Grundeinkommen - Mittel gegen die Massenarmut?

Manuskript zur Grundeinkommens-Veranstaltung am 08.11.05 in Aachen

Wenn wir über Mittel gegen die Massenarmut diskutieren, dann sollten wir zwei Fragestellungen tunlichst auseinander halten:

Die eine Fragestellung ist: Wie kann man die Entwicklung, dass zunehmend mehr Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr aus eigener Kraft bestreiten können und auf Fürsorgeleistungen angewiesen sind, umkehren? Die Antworten, die man auf diese Frage entwickelt, handeln von der Behebung der Ursachen von Armutsentwicklungen. Da geht es um die Organisation von Erwerbsgesellschaft, um die Verteilung von Arbeitszeit und Einkommen und um die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung und anderer vorrangiger Sicherungssysteme. Was da zu entwickeln ist, hat im Wesentlichen keine kurzfristige, sondern mindestens eine mittelfristige Perspektive.

Die andere Fragestellung ist: Wie kann man denen, die - aus welchen Gründen auch immer - in einer von Armut geprägten Lebenssituation leben müssen, ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, obwohl sie existenziell auf eine staatliche Transferleistung angewiesen sind? Da geht es dann um die Qualität und die Konditionen von Transfersystemen, mit denen die betroffenen Menschen erreicht werden. Die Antworten hierzu müssen kurzfristig angelegt sein. Denn da geht es ganz unmittelbar um ein paar Millionen Menschen, nicht zuletzt um Kinder und Jugendliche, die nicht erst in 10 oder 20 Jahren, sondern möglichst hier und jetzt auf Verbesserungen ihrer Lebenssituation angewiesen sind. Bei denjenigen, die dauerhaft auf Transferleistungen angewiesen sind, spitzt sich das zu auf die Frage nach der Chance auf ein menschenwürdiges Leben vor dem Tod.

Diese beiden Fragestellungen sollten unbedingt auseinander gehalten werden, sonst gibt es Durcheinander und sozialpolitischen Unsinn. Was ich für keine politisch sinnvolle Fragestellung halte ist, ob und in wieweit auch für alle diejenigen, die in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu bestreiten, eine staatlich garantierte Transferleistung geschaffen werden soll, nur weil manche glauben, dergleichen sein aus Gründen bestimmter ,,Prinzipien" geboten. Ich kann dafür keinerlei realen Bedarf erkennen.

In den beiden Fragestellungen, um deren Unterscheidung ich bitte, steckt natürlich bereits eine normative Vorstellung von Vorrang und Nachrang bei der Existenzsicherung. Mir gilt die Existenzsicherung aus eigener Kraft als vorrangig und die durch Mindestsicherungssysteme als nachrangig, eben für den Fall, dass die Existenzsicherung aus eigener Kraft scheitert.

Wenn wir die Massenerwerbslosigkeit und die Prekarisierung der Erwerbsarbeit als wesentliche Ursachen der Massenarmut nehmen, so ist das ja eine Entwicklung, bei der Millionen von Menschen gegen ihren Willen - man kann sagen: durch strukturelle Gewalt - von existenzsichernden regulären Arbeitsplätzen getrennt, und teils in prekäre working-poor-Jobs geschoben und teils auch ganz und auf Dauer aus der Erwerbsgesellschaft ausgegrenzt werden.

Es ist sozialwissenschaftlich und sozialmedizinisch hinreichend belegt, dass Langzeiterwerbslose an der Erwerbslosigkeit oft auch dann Schaden nehmen, wenn sie nicht oder noch nicht in Einkommensarmut leben müssen. Gesellschaftliche Teilhabe und die Stabilität des Selbstwertgefühls - bei Jugendlichen auch das Gelingen der Persönlichkeitsentwicklung - sind in der ganz überwiegenden Vorstellung der Menschen mit Teilhabe an regulärer Erwerbsarbeit verknüpft. Das mag einem gefallen oder nicht, aber es ist so - und Ausnahmen bestätigen die Regel. Teilhabe an der Erwerbsgesellschaft hat etwas zu tun mit den Grundrechten auf freie Persönlichkeitsentfaltung und Selbstbestimmung - und zwar ungeachtet dessen, dass die realen Bedingungen der Lohnarbeit, wenn sie das Leben dominiert, in ein deutliches Spannungsverhältnis zu eben diesen Grundrechten treten. Diese Zwiespältigkeit der Lohnarbeit ist real und kann nicht wegdefiniert werden.

