundlage eines solchen Netzwerkes ist eine „capitalizing solidarity“ (MacGaffey & Bazenguissa-Ganga 2000: 15) von (kongolesischen) Mitchrist_innen, die eine Plattform für ein Handeln auf globaler Ebene bieten. In Anlehnung an AbdouMaliq Simone (2001: 15) kann dieses weitverzweigte Netzwerk als „worlding from below“ angesehen werden, als Ausgreifen nach einer weiteren Welt durch Migrationsbewegungen sowie den Austausch von Kommunikation und Waren. Im Rahmen ihres transnationalen Handelns partizipieren kongolesische Erweckungschrist_innen an der permanenten Produktion einer Stadt, verstanden nicht als territoriale Einheit sondern als global vernetzte Assemblage aus politischen, sozialen, religiösen etc. Praktiken, Räumen, Symbolen und Materialitäten (vgl. Lanz 2014). Ähnliche Muster können wir in Simones (2008; 2010) Beschreibungen über transnationale Netzwerke muslimisch-afrikanischer Migrant_innen in Europa finden. Der Islam bietet für deren Bewegungen einen Rahmen, innerhalb dessen sie sich im Herkunfts‑ und im Einwanderungskontext etablieren können, indem sie die im globalen Norden erworbenen Ressourcen nutzen, um Bedingungen im Herkunftsort zu ändern. Religion ist hier der Referenzpunkt, der die Erfahrungen, Initiativen, Handlungen und Deutungen der Gläubigen miteinander verbindet und die Grundlagen für ein transnationales Agieren auch unter Bedingungen von Prekarität, Diskriminierung und Ausgrenzung schafft (Simone 2008).
Insofern sie Teil des von Improvisation und Prekarität geprägten Alltags der Favela sind und zu einem hohen Prozentsatz von Laien ohne formale theologische Bildung gegründet werden, weisen auch die einheimischen Kirchen eine hohe Flüchtigkeit auf. Dies gilt für die Existenz der Gemeinden ebenso wie für ihre Gläubigen. In nur drei Jahren wuchs beispielsweise die Anzahl evangelikaler Kirchen in Isaacs Favela, die schätzungsweise 10.000 Einwohner_innen hat, von 23 (2010) auf 27 (2011), um dann wieder auf 20 (2013) zu schrumpfen. Nur die wenigen offiziellen Filialen der Baptisten, der Igreja Universal de Reino do Deus oder der Assembléia de Deus sind älter als 10 Jahre. Gerade die unternehmerischen Gemeinden hingegen kommen und gehen. Dass in zwei Jahren sieben Kirchen verschwanden, liegt u.a. daran, dass das Terrain, auf dem sie gelegen waren, vom Staat geräumt und mit Sozialwohnungen neu bebaut worden ist. Nur einer ihrer Pastoren verwendete die Entschädigungssumme, die der Staat für den Verlust der Kirche bezahlte, um seine Gemeinde woanders neu zu eröffnen. Die Gläubigen von sechs Gemeinden stehen nun ohne Kirche da oder verteilten sich auf andere, da ihre Pastoren die Entschädigungssummen in anderweitige Unternehmungen investiert haben.
Eine solche, hier ökonomisch motivierte Schließung von Gemeinden durch ihre Pastor_innen ist nur eine der Fluktuationsformen: Viel häufiger wechseln Gläubige ihre religiösen Gemeinden, deren Größe und Zusammensetzung daher stark fluktuiert.
Oft hängt dies mit dem Verhältnis zwischen dem Akt der Konversion und dem folgenden Alltag der Konvertierten zusammen. So konvertierten viele Interviewpartner_innen aus dem Katholizismus zunächst zur Igreja Universal de Reino do Deus (IURD). Diese 1977 in Rio gegründete, heute weltweit agierende Pfingstkirche verkündet einen Prosperity Gospel, also das Versprechen, wonach Gott Glauben und Treue zur Kirche bereits im Diesseits mit einem materiellen Wohlergehen belohne. Auf der einen Seite gründet die IURD mehr als andere Kirchen auf der Verkündung von Wundern, durch die Konvertierte von bösen Kräften befreit würden (Birman 2011). Dieses in Ritualen inszenierte und bezeugte Versprechen scheint den individuellen Akt der Konversion als riesige Kraftanstrengung zu erleichtern. Auf der anderen Seite wird die IURD straff von oben nach unten regiert, die Gründung ihrer lokalen Gemeinden folgt einem strategischen Plan. Die Zentrale bestellt Pastor_innen und tauscht sie regelmäßig aus, kontrolliert alle Aktivitäten der Gemeinden und achtet auf ein möglichst hohes Spendenaufkommen (vgl. Almeida 2009). Eine persönliche Nähe zwischen Pastor_innen und Gläubigen und eine Anschmiegsamkeit an deren spezifische Probleme oder gar die Möglichkeit, als „Glaubensunternehmer“ eine autonome Gemeinde zu gründen und so die ökonomischen Optionen der Pfingstbewegung zu nutzen, bieten nur unternehmerische Kleinkirchen. Diese agieren oft unter dem Dach der stärker netzwerkartig organisierten Assembléia de Deus. Nach der Festigung ihres Glaubens konvertierten daher viele Interviewpartner von der IURD zu solchen Kirchen.
