Von feministischer Staatskritik zu Gender Mainstreaming

in (10.08.2004)

Keine Verwaltung und kein Unternehmen ohne Gender Training, kein Stadtbezirk und keine Hochschule kommt heute ohne Gender Mainstreaming-Programme aus. Der Kampf um gleiche Rechte von Frauen hat ...

... einen neuen Hoffnungsträger gefunden. Radikal soll die Geschlechterfrage in der Mitte der Gesellschaft gestellt werden. Das dies nicht immer das Ziel der Frauenbewegung gewesen ist, scheint vergessen. Denn war die Frauenbewegung zu Beginn staats- und kapitalismuskritisch, so wurde im Laufe des Institutionalisierungsprozess der Bezug auf den Staat ein positiver. Kritisiert wurde hier nicht mehr Staat und Kapitel an sich, sondern nur die fehlenden Partizipationsmöglichkeiten von Frauen.i Schlüsselpunkt dieses Transformationsprozesses war die Debatte um Autonomie und Organisation seit Ende der 70er Jahre. Im folgenden möchte ich diesen Transformationsprozess nachzeichnen, der zu einer fast vollständigen Institutionalisierung der Frauenbewegung geführt hat.

Die Befreiung der Frau als revolutionäre Frage

Als Beginn der neuen Frauenbewegung gilt die sogenannte >Tomatenwurfrede"Die meisten Frauen sind deshalb unpolitisch, weil Politik bisher immer einseitig definiert worden ist und ihre Bedürfnisse nie erfasst wurden. Sie beharrten deshalb im autoritären Ruf nach dem Gesetzgeber, weil sie den systemsprengenden Widerspruch ihrer Forderungen nicht erkannten."iii
Die Befreiung der Frau konnte sich von Helke Sanders, die als Delegierte des "Aktionsrats zur Befreiung der Frau" gesprochen hatte, nur innerhalb grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen vorstellen. Für sie war klar, dass die Trennung von Privatsphäre und Öffentlichkeit im Kapitalismus notwendigerweise auf Kosten der Frauen geht und dies würde sich im SDS nur wiederholen. Frauen waren ihrer Meinung nach das am besten zu agitierende revolutionäre Subjekt. Denn Frauen seien die ersten, denen der bürgerliche Weg der Emanzipation als unzulänglich erscheine, denn Karriere sei nur machbar, wenn sich Frauen unter das männliche Leistungsdiktat stellten und ihre Bedürfnisse genauso abspalteten, wie die Männer. Da sie selten Männer fänden, die sie unterstützen und auffangen könnten, und sie obendrein weitaus besser sein müssten als die Männer, seien sie dem Konkurrenzprinzip noch stärker ausgeliefert. So sähen sich die Frauen vor die traurige Wahl gestellt, sich entweder den Männern anzugleichen oder sich auf Hausarbeit und Kinder zurückzuziehen. Individuell sei das Problem nicht lösbar. Denn die Lösung könne nur in der Aufhebung der Trennung von Privatem und Öffentlichen liegen, die erst nach der Umwälzung der Produktionsverhältnisse und damit der Machtverhältnisse möglich sein werde.iv
Diese Prognose von der massenhaften Bewusstwerdung der Frau, die erkennt, dass ihre spezifische Form der Ausgrenzung an gesellschaftlicher Teilhabe nicht innerhalb bürgerlich-kapitalistischer Verhältnisse zulösen ist, sondern nur durch die Umwälzung der Produktionsverhältnisse, bestätigte sich so nicht. Denn nicht die Abschaffung von Kapital und Arbeit stand im Mittelpunkt der Frauenbewegung, sondern die Subjektwerdung der Frauv, dass heißt die Kontrolle der eigenen Natur im Sinne der Leistungsfähigkeit als Arbeitskraft und der Kontrolle über das Kinderkriegen. Die Frauen erkannten eben gerade nicht im Sinne von Helke Sanders, dass ihre spezifische Situation sich nicht innerhalb kapitalistischer Verhältnisse auflösen lässt, sondern kämpften gerade dafür, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie innerhalb dieses Systems möglich wird.