Massen- und Langzeiterwerbslosigkeit werden daher gesellschaftlich keineswegs akzeptabler, wenn sie nicht unmittelbar mit Einkommensarmut verknüpft sind, wenn es also eine ausreichende Alimentierung der aus der Erwerbsgesellschaft Ausgeschlossenen gäbe. Als Mitte der 70er Jahre die Erwerbslosigkeit erstmals wieder die Millionengrenze überschritt, da war das ein Schock für die Gesellschaft und für die Arbeitnehmerschaft im Besonderen, obwohl wir damals noch eine Sicherung bei Erwerbslosigkeit hatten, die noch nicht annähernd mit den heutigen hohen Armutsrisiken verknüpft war.

Armut ist nicht allein Einkommensarmut, sondern ist auch verknüpft mit sozialer Armut - also sehr eingeschränkter sozialen Beziehungen zu anderen Menschen und eingeschränkten Fähigkeiten, sich Unterstützung durch andere zu sichern - und mit kultureller Armut - das meint ein sehr eingeschränktes Wissen über die Möglichkeiten, sein Leben selbst auszufüllen und zu gestalten. Diese Problemlagen können zwar leichter bewältigt werden, wenn Einkommensarmut vermieden wird, aber sie verschwinden damit keineswegs automatisch.

Dazu kommt der weitere Aspekt, dass Massenerwerbslosigkeit nicht nur für die Erwerbslosen, sondern auch für die Erwerbstätigen hochproblematische Folgen hat. Bekannt ist etwa, dass Massenerwerbslosigkeit disziplinierend auf die Arbeitnehmerschaft wirkt und die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften schwächt. Hartz IV hat diesen Effekt nochmals drastisch erhöht, weil es nach 12 Monaten ALG I nicht nur um Erwerbslosigkeit geht, sondern immer auch um Armut, und zwar ganz offensichtlich, so dass das jedem klar ist.

Ein anderer hochproblematischer Effekt der Erwerbslosigkeit für die Beschäftigten ist, dass ihre Arbeitszeiten länger werden als sie sein müssten - wenn nämlich die vorhandene zur Reproduktion der Gesellschaft notwendige Erwerbsarbeit möglichst gleichmäßig auf alle verteilt würde. Erwerbslosigkeit ist ja gewissermaßen eine brutale und selektive Form von Arbeitszeitverkürzung. Die Erwerbslosen werden auf Null Stunden gesetzt und verlieren ihre eigenständige Existenzsicherung, während die Beschäftigten weiter Überstunden machen müssen. Lange Arbeitszeiten sind ein wesentlicher Grund für die Probleme, die Anforderungen des Erwerbslebens mit denen des persönlichen Lebens, mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, unter einen Hut zu kriegen. Was dann in aller Regel die Frauen auszubaden haben.

Die Massenarmut speist sich zunehmend auch aus Defiziten des Erwerbssystems selbst sowie der vorrangigen sozialen Sicherungssysteme. Armutsfördernde Defizite des Erwerbssystems sind etwa der Niedriglohnsektor und die prekäre Beschäftigung, wo man vom Einkommen nicht leben kann. Bei den vorrangigen Sicherungssystemen ist etwa zu denken an den unzureichenden Kinderleistungsausgleich, unzureichendes Wohngeld, unzureichende Renten von Frauen und Witwen, unzureichende Absicherung von Pflegebedürftigkeit.

