Zum Scheitern verurteilt?

in (22.06.2007)

Die Frauenbewegung in den arabischen Ländern Nordafrikas steht sich selbst im Weg: Mit den pauschalen Feindbildern "Islam" und "Männer" erreicht sie weder die Frauen noch die Männer in den islamisc

Die nordafrikanische Frauenbewegung hat sich im Lauf des 20. Jahrhunderts gesellschaftlich institutionalisiert. Jedoch war sie von vornherein zum Scheitern verurteilt. Schuld daran ist sie selbst: Die arabisch-afrikanischen Frauenrechtlerinnen identifizieren sich zu sehr mit den Frauenbewegungen der westlichen Gesellschaften. Sie nehmen von vornherein an, dass der Islam an der Unterdrückung und Ausgrenzung von Frauen in den arabischen Gesellschaften schuld sei. Sie übersehen, dass auch die Frauen in den westlichen Gesellschaften seit Jahrhunderten für ihre Rechte kämpfen, und dass Geschlechterrollen kulturell geprägt sind. Das verstellt der nordafrikanischen Frauenbewegung die Möglichkeit, auch traditionell orientierte Menschen in ihren Ländern zu erreichen.

Die Frauenbewegung in Nordafrika wird von vielen als "unarabisch" gesehen. Sie gilt als Symbol der subversiven Bedrohung der islamischen Gesellschaft durch den Westen und wird deshalb nicht nur von religiösen Gelehrten, sondern auch von PolitikerInnen abgelehnt. Sie sehen in der Frauenbewegung eine individualistische Bestrebung gegen die Gemeinschaft, und die Assoziation der Frauenbewegung mit der westlichen Welt steigert diese Ablehnung noch.

Der Islam ist nicht frauenfeindlich

Historisch, philosophisch und theologisch ist die Assoziation des "Westens" mit der Gewährleistung und des Islam mit der Verletzung von Frauenrechten nicht begründbar. Viele große politische Philo­sophen des Okzidents - von Aristoteles bis Fichte und Hegel - haben die Beteiligung von Frauen am öffentlichen Leben abgelehnt oder schlicht ignoriert. Auch für die Französische Revolution waren Bürgerrechte vor allem Männerrechte.

Und der Islam ist nicht per se frauenfeindlich, wie oft behauptet wird. Man kann ihn emanzipatorisch oder frauenfeindlich interpretieren. Das Problem der meisten arabischen Frauenrechtlerin­nen liegt darin, dass sie an die frauenfeindliche Interpretation einiger fundamentali­s­ti­scher Gelehrter anknüpfen und ihnen die Rechte nicht bewusst sind, die ihnen der Islam eigentlich zuspricht.

Die berühmte arabische Frauenrechtlerin Nawal Al-Saadawi von der atheistischen ägyptischen Frauenunion versäumt praktisch keine Gelegenheit, sich als Atheistin zu bekennen - die Mehrheit der traditionell islamisch orientierten arabischen Frauen kann sie damit nicht erreichen.

Erzwungene Gleichberechtigung

Die Krise der arabischen Frauen­bewegung betrifft aber nicht nur ihre westlich orientierten Vertreterinnen, sondern auch ihre fehlende gesellschaftliche Verankerung. Die Gleichberechtigung der Geschlechter hat sich in den arabisch-afrikanischen Ländern nicht als soziale Idee von unten entwickelt. In einigen Ländern wie beispielsweise in Algerien oder Tunesien gaben die nationalen Befreiungsbewegungen den Befehl der Frauenemanzipation aus, in anderen war es der internationale Druck, der die Verbesserung der Situation der Frauen zur Voraussetzung für Entwicklungshilfe macht.

In den meisten arabischen Ländern Nordafrikas gilt nicht die Scharia, sondern viele Gesetze sind aus den säkularen Staaten, vor allem aus Frankreich, übernommen worden. Nur familiäre Angelegenheiten regelt das so genannte Gewohnheitsrecht, das oft frauen­feindlich ist: Die Familienehre wird nur auf Frauen projiziert, während Männern sexuelle Freiheit gewährt wird. "Ehrenmord" bei­spiels­weise wird im ägyptischen Gesetz als De­likt aufgrund der Verteidigung der Ehre geführt - und der Täter bekommt eine deut­lich mildere Gefängnisstrafe als in einem anderen Mord­fall. Wegen sexueller Akte außerhalb der Ehe wird eine Frau in Ägyp­ten immer mit Gefängnis bestraft, während ein Mann nur verurteilt wird, wenn er außereheliche sexuelle Handlungen im eigenen Haus ausführt.

Falsche Feindbilder

Die Frauenbewegung in Nordafrika sollte sich nicht die Männer oder den Islam zu Feindbildern machen - ihre eigentlichen Feinde sind frauenfeindliche Traditionen, Un­wissen­heit und Armut. Der Alltag der Frauen hängt erheblich von ihrer sozialen Zu­ge­hörigkeit ab. Für existenzbedrohende Pro­bleme von Frauen wie Ehrenmord oder Be­schnei­dung muss es klare gesetzliche Regelun­gen mit strengen Strafen geben. Notwendig ist Aufklärung, die nicht nur Frauen erreicht, wohlhabende Menschen und jene, die von der Gleich­berechti­gung der Ge­schlech­ter ohnehin schon überzeugt sind. Eine wirkliche Veränderung der Ge­schlechter­rollen und Verbesserung der Lebens­be­dingungen von Frauen kann nur erreicht werden, wenn auch die Männer in den arabisch-afrikanischen Gesellschaften sie wollen.

May Elmahdi studierte bis 2003 in Kairo Germanistik. Seit 2006 studiert sie Politikwissenschaft in Berlin.

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in: sul serio Sonderausgabe Nr. 5 "Soziale Bewegungen in Afrika", Frühjahr/Sommer 2007, S. 9

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