In diesen ersten Kämpfen, zum Beispiel um den §218, ging es jedoch noch nicht um einen positiven Bezug zum Staat, sondern gerade darum, dass die staatliche Kontrolle über den weiblichen Körper beendet werden sollte: Nicht mehr der Staat sollte über Fortführung einer Schwangerschaft entscheiden, sondern die Frau selbst: deshalb auch die folgerichtige Forderung nach der ersatzlosen Streichung des §218. Der Kampf gegen den §218 stellte sich für die Frauen als Schlüsselauseinandersetzung dar, von der aus die gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen kritisiert und der Kampf um die Befreiung der Frau geführt werden sollten. Der §218 wurde als Mittel staatlicher Bevölkerungspolitik verstanden, die zu bekämpfen wäre. Der Staat stand in dieser Konstellation notwendigerweise konträr gegen die Frau. Diese Form der Rechtskritik der neuen deutschen Frauenbewegung wandte sich vornehmlich gegen einen Staat, der die Selbstbestimmung und Autonomie der Frauen torpedierte. Der Staat hatte die Frauen in den Dienst genommen für seine Interessen, wie die damals bekannte Gruppe "Brot und Rosen" erklärte.vi Auch wenn hier schon vieles als richtig erkannt wurde, zum Beispiel, dass staatliche Bevölkerungspolitik in der BRD etwas ganz anderes heißt, als in der "Dritten Welt", so wird sie genau dann ungenau, wenn sie das Verhältnis von Staatsmacht und Frau beschreibt. Der Staat erschien hier als Herrscher über die als autonom von ihm gedachten Frauen. Das Interesse der Frauen an wenigen Kindern kann zwar zufällig einmal mit seinen Interessen konform gehen, aber da der Staat notwendigerweise Kinder als nachfolgende Arbeitskräfte brauche, würde der Staat Gesetze erlassen oder beibehalten, die die Frau von ihrer freien Entscheidung abhalten und geeignet sind sie zu kontrollieren.vii
Der hier aufgemachte Gegensatz zwischen Frauen und Staat mag, was Bevölkerungspolitik anbelangt, Anfang der 70er Jahre noch viele wahre Momente gehabt haben, wie es sich zum Beispiel im Abtreibungsverbot, aber auch in den rigiden Scheidungsgesetzen wiederspiegelte.
Aber dieser Gegensatz scheint zumindest heute aufgehoben, wo die staatliche Herrschaft sich in bevölkerungspolitischen Fragen nicht in erster Linie mehr durch Repression, sondern durch neue Herrschaftstechniken, in denen staatliche Kontrolle individualisierend wirkt, auszeichnet. Frauen wird hier zwar nahegelegt das staatliche Angebot zum Beispiel in Form der Pränatalberatungsstellen zu nutzen, aber nackter Zwang herrscht hier nicht. Durch die Individualisierung muss die Frau die Verantwortung für oder gegen ein behindertes Kind alleine tragen, wobei das technische Potential noch den normativen Druck erhöht, sich gegen das Kind zu entscheiden. Bevölkerungspolitik findet also eher über Kontrolle und Individualisierung als allein über repressive Maßnahmen statt, und so funktioniert sie ganz gut: 98% der Frauen, denen ein behindertes Kind prognostiziert wird, entscheiden sich gegen das Kind. Die individuelle Entscheidung erfolgt also ganz im Sinne der Staatsraison.viii
