CIMIC

Zivil-militärische Zusammenarbeit als Legitimations- und Effektivierungsinstrument deutscher Kriegspolitik

in (30.03.2006)

Der Artikel beleuchtet das Konzept der Zivil-militärischen Zusammenarbeit als Legitimations- und Effektivierungsinstrument deutscher Kriegspolitik.

Von der Bundeswehr nur als einem "Handlanger" der so genannten "neuen Kriege" zu sprechen wäre eine Untertreibung. Im Gegenteil ist es notwendig, die Bundeswehr als einen zentralen Akteur im Kontext der neuen Kriege wahrzunehmen. Dies soll im Folgenden schwerpunktmäßig anhand der zivil-militärischen Zusammenarbeit der Bundeswehr in Krisen- und Konfliktgebieten erläutert werden. Dazu ist es hilfreich, zuvor den Charakter der bisherigen Auslandseinsätze der Bundeswehr in Erinnerung zu rufen.


Die bisherigen Auslandseinsätze der Bundeswehr

Vom ersten Einsatz im Jahr 1960 an bis 1991 kann von wirklichen Hilfseinsätzen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen vor Ort gesprochen werden. Es handelt sich um tatsächliche humanitäre Missionen wie Lebensmittel- und Medikamententransport, Waldbrandbekämpfung, Erdbeben- und Hochwasserhilfe usw. Mit dem Kambodscha-Einsatz 1992, dessen ursprünglicher Zweck die medizinische Versorgung - ausschließlich - der UN-Truppen war, und der kurz darauf stattfindenden Somalia-Mission zur Versorgung der dort niemals auftauchenden indischen Truppen, begann eine Zeitspanne in der Hilfseinsätze nicht mehr zur Unterstützung von bedürftigen Menschen vorgenommen wurden, sondern mit dem Ziel, durch Militäreinsätze, die irgendwie mit helfen etwas zu tun hatten, Akzeptanz zu erreichen für immer kampforientiertere Militäreinsätze.

Stück für Stück stellte die Bundesregierung und die Bundeswehrführung so den Charakter der Auslandseinsätze der Bundeswehr von Hilfseinsätzen über Unterstützungseinsätze von zuerst UN-, dann NATO- und zuletzt EU-Truppen bis hin zu Kampf- bzw. Kriegseinsätzen in beliebigen ad-hoc Koalitionen um. Deshalb ist der so genannte Evakuierungseinsatz im März 1997 in der albanischen Hauptstadt Tirana erwähnenswert, da dort zum ersten Mal seit 1945 von Angehörigen einer deutschen Armee auf Zivilisten geschossen wurde. Dieser Einsatz wurde im übrigen entgegen sich haltender Gerüchte nicht durch das Kommando Spezialkräfte (KSK) durchgeführt. Schlussendlich endete diese Transformation der Militäreinsätze am 24.März 1999 mit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs der NATO und damit der Bundeswehr auf die Bundesrepublik Jugoslawien. Dieser Krieg wird heute noch oft fälschlicherweise als "Kosovo"-Krieg bezeichnet.

Heute konzentrieren sich die Auslandseinsätze der Bundeswehr neben den Einsätzen auf dem Balkan auf den aktuell erneut ausgeweiteten ISAF-Einsatz in Afghanistan und die so genannte Operation "Enduring Freedom" (OEF), den immer noch andauernden "Krieg gegen den Terror". Bei OEF wurde als Einsatzgebiet Nord-, Nordost- und Zentralafrika, der Nahe- und Mittlere Osten sowie Zentralasien mit den angrenzenden Seegebieten, das Mittelmeer, das Rote Meer, der Persische Golf und der Indische Ozean deklariert, also ein Drittel des Globus. Die in diesem Gebiet lebenden Menschen können stets Ziel deutscher Militäreinsätze werden.

Wichtig an der Auflistung der Bundeswehrmissionen (siehe den Kasten am Ende des Artikels) ist, dass die Bundeswehr ihre Auslandseinsätze, einerseits die Hilfseinsätze anderseits die Kampfeinsätze, als in einer Tradition stehend, darlegt. Das ist ein bewusster Versuch, Akzeptanz z.B. für die ISAF-Mission, die EUFOR-Mission in Bosnien-Herzegowina oder die KFOR-Mission im Kosovo zu erzeugen. Bei allen diesen Einsätzen tritt die Bundeswehr als Besatzungsarmee mit Kampfauftrag auf. Dies macht sie zu einer Kriegspartei unter anderen in dem jeweiligen Konfliktgebiet und stößt verständlicherweise bei großen Teilen der betroffenen Bevölkerung auf Ablehnung und teils gar auf offenen Widerstand.

