Zum Heulen

Hillary weint und wird zum Weib, ist aber trotzdem nicht wählbar. Ein Kommentar

Die Neuauflage des Club 2 im österreichischen TV hält so manche tragikomische Momente bereit. So geschehen Mitte Januar, als über das Thema Männerseilschaften und Frauennetzwerke diskutiert wurde - oder besser gesagt, hätte diskutiert werden sollen. Die Meinung eines anwesenden Arztes, es gäbe bei den MedizinerInnen zwischen Männern und Frauen keine Unterschiede, wie oder in welchem Ausmaß Cliquen gebildet würden, zeigt die vorherrschende Ignoranz gegenüber der frauenfeindlichen Art und Weise, mit der Arbeits- und Machtsysteme funktionieren. Kurz vor dem Ende der Sendung ist der Moderatorin auch noch schlagartig klar geworden, dass der zweite Teil der Diskussion, nämlich die Frauennetzwerke, kaum zur Sprache gekommen war. Zufall? Diese Diskussion ist ein Beispiel dafür, wie die Routinen, mit denen Frauen von politischen und unternehmerischen Entscheidungsprozessen ferngehalten werden, ablaufen. Es enttarnt darüber hinaus Gender Mainstreaming und Diversity Management als zahnlose Instrumente der modernen Frauenpolitik. Ich stimme an dem Punkt mit der deutschen Philosophin Sophie Dannenberg überein, die der Ansicht ist: "der Feminismus hätte Widerstand gegen den allgemeinen Trend der Entdifferenzierung leisten müssen. Das erst hätte ihn zu einer wahrhaft revolutionären Kraft gemacht." Frauenpolitische Forderungen werden stattdessen in populistische Worthülsen verwandelt, bis sie ihren Inhalt verlieren. Immer gleiche Parolen zementieren Frauen in ihre althergebrachten Rollen, aber niemand widerspricht. Ausnahmeerscheinungen wie Hillary Clinton, die angetreten ist, um die erste US-Präsidentin zu werden, müssen fälschlicherweise als Beweis dafür herhalten, dass Frauen gesellschaftlich jede Form der Gleichheit erreicht haben. Aber deshalb gleich ohne Vorbehalte eine Stimme für die renommierte Senatorin und Juristin, die Präsidentin der USA werden will? Obwohl ich der Meinung bin, dass die derzeitige Familien- und Frauenpolitik, in Österreich wie anderswo, feministische Ziele untergräbt, wünsche ich Hillary Clinton Erfolg. Aber nicht, weil ich von ihr besondere frauenpolitische Leistungen erwarte. Auf ihrer Wahlkampf-Homepage findet sich unter dreizehn Themenschwerpunkten die Frauenpolitik erst an neunter Stelle, hinter den KriegsveteranInnen, die mehr Unterstützung verdienten und dem Wunsch, das außenpolitische Image der USA in der Welt wieder aufzupolieren. Eine Frau als höchste politische Entscheidungsinstanz wäre für jene, deren misogyne Ressentiments als wertfreie Analysen daherkommen, eine Möglichkeit, ihre "objektiven" Beurteilungskriterien zu überprüfen. Hillary Clinton wird vorgeworfen, sie sei zu technokratisch und gehöre dem alternden Klüngel der demokratischen Machtelite an. Als First Lady sei sie nicht selbst politisch tätig, sondern nur Mitbewohnerin im Weißen Haus gewesen. Solche und ähnliche Aussagen werden aber weder als diskriminierend noch als frauenfeindlich wahrgenommen, ebensowenig wie die Reaktionen auf die Beinahe-Tränen nach der Niederlage bei den Vorwahlen in Iowa. Kein Wunder, dass sie auf die Wahlkampfparole verzichtet, erste Präsidentin der USA werden zu wollen. Sie spricht in ihren Reden lieber über ihr Gesundheitsprogramm, das sie bereits als First Lady vergeblich versuchte, durch den Senat zu bringen - bisher eine ihrer größten politischen Niederlagen.
Der britische Historiker Steven Beller erklärt in einem Standard-Interview: "Hillary Clinton ist sicher auch eine gute Kandidatin, aber sie hat nicht Barack Obamas Fähigkeit, alle Amerikaner anzusprechen." Der junge Senator von Illinois gilt als erster Afroamerikaner mit realistischen Chancen auf das Präsidentenamt. Ethnische Herkunft sticht Geschlechtszugehörigkeit, schreibt sinngemäß Gloria Steinem, Herausgeberin des feministischen Frauenmagazins "Ms", in der New York Times. Sie kritisiert damit die ungleiche Darstellung von Obama als Vertreter der schwarzen Community und Clinton, die "die Frauen" repräsentiere. Nur Obama, nicht aber Clinton, so der Tenor der öffentlichen Darstellung in US-amerikanischen Medien, könnte die, durch die letzten Jahre der Polarisierung und Panikmache entstandene gesellschaftliche Kluft überwinden. Frausein ist offensichtlich auch noch sechzig Jahre nach dem Erscheinen von "Das andere Geschlecht" von Simone de Beauvoir das Zeichen für Andersheit.

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at