Nachdem die Frauen in ihrem Kampf gegen den §218 und ihrer Auseinandersetzung mit Sexualität und Verhütungsmitteln gemerkt hatten, dass in der Sexualität auf ihre Bedürfnisse keine Rücksicht genommen wurde und die Medizin sie auf die Rolle als Handlanger patriarchaler Bevölkerungspolitik und Brutkästen reduzierte, wollten die Frauen eine Sexualität und Medizin schaffen, die ihren eigenen Bedürfnissen angemessen war. Aber was genau waren die eigenen Bedürfnisse? Patriarchale Aneignung schien den Körper der Frau seit Jahrhunderten zugerichtet zu haben und die Sozialisation formte jede Frau nach patriarchalen Maßstäben. So ging Luce Irigaray zum Beispiel davon aus, dass die heutige Gesellschaft eine patriarchale Ordnung habe: Sprache, Wissenschaft, Arbeitswelt, Philosophie seien männlich geprägt. Die Frau als Frau existiere nicht, sondern sei nur Projektionsfläche für die männliche Phantasie. So sei die, welche heute als Frau gilt, nicht eigentlich Frau, sondern ein Scheinsubjekt.ix
Ironie der Geschichte war nun, dass Frauen sich trotzdem aufmachten, sich in Selbstuntersuchungs- und Selbsterfahrungsgruppen, Frauenbuchläden und gemeinsamen Ferien selbst zu finden. Ziel war es, die eigentliche, nicht-deformierte Frau, hinter der zugerichteten Frau zu finden. Schwerpunkt der Suche war die nicht-entfremdete und nicht- deformierte Mutterschaft und Arbeit. Diese, die nicht deformierte Arbeit, glaubten die Frauen schließlich in der feministischen Projektarbeit gefunden zu haben. Zu Beginn arbeiteten die Frauen unentgeltlich in den Projekten, die im weitesten Sinne feministische Ziele verfolgten.
Die meisten Frauenprojekte waren in der Sozialarbeit oder an der Universität angesiedelt. Die Frauen machten Frauenberatungsstellen auf, Frauennotrufe und Frauenhäuser sprossen aus dem Boden, der Kampf um Frauenforschungsstellen war in vollem Gange. Es blieb nicht aus, dass diese Arbeit als ehrenamtliche von den Frauen als unbefriedigend empfunden wurde, denn die Frauen versuchten Politik und Existenzsicherung unter einen Hut zu bekommen. Von vielen Frauen wurde das als Ausverkauf begriffen und es entwickelte sich Ende der siebziger Jahre eine heftig geführte Debatte um "Autonomie oder Institutionalisierung".x Auf diese Debatte werde ich im folgenden näher eingehen, weil sich daran gut aufzeigen lässt, wie die Frauenbewegung dann doch zu der Frauenrechtsbewegung geworden ist, die sie zu Beginn nie hatte sein wollen.

"Die Lust zu siegen"xi: Die Debatte um "Autonomie oder Institution" innerhalb der Frauenbewegung

Eine der wichtigsten Forderungen der Frauenbewegung war die nach der Autonomie. Zunächst meinte Autonomie der Frauenbewegung Selbstorganisation. Damit war eine Separierung von der männerdominierten Linken und von Männern überhaupt gemeint. Frauen sollten sich erst als unabhängige Subjekte begreifen lernen und Selbstbewusstsein entwickeln bevor sie wieder mit Männern zusammen arbeiten könnten. Die Separierung wurde teilweise nur als Phase gedacht.