Auch in der deutschen Öffentlichkeit ist die Akzeptanz für die dauernden Auslandseinsätze eher gering. Zwar wird von Regierungsseite und Bundeswehrführung behauptet, insbesondere bei den Selbstbeweihräucherungs-Feierlichkeiten zum fünfzigjährigen Bestehen der Bundeswehr im vergangenen Jahr kam dies zum Ausdruck, die Bundeswehr würde in der Bevölkerung auf eine hohe Akzeptanz stoßen. Jedoch zeichnet eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts (SoWi) der Bundeswehr in Strausberg, in der das Image der Bundeswehr in der Bevölkerung analysiert wurde, ein differenzierteres Bild. In dieser Studie wird darüber informiert, dass es eine hohe Zustimmung zur Bundeswehr generell gibt, sobald aber von Kampf- oder Kriegseinsätzen die Rede ist, fällt diese Zustimmung rapide. Das SoWi kommt in dieser Studie zum Schluss, "das internationale Engagement Deutschlands" sei in der deutschen Öffentlichkeit "umstrittener denn je". So führe die "zunehmende Verunsicherung der Menschen durch Wirtschaftsschwäche, Arbeitslosigkeit und Sozialabbau" zu einem "deutlichen Wandel der politischen Präferenzen". "Immer mehr Bundesbürger sind der Ansicht, Deutschland sollte sich aus den Krisen und Konflikten anderer Länder möglichst heraushalten und sich stärker auf die Bewältigung der Probleme im eigenen Land konzentrieren. Immer weniger meinen dagegen, dass Deutschland eine aktive Politik verfolgen und bei der Bewältigung von Problemen, Krisen und Konflikten mithelfen sollte."[1]

Vor diesem Hintergrund nun, Ablehnung der einheimischen Bevölkerungen in den Konfliktgebieten, geringe Akzeptanz der eigenen Öffentlichkeit und die offensichtlich völlig fehlgeschlagene Strategie der US-Armee, die auf rein militärische Maßnahmen setzt, mit diesen Konflikten (z.B. im Irak) erfolgreich umzugehen, praktiziert die Bundeswehr eine zivil-militärische Zusammenarbeit in ihren Einsatzgebieten, auch um sich gegen die US-Armee abzusetzen.

Was bedeutet zivil-militärische Zusammenarbeit?

Die zivil-militärische Zusammenarbeit oder im Englischen Civil-Military Cooperation (CIMIC) ist ein wesentliches Konzept der Bundeswehr, der EU und auch der NATO, die das Konzept bereits präzise definiert hat: "CIMIC ist die Koordination und Kooperation zur Unterstützung des militärischen Auftrags zwischen dem NATO-Kommandeur und zivilen Akteuren, die Bevölkerung vor Ort und lokale Autoritäten ebenso eingeschlossen, wie nationale, internationale und Nicht-Regierungsorganisationen und Behörden."[2]

Die Bundeswehr selbst definiert die zivil-militärische Zusammenarbeit wie folgt: "Hinter dem Kürzel 'CIMIC' verbirgt sich die zivil-militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr im Ausland. Sie ist Bestandteil der militärischen Operationsführung in den Einsatzgebieten der Bundeswehr. Ihr Hintergrund: die Mittel rein militärischer Krisenbewältigung reichen allein nicht aus, um eine Region dauerhaft zu stabilisieren. CIMIC soll helfen das militärische Handeln mit dem übrigen Umfeld in Einklang zu bringen. Sie soll den eingesetzten Streitkräften die Durchführung ihres Auftrages erleichtern. CIMIC verbessert die Lebensbedingungen der Bevölkerung in den Einsatzräumen der Streitkräfte und fördert so die Sicherheit der eingesetzten Soldaten in einem instabilen Umfeld."[3] Das Ziel der zivil-militärischen Zusammenarbeit ist es also, die Sicherheit der eingesetzten Soldaten zu erhöhen. Zentral an obigem Zitat ist, dass CIMIC dort als Bestandteil der militärischen Operationsführung benannt wird. Es ist keinesfalls ein eigenständiges oder gleichberechtigtes Konzept wie häufig von Bundeswehr- und Regierungsseite verbreitet wird: "CIMIC dient der jeweiligen militärischen Operation." Oder ganz deutlich formuliert: "CIMIC hat also in seiner reinen militärischen Form nichts zu tun mit humanitärer Hilfe oder entwicklungspolitischem Aufbau."