Ich halte es für möglich - ja für die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaft für absolut notwendig -, mittels einer anderen, sozialstaatlich ausgerichteten Politik für Arbeitszeitverkürzung bei gesicherten Einkommen und für eine den Aufgaben entsprechende Instandsetzung der vorrangigen Sicherungssysteme die Massenarmut weitgehend abzubauen. Dazu gehört auch die Wiedereinführung einer vorrangigen Lohnersatzleistung bei Langzeiterwerbslosigkeit, die es in Deutschland seit 1927 gegeben hat - bis zu Hartz IV.

Von Forderungen in dieser Richtung können sich aber diejenigen, die hier und jetzt und auch morgen noch auf Transferleistungen angewiesen sind, noch nichts kaufen. Also stellt sich die höchst dringliche Frage danach, wie ihnen ein Leben ermöglicht werden kann, dass zumindest in den materiellen Teilhabemöglichkeiten der Würde des Menschen entspricht. Das ist die Frage nach dem Leistungsniveau und nach der repressionsfreien Ausgestaltung der Mindestsicherung.

Da geht es im Kern um die Umsetzung des Menschenwürdegrundsatzes von Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz. Verfassungsrechtlich grundsätzlich anerkannt ist erstens, dass Armut und sozialer Ausschluss die Menschenwürde verletzen, so dass der Schutz davor zum Auftrag aller staatlichern Gewalt zählt. Und zweitens, dass Menschenwürde jedem und jeder Einzelnen allein und unmittelbar Kraft des Menschseins eigen ist und nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden darf - etwa von ,,erwünschtem Verhalten" hinsichtlich der Arbeitsbereitschaft oder der Annahme irgendeiner beliebigen Arbeit. Die Forderung nach einem voraussetzungslosen Schutz vor Armut, der auch bei Arbeitsverweigerung garantiert bleibt, kann sich also durchaus auf Grundsätze der Sozialstaatsverfassung stützen.

Mit dem Bundessozialhilfegesetz von 1961 hat der Gesetzgeber ja auch tatsächlich versucht, dem Rechnung zu tragen - damals allerdings nur bezogen auf einen ziemlich kleinen Personenkreis, der auf Sozialhilfe angewiesen war. Die Probleme mit dem BSHG entstanden erstens dadurch, dass seit Anfang der 80er Jahre die Grundsätze des BSHG bei der Fortschreibung der Regelsätze und bei der Leistungsgewährung durch die Kommunen aus fiskalischen Gründen - das heißt aus Gründen einer falschen Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums - in zunehmender Weise missachtet wurden. Zweitens dadurch, dass die auf die tatsächlichen Umstände jedes Einzelfalls abstellenden Regelungen unter Bedingungen einer neuen Massenarmut zunehmend weniger handhabbar wurden. Und drittens dadurch, dass im Zuge der Ausbreitung von Armut und Erwerbslosigkeit die repressiven, armenpolizeilichen Züge sukzessive verstärkt wurden, gerade auch, was die Arbeitspflicht angeht. Das hing schon damals eng zusammen mit Verschärfungen der Zumutbarkeit im vorrangigen Arbeitsförderungsrecht und mit politischen Bestrebungen zur Entwicklung des Niedriglohnbereichs - die berüchtigten Diskussionen über das Lohnabstandsgebot.

Zwischen Mitte der 80er und Mitte der 90er Jahre entwickelte sich in der fortschrittlichen Sozialwissenschaft und -politik eine konzeptionelle Debatte über eine Fortentwicklung des Mindestsicherungssystems zu einer ,,bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung" - ein Begriff, der später von Rot-Grün ins Gegenteil verkehrt wurde.

