Bodo Pfalzgraf: eine (r)echte Karriere?


Starke Worte fand Bodo Pfalzgraf (geb. 1963), Berliner Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft im DBB (DPolG), nach „Ausschreitungen linksextremistischer Demonstranten“ und forderte mehr Engagement gegen „Kiezterroristen“. Er wolle von den politisch Verantwortlichen das gleiche Engagement sehen wie in Sachen Pegida1. Als illegalisierte Flüchtlinge in Berlin eine ehemalige Schule besetzten erklärte Pfalzgraf: „Diese Räumung muss jetzt stattfinden! (...) Jetzt muss wirklich Druck auf den Kessel!2 Er unterstütze „jede Maßnahme, die geeignet ist, diese Zustände zu beenden“.3 An anderer Stelle erklärte er: „Dass die linke Szene agieren kann, wie sie will, ist vor allem ein politisches Problem.“ Er habe den Eindruck, dass man die linksextremistische Gewalt mit „nicht genug Energie“ bekämpfe.4

Früher REPs, heute DpolG

Das Aufplustern gegen vermeintliche „Linksextremisten“ und Flüchtlings-Aktivist_innen verwundert kaum: 1990 stand der Polizeibeamte und Geschäftsführer Bodo Pfalzgraf (geb. 1963) auf Platz 15 einer Wahlkandidaten-Liste der rechten Partei „Die Republikaner“ (REP).5 Einige seiner damaligen politischen Weggefährten und damaligen Mitkandidaten bei den REPs sollten Antifaschist_innen noch viele Jahre als neonazistische Funktionäre beschäftigen.

Bodo Pfalzgraf war für die Berliner Partei "Die Republikaner" (REP) aktiv.
 

Karl-Heinz Panteleit (Platz 11/Liste 11) wurde Mitglied der neonazistischen „Berliner Kulturgemeinschaft Preußen“ (BKP)6 und war Funktionär der Neonazi-Vereinigung „Die Nationalen“7. Richard Miosga (Platz 6/Liste 11) wurde als Schatzmeister in „Die Nationalen“ aktiv8. Der Weg von Rudolf Kendzia (Platz 3/Liste 11) führte von der NPD über die REPs hin zu „Die Nationalen“.

Ebenfalls auf einer REP-Kandidatenliste fand sich im selben Jahr Frank Schwerdt9. Dieser war Anfang der 1990er Jahre bei dem REP-Landesverband Berlin als stellvertretender Landesvorsitzender organisatorisch tätig10. Er baute die Wählervereinigung „Die Nationalen“ auf11 und wurde später führender Funktionär der NPD.

Pfalzgraf muss rückblickend durchaus als aktiver REP-Parteifunktionär angesehen werden. So lud er namentlich im November 1990 als „stv. Kreisvorsitzender“ des REP-Kreisverbands Wedding zu einer Veranstaltung zum Thema „Deutschland halt’s Maul?“ mit Emil Schlee in das Rathaus Wedding ein. Für die REP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin lud Pfalzgraf im November 1990 zu einer Veranstaltung („Mit den Altparteien ins Chaos“) mit Karl-Heinz Panteleit.

Die REPs waren in West-Berlin durch völkisch-nationalistische Parolen bekannt geworden. In einem Flugblatt stellten sie u.a. die Forderung auf: „Deutschland darf nicht zu einem Einwanderungsland werden, es muß das Land der Deutschen bleiben. (...) Ausländer dürfen kein Wahlrecht erhalten.12 In einem anderen Flugblatt hieß es: „Der weitere Zustrom von Asylbewerbern ist der deutschen Bevölkerung nicht mehr zuzumuten!13 Als „Forderungen zur Ausländerpolitik“ wurde publiziert: „Striktes Verbot für Ausländer, sich politisch zu betätigen“ und „Längere Arbeitslosigkeit oder der Bezug von Arbeitslosenhilfe muß zur Beendigung des Aufenthaltes führen.14

1989 forderte der Berliner REP-Landesvorsitzende und Polizeibeamte Bernhard Andres im Berliner Wahlkampf: „Berlin darf keine Vielvölkerstadt werden“ und „Beamtenstatus nur für Deutsche15.

Der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Heinz Galinski, wurde in einer REP-Wahlkampfzeitschrift mit dem Titel „Berlin muß deutsch bleiben!“ persönlich angegangen. Unter der Überschrift „Mein Gott, Heinz!“ hieß es dort: „Wer aus den blutverschmierten Händen des Massenmörders Erich Honecker Orden empfängt, hat kein Recht, das deutsche Volk andauernd mit dem Hinweis auf das ,Dritte Reich‘ zu geißeln! (...) Wer Lobeshymnen auf den ,Architekten‘ der Berliner Mauer, Erich Honecker, singt, hat kein Recht, sich ständig als Moralapostel der Nation aufzuspielen!16

Das „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk e.V.“

Der Name von Bodo Pfalzgraf tauchte auch bei der Gründung des „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk e.V.“ (HvFB) im November 1990 in Berlin auf.17 Zusammen mit anderen rechten Funktionären wie Frank Schwerdt, Rudolf Kendzia und Rita Bönisch zählte er zu den ersten Vereinsmitgliedern.

Enge Beziehungen entwickelten sich zwischen dem HvFB und der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH) — deren Postadressen waren zeitweilig identisch. Auch „Die Nationalen“ unterhielten einige Zeit zusammen mit dem HvFB und der „Nationalen Jugend“ ein gemeinsames Postfach. Kaum verwunderlich, denn ab April 1995 waren Richard Miosga und Rita Bönisch im Vorstand von „Die Nationalen“. Das Postfach dieser Gruppierung war in den 1990er Jahren auch Kontaktanschrift der „Hammerskins“18.