Erstaunlich ist die ehrliche Sprache, die verwandt wird. Es wird auf der Bundeswehr-Homepage offen zugegeben, dass CIMIC eine ausschließliche Unterstützungsfunktion für die jeweilige Militäroperation darstellt. Obwohl sonst die Bundeswehrführung und Regierungsvertreter ein umgekehrtes Bild in der Öffentlichkeit zu vermitteln versuchen. Das CIMIC-Konzept wird als "ein positives Markenzeichen der Bundeswehr" herausgestellt. Diese positive Darstellung ist für die deutsche Regierung besonders wichtig, da die Bundeswehr in diesen CIMIC-Projekten im Vergleich zu den Armeen anderer EU- und NATO-Staaten als Vorreiter gilt.

Eine weitere wichtige Intention, die sich hinter den CIMIC-Projekten verbirgt, sei es für diese Gebiete den Weg zur Marktwirtschaft zu fördern. Da die Marktwirtschaft in diesen Ländern bisher ein Fremdwort sei, könne durch diese Projekte marktwirtschaftliche Strukturen besser gefördert werden.

Seit 1997 wird die zivil-militärische Zusammenarbeit, zuerst bei der SFOR-Mission in Bosnien-Herzegowina, als ein bewusstes Konzept angewandt. Als Vorläufer der CIMIC wird der Somalia-Einsatz genannt, bei dem es allerdings noch Defizite gegeben habe. In Bosnien hat es ab 1997 1.900 CIMIC-Einzelprojekte gegeben. Im Kosovo sind seit 1999 2.100 CIMIC-Einzelprojekte und eine Zusammenarbeit mit ungefähr 60 Nicht-Regierungsorganisationen durchgeführt worden. Im Bereich Mazedonien sind seit 2001 Wiederaufbaumaßnahmen in Höhe von 1,2 Mio. Euro getätigt worden. Insgesamt beträgt der Finanzaufwand für alle CIMIC-Projekte zusammengenommen bis zum April 2005 38 Mio. Euro. Die Projekte im Einzelnen seien Maßnahmen und Tätigkeiten zur Flüchtlingsrückkehr, zum Material- und Medikamententransport, zur medizinischen Versorgung, zum Wohnungsbau, zum Aufbau der öffentlichen Infrastruktur usw. In Afghanistan liegt der Schwerpunkt der Arbeit im Aufbau polizeilicher Infrastruktur. Deutlich wird dabei vor allem, dass obwohl alle eben beschriebenen Handlungen Hilfscharakter haben, es nicht um die eigentliche Hilfe geht, sondern dass diese konkrete Hilfsaktion ausschließlich die Funktion der Unterstützung der jeweiligen Militäroperation hat.

Finanziert werden die CIMIC-Projekte von einer ganzen Spanne von Geldgebern. Diese reicht vom Auswärtigen Amt, dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem so genannten Entwicklungshilfeministerium, über Bundesländer, Städte und Gemeinden, nationale und internationale Organisationen bis hin zu freigiebigen Privatpersonen. Auch bei der Bundeswehr selbst wird für solche Projekte Geld gesammelt. Allein bei der KFOR, den deutschen Truppen im Kosovo, sind seit 2003 425.000 Euro für CIMIC-Projekte zusammengetragen worden. Weiterhin existieren eine Reihe von Vereinen, die von aktiven und ehemaligen Bundeswehrangehörigen gegründet wurden, die ebenfalls um Spenden werben.