Bezogen auf das Verlassen und das Eintreten in eine Kirche sind auch jahreszeitliche Schwankungen zu beobachten: So berichtete Pastor Isaac, dass am Beginn des Jahres immer auffällig viele Gläubige seine Gemeinde verlassen, weil sie den weltlichen Verlockungen des Karnevals erlägen. Viele kehrten, wenn sie ihr gesamtes Geld verprasst hätten, reumütig zurück. Sie bezeugten ihre Sünden und nähmen einen neuen Anlauf für eine Wiedergeburt. Andere nutzen diese Gelegenheit, um einer anderen Kirche beizutreten, etwa weil deren Verheißungen mehr Sinn in Relation zu ihren Alltagsproblemen machen.
Folgt man dem Gouvernementalitätskonzept von Michel Foucault, sind die Religionsgemeinschaften, seien es jene der Favelakirchen oder jene der Migrant_innen, als Regierungstechnologien zu verstehen, um Programmatiken der Konversion und Erlösung kollektiv umzusetzen und individuell zu verankern (vgl. Marshall 2009). Dafür bieten sie religiöse Rituale und präzise Verhaltensregeln an, mit deren Hilfe sich die Gläubigen selbst regieren sollen. Die Kirchen geben Anweisungen bezogen auf Familienleben, Geschlechterrolle, sexuelle Orientierung, Konsumverhalten oder kulturelle Aktivitäten. Auf diese Weise gerät jede individuelle Konversion zu einer Pfingstgemeinde zu einer Frage des Regierens seiner selbst (vgl. Lanz 2014: 37). Als eine extreme Anstrengung zielt die Konversion im Sinne einer Wiedergeburt darauf, eine neue persönliche Identität zu kreieren. Dies ist oft nicht unmittelbar erfolgreich sondern erzeugt einen Kampf mit sich selbst und seinem sozialen Umfeld.
Vor allem die Permanenz dieses Kampfes begründet den transitorischen und fluktuierenden Charakter der Gemeinden. Auch Pastor_innen, gerade wenn sie nicht in das Gerüst formaler Institutionen eingebettet sind, sind von diesem Kampf betroffen. Pastor Isaac etwa musste seine Gemeinde aufgeben, als er für eine im Rausch begangene Straftat ins Gefängnis wanderte. Zudem geht der Charakter des religiösen Marktes, auf dem viele unterschiedliche Gemeinden miteinander konkurrieren, mit dem permanenten Risiko ihres Scheiterns einher. Das passiert beispielsweise, wenn das Charisma des Pastors oder die religiöse Performanz einer Kirche ihre Gläubigen – etwa im Vergleich mit einer neuen Nachbargemeinde – nicht mehr befriedigt. Gerade insofern die Gemeinden bezogen auf das Ziel vieler Gläubiger und Glaubensunternehmer_innen, ihre spezifischen Lebensbedingungen zu verbessern, bestimmte Funktionen einnehmen, die im Fall sowohl eines Erfolgs als auch eines Scheiterns ihre Bedeutung verlieren, erhalten sie einen transitorischen Charakter.
Für die Migranten-Kirchen gilt dies alles ebenso. Gleichwohl wird deren transitorischer Charakter am stärksten durch die (trans‑)nationale Mobilität ihrer Mitglieder geprägt. Wie groß und stabil eine solche Kirche ist, ist überwiegend von der Fluktuation ihrer Mitglieder im global verzweigten Netzwerk der Gläubigen abhängig. Nicht zuletzt die Verschärfungen der Migrationspolitiken beeinflussen die Intensität ihrer Mobilitätspraktiken. Andersherum ermöglicht es die Mitgliedschaft in einer Gemeinde den Gläubigen aber auch, ein Zugehörigkeitsgefühl zu der Stadt zu entwickeln, in der sie sich wie temporär auch immer aufhalten, und so die eigene Lebenssituation zu stabilisieren.