Das HvFB bemühte sich um die Schulung junger Kader für die mittlere Führungsebene der neonazistischen Szene. Es gewann, im Bestreben eine Brücke zwischen sich bekennenden Nationalisten und sich als „patriotisch“ oder „konservativ“ bezeichnenden Rechten zu bilden, besonders in Berlin an Bedeutung.19 Dass der Mitinitiator und Kopf des militanten „Thüringer Heimatschutz“ (THS) Tino Brandt sich noch 2001 für die Anmeldung der Internetpräsenz des HvFB verantwortlich zeichnete, passt somit ins Bild.

Von den REPs in die Justiz

Auch andere Berliner REPs sollten Karriere machen. Matthias Bath (geb. 1956) arbeitet(e) in Berlin jahrelang als Staatsanwalt.20 Dass er in den 1990er Jahren den REPs in Berlin angehörte und stellvertretender Vorsitzender des HvFB gewesen war, störte hierbei offenbar nicht. Dabei war der Verein sogar dem Berliner Verfassungsschutz aufgefallen.21

Anfang des Jahres 2008 sollte der frühere Funktionär der Berliner REPs, Rolf von Niewitecki, in die Intensivtäterabteilung der Berliner Staatsanwaltschaft berufen werden22. Von Niewitecki war übereinstimmenden Presseangaben zufolge in den 1980er Jahren bei den REPs aktiv und wurde 1990 ein stellvertretender Berliner Landesvorsitzender23. Nachdem die geplante Versetzung im Fokus der Öffentlichkeit stand, wurde die Personalentscheidung vom leitenden Oberstaatsanwalt schließlich aus Gründen der „Fürsorge und der Ordnung seiner Abteilung“ überdacht.

Eine dezidiert politische Kritik war dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) überlassen. In einer Presserklärung unterstrich er: Diese Biographie könne nicht als „Jugendsünde“ oder „mittlerweile verjährt“ abgetan werden24

Eine breite politische Auseinandersetzung über frühere rechte Politiker in der Berliner Polizei und Justiz steht trotz NSU-Skandal weiterhin aus.

  • 1. Berliner Morgenpost: Randale in Neukölln, 17./18.1.2015
  • 2. Berliner Zeitung: Polizeigewerkschaft fordert sofortige Räumung der besetzten Schule, 30.6.2014
  • 3. Berliner Kurier: Das Flüchtlingsheim des Grauens, 23.11.2013
  • 4. Berliner Morgenpost: In jeder Nacht brennen in Berlin Autos, 16.6.2009
  • 5. Amtsblatt für Berlin, 40. Jahrgang, Nr. 58, 15.11.1990, Seite 2217
  • 6. Er war hier u.a. Tagungsleiter. AG Charlottenburg VRNr. 11876 NZ
  • 7. AG Charlottenburg VRNr. 12723 NZ
  • 8. Mitteilungen des Bundeswahlleiters vom 5.4.1995
  • 9. Listen-Nr.11, Platz 3; Amtsblatt für Berlin, 40. Jahrgang, Nr. 57, 12.11.1990, Seite 2108
  • 10. So lud er im Januar 1991 zur Gründungsversammlungen des REP-“Kreisverbandes Mitte, Friedrichshain, Prenzlauer Berg“ und des REP-Kreisverbandes „Pankow, Weißensee, Hohenschönhausen“ ein
  • 11. AG Charlottenburg VRNr. 12723 NZ
  • 12. Flugblatt: Eine neue Partei stellt sich vor: DIE REPUBLIKANER, Landesverband Berlin, Klaus Weinschenk
  • 13. REP-Flugblatt „Schluß mit dem Asylmißbrauch!“, Landesverband Berlin, Klaus Weinschenk
  • 14. REP-Flugblatt „Unsere Forderungen zur Ausländerpolitik“, Landesverband Berlin, Klaus Weinschenk
  • 15. REP-Flugblatt: Man kann wieder wählen!, Die Republikaner, Bernhard Andres
  • 16. „Berliner Nachrichten — Wahlkampf Sonderausgabe“, VBR-Verlag der Berliner Republikaner Gesellschaft mbH i.G., Thorsten Thaler
  • 17. AG Charlottenburg 95 VR 11947 NZ
  • 18. Deutscher Bundestag 13. Wahlperiode, Drucksache 13/1311, 10.5.1995
  • 19. apabiz.de/archiv/material/Profile/HvFB
  • 20. de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Bath
  • 21. Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz bilanzierte 1997 den Mitgliedern des HvFB, diese seien „einschlägig bekannte Rechtsextremisten“ und führt aus: „Ziel des Vereins ist die enge Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen, wobei das Bildungswerk dabei u.a. als ,Tarnorganisation‘ für Veranstaltungen von Rechtsextremisten und Neonationalsozialisten fungiert.“, Durchblicke 4. Jg (1997) lfd. Nr. 7
  • 22. Der Tagesspiegel: Ex-Republikaner soll gegen Intensivtäter ermitteln, 19.1.2008
  • 23. sueddeutsche.de „Staatsanwalt mit rechter Vergangenheit“, 17.5.2010
  • 24. TBB-Presseerklärung: „HERR WOWEREIT, GREIFEN SIE EIN!“, 19.1.2008