Polizeieinsätze als Teilaspekt der CIMIC

Ein nicht mehr wegzudenkender Teilaspekt der zivil-militärischen Zusammenarbeit ist der Einsatz von Polizei als komplementäres Element zu den Soldatenkontingenten in den verschiedenen Auslandseinsätzen. Peter Struck hat in einem Interview beim Deutschlandradio am 12.6.2005 die Forderung erhoben, dass die Bundespolizei (der ehemalige Bundesgrenzschutz, BGS) besser und häufiger in Auslandseinsätzen eingesetzt werden müsste. "Das ist eine Idee, die ich schon lange mit Otto Schily bespreche. Wir reden jetzt faktisch schon über eine Art Guardia Civil oder Carabinieri oder Gendarmerie anderer europäischer Staaten. Bisher gibt es zwei Hindernisse. Man kann einen Bundespolizisten, einen BGS-Beamten, nicht gegen seinen Willen nach Afghanistan zum Beispiel schicken. Die, die jetzt dankenswerterweise da sind, machen das auf freiwilliger Basis. Andererseits steht fest, [Â…] dass wir [Â…] mehr und mehr Polizeiaufgaben wahrnehmen mit unseren Soldaten. [Â…] Der Innenminister Otto Schily ist auch der Meinung, dass es hier eine größere Verantwortung der Bundespolizei geben muss und er strebt an, dafür auch Sondereinheiten in der Bundespolizei zu installieren. Erst muss dafür dann das Gesetz geändert werden. Das heißt, jemand, der jetzt neu zum BGS oder zur Bundespolizei kommt, muss auch wissen, dass sein Dienstherr ihn in einen solchen Auftrag schicken kann. Und zweitens muss auch die Ausbildung geändert werden für die Angehörigen der Bundespolizei. Aber das Prinzip ist absolut richtig. Ich strebe schon an, die Bundeswehr von polizeilichen Aufgaben im Ausland zu entlasten."[4]

Wie Struck in seinem Beitrag im Deutschlandradio richtigerweise ausführt, liegt der Verwirklichung seines Ziels die geltende Rechtslage im Weg, die die Entsendung von Bundespolizisten, also von BGS-Beamten, gegen ihren Willen in Auslandseinsätze verbietet. So waren alle bisher entsandten Polizeibeamten Freiwillige gewesen. Hingegen können Soldaten sich einer Entsendung - außer durch Kriegsdienstverweigerung - in einen Auslandseinsatz nicht verweigern. Deshalb ist es Strucks Intention, Sondereinheiten der Bundespolizei für den Auslandseinsatz zu bilden. Das hieße, in Zukunft würde sehr viel häufiger nicht nur das Militär, sondern auch Polizei in Auslandseinsätze geschickt werden. Das große Problem, das sich dabei ergibt, ist folgendes: eine Kontrolle über die Entsendungen von Polizeikontingenten und deren Handlungen vor Ort würde sehr viel schwieriger werden, weil ein Beschluss des Bundestages bei der Entsendung von Polizei im Gegensatz zur Bundeswehr nicht vorliegen muss. Die Entsendung von Polizeieinheiten kann der jeweilige zuständige Innenminister, also Wolfgang Schäuble, allein beschließen und diese dann in einen Einsatz schicken.

Das Verhältnis zwischen den Entwicklungshilfsorganisationen und CIMIC

Äußerst aufschlussreich ist es zu erfahren, wie in diesem Kontext die Entwicklungshilfeorganisationen mit der zivil-militärischen Zusammenarbeit der Bundeswehr umgehen. Tatsächlich ist die Debatte diesbezüglich noch offen. Ein Positionspapier des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) beschreibt die Lage, in der sich die Hilfsorganisationen befinden: "Das Engagement nationaler und multinationaler Streitkräfte im Kontext der humanitären Hilfe hat sich seit dem Ende des Ost-West-Konflikts erheblich ausgeweitet. Da humanitäre Hilfe traditionell von privaten, politisch unabhängigen humanitären Hilfsorganisationen geleitet wird, haben auch Berührungspunkte zwischen Nichtregierungsorganisationen und Streitkräften in den letzten Jahren zugenommen. Die Erfahrungen in Somalia, Bosnien, Kosovo oder Afghanistan haben gezeigt, dass die Verknüpfung von militärischen Zielen und humanitärer Hilfe insbesondere in bewaffneten Konflikten sehr problematisch ist."[5]