Innerhalb der Bewegung bedeutete der Begriff in erster Linie Dezentralität und Autonomie jeder einzelne Gruppe. Jede Arbeitsgruppe sollte selbstbestimmt Inhalte und Arbeitsweisen bestimmen, wobei antihierarchische Strukturen angestrebt wurden. Darüber hinaus bezog sich der Begriff auf das Verhältnis der Bewegung zum Staat und seinen Institutionen, die als patriarchal und systemstabilisierend erkannt und abgelehnt wurden, woraus eine völlige Loslösung von staatlichen und institutionellen Zusammenhängen resultierte.xii
Umgesetzt werden sollte dieses Prinzip vor allem auch in den Frauenprojekten. Die vielfältigen Projekte sollten den Aufbau eines Gegenmilieus ermöglichen und eine eigene Kultur schaffen:
"Mit alternativen Projekten suchen wir nach Möglichkeiten, Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen, unseren Lebensunterhalt auf andere Weise zu verdienen, mit Arbeit, die wir selber wählen und bestimmen und die den Frauen zugute kommt. Wir probieren auch, dadurch unabhängig von der Gesellschaft zu sein und ihr unsere Arbeitskraft zu entziehen, um die vielseitige Frauenunterdrückung, auf der sie beruht, nicht zu unterstützen."xiii
Die Autonomie der Projekte wurde sich teilweise als Autarkie gedacht. Diese konnte jedoch längerfristig, zumindest wenn es sich um Sozial- und Bildungsprojekte handelte, nicht ohne finanzielle Unterstützung von seitens des Staates erhalten bleiben. An den Notrufen und Frauenhäusern kann exemplarisch aufgezeigt werden, wie die Konfliktlinien zwischen Autonomie und Institutionalisierung verliefen. Frauen, die auf Bezahlung bestanden, wollten nicht der traditionellen Frauenrolle gemäß ehrenamtliche Arbeit verrichten. Die Gegnerinnen sahen zum anderen die Gefahr der Bevormundung von hilfesuchenden Frauen durch die bezahlten Sozialarbeiterinnen.xiv Doch auch die mögliche Einflussnahme seitens des Staates wurde problematisiert durch das Annehmen des Geldes:
"Wenn wir den Staat als Geldgeber und seine Institutionen überhaupt akzeptieren, heißt das dann schon, dass er unsere Arbeit auch bestimmt? Oder heißt es auch, dass wir ihn instrumentalisieren können?"xv
Die ehemalige Frauenhaus-Initiative Bochum kritisierte generell den Fürsorge-Ansatz der Sozialarbeit. Für sie war Sozialarbeit staatlich institutionalisierte Reproduktionsarbeit, die da einsetzt, wo die Familie gefährdet ist. Die Notwendigkeit der öffentlichen Reproduktion würde bedingt durch Veränderungen der Reproduktionsbedingungen und -verhältnisse und durch die geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Gesellschaft. Auch eine feministische Variante der Sozialarbeit in Form von Frauenhäusern wurde hier abgelehnt, da dies nur eine weitere Variante der Reproduktionsarbeit wäre, und die Frauen wieder auf die Beziehungsarbeit festschrieb. Frauenhäuser und -notrufe galten der ehemaligen Frauenhaus-Initiative Bochum als feministische Abteilung des Sozialstaates. Sie wollten Widerstandsformen entwickeln, welche die Wurzeln der Unterdrückung angreifen, und nicht integrative Verbesserungen betreiben.xvi
Für eine ausreichende Analyse des Geschlechterverhältnisses mögen diese Thesen zu bruchstückhaft sein, aber zumindest ist hier eine klare Verweigerungshaltung gegen staatliche Institutionen zu erkennen, die im folgenden oft damit denunziert wurden, dass mit einer solchen Haltung gar keine Einmischung möglich wäre.