Religiöses „worlding“ in der Stadt
Bei ihrer Suche nach einer neuen Route durch den postkolonialen Urbanismus, der unter anderem die marxistische Verengung der subaltern studies aufzubrechen in der Lage ist, schlugen Aihwa Ong und Ananya Roy (2011) ein auf Gayatri Spivak zurückgehendes Konzept von „worlding“ als analytischen Rahmen vor, um untersuchen zu können „wie eine urbane Situation zugleich einzigartig heterogen wie irreduzibel global sein kann“ (Ong 2011: 9). Unter worlding verstehen sie heterogene Verräumlichungspraktiken, die aus der Welt in die Stadt kommende Elemente und Handlungsweisen versammeln, in veränderter Form wieder an die Welt abgeben und dabei potenzielle Welten jenseits der urbanen Realität beschwören: „Eine nicht-ideologische Formulierung von worlding als situiertes Alltagshandeln identifiziert ambitionierte Praktiken, die auf kreative Art und Weise alternative soziale Visionen und Konfigurationen – das heißt Welten – imaginieren und gestalten.“ (ebd.: 12)
Aus unserer Perspektive lassen sich mit diesem worlding-Konzept die Dimensionen und Formen, in denen sowohl einheimische Favela‑ als auch kongolesische Migranten-Pfingstkirchen in Rio de Janeiro mit ihrem urbanen Kontext interagieren, analytisch fassen, ohne sie eindimensionalen Erklärungen unterwerfen zu müssen. Bezogen auf solche urban-religiösen Konfigurationen bezieht sich worlding zunächst auf religiös begründete Aspirationen und Imaginationen, die alternative urbane Welten jenseits der real existierenden Stadt zu erschaffen suchen. So gehen individuelle Konversionen zur Pfingstbewegung ebenso wie die Gründung von Pfingstgemeinden in oder am Rand der Favela sowohl bei einheimischen als auch bei zugewanderten Bewohner_innen mit der Imagination eines anderen Lebens in einer andersgearteten Stadt einher: Zum einen die Vorstellung, als „Wiedergeborene“ einen persönlichen Status Aparte jenseits der real existierenden urbanen Probleme und Konflikte der Favela einnehmen zu können, zum anderen die Imagination, die vermeintlich vom Teufel beherrschte Favela in eine Stadt Gottes transformieren zu können. Die kongolesischen und angolanischen Migrant_innen imaginieren die Kirche zudem als Heimat und sicheren Hafen in der Fremde, nicht zuletzt bezogen auf die Gefahren, denen sie sich im Kontext der urbanen Gewalt in den ärmeren Zonen Rios, in die sie als (irreguläre) Migrant_innen verwiesen sind, ausgesetzt sehen.
Zum anderen geht es um das tatsächliche Ausgreifen der urbanen Religion auf die Ebene des Globalen: Dies umfasst hier sowohl die identitäre Zugehörigkeit zur globalen Pfingstbewegung als auch – im Fall der kongolesischen Gemeinden – die Art und Weise, wie sich die religiösen Formen im Zuge der weltweiten Migrationsbewegungen und transitorischen Verortungen ihrer Gläubigen de‑ und reterritorialisieren. Die christliche Pfingstbewegung ist dabei als globale Form zu verstehen, insofern sie über „eine charakteristische Kapazität zu De‑ und Rekontextualisierung, Abstraktion und Bewegung verfügt, die über verschiedene soziale und kulturelle Situationen sowie Lebensweisen hinausreicht“ (Collier & Ong 2005: 11) und in der Lage ist, sich an neue Umgebungen anzupassen und sehr unterschiedliche Kontexte zu kodieren. Ihre transnationale Mobilität findet in gesellschaftlichen Räumen statt, welche von Migrant_innen, die sich in mehr als nur einem Ort verankern, permanent verändert werden (Levitt & Glick Schiller 2004; Pries 2010). Obwohl sich die Gläubigen im urbanen Raum von Rio etablieren, hoffen viele von ihnen, in naher Zukunft zur nächsten Migrationsetappe aufbrechen zu können. Dies hindert sie jedoch nicht daran, sich vor Ort für den Aufbau einer Pfingstgemeinschaft zu engagieren. Vor dem Hintergrund einer anhaltenden globalen Mobilität ihrer Gläubigen haben sich kongolesische Erweckungskirchen in den Metropolen der Welt gleichsam fluide verankert. Beginnend in Kinshasa oder Rio de Janeiro, entfaltet sich ein weitverzweigtes diasporisches Netzwerk durch Raum und Zeit, durch diverse urbane Settings und nationale Gesellschaften, in das die sakralen Räume eingebettet sind. Diese nehmen darin eine zentrale Stellung ein: als Räume des Gebets und der spirituellen Unterstützung, als Rückzugsräume für die Organisation einer gläubigen, migrantischen afrikanischen Minderheit, als Räume, die Grenzen zur ansässigen Bevölkerung markieren und der kollektiven Versicherung eigener moralischer Konzepte und gelebter Identitäten dienen.