Die Welthungerhilfe e.V. hat deshalb einen Verhaltenskodex für ihr Handeln in Konfliktgebieten und den Umgang mit der CIMIC der Bundeswehr beschlossen. Die vier zentralen Punkte daraus lauten folgendermaßen: erstens, der humanitäre Imperativ geht vor, zweitens, "Hilfe wird unterschiedslos, ohne Ansehen der Rasse, religiöser Überzeugung oder Staatsangehörigkeit der Empfänger geleistet, [drittens], Hilfe wird grundsätzlich nicht zur Förderung einzelner politischer oder religiöser Standpunkte verwendet [und viertens], wir sind bestrebt nicht als Instrument staatlicher Politik zu agieren."[6]

Zur Zeit ist die Lage zwischen den Nichtregierungsorganisationen und der Bundeswehr so, dass in den verschiedenen Entwicklungshilfeorganisationen zum Teil die Problematik erkannt und klar dagegen Stellung bezogen wird. Gleichzeitig herrscht vor Ort ganz klar die Grundtendenz vor, dass die Bundeswehr versucht, die Hilfsorganisationen völlig in ihre militärischen Vorgänge einzubinden und die Gefahr besteht, ihnen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leim zu gehen. Bei den Hilfsorganisationen herrscht ungefähr eine Drittelung vor: Ein Drittel ist gegen eine Zusammenarbeit mit dem Militär, ein Drittel unkritisch gegenüber einer Zusammenarbeit und ein Drittel ist unentschieden.

Die Finanzierung der EU-Auslandseinsätze

Gleichzeitig zu dieser Debatte findet auf EU-Ebene ein schleichender Prozess statt, in dem viele Entscheidungen - Auslandseinsätze betreffend - bereits gefallen sind. Dies betrifft vor allem die Finanzierung der EU-Militäreinsätze. Bei einem informellen Treffen des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments mit Vertretern des EU-Rates und der EU-Kommission, bei dem der Autor anwesend war, wurde konkret beschrieben, wie diese Einsätze finanziert werden.

Der am 1.12.2004 von der NATO übernommene Einsatz in Bosnien-Herzegowina ("Althea" bzw. "EUFOR"), der von EU-Vertretern gerne als Flaggschiff zukünftiger Militäreinsätze der EU bezeichnet wird, wird durch den sog. Athena-Mechanismus finanziert. Der ATHENA-Mechanismus ist ein Beschluss des Rates der Europäischen Union, also der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer und beinhaltet, dass die jeweilige Regierung in einen Fond einzahlt. Dieser Fond ist aber explizit kein EU-Fond. Aus Sicht der EU-Regierungsvertreter liegt der Zweck dieses Nicht-EU-Fonds darin verborgen, dass er somit der Kontrolle des EU-Parlaments genauso wie der Kontrolle der einzelstaatlichen Parlamente entzogen ist, da diese ja nur die Zahlungen ihres eigenen Landes mitgeteilt bekommen und eine Addition aller Zahlungen sich aus verschiedenen Gründen heraus als schwierig erweist.

Die EU-Einsätze im Kongo (EUSEC und EUPOL/Kinshasa) und im Sudan (AMIS II) werden erstaunlicherweise über das EU-Entwicklungshilfebudget finanziert. In einer Reaktion auf eine Rede des Autors räumte Louis Michel, der EU-Entwicklungshilfekommissar, offen ein, dass die Finanzierung dieser Einsätze über EU-Entwicklungshilfegelder nicht unproblematisch sei. Begründet wurde dies damit, dass der EU-Verfassungsvertrag noch nicht ratifiziert sei. Dieser sieht einen eigenständigen EU-Militärhaushalt vor. Der aktuell noch gültige Nizza-Vertrag verbietet dagegen ein selbständiges EU-Militärbudget. Die EU-Regierungschefs "benötigen" also dringend den EU-Verfassungsvertrag um eine haushaltstechnisch "ehrliche" Finanzierung ihrer Militäreinsätze durchführen zu können.
Bis zu diesem Zeitpunkt, falls er jemals eintreten sollte, werden EU-Entwicklungshilfegelder ganz offen zweckentfremdet. Louis Michel referierte in einer Rede am 21.09.2005 auf einer parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union, er habe afrikanischen Staaten gegenüber zugesagt, dass 250 Mio. Euro für Militärausbildung und Militäreinsätze in Afrika über das Entwicklungshilfebudget der Europäischen Union finanziert würden.