Die Lust zu siegen, oder auch die Lust sich einzumischen hatte gesiegt. Von einer Verweigerungshaltung gegenüber den gesellschaftlichen patriarchalen Institutionen hatte man endgültig die Nase voll. Diese erschien zum Beispiel Maria Mies wenig geeignet, die institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen wirklich zu verändern. Dies hatte sicher eine richtige Seite, dass viele Frauen, die in der Frauenbewegung aktiv waren, sich mit esoterischen Fragen beschäftigen oder sich in ihr Privatleben zurückzogen. Maria Mies ging es explizit nicht um mehr bezahlte Stellen, sondern sie wollte, dass die Frauen ihre gesellschaftliche Macht erkennen, um auf die gesellschaftliche Realität, wie zum Beispiel der Startbahn-West in Frankfurt, dem Nato-Doppelbeschluss und Kürzungen im Sozial- und Hochschulbereich einzuwirken. Es ging um eine Politikfähigkeit, die den Widerstand von Frauen mehr Gewicht verleihen sollte. Ein Frauenstreiktag sollte zum Beispiel zeigen, dass Frauen an keinem Krieg mehr mitmachen würden.xvii
Auch die Organisation in bürgerlichen Strukturen wurde als strategisches Ziel für die Politikfähigkeit angesehen. In Vereinsstrukturen könnten ABM-Stellen beantragt werden, Veranstaltungen angemeldet und Forschungsanträge gestellt werden. Das hieß damals immer noch einen Umgang mit dem Feind zufinden. Es sollte ein Balance-Akt geschaffen werden, die herrschenden Strukturen abzulehnen, aber nicht die Macht. Einige Frauen fanden, dass das besonders gut bei den Grünen ginge. Es gab zwar die Sorge, dass, wenn Frauen "große Politik" machen, sie von den herrschenden Mechanismen sehr schnell vereinnahmt würden, aber das schien die geringere Gefahr als auf Macht kollektiv zu verzichten.xviii
Der Wille zur Macht scheiterte scheinbar nur noch an der Angst der Frauen, sich durch ihr Frausein einem mannhaften Streben anzupassen. Immer häufiger war zu hören, dass die von vielen Frauen geteilte Resignation Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre bezüglich des fehlenden Durchsetzens der eigenen Positionen in der Gesellschaft, als auch die Vereinnahmung der eigenen Position in konservativer Variante von etablierten Parteien, der fehlenden Organisationsfähigkeit von Frauen geschuldet sei. So beschuldigt Maria Mies viele Frauen, dass sie ein ungeklärtes Verhältnis zur Macht hätten. Macht gelte bei vielen Frauen als etwas negatives, da männliches. Sie scheuten Organisationsformen und Institutionalisierung, weil diese zu Kristallisationspunkten von Macht werden könnten. Um die Inhalte gesellschaftlich durchsetzten zu können, müssten die Frauen die politische und wirtschaftliche Macht wollen und erkennen, wo die Macht der Frauen liegt.xix Dabei sollte es nicht um eine Angleichung an die Männer gehen. Frau wollte sich nicht entscheiden zwischen "männlicher" Karriere und der Verleugnung der Andersartigkeit der Frau, sondern eine eigenständige weibliche Politkultur sollte entwickelt werden, so Gisela Wülfing von den Grünen. Doch einige Anhaltspunkte gibt Wülfing, wie diese Weiblichkeit in der Politik auszusehen hätte: Zuerst einmal sollten genug Frauen Machtpositionen erreichen: einerseits durch Quotierung, andererseits durch Frauenseilschaften und Netzwerke, und dann sollten die Frauen durch die Selbstentfaltung ihrer Weiblichkeit diese Strukturen und Organisationen verändern. Nicht mehr sollten in den Institutionen die Vereinzelung und der Leistungswahn regieren, die die Frauen im Privatbereich zu reproduzieren hätten, sondern die Frauen sollten eine autonome Erotik selbständiger Frauen leben, die eine vielfältigere Lust an der Einmischung zeige, so Wülfing.xx
So sollte es Spaß machen, in den Institutionen zu arbeiten. Jegliche Distanz zu der Partei oder der Arbeit in den Institutionen, die in der Debatte noch vertreten worden waren, war somit verschwunden. Eine spezifische Form der Machtausübung, eine erotisierende, lustvolle Ausübung der Macht, die als weiblich galt, sollte gefunden werden. Während die Männer bei der Arbeit und in den Institutionen ihre Gefühle kontrollierten, wollten die Frauen gerade diese in die Arbeit einbringen. Das bedeutet aber auch, dass die ganze Person gefordert wurde.

