'Bedingungsloses Grundeinkommen'

Verwirrung, Fallen und Legenden (Teil 2)

In Sozialismus 10/2005 setzte sich der Autor kritisch mit der vom 'Netzwerk Grundeinkommen' vertretenen Forderung nach einem 'bedingungslosen Grundeinkommen' (BGE) auseinander.

U. a. wies er darauf hin, dass sich hier neoliberal wie sozial-emanzipatorisch orientierte Kräfte zusammenfinden, ohne ihre entgegen gesetzten Intentionen zu thematisieren und kritisierte Vorstellungen des "linken Flügels" über den Arbeitsbegriff und die vermeintliche Unmöglichkeit einer Neuen Vollbeschäftigung. Der Folgebeitrag vertieft insbesondere die Frage konzeptioneller Schnittstellen zwischen den gegensätzlichen Orientierungen in der BGE-Debatte und nennt schließlich Eckpunkte einer alternativen Reform des Mindestsicherungssystems.

Kurz vor Sylvester erreichte die Debatte über ein "Grundeinkommen" die Spitze des Deutschen Staates: kein geringerer als der amtierende Bundespräsident und frühere IWF-Direktor Horst Köhler sprach sich dafür aus, über "eine Art Grundeinkommen" in Gestalt einer "negativen Einkommenssteuer" nach US-Vorbild nachzudenken. In der breiten Medienresonsanz auf Köhlers Stern-Interview wurde die Vokabel "Grundeinkommen" erstmals schlagzeilenfähig, ohne dass der ebenso umtriebige wie milliardenschwere Chef der 23.000 Beschäftigten der dm-Drogeriemarktkette, Götz W. Werner, der dem Netzwerk Grundeinkommen als mediales Aushängeschild gilt, eine seiner teuren Anzeigen oder eines seiner Interviews platziert hätte. Damit ist das Thema in der politischen Klasse Deutschlands angekommen. Ein Durchbruch für die Bestrebungen des Netzwerks? Mitnichten. Mit der Bezugnahme auf das vom Mentor des Neoliberalismus, Milton Friedman, inspirierte US-Modell wird zugleich der Begriff "Grundeinkommen" in einer Weise inhaltlich besetzt, die dem ganz überwiegenden Teil der sozial engagierten Befürworter eines Grundeinkommens erheblich missfallen muss. Sie werden sich sputen müssen, um nicht in Mithaftung für eine Debatte genommen zu werden, deren praktische Konsequenzen zum Gegenteil dessen gerieten, was ihnen vorschwebt.

Dabei werden sie sich erstens dazu durchringen müssen, die konzeptionellen Gegensätze zwischen ihren Vorstellungen von einem BGE und den Modellen der "negativen Einkommensteuer" (NES) klar zu konturieren. Als konzeptionelle Eckpunkte eines BGE werden in den Veröffentlichungen des Netzwerks und den entsprechenden Diskussionen (etwa in der Linkspartei, bei attac-Deutschland und -Österreich) genannt:

· Armutsfestigkeit, teilhabeorientierte Existenzsicherung;

· Individueller Rechtsanspruch, ohne Berücksichtigung anderer Einkommen im Haushalt;

· Bedarfsunabhängigkeit; voraussetzungsloser Anspruch ohne Bedürftigkeitsprüfung;

· kein Zwang zur Erwerbsarbeit.

Dagegen zielen die NES-Konzepte - so auch das "Bürgergeld" der FDP - auf eine weitere Absenkung des Sozialleistungsniveaus bei Nicht-Arbeit (Vertiefung der Armut), Begrenzung der Transferleistung auf "wirklich Bedürftige" (stärkere Betonung familiärer Unterhaltspflichten) und Etablierung eines materiellen Zwangs zur Annahme von Billigst-Jobs, um dem Elend der bloßen NES-Leistung zu entgehen. Nicht zufällig verband Köhler sein "Nachdenken" über ein Grundeinkommen mit einem Plädoyer für Kombilöhne, d.h. Akzeptanzsicherung für Löhne unter der Armutsgrenze durch deren Aufstockung aus Steuermitteln. Trotz dieser Gegensätze erweckt das Netzwerk bislang gezielt den Eindruck, als zähle die NES durchaus zu den im Rahmen eines BGE diskutablen Modellen.