Führende Vertreter Deutschlands, Frankreich und Großbritanniens haben wiederholt verkündet, dass Afrika das primäre künftige Zielgebiet von EU-Auslandseinsätzen, speziell der Battle Groups, sein werden. Die EU-Battle Groups sind innerhalb von fünf Tagen einsatzfähig, bei einem noch zugerechneten politischen Entscheidungszeitraum von zehn Tagen, könnten sie nach 15 Tagen im Einsatzgebiet sein. Hinsichtlich Deutschlands ergibt sich die Problematik, dass nach geltender Rechtslage seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 12. Juli 1994 der Bundestag in der Regel, leider nicht grundsätzlich, vor einer Entsendung deutscher Truppen zustimmen muss. Im Auswärtigen Ausschuss antwortete dem Autor ein Vertreter der damaligen (zweite Jahreshälfte 2005) britischen EU-Ratspräsidentschaft, er habe die Zusage deutscher Regierungsvertreter, dass die Zustimmung auch im Nachhinein eingeholt werden könne. Diese Zusage der deutschen Vertreter ist eine bewusste Falschinterpretation der Voraussetzungen für Truppenentsendungen nach dem so genannten Parlamentsbeteiligungsgesetz, nachdem nur "Erkundungsteams" ohne vorherige Zustimmung des Bundestages ins Ausland geschickt werden dürfen, was Battle Groups (wie auch der Name schon sagt) keineswegs sind.

Die Achillesferse: der Luftwaffenstützpunkt Termes in Usbekistan

Einer der problematischsten Einsätze der Bundeswehr ist die so genannten Operation "Enduring Freedom" (OEF). Im Rahmen dieser Operation sind derzeit 260 Soldaten eingesetzt, die am Horn von Afrika stationiert sind. Offiziell lautet ihr Auftrag mittels See- und Luftraumüberwachung Kontrollen zum Aufspüren von Terroristen durchzuführen. Jedoch weisen vor allem Flüchtlingsorganisationen darauf hin, dass die Präsenz der Bundeswehr in ihrer Wirkung dafür sorgt, dass Flüchtlinge die Meerengen nicht mehr überqueren können.

Nicht nur aus diesem Grunde ist die OEF problematisch, sondern eine weitere Brisanz verbirgt sich hinter der Frage, wer den Luftwaffenstützpunkt Termez in Usbekistan eigentlich betreibt. Dieser Standort ist der zentrale Umschlagplatz für sämtliche Einsätze im Bereich Afghanistan, für alle Truppen der dort jeweils engagierten NATO- und EU-Staaten. Aufgrund der fürchterlichen Menschenrechtsverletzungen der Machthaber in Usbekistan hat die EU inzwischen Sanktionen gegen dieses Land verhängt. Auf Nachfrage des Autors erklärten Vertreter der NATO und der EU, dass aufgrund dieser Menschenrechtsverletzungen weder NATO noch EU einen Militärstützpunkt dort betreiben.

Bei einem Besuch des Autors beim Einsatzführungskommando in Potsdam-Geltow wurde diesem die Auskunft erteilt, Termez werde ausschließlich von Deutschland bzw. der Bundeswehr betrieben. Es wurde eingeräumt, dass zwar der Betrieb aufgrund der Menschenrechtslage politisch problematisch sei, aber militärisch sei der Truppenstützpunkt absolut notwendig, da sonst sowohl der ISAF-Einsatz in Afghanistan als auch die Operation "Enduring Freedom" aufgegeben werden müsse.

Obwohl alle anderen Staaten, darunter auch die USA, ihren Rückzug aus Usbekistan vollziehen mußten, hielt Deutschland an der Aufrechterhaltung von Termez als Stützpunkt fest. Dieses Verhalten erklärt sich mit handfesten politischen Interessen Deutschlands und kann nur im Kontext des Irakkrieges verstanden werden. Es existiert eine inoffizielle Vereinbarung zwischen den USA einerseits und Deutschland andererseits im Hinblick auf eine Lastenteilung: Die Bundesregierung entsendet keine Truppen in den Irak, wird somit zumindest offiziell aus dem Irak herausgehalten, dafür engagiert sich Deutschland mit dem stärksten Kontingent an ISAF in Afghanistan und das Kommando Spezialkräfte wird im Rahmen von OEF immer wieder eingesetzt. So erklärt sich das vehemente Festhalten der Bundesregierung an Termez als Transportstützpunkt und die Funktion dieses Standortes in der gesamten Kriegsinfrastruktur der ISAF und der OEF für alle NATO-Truppen.