Schon damals wurde dem von Seiten der FDP das auf den geistigen Vater des Neoliberalismus, Milton Friedman, zurückgehende Konzept der negativen Einkommenssteuer oder des Bürgergelds entgegengestellt - ein Konzept, dem jetzt das Netzwerk Grundeinkommen zu neuen Weihen nebst Eintrittskarte in den linken Diskurs zu verhelfen scheint. Den Liberalen ging es dabei schon damals vorrangig um zwei Ziele: um die Förderung von Niedriglohn- und prekärer Beschäftigung durch ein unzureichendes Leistungsniveau und um den Abbau des Sozialstaates durch Abschaffung aller möglichen Sozialleistungen und Auflösung der entsprechenden Sozialleistungsträger. Diese letztere Zielsetzung scheint sich in der aktuellen Grundeinkommensdebatte durchaus breiter Zustimmung zu erfreuen, auch wenn belastbare Aussagen dazu meist vermieden werden.

Was die Entwicklung eines politikfähigen Reformkonzepts für eine armutsfeste und repressionsfreie Mindestsicherung angeht, wäre mein Rat, an den konzeptionellen Überlegungen für eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung von Anfang bis Mitte der 90er Mitte anzuknüpfen. Grundlage und Ausgangspunkt für die Bestimmung eines armutsfesten Leistungsniveaus wäre die heute in der EU geltende, nach Haushaltsgröße und -zusammensetzung bedarfsgewichtete Armutsgrenze von 60 Prozent des Äquivalenzeinkommens, also des durchschnittlichen Einkommens vergleichbarer Haushalte.

Die Grundsicherung bliebe an eine Bedürftigkeitsprüfung gekoppelt, weil im Einzelfall festzustellen ist, ob die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs bestehen.

Vorsicht ist geboten bei der Zusammenfassung von Leistungen in Regelpauschalen, weil das leicht Ungerechtigkeiten produziert. Grundsätzlich nicht pauschalierungsfähig sind vor allem die Wohnkosten, die in der Regel eine große Spreizungsbreite aufweisen. Und für eine Reihe von Wechselfällen des menschlichen Lebens und konkret im Einzelfall auftretende Bedarfslagen wird man auf einen Katalog ergänzender Leistungen nicht verzichten können, damit die Deckung des Bedarfs für ein menschwürdiges Leben auch in jedem Einzelfall gewährleistet werden kann. Die ,,Hilfe in besonderen Lebenslagen" - bei Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit - muss ohnehin erhalten bleiben.

Leistungsrechtliche Sanktionen jeder Art zur Einwirkung auf ,,unerwünschtes Verhalten" wären zu streichen und ggf. zu ersetzen durch Instrumente der aufsuchenden sozialen Arbeit.

Träger der Grundsicherungsleistung sollte jeweils der Träger sein, der für die Problemlage zuständig ist, die die maßgebliche Ursache der Einkommensarmut im Einzelfall darstellt. Dadurch würden vorrangigen Systeme gleichsam mit einem armutsvermeidenden Mindestsockel ausgestattet.

Bei Erwerbslosigkeit wäre das die Arbeitsverwaltung, bei zu kleiner Rente der Rentenversicherungsträger, bei Pflegekosten der Träger der Pflegeversicherung, bei unzureichendem Krankengeld der Krankenversicherungsträger, bei Kinderreichtum das Jugendamt, und nur bei zu niedrigen Erwerbseinkommen das Finanzamt.

Das Asylbewerber-Leistungsgesetz wäre ersatzlos zu streichen und durch Grundsicherung und Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen zu ersetzen.

Zu meiner Zeit als sozialpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion haben wir da 1997 ein Konzept für eine soziale Grundsicherung vorgelegt. Wir haben damals den zu refinanzierenden Mehraufwand einer solchen Reform mit 21,5 Mrd. D-Mark beziffert. Das war Größenordnung, die sich noch durchaus im Rahmen dessen bewegte, was bei einem entschlossenen Kurswechsel in der Steuerpolitik auch praktikabel gemacht werden könnte.

