Editorial

Liebe Antifas, Freundinnen und Genossinnen, liebe LeserInnen!

Es ist zur traurigen Routine geworden. Wieder einmal gibt es an dieser Stelle von Todesopfern neonazistischer Gewalt in Russland zu berichten. Der 47-jährige russische Richter Eduard Tschuwaschow wurde am 12. April 2010 beim Verlassen seines Wohnhauses von Unbekannten erschossen. Für die Tat werden von der Moskauer Staatsanwaltschaft russische Neonazis verantwortlich gemacht. Zu deren Feindbild war Tschuwaschow wegen seiner Urteile gegen russische Neonazigruppen geworden. Am 25. Februar 2010 sprach er gegen 12 Mitglieder der Gruppierung »Weiße Wölfe« Haftstrafen zwischen 6,5 und 23 Jahren aus. Am 8. April 2010 verurteilte er die Anführer der insgesamt neunköpfigen »Ryno-Bande«, die zwischen August 2006 und April 2007 32 Überfälle auf Arbeiter_innen aus dem Kaukasus und Zentralasien beging und dabei 19 Menschen tötete, zu ähnlich langen Haftstrafen. Am 23.Mai 2010 tötete in Moskau eine Gruppe von Neonazis den 27-jährigen Dmitrij Kashizyn. Nach einer Geburtstagsfeier von russischen Musiker_innen und Anhänger_innen der Hardcore-Szene, wurden die etwa 15 verbliebenen Gäste von einer ca. 40-köpfigen Gruppe Neonazis angegriffen und verletzt. Als diejenigen, die fliehen konnten, wieder an den Tatort zurückkehrten, fanden sie Dmitrij in einer Blutlache liegend vor. Ihm waren etwa 15 Messerstiche zugefügt worden. Bei ihrer Attacke schrien die Angreifer neonazistische Parolen. Dmitrij besaß keine Verbindungen zur antifaschistischen Bewegung, er wurde offensichtlich aufgrund sichtbaren Zughörigkeit zur Hardcore-Szene Opfer der Neonazis. Ebenfalls am 23. Mai ermordeten Neonazis den 25-jährigen Antifaschisten, sozialen Aktivisten und Graffiti-Sprayer Kostja Lunkin in Rjasan. Sie passten Kostja vor seinem Hauseingang ab und schlugen mit Steinen auf seinen Kopf ein. In der selben Nacht kam Kostja mit einem Schädel-Hirn-Trauma in die Intensivstation. Am 31. Mai 2010 verstarb er. Die Angreifer wurden durch mehrere Zeug_innen zwar identifiziert und festgenommen, kamen aber später durch Alibis ihrer Eltern wieder frei. Am 26. Mai 2010 gab es einen Bombenanschlag gegen eine tschetschenische Tanzgruppe im südrussischen Stawropol, bei dem sieben Menschen starben und 40 Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Rund drei Jahre zuvor war es in Stawropol zu einer Massenschlägerei zwischen Kaukasier_innen und Russ_innen gekommen. Ein tschetschenischer Student wurde damals getötet. Wenige Tage später starben unter ungeklärten Umständen zwei Studenten mit russischem Namen. Expert_innen halten den Anschlag für eine Racheaktion für den Tod der beiden russischen Jugendlichen.

Wir wünschen allen Angehörigen und russischen Antifas viel Kraft und rufen zur Solidarität auf!

Einen wichtigen Sieg im Kampf gegen die extrem rechte BNP haben unsere britischen Genoss_innen zu verzeichnen. Bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 2010 verlor die Partei alle ihrer bisher 12 Sitze im Londoner Stadtteil Barking and Dagenham und kam landesweit auf gerade einmal 1,9 Prozent. Verantwortlich hierfür war vor allem eine beispiellose Kampagne der Initiative Hope not Hate, bei der von tausenden Helfer_innen tonnenweise Anti-BNP-Flyer und -Zeitungen verteilt worden waren. Wir gratulieren Hope not Hate, unserem Schwestermagazin Searchlight und allen britischen Antifas zu diesem Erfolg.

All die ganzen Jahre: Wir bedanken uns an dieser Stelle aufs allerherzlichste bei den Toten Hosen, die uns seit Jahren unterstützen und freuen uns auf viele weitere Jahre mit Euch im Kampf gegen Neonazis und Rassismus!

Zu den Themen dieser Ausgabe wollen wir hier diesmal keine weiteren Worte verlieren - das Inhaltsverzeichnis wird euch die Reichhaltigkeit der Beiträge verraten.

Spendet für die russischen Antifas: A. Hoffmann
Kto.-Nr. 408352201
Postbank Hamburg
BLZ 20010020
Stichwort: Enough/Russland (unbedingt angeben!)


Aus der Redaktion

Das AIB verwendet einen Unterstrich »_« zwischen männlicher und weiblicher Form eines Wortes als geschlechtsneutrale Schreibweise. Also z.B. »Leser_innen«. Damit wollen wir deutlich machen, dass neben männlichem und weiblichem Geschlecht noch andere Geschlechtsidentitäten existieren und diese ebenfalls in unseren Texten sprachlich darstellen. Ausgenommen sind hiervon Gruppen und Personen, die aufgrund ihrer Ideologie explizit für eine strikt zweigeschlechtliche Gesellschaft - bis hin zum Vernichtungwillen Personen uneindeutigen Geschlechts gegenüber, eintreten. Gastbeiträge können von dieser Konvention abweichen.

Das Titelfoto dieser Ausgabe stammt von brusher (fotolia.com).