Konzeptionelle Schnittstellen zu neoliberalen Orientierungen

Zweitens werden die eher linken BGE-Protagonisten mit dem Problem zu kämpfen haben, dass ihre Ideen trotz dieser notwendigen Klarstellung in mehrfacher Hinsicht anschlussfähig bleiben für neoliberale Sozialutopien. Auch wenn bislang kein "repräsentatives" BGE-Konzept entwickelt wurde, lassen sich der Debatte doch einige übergreifende Konsense entnehmen. Eine der konzeptionellen Schnittstellen besteht in der gemeinsamen Ablehnung von Perspektiven für eine neue Vollbeschäftigung. Bei ganz unterschiedlichen Deutungen und Motiven gehen neoliberale wie linke Befürworter eines Grundeinkommens davon aus, dass dauerhaft ein erheblicher Teil der Erwerbsfähigen vom Zugang zu existenzsichernder Erwerbsarbeit ausgeschlossen bleiben wird. Aus beiden Richtungen wird daher der Focus vom Thema "Überwindung der Massenerwerbslosigkeit" auf die Frage verlagert, wie eine Alimentierung bei dauerhafter Massenerwerbslosigkeit gestaltet werden sollte.

Eine zweite Schnittstelle bildet die Vorstellung, mit einem BGE oder einer NES ließe sich ein Großteil bisheriger Sozialleistungen einschließlich der Verwaltungsapparate "einsparen". Bei den Liberalen gehört dies von jeher als Teil einer Strategie zum Abbau des Sozialstaats zu den erklärten Zielen der NES/Bürgergeld-Konzepte. Der eingangs erwähnte dm-Chef Werner geht davon aus, dass mit dem BGE "hunderte von Milliarden" bei "Arbeitslosengeld und -hilfe, Kindergeld, Renten, Sozialhilfe, Wohnungsgeld, Bafög, etc." sowie "gigantische Summen in der Sozialbürokratie" eingespart werden könnten. Attac-Österreich glaubt, über ein Drittel des gesamten Finanzierungsbedarfs durch Einsparungen bei Rentenversicherung, Beamtenpensionen, Arbeitslosenunterstützung und Familienbeihilfen decken zu können. Auch im linken Flügel stößt der Gedanke einer "einfachen" Abwicklung wesentlicher Sozialtransfers durch die Finanzverwaltung auf Resonanz. Konkrete Aussagen zur Ersetzung von Lohnersatzleistungen der Sozialversicherung werden indes meist vermieden.

Kombilohn für alle?

Eine dritte - wichtige - Schnittstelle liegt in der Rückwirkung eines BGE auf das Lohnsystem. Gefragt, wer denn noch die unbeliebten, schweren Arbeiten verrichten mag, wenn man sich mit dem BGE armutsfest aus der Erwerbsgesellschaft zurückziehen kann, behauptet der linke Flügel der BGE-Debatte, dass diese Arbeiten, soweit sie nicht technisch wegrationalisiert werden könnten, eben besser zu entlohnen seien, um hinreichende Anreize zu schaffen. Somit habe das BGE eine eher positive (lohnsteigernde) Rückwirkung auf das Lohnsystem und wirke der Ausweitung von Niedriglohnbeschäftigung entgegen.

Dies ist bestenfalls ein tragischer Irrtum. Mit dem BGE wird die Garantie einer armutsfesten Existenzsicherung vorrangig zur staatlichen Aufgabe, und zwar nicht nur für diejenigen, die auf die Transferleistung angewiesen sind, sondern für alle. Würde der Staat anerkennen, dass er der Garant der Existenzsicherung aller ist, gäbe es keinen Grund mehr, einen Anspruch auf existenzsichernde Entlohnung an die Arbeitgeber zu richten. Den Arbeitsentgelten käme dann lediglich eine "aufstockende" Funktion zu. Das Subsidiaritätsprinzip und das Vorrang-Nachrang-Verhältnis von Arbeitsentgelten und staatlichen Sozialtransfers kehren sich um. Mit einem BGE mutiert das Lohnsystem zu "Kombilohn für alle". Götz Werner spricht dies offen aus: "Nehmen wir an, eine Krankenschwester verdient 2500 Euro. Nach Abzug des Bürgergelds müsste das Krankenhaus ihr noch 1200 Euro bezahlen. Sie hätte danach gleich viel, aber ihre Arbeitsleistung wäre für das Krankenhaus viel leichter zu finanzieren."

