Linksradikaler bitte!

Haben wir bald auch in Österreich ein wählbares, linkes Bündnis?Ein Kommentar

Wenig überraschend bedeutet der Wahlsieg der SPÖ weder die Abschaffung der Studiengebühren, noch ist geplant, das Fremdenrechtspaket mit den grundlegendsten Menschenrechten kompatibel zu machen. Was einer ArbeiterInnenpartei aber am wenigsten ansteht: Die Arbeitsmarktpolitik bleibt im schwarzen Wirtschaftsministerium angesiedelt. Arbeitslose Frauen dürfen sich jetzt schon auf weitere lehrreiche Arbeitstrainings als Regalbetreuerin beim Rewe-Konzern freuen.

Um gegen derartige Missstände zu opponieren, hätte es eine andere Frauenministerin als Doris Bures gebraucht, von der eine parlamentarische Mitarbeiterin erzählt, dass sie bis dato wenig an Frauenpolitik interessiert war. Dass alles beim Alten bleibt, liegt also nicht an der mangelnden Kompromissbereitschaft der ÖVP. Es ist nicht so, dass die linken Tendenzen in der SPÖ entfesselt worden wären, wäre sich eine rot-grüne Koalition ausgegangen. Denn das Beispiel Deutschland zeigt, dass der Wille zu Umverteilung und progressiver Gesellschaftspolitik weder in der SPÖ noch bei den Grünen ausgeprägt genug ist.?Also braucht sich auch keine zu grämen, weil sie entgegen ihrer Überzeugung Rot statt Grün wählte. Von einer KPÖ, deren Spitzenkandidat bei seinem einzigen ORF-Auftritt nicht einmal die Vergesellschaftung des Privateigentums erklären kann, und sich stattdessen ausgerechnet von Hans Peter Martin eine Lektion in Marxismus erteilen lassen muss, einmal ganz zu schweigen. ?Es war richtig, SPÖ zu wählen und der ÖVP eine Fortsetzung der Rechtsregierung zumindest zu erschweren. Denn die Proteste von VSStÖ, SJ und Gewerkschaftsjugend hätten eine rein rechte Regierung herzlich wenig gekratzt. Nachdem sich der Unmut aber nicht nur bei der für die Gesamtbevölkerung wenig repräsentativen, studentischen AnhängerInnenschaft der SPÖ regt, sondern der Protest auch bei Gewerkschaftsbasis und auf Funktionärsebene organisierten Ausdruck findet, ist die SPÖ viel eher unter Zugzwang, als die Rechtsregierung es trotz der zahlenmäßig bedeutenderen Massenproteste der Donnerstag-Demos und der Demonstration einer halben Million Menschen gegen die Pensionsreform 2003 war. Aber eine Ingredienz fehlt noch, um Neo-Kanzler Alfred Gusenbauer das überhebliche Grinsen auszutreiben. Denn wenn nun alle Enttäuschten austreten und im besten Fall ins Lager der NichtwählerInnen wechseln, interessiert das das Establishment herzlich wenig. Im Gegenteil: NichtwählerInnen braucht niemand Wahlversprechen zu machen, die dann ohnehin gebrochen werden müssen. Trotzdem bleibt der Anschein der Demokratie gewahrt. ?Was aber, wenn nicht von Austritt, sondern von Abspaltung die Rede wäre? So wie schon einmal im Sommer 2006, als Gusenbauer höhere Gewerkschaftsfunktionäre nicht mehr in den Nationalrat wählen lassen wollte. Gäbe es eine Wahlalternative links der SPÖ, niemand bräuchte mehr SPÖ mangels anderer Optionen zu wählen. Vereinigt sich die Jugend mit den unzufriedenen Teilen der Gewerkschaft, dann müsste die SPÖ tatsächlich um ihre Stimmen fürchten. Denn im Gegensatz zu den bourgeoisen Grünen, die längst die Stelle der Liberalen eingenommen haben, wäre eine solche Partei auch für ArbeiterInnen wählbar.
Gibt es diese linke Alternative allerdings nicht, so wird die enttäuschte WählerInnenschaft der SPÖ nicht nur gar nicht mehr, sondern wieder rechts wählen. Umso heuchlerischer, dass Gusi vorgibt, eine rechte Koalition verhindert zu haben. Wenn bei den nächsten Wahlen H. C. Straches FPÖ nahe den zwanzig Prozent, zusammen mit dem BZÖ die Rechten wieder nahe 25 Prozent liegen, dann werden wir dies der großen Koalition zu verdanken haben. Denn die Kritik am Proporz der großen Koalition war es, die Haider groß machte. Sprüche wie: "Sozial statt neoliberal und brutal!" sicherten H. C. Strache mehr noch als seine AusländerInnenhetze einen schaurigen Wahlerfolg. Und die Kritik Peter Westenthalers, dass im Sozialministerium fast keine Entscheidungskompetenzen versammelt sind, ist im Gegensatz zum resignativen Parteiaustritt der VSStÖ-Vorsitzenden Barbara Blaha wählbar. Wenn wir also wieder einmal den Aufstieg der Rechten erleben, dann weil es den Linken nicht gelungen ist, eine Alternative links der SPÖ zu schaffen.

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at