Von der Institutionalisierung zu Gendermainstreaming
Der Institutionalisierungsprozess erfasste beinahe alle Bereiche der Gesellschaft: Quotenregelung, Gleichstellungsbeauftragte, staatlich finanzierte Projekte wie Frauenhäuser und Gesundheitszentren, akademischer Feminismus, Therapeutinnen, Tagungshäuser - so lauten die Stichworte. Damit hielt der Feminismus Einzug in die Öffentlichkeit: Es gab Fernsehmagazine und Frauenbuchreihen in den großen Verlagen, Karrierefrauen und emanzipierte Frauen in Filmen, Gleichstellungsbeauftragte und DIE GRÜNEN. Doch der Wunsch nach Teilhabe an der gesellschaftlichen Macht führte nicht immer zu dem gewünschten Erfolg. Denn Frauen werden trotz formaler Gleichheit immer noch diskriminiert. Der Grund dafür wurde jedoch nicht mehr in der gesellschaftlichen Trennung von Reproduktion und Produktion gesehen, sondern darin, dass der Anspruch nach gesellschaftlicher Gleichheit sich immer noch nicht verwirklicht hätte. Die Frauenbewegung war nun doch zu einer Frauenrechtsbewegung geworden. Keine kam darauf, dass das Recht nicht das geeignete Mittel wäre für die Aufhebung der Diskriminierung, sondern jetzt sollte auf rechtlicher Ebene ein anderer Weg gefunden werden, um das Ziel der gesellschaftlichen Gleichberechtigung zu erreichen. Gestritten wird eigentlich nur noch wie diese wirkliche Gleichheit zu erreichen ist. Der Grund für die Diskriminierung läge an einem Recht, dass die männliche Existenzweise bevorzuge, während die weibliche Lebensweise diskriminiert würde. Als Beispiele gelten jedoch nicht ganz ohne Grund hauptsächlich Begebenheiten aus der Universität, da diese Debatte xxi zum Großteil von Akademikerinnen geführt wird, die ihre Situation als gut ausgebildete Frauen oft genug als allgemein setzen. Als Beispiel für geschlechtsdiskriminierendes Recht gilt das Hochschulrahmengesetz, in dem unter anderen StudentInnen innerhalb von vier Jahren eine Stelle als wissenschaftliche/r MitarbeiterIn innehaben sollen. Dies wäre an ein männliches Karrieremuster angelegt, weil die Zeit nach dem Studium für Frauen ein besonders guter Zeitpunkt wäre, Kinder zu bekommen. Jetzt müssten sie entweder auf Kinder verzichten oder auf die Karriere an der Universität. Diskriminierung meint hier, dass Frauen nach der hiesigen Gesetzeslage Beruf und Familie nicht so gut vereinbaren können. Diese Form des Feminismus will nur die rechtliche Absicherung dafür schaffen, dass Frauen dies besser hinbekommen. Dieses Ziel stellte weder die Lohnarbeit an sich in Frage, noch das bürgerliche Konzept von Familie, wie die Professorin für feministische Rechtskritik Ute Sacksofsky betont: [...] wenn die Geschlechterfrage wirklich berücksichtigt würde, müsste die Frage nach Gerechtigkeit in der Familie von zentraler Bedeutung für die politische Philosophie sein. Soll die Familie Keimzelle der Gesellschaft und/oder des Staates sein, ist von entscheidender Bedeutung, in welchen Strukturen die zukünftigen Staatsbürger aufwachsen".xxii Es soll nur eine gerechte Verteilung der Reproduktionsaufgaben zwischen den Geschlechtern stattfinden, und durch Quotierung eine zahlenmäßige Angleichung in hochdotierte Berufe. Damit wurde das Interesse weißer, gutgebildeter Frauen, die für ihre Karriere ihren weiblichen Lebenszusammenhang, sprich Familie und Kinder, nicht aufgeben wollen, wenigstens zum Teil entsprochen. Vom Zwang zur Arbeit und dem Zwang, innerhalb der Kleinfamilie zu