Die Schlussfolgerung aus dieser Achillesferse Termes lautet daher, eine politische Kampagne zur Auflösung des Standortes anzustoßen, die wiederum in eine Kampagne, die den Rückzug der Truppen aus Afghanistan beinhaltet, eingebettet sein muß. Das Ziel ist es, Auslandseinsätze der Bundeswehr an sich zu thematisieren.

Zusammenfassung

Das Hauptaugenmerk dieses Beitrags lag auf der zivil-militärischen Zusammenarbeit, weshalb an dieser Stelle die zentralen Gefahren für einen friedlichen Konfliktaustrag durch CIMIC und die Funktion von CIMIC für die Bundeswehr rekapituliert werden sollen.

(1) CIMIC ist der Versuch, die zivilen Kompetenzen des Militärs auszuweiten und dabei auch friedenspolitisch orientierte Gruppen zur Bewältigung insbesondere von Nachkriegssituationen zu instrumentalisieren.

(2) Die zivilen Kräfte geraten dabei in eine Situation, die von vornherein militärisch gewaltträchtig bestimmt ist. Als letztes Mittel steht hinter CIMIC stets das militärische Drohmittel und der militärische Einsatz. In CIMIC wird die zivile Konfliktbearbeitung zum taktischen Instrument militärgestützter Politik.

(3) Militärgestützte Politik entscheidet sich eher für eine Intervention, wenn sie davon ausgehen kann, die Nachkriegssituation durch CIMIC sicherer beherrschen zu können. Damit trägt CIMIC zu einer den Krieg fördernden Politik bei.

(4) In CIMIC wird die zivile Konfliktbearbeitung zu einem Bestandteil des militärischen Konfliktaustrags, der auch noch als Legitimationselement für militärische "Friedensmissionen" dient. Die Legitimationsfolie für militärische Einsätze lautet ohnehin, dass, ein "gerechter Krieg" der "Guten" gegen die "Bösen" geführt werde. Die zivilen Kräfte landen durch CIMIC auf der Seite der "Guten". Das eigentliche Anliegen von ziviler Konfliktbearbeitung, die Überwindung des militärischen Konfliktaustrags, bleibt dabei auf der Strecke.

Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Hilfseinsätzen seit 1960

1960 Marokko (Erdbeben); Angola (Humanitäre Hilfe)
1961 Niger (Humanitäre Hilfe); Zypern (Notstand)
1963 Südjemen (Humanitäre Hilfe); Algerien (Überschwemmung)
1966 Türkei (Erdbeben); Italien (Hochwasser) Griechenland (Humanitäre Hilfe)
1968 Iran (Erdbeben); Italien (Erdbeben); Biafra (Humanitäre Hilfe)
1970 Tunesien (Hochwasser); Nigeria (Hochwasser); Algerien (Hochwasser);
Türkei (Hochwasser); Peru (Hochwasser); Jemen (Hochwasser); Pakistan
(Humanitäre Hilfe)
1971 Türkei (Erdbeben); Chile (Hochwasserkatastrophe); Italien
(Fährunglück); Indien (Humanitäre Hilfe); Pakistan (Humanitäre Hilfe)
1972 Nicaragua (Humanitäre Hilfe)
1973 Sudan (Dürrekatastrophe); Äthiopien (Dürrekatastrophe); Mali
(Dürrekatastrophe); Algerien, Tunesien, Niger, Tschad, Obervolta,
Mauretanien (Dürrekatastrophen); Senegal, Pakistan, Nigeria, Somalia
(Humanitäre Hilfe)
1974 Ägypten (Transport von UN-Truppen); Tschad, Äthiopien, Niger, Mali,
Sudan, Mauretanien, Obervolta, Honduras, Somalia (Dürre); Zypern, Brasilien
(Humanitäre Hilfe)
1975 Pakistan, Angola, Ghana (Humanitäre Hilfe); Portugal (Erdbeben)
1976 Guatemala, Italien, Türkei (Erdbeben)
1977 Rumänien (Erdbeben); Tschad (Dürre); Indien (Unwetterkatastrophe)
1978 Mali (Hungersnot); Syrien, Israel, Algerien, Malaysia (Humanitäre
Hilfe); Spanien (Explosionsunglück); Sudan (Überschwemmung); Iran (Erdbeben)
1979 Uganda, China (Humanitäre Hilfe); Nicaragua (Erdbeben); Malaysia
(Hurrikan)
1980 Nicaragua, Somalia, Mali, Uganda, Pakistan, Sudan (Humanitäre Hilfe);
Algerien, Somalia, Italien (Erdbeben); Mosambique (Dürre)
1981 Italien (Erdbeben); Pakistan, Uganda (Humanitäre Hilfe); Griechenland
(Erdbeben)
1982 Jemen, Uganda, Pakistan (Humanitäre Hilfe)
1983 Uganda, Mauretanien (Humanitäre Hilfe); Italien (Waldbrand Sardinien)
1984 Äthiopien (Dürre)
1985 Sudan (Dürre); Türkei (Busunglück); Kolumbien (Vulkanausbruch)
1986 Kamerun (Vulkan-Gas-Katastrophe); Griechenland, El Salvador (Erdbeben)
1987 Kenia (Bombenanschlag)
1988 UdSSR (Erdbeben)
1989 Sudan, Uganda (Dürre); Panama (Humanitäre Hilfe); Rumänien (Revolution)
1990 Portugal (Ölverschmutzung); Rumänien (Humanitäre Hilfe); Tunesien
(Überschwemmung); Liberia (Bürgerkrieg); Iran (Erdbeben); Griechenland (Waldbrände); UdSSR (Hungerhilfe)
1991 Kenia (Revolution Somalia); Türkei, Iran (Kurdenhilfe), Albanien
(Humanitäre Hilfe)
1992 Russland (Winterhilfe); Türkei (Erdbeben); Somalia (Hungerhilfe);
Kambodscha (Medizinische Versorgung)
1993 Ex-Jugoslawien (Luftbrücke Sarajevo); Griechenland (Brandbekämpfung)
1994 Griechenland (Brandbekämpfung); Albanien (Flutkatastrophe); Türkei
(Erdbeben)
1997 Türkei (Brandkatastrophe); Albanien (Evakuierung); Polen (Hochwasser)
1998 Eritrea/Äthiopien (Evakuierung); Sudan (Hungerhilfe); Griechenland
(Brandbekämpfung); Kroatien (Brandbekämpfung); Österreich (Grubenunglück)
1999 Albanien (Flüchtlingshilfe); Mazedonien (Flüchtlingshilfe); Türkei
(Erdbeben); Griechenland (Erdbeben); Österreich (Lawinenunglück)
2000 Ost-Timor (Sanitätsdienstliche Unterstützung); Mosambik (Hochwasser)
2004 Humanitäre Hilfe Südostasien (Tsunami)
2005 Humanitäre Hilfe Pakistan (Erdbeben)
Quelle: www.bundeswehr.de

Anmerkungen

[1] Vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr/Thomas Bulmahn: Bevölkerungsumfrage 2005. Repräsentative Befragung zum sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbild in Deutschland. Ergebnisbericht, Strausberg 2005, S. 8.
[2] NATO: MC411/1 - NATO Military Policy on Civil-Military Co-operation, Military Council, Brussels 2001, Para. 4, http://www.nato.int/ims/docu/mc411-1-e.htm (eingesehen am 30.1.2006). Dieses Zitat wurde vom Autor aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
[3] Alle nachfolgenden Zitate zum Thema CIMIC finden sich in der Rubrik "Fragen und Antworten zu CIMIC" und deren nachfolgenden Links auf der Homepage der Bundeswehr unter www.bundeswehr.de/C1256EF4002AED30/CurrentBaselLink/N264HLPF973MMISDE (eingesehen am 23.1.2006).
[4] Struck, Peter: Bundespolizei auch im Ausland einsetzen, in: www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/385306/ (eingesehen am 23.1.2006).
[5] Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen: Humanitäre Hilfe auf dem Prüfstand-Prinzipien, Kriterien und Indikatoren zur Sicherstellung und Überprüfung der Qualität in der humanitären Hilfe, Arbeitspapier Nr. 14, August 2005 unter www.venro.org (eingesehen am 23.1.2006).
[6] Das Überleben sichern, Nothilfe und Wiederaufbau, Broschüre der Welthungerhilfe, zit. in: Regina und Gerd Riepe: Materialmappe: Nach der Flut... Schulen für Schulen, Deutsche Welthungerhilfe, Bonn 2005, S. 19.