Nun noch ein paar Takte zum BGE: Ich habe mich bemüht, im Rahmen der vom Netzwerk Grundeinkommen angebotenen Veröffentlichungen erstmal festzustellen, was das denn sein soll. Das ist nur sehr bedingt gelungen, weil das, was da aus berufenem Munde als charakteristische Kriterien für ein BGE definiert wird, nur auf ein einziges Modell passt, nämlich auf das Existenzgeld-Konzept der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfe- und Erwerbsloseninitiativen. Als Kriterien werden da genannt:

1. Das Leistungsniveau soll hoch genug sein, um Armut wirksam zu vermeiden.

2. Es soll keine Arbeitspflicht geben, sondern man soll auch mit Recht sagen können, ich will nicht erwerbstätig sein, sondern lieber nur vom Grundeinkommen leben.

3. Es soll keine Bedürftigkeitsprüfung geben, sondern das BGE soll allen einkommensunabhängig Kraft ihres Menschseins in Deutschland zustehen, also auch dem Herrn Ackermann mit elf Millionen Jahreseinkommen.

Außer dem Existenzgeld-Konzept entspricht nichts, was da an Modellen gehandelt wird, diesen Kriterien. Und was da gehandelt wird, das geht bis hin zur FDP und zu Milton Friedman und schließt (teils gänzlich absurde) Vorstellungen aus der interessenpolitischen Perspektive von Arbeitgebern ein (Götz Werner, Pelzer/Fischer). Vielfach vertreten die Modelle eher das Gegenteil der eben genannten Kriterien. Das führt zu dem Problem, dass ich nie weiß, wovon denn tatsächlich die Rede ist, wenn einer sagt, es sei für ein BGE. Das halte ich allerdings für einen völlig unverantwortlichen Umgang mit der Sache, denn man handelt hier von außerordentlich sensiblen Lebenssituationen von Menschen, die in Armut leben. Da muss man entweder präzise sein oder sollte eher schweigen.

Dass ich nicht einsehe, warum wir eine Transferleistung für die große Mehrheit der Gesellschaft einführen sollen, die dieser überhaupt nicht bedürfen und die dann nachgehend durch Besteuerung wieder eingesammelt werden muss, habe ich schon erwähnt. Wer glaubt, dass dergleichen ernsthaft Gegenstand der sozialpolitischen Debatte werden könnte, dem kann ich leider nicht helfen.

Ein erheblicher Teil der UnterstützerInnen der BGE-Forderung scheint damit nicht zuletzt einen grundlegenden gesellschaftlichen Wertewandel bezüglich des Verhältnisses zur Lohnarbeit zu verfolgen. Die Gesellschaft soll einverstanden sein, dass jedem das Recht garantiert wird, wählen zu können, ob er oder sie erwerbstätig sein möchte, oder nur vom Grundeinkommen leben will. Auch hier scheint mir der Glaube, dafür könnten in irgendeiner absehbaren Zeit gesellschaftliche Mehrheiten gewonnen werden, ohne jeden Realitätsbezug zu sein.

Ich hielte das auch nicht für wünschenswert. Wenn man das unter dem Gesichtspunkt des Ausstiegs aus der Lohnsklaverei diskutiert, halte ich das für einen Entwurf, der dem Modell des Vermögensbesitzers, des Cuponabschneiders, nachgebildet ist: ,,Ich steige aus und lasse andere für mich arbeiten." Nicht zufällig hat der Begriff der ,,Sozialdividende", der im Netzwerk Grundeinkommen für das BGE verwendet wird, eine gewisse Nähe zum Einkommen von Aktionären.

Es muss umgekehrt darum gehen, dem Recht auf existenzsichernde, reguläre Erwerbsarbeit für alle praktische Geltung zu verschaffen, also für ein entsprechendes Angebot an regulären Arbeitsplätzen zu sorgen. Da stehen Arbeitszeitverkürzung bei gesicherten Einkommen und eine geschlechtergerechte Neuregulierung der Erwerbsarbeit auch deshalb im Mittelpunkt, um den Umfang der notwendigen Erwerbsarbeit - also, wenn man so will, der Lohnsklaverei - für alle zu reduzieren und für alle den Raum des Lebens im Leben zu erweitern. Alles andere steht für mich in Gegensatz zu Gerechtigkeit und Solidarität.