Die globalen Mobilitätsbewegungen werden nicht nur für individuelle Zwecke der Gläubigen genutzt, sondern beinhalten auch die Produktion von global zirkulierenden Orientierungen (Simone 2002: 18) und der an sie gekoppelten Symbole, Bedeutungen und religiösen Artikulationen in urbanen Räumen, die sich so zu globalen „territoires circulatoires“ (Tarrius 2001) transformieren. Antwortend auf die Machtstrukturen eines restriktiven weltweiten Grenzregimes, können die mobilen und multiplen urbanen Verankerungen, die auf der flexiblen Anpassungsfähigkeit der migrantischen Gläubigen basieren, als Alltagsstrategien im Sinne eines worlding verstanden werden.
Die Anwendung eines so verstandenen worlding-Konzepts ermöglicht es also, die urbane Verankerung der Pfingstbewegung und ihre Interaktionenformen mit Stadt und/oder Migration nicht funktionalistisch aus äußeren sozialen Zwängen ableiten und als Implantationsakt einer „fremden“ globalen Form deuten zu müssen. Vielmehr offenbaren sich die urbanen Religionsformen als soziale Praktiken, die sich im Alltag von Stadt und Migration verankern und dabei „herkömmliche Grenzen von Klasse, ‚race’, Stadt und Land“ (Ong 2011: 23) ignorieren. Denn sie setzen sich „aus bunt gemischten Anleihen, schamlosen Zusammenstellungen und strategischen Einschreibungen disparater Ideen, Akteure und Praktiken“ (ebd.) zusammen, die vielen in der Welt zirkulierenden Quellen entspringen. In und am Rand der Favela von Rio de Janeiro gelingt es so der globalen Pfingstbewegung, hochgradig unwahrscheinliche soziale Konstellationen zu versammeln, bestehend etwa aus Drogengangster und Pastor, aus lokaler Glaubensgemeinde und global agierender Mini-Entrepreneurin, aus improvisierter Bretterbude und heiliger Kirche, aus kosmopolitischer Transitmigrantin und jugendlicher Favelabewohnerin, aus Carioca-Funk und Zungenreden. Solche urban-religiösen Konfigurationen, in denen sich die globale Form und Zirkulation der Pfingstbewegung in Interaktion mit dem Städtischen materialisieren und symbolisieren, überqueren herkömmliche Grenzverläufe zwischen Säkular und Sakral, zwischen Religion, Politik, Ökonomie und Kultur sowie all ihren Manifestationen im urbanen Raum und handeln sie neu aus. Als komplexe urbane Praktiken versperren sie sich eindimensionalen Erklärungen ebenso wie pauschalen normativen Bewertungen.
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Anschrift der Autorin: Anschrift des Autors
Gerda Heck Stephan Lanz
gerda@kein.org Lanz@europa-uni.de
Peripherie, Nr. 134-135, 34. Jg. 2014, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 212‑238
Bestelladresse: info@zeitschrift-peripherie.de
* Unser Dank gilt zwei anonymen Gutachten und der Redaktion für hilfreiche Hinweise zur Überarbeitung des Beitrags.
[1] Alle Übersetzungen aus dem Englischen, Portugiesischen und Französischen sind unsere eigenen.
[2] Der Artikel beruht auf den Ergebnissen mehrerer Forschungsaufenthalte, die im Rahmen des Projektes „Global Prayers. Redemption and Liberation in the City“ zwischen 2010 bis 2013 in Rio durchgeführt wurden. Die Interviews wurden in Portugiesisch oder Französisch geführt, die Namen der hier angeführten Protagonist_innen wurden zu ihrem Schutz geändert.
[3] Zudem ist entlang der vormals kolonialen Grenzziehungen die Einteilung nach Nationalitäten oft wenig sinnvoll: Viele vermeintlich kongolesische Interviewpartner_innen haben entweder die kongolesische, die angolanische oder beide Staatsangehörigkeiten und zudem oft viele Jahre in Angola gelebt.
[4] Wie in anderen afrikanischen Kontexten ist es auch in der DRK schwierig, die Unterscheidung zwischen den so genannten „églises de Réveil“ und Pfingstkirchen aufrechtzuerhalten (Pype 2006: 299). Wir verwenden daher beides synonym (vgl. dazu Marshall 2009).