Dieses Wochenende: TFF - Deutschlands größtes Weltmusikfestival / Hannes Wader und Alison Krauss
Letztes Jahr war der Auftritt von Youssou N’Dour („7 Seconds“) ein Höhepunkt des TFF, des alljährlich am ersten Juliwochenende in Rudolstadt stattfindenden, größten deutschen Weltmusikfestivals. Der Sänger, der da nachts im Heinepark auf der Bühne stand, wurde wenige Monate später Kultur- und Tourismusminister in Senegal. Typisch TFF: Hier wird nicht vordergründig politisiert, aber unpolitisch ist das Festival keineswegs. Jedes Jahr setzt es andere Schwerpunkte und widmet sich einem Instrument, einem Tanz und einem Land.
Momentan blickt mancher kaum noch über den europäischen Tellerrand. Griechenland, Spanien oder Portugal gelten da schon als entferntere Regionen. Geht’s dort um das Aufspannen von Rettungsschirmen, wird nun in Rudolstadt beim irgendwann tradtionell niedergehenden Schauer unterm Regenschirm gen China geschaut.
„Made in China“ ist das Synonym für Globalisierung, und so ist der diesjährige Länderschwerpunkt des 22. TFF-Festivals überfällig. Kamen bisher manche internationalen Künstler aus Köln, Berlin oder München nach Rudolstadt, wird es diesmal ganz exklusiv: „Alle Künstler werden direkt aus China und nur wegen des TFF nach Europa reisen“, so die Veranstalter. Als Sahnehäubchen gibt es am Rande des Festivals noch eine eintägige Konferenz, die sich unter dem Titel „Sketches of China“ traditioneller Musik im Reich der Mitte widmet.
Die Namen der chinesischen Gäste sind hierzulande weit gehend unbekannt. Angekündigt sind „archaische Vorläufer“ der Peking-Oper, die ergrauten Maoisten noch ein Begriff sein könnte („Mit taktischem Geschick den Tigerberg erobert“) sowie traditionelle Musik der Uiguren, die in westlich-bornierter Berichterstattung nur im Zusammenhang mit Al Qaida vorkommen. Spannend wird es, wenn diplomatisch via Indien der Bogen nach Tibet geschlagen wird. Mönche des südindischen Klosters Bylakuppe – mit Ursprung im Tashi-Lhunpo-Kloster in Tibet – sollen zum 77. Geburtstag des Dalai Lama, ein Guru für Teile der hier sich versammendelnden Alternativszene, um Mitternacht ihr Programm „Power of Compassion“ mit Gesängen, ritueller Musik und Tänzen aus ihren spirituellen Zeremonien aufführen.
Die Konzertina ist dieses Jahr „das magische Instrument“ des Festivals, „Tanz des Jahres“ sind Straßentänze, von englischen Morristänzen bis zum brasilianischen Capoeira, und zur Entdeckerfreude gesellt sich Wohlbekanntes: Alison Krauss wird am 8. Juli in Rudolstadt ihr erstes von nur zwei Deutschlandkonzerten der diesjährigen Europa-Tournee geben.
Ein Leckerbissen ist gleich zum Festivalauftakt der mitternächtlichen Auftritt von Shantel („Disko Partizani"), vor genau einem Jahr mit „Kosher Nostra“ (F.A.Z.-Rezension) die Lieblingssongs des organisierten Verbrechens präsentierte und den Einfluss der jüdischen Mafia auf das amerikanische Showgeschäft beleuchtete.
Den deutschen Weltmusikpreises RUTH, der immer samstags im Innenhof der Heidecksburg verliehen wird, erhält dieses Jahr der gerade 70 Jahre alt gewordene Hannes Wader für sein Lebenswerk. Dazu passt, dass zugleich indirekt an seinen Ende letzten Jahres verstorbenen Liedermacherkollegen Franz-Josef Degenhardt erinnert wird: mit einer Ausstellung Gertrude Degenhardts, der wir einige der schönsten Plattencover verdanken. Wie immer werden in Rudolstadt auch die Kleinen nicht vergessen: beim Kinderfest erscheinen, kein Wunder bei dem Länderschwerpunkt, die Drachen.