leben, wären sie jedoch nicht befreit. Es geht jetzt hauptsächlich darum den "weiblichen Lebenszusammenhang" (Prokop) in das herrschende Rechtsverständnis zu integrieren. Gelingen soll der entscheidende Schritt hin zu einer wirklichen Gleichberechtigung als "positive nicht-hierarchische Anerkennung der Geschlechterdifferenz" (Maihofer). Dafür soll es in einer Übergangszeit Gesetze geben, die Frauen positiv diskriminieren, während als Fernziel sich auch Männer spezifisch weiblich geltende Eigenschaften aneignen und sich um die Kinder kümmern usw. Diese Frauenrechtsbewegung führte tatsächlich zu einem Erfolg: 1999 erkennt die Bundesregierung die Gleichstellung von Männern und Frauen als durchgängiges Leitprinzip der Bundesregierung an und bestimmt diese mit Hilfe des Gender Mainstreaming (GM) zu fördern. GM zielt auf die Herstellung von Geschlechterdemokratie. Wie auch Frauenpolitik/-förderung ist GM auf die Gleichstellung von Frauengerichtet. Während jedoch Frauenpolitik bestehende geschlechtsspezifische Benachteiligungen ausgleichen soll, ist GM eine präventive Strategie, um solche Benachteiligungen bei neuen Projekten und in der Verwaltung von vornherein zu vermeiden.xxiii Das Konzept verpflichtet jedes staatlich finanzierte Projekt die Geschlechtsspezifik miteinzubeziehen, also den weiblichen Lebenszusammenhang zu berücksichtigen, damit es zu einer wirklichen Gleichstellung kommt. Damit zeigen also die feministischen Debatten Auswirkungen in der Gesetzgebung. Ziel von GM ist es "einen neuen rechtlichen Maßstab außergeschlechtlicher Art, der Frauen wie Männer gleichermaßen berücksichtigt"xxiv zu setzen. Zumindest von der Leiterin des Genderkompetenzzentrums Susanne Baer wird GM als neue radikale Form der Gleichstellungspolitik enthusiastisch gefeiert: "Wenn Gender Mainstreaming als Ausverkauf der Frauenpolitik denunziert wird - [...] wird so auch Politik gegen Diskriminierung bekämpft. Radikale feministische Rechtspolitik bedeutet heute die Geschlechterfrage radikal zu stellen: in der Mitte der Gesellschaft, im Mainstream von Verwaltungen, Organisationen und Unternehmen, von Frauen und Männern. Darauf zielt die Strategie Gender Mainstreaming, wenn sie ernst genommen und auf den Stand der Geschlechterforschung inhaltlich gefüllt wird"25 So ist frau radikal im Mainstream angekommen und hält sich dabei auch noch für die Avantgarde.

Andrea Trumann, ist Diplom-Pädagogin, engagiert in verschiedenen feministischen Gruppen. Beschäftigt sich im Berliner AK Wissenschaftskritik mit Bevölkerungspolitik, Naturbegriffen und Gentechnologie. Veröffentlichung: Feministische Theorie: Frauenbewegung und weibliche Subjektbildung im Spätkapitalismus, Stuttgart 2002.

i In der feministischen Literatur gibt es in der Regel zwar schon ein Wissen darüber, dass die Frauenbewegung zu Beginn staatskritisch gewesen ist, aber die Staatsfeindschaft wird als überholte Position begriffen, da sich heute abzeichnen würde, dass auch die staatlichen Institutionen wie die Justiz feministischen Positionen übernehmen könnten. Vgl. Schäfer, Reinhild: Politik der Autonomie: Das Verhältnis der neuen Frauenbewegung der Bundesrepublik Deutschland. In: Feministische Studien. Baer, Susanne: Radikalität, Fortschritt und Gender Mainstreaming - zum Stand feministischer Rechtspolitik heute. In: Streit 2/2003
ii Vgl. Ann Anders: Autonome Frauen. Schlüsseltexte der neuen Frauenbewegung seit 1968. Frankfurt a.M. 1988:10.