Bislang ist die Verpflichtung der Arbeitgeber zu (mehr als) existenzsichernder Entlohnung noch in einigen Landesverfassungen verankert. So bestimmt etwa Art. 24 Abs. 2 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen: "Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familie decken." Lohn ist die arbeitsvertraglich geschuldete Gegenleistung des Arbeitgebers für die Arbeitskraft des Arbeitnehmers. Der durch leistungsgerechten Lohn zu deckende angemessene Lebensbedarf ist mehr als der notwendige Lebensbedarf des Sozialhilferechts. Man kann diese Bestimmung, ohne sie damit überzustrapazieren, durchaus als verfassungspolitische Grundlage für die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn heranziehen. In der Gründungszeit des westdeutschen Nachkriegs-Sozialstaats wurde so der Grundsatz verankert, dass die Kapitalseite die angemessene Existenz (und Reproduktion) der Lohnabhängigen zu gewährleisten hat. Was "angemessen" bedeutet, wird durch Tarifverträge bestimmt. Für die neoliberale Idee, die auch den von der Großen Koalition beabsichtigten Kombilohn-Modellen zugrunde liegt, dass Entlohnung durch den Arbeitgeber sich allein danach zu richten habe, was der Markt "akzeptiert", während die "soziale" Frage existenzsichernder Einkommen dem Staat und damit der Allgemeinheit aufzuhalsen sei, ist hier kein Raum.

Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Einführung eines BGE mit dem Anspruch auf (mindestens) existenzsichernde Entlohnung durch den Arbeitgeber radikal aufräumen würde. Ein Mindestlohngesetz würde mit einem BGE jeden Sinn verlieren, weil dessen materieller Zweck durch das BGE bereits gedeckt wäre und wegen der rechtssystematischen Anerkennung der staatlichen Garantenpflicht für die Existenzsicherung eines jeden keine Grundlage mehr bestünde, um an Stelle des Staates die Arbeitgeber heranzuziehen.

Wenn sich der linke Flügel der BGE-Debatte mittlerweile zu der "Trias von Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohn und Grundeinkommen" bekennt, so stellt er sich damit zwar in einen politischen Kontext, der ihn deutlich von den Köhlers und Werners, dem liberalen Bürgergeld und den großkoalitionären Kombilöhnern abhebt - was zu begrüßen ist. Doch konzeptionell entbehrt diese "Trias" der Grundlage. Dort wird "politisch" zusammen geschoben, was inhaltlich eher kontrovers bleibt.

Diese von den linken BGE-BefürworterInnen zweifellos nicht gewollte konzeptionelle Falle lässt sich nur dann vermeiden, wenn der Grundsatz des Vorrangs der Erwerbsarbeit bei der Existenzsicherung unangetastet bleibt und der Anspruch auf ein Grundeinkommen oder eine Grundsicherung zurückgeführt wird auf Lebenssituationen, in denen tatsächlich eine Existenzsicherung durch Arbeit nicht stattfindet, in denen also tatsächliche Bedürftigkeit nach einer armutsfesten Transferleistung besteht, weil ohne diese ein menschenwürdiges Leben nicht möglich wäre.

"Keine Bedürftigkeitsprüfung"?

Zu den Grundsätzen des BGE zählt, dass es ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Ansehen von Einkommen und Vermögen voraussetzungslos jedem garantiert werde. Als "Sozialdividende" sei es auch tatsächlich an alle auszuzahlen, um im Rahmen der Einkommenssteuererhebung zusammen mit der positiven Steuerschuld derer, die über entsprechende eigene Einkommen verfügen, wieder kassiert zu werden. Dem linken Flügel der Debatte gilt die Bedürftigkeitsprüfung per se als Ausdruck eines repressiven Obrigkeitsstaates, der die Betroffenen unter Missachtung ihrer Privatsphäre aushorcht und ausspäht. Wer die Bedürftigkeitsprüfungen und "Bedarfsermittlungsdienste" der Sozialämter und ARGEn kennt, wird Verständnis haben für den Wunsch, Menschen in prekärer Lebenslage dergleichen zu ersparen.

Tatsächlich aber findet auch bei der Integration des Mindestsicherungssystems in das Steuersystem eine Bedürftigkeitsprüfung statt. Denn im Ergebnis wird klar unterschieden zwischen Netto-EmpfängerInnen (Bedürftige) und Netto-ZahlerInnen (Nicht-Bedürftige). Ob diese Bedürftigkeitsprüfung bereits bei der Leistungsgewährung stattfindet (NES: Auszahlung nur an Bedürftige) oder bei der Verrechnung des bereits gezahlten BGE mit der Steuerschuld ("Sozialdividende"), dürfte für die Betroffenen keinen Unterschied machen. Unter dem Gesichtspunkt administrativer Praktikabilität ist die die liberale NES der linken BGE-"Sozialdividende" überlegen.

Die Behauptung, beim BGE gebe es keine Bedürftigkeitsprüfung, ist bestenfalls eine Illusion. Tatsächlich geht es - und kann es allein gehen! - um die praktische Frage, wie, nach welchen Kriterien und in welchem Umfang, diese organisiert sein soll. Das gefährliche Terrain der praktischen Fragen wird allerdings von den BGE-Protagonisten weitgehend gemieden. So finden sich keine Hinweise darauf, ob und in wieweit die Bedürftigkeitsprüfung durch die Finanzverwaltung neben dem Einkommen auch Vermögen berücksichtigen soll. Ein Verzicht hierauf wäre weder theoretisch begründbar noch politisch vertretbar. Warum sollten vorhandene - auch bedeutende - Privatvermögen durch Steuermittel vor dem Verzehr geschützt werden? Wenn die Finanzverwaltung aber auch die Vermögenssituation (Immobilien, Wertgegenstände, Geldanlagen) zu prüfen hat, nähert sich der Prüfungsumfang deutlich an den bekannter Bedürftigkeitsprüfungen an. Dann geht es "nur" noch um Fragen wie die Bestimmung von Freigrenzen und der unter bürgerrechtlichen Gesichtspunkten zulässigen Prüfungstiefe und -intensität, die gleichermaßen an heutige Bedürftigkeitsprüfungen zu richten wären.

Doch selbst wenn wir einmal annehmen, beim BGE finde keine Bedürftigkeitsprüfung statt, würde dies für einen erheblichen Teil der Armutsbevölkerung keinen praktischen Unterschied machen. Dies gilt für alle, die zusätzlich zu einer Leistung für den "normalen" Lebensunterhalt Hilfe in besonderen Lebenslagen benötigen (z.B. Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftige, Menschen in besonderer Notlage, etwa nach Wohnungsbrand). Solche Bedarfe können vom BGE nicht gedeckt werden, weil sie je nach den Umständen des Einzelfalls stark differieren und teils sehr kurzfristig anfallen. Daher muss eine Sozialhilfe für Sonderbedarfe auch beim BGE erhalten bleiben. Sobald hier eine Leistung beantragt wird, würde die Bedürftigkeitsprüfung wieder greifen. Damit blieben gerade Menschen, die besonders auf Hilfe angewiesen sind, auf der Bedürftigkeitsprüfung sitzen. Umso mehr scheint es geboten, sich mit dem Wie der Prüfung auseinanderzusetzen, statt ebenso wohlklingende wie realitätsfremde "prinzipielle" Erklärungen gegen Bedürftigkeitsprüfungen schlechthin abzugeben.