iiiHelke Sanders: Rede des Aktionsrates zur Befreiung der Frau. Frankfurt a.M.1968. In: Ann Anders: Autonome Frauen. Schlüsseltexte der neuen Frauebewegung seit 1968. Frankfurt a.M. 1988: 41
iv ebd.S.42
v Vgl. Andrea Trumann: Feministische Theorie: Frauenbewegung und weibliche Subjektbildung im Spätkapitalismus. 2002:77-87.
vi Vgl. Brot und Rosen: Frauenhandbucht Nr.1, überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin 1974: 35-36
vii Vgl. ebd: 35-36
viii Vgl. D.J. Bükatz: §218 Drei Jahre Kompromiß: Vom Nein zum institutionalisierten Jein. In: Tendenz. Zeitung der JungdemokratInnen/Junge Linke 1998
ix Irigaray, Luce: Macht des Diskurses - Unordnung des Weiblichen. In: Aisthesis. Leipzig 1991: 138
x Vgl. Autonomie oder Institution. Über die Leidenschaft und Macht von Frauen. Dokumentationsgruppe der Sommeruniversität der Frauen e.V.. Berlin 1981. Vgl. Dokumentation: Kongress Autonome Frauenbewegung und die Organisationsfrage. Köln 1982.
xi zit. nach Gisela Wülfing: Lust zu siegen - Machtgewinn allein ist unerotisch.1988
xii Vgl. Marie-Theres Knäpper: Feminismus Autonomie Subjektivität. Tendenzen und Widersprüche in der neuen Frauenbewegung. Bochum 1984: 120-125
xiii Mog, Josiane: Frauenbewegung - Projektbewegung? In: Beitrage zur 4. Sommeruniversität für Frauen. Berlin 1979: S.173-176
xiv Marie-Theres Knäpper: Feminismus Autonomie Subjektivität. Bochum 1984.
xvFrauenhaus Essen: Materialien zur Arbeitsgruppe 5A Frauenhausarbeit: Politische Arbeit oder Dienstleistung für den Staat. In: Dokumentation des Kölner Kongresse 12/81. Autonomie, Frauenbewegung und die Organisationsfrage. Köln 1982, S.42-45.
xviDiskussionspapier der ehemaligen Frauenhaus-Initiative Bochum: Materialien zur Arbeitsgruppe 5B Materielle und ideologische Trends in unserer Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf die Frauenbewegung. In: Dokumentation des Kölner Kongresses 12/81. Autonomie, Frauenbewegung und die Organisationsfrage. Köln 1982, S. 53-55.
xvii Maria Mies: Autonome Frauenbewegung und die Organisationsfrage. In: Dokumentation des Kölner Kongresses 12/81 Autonome Frauenbewegung und die Organisationsfrage. Köln 1982, S.2-7.
xviiiAnnecke, Ute; Kiewel, Angelika; Mies, Maria; Möller, Carola; Sauer-Burghard, Brunhilde; Skriver, Barbara. Diskussion der Materialien des Kölner Kongresses 12/81. In: Dokumentation des Kölner Kongresses 12/81 Autonome Frauenbewegung und die Organisationsfrage. Köln 1982, S. 127-141.
xix Maria Mies: Autonome Frauenbewegung und die Organisationsfrage. Köln 1982.S.2-7.
xx Wülfing, Gisela: Lust zu siegen - Machtgewinn allein ist unerotisch. In: Anders, Ann (Hg.): Schlüsseltexte der Neuen Frauenbewegung seit 1968.Frankfurt a.M. 1988.
xxi
xxiiSacksofski, Ute: Was ist feministische Rechtswissenschaft? Zeitschrift für Rechtspolitik 9/2001
xxiii www.gender-mainstreaming.net, besucht am 1.12.2003
xxivSokol, M. Feministische Rechtspolitik In: Streit 1/1989:9
25 Baer, Suanne: Radikalität, Fortschritt und Gender Mainstreaming - zum Stand feministischer Rechtspolitik heute. In: Streit 2/2003:71

aus: alaska 245/04