Eckpunkte einer Reform des Mindestsicherungssystems

Die Schnittstellenprobleme zwischen sozialreformerischen und neoliberalen Orientierungen haben auch damit zu tun, dass sich die BGE-Debatte bislang hauptsächlich auf einer Ebene "prinzipieller" Bekenntnisse abspielt, während Auswirkungen auf das Sozialrecht und die Lebenswirklichkeit kaum thematisiert werden. Wenn wir die Debatte aber vom Boden realer Probleme aus entwickeln, die den linken Flügel zu Recht umtreiben, zeichnen sich rasch folgende reformpolitische Eckpunkte ab, die zugleich die Anschlussfähigkeit für neoliberale Sozialutopien beenden:

Mindestsicherung:

· Das Leistungsniveau (Regelbedarf + Mehrbedarfspauschalen in bestimmten Fällen + Wohnkosten (Miete/Heizung) muss armutsfest sein. Armut und sozialer Ausschluss verletzten die Menschenwürde; Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz fordert hier staatliche Intervention. Als Referenz wäre die EU-Armutsgrenze von 60 % des nationalen bedarfsgewichteten durchschnittlichen Haushaltseinkommens (sog. "Äquivalenzeinkommen") heranzuziehen. Die Bedarfsgerechtigkeit der Regelleistungen für Kinder und Jugendliche im Haushalt ist zu überprüfen und ggf. anzupassen.

· Nicht pauschalierbare "einmalige Leistungen" (für größere Anschaffungen oder besondere Anlässe) sind im Rahmen einer Sozialhilfe für besondere Lebenslagen zu sichern und zusätzlich zu leisten. Die zynische Fiktion des neuen Sozialhilferechts (SGB II und XII), wonach hierfür Teile der Regelleistung "anzusparen" sind, ist zu beenden.

· Da ansonsten das Ziel der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens im Einzelfall verfehlt würde, müssen alle leistungsrechtlichen Sanktionen (Kürzungen/Streichung der Leistung) entfallen. "Unerwünschtem Verhalten" ist stattdessen mit Angeboten sozialer Arbeit zu begegnen (Wegfall des Arbeitszwangs durch Leistungskürzung).

· Die Instrumente der "Missbrauchsbekämpfung" werden auf ein bürgerrechtlich vertretbares Maß zurückgenommen (Beschränkung von Datenabgleichen auf begründete Verdachtsfälle; Abschaffung von Bespitzelungsdiensten).

· Das Asylbewerber-Leistungsgesetz entfällt; Flüchtlinge werden in die Mindestsicherung einbezogen.

· Für die Leistungsauszahlung ist jeweils die Institution zuständig, die das für die Bedürftigkeit maßgebliche Problem bearbeitet: bei Erwerbslosigkeit die Arbeitsverwaltung, bei zu kleiner Rente der Rentenversicherungsträger, bei Kinderreichtum das Jugendamt, bei pflegebedingter Bedürftigkeit der Träger der Pflegeversicherung, bei zu geringen Erwerbseinkommen das Finanzamt, in sonstigen Fällen das Sozialamt (weitgehende Auflösung der stigmatisierenden "Sonderverwaltung" von Armut). Die Sozialämter werden zu Institutionen aktiver sozialer Arbeit fortentwickelt.

Arbeitsmarktpolitik (flankierend):

· Soziale Neuregelung der Zumutbarkeit: tarifliche Entlohnung, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Wiederherstellung des Berufsschutzes, Beachtung der Berufswahlfreiheit, Reduzierung der Mobilitätsanforderungen (Wegezeiten);

· Erweiterung der (berufs-)qualifizierenden Angebote der Fortbildung und Umschulung.

Mindestlohngesetz:

· Sicherung von Mindestentgelten (Vollzeit) für abhängige Erwerbsarbeit oberhalb des Mindestsicherungsniveaus ("Lohnabstand").

Ob man eine solche Mindestsicherung im Ergebnis als Grundeinkommen, Grundsicherung, Sozialhilfe oder sonst wie bezeichnen will, ist eher unbeachtlich. Nachdem der frühere sozialreformerische Begriff "Grundsicherung" von Rot-Grün in sein Gegenteil verkehrt wurde, könnte ein anderer Begriff allerdings Assoziationen mit Hartz IV vermeiden.