Dem Demokratiedefizit entgegenarbeiten

Interview mit Corinna Genschel und Christine Loew auf der EXPO

Die internationale Frauenuniversität anlässlich der EXPO inHannover war schon im Vorfeld von feministischer und linker hochschulpolitischer Seitekritisiert worden.

Nicht nur die Anbindung an die Ausstellung der Neuen Weltordnung, sondern auch ein elitäres und neoliberales Konzept im Bezug auf die organisatorischen Strukturen und die Auswahl der Teilnehmerinnen wurde den Veranstalterinnen um die Präsidentin Ayla Neusel vorgeworfen. Dagmar Neubauer und Barbara Nohr von der Redaktion wollten es genauer wissen und interviewten am 19.9.2000 auf der ifu die beiden Teilnehmerinnen Corinna Genschel aus Berlin und Christine Loew aus Frankfurt.

Christine, wie bist du an die ifu gekommen?

Christine: Ich bin Politikwissenschaftlerin und habe die Ausschreibung für die ifu in der Zeit gesehen. Ich bin da aber eine Ausnahme, ansonsten merkt man schon, dass Frauen über Kontakte zu Professorinnen auf die Möglichkeit zur Bewerbung aufmerksam gemacht wurden. Verlangt waren neben Bewerbung und Lebenslauf ein englischer Sprachtest, ein professorales Empfehlungsschreiben, ein Universitätsdiplom und eine Beschreibung bisheriger feministischer Aktivitäten sowie die Skizze eines aktuellen Arbeitsprojekts.

 

Es war angekündigt, dass "Eignung" und "Motivation" der Teilnehmerinnen in Auswahlgesprächen getestet werden sollten.

Christine: Soweit ich weiß, hat das nicht stattgefunden. Es gab wohl nicht genügend Bewerberinnen und der Anmeldeschluss wurde vom 15.10. bis Ende November verlängert. In der Beschreibung des eigenen Projekts sollte man auch Gründe für die Bewerbung darlegen,und was man sich von der ifu-Teilnahme erwartet. Es war von vornherein klar, dass es nicht nur um feministische Theorie geht oder Gender-Studies, sondern auch um Internationalität und Interkulturalität - d.h. neue Frauen kennenlernen, sich austauschen und Networking Ich habe zunächst befürchtet, dass es sich um ein relativ naives Konzept von Interkulturalität handelt, in der Art "Hauptsache Frauen aus vielen Ländern" .

 

Wie finanziert Ihr Eure Teilnahme, die ja auch noch Studiengebühren in Höhe von 600 DM beinhaltet?

Christine: Ich habe ein Stipendium in Höhe von 5.000 DM für die ganzen drei Monate und muss daher auch die Studiengebühren nicht zahlen. Ich habe gehört, dass die Stipendien nach akademischen Meriten und sozialen Kriterien vergeben wurden, aber es ist nicht klar, wie das gewichtet wurde und wer das entschieden hat. Frauen, die alles selber zahlen, brauchen jedenfalls schon einiges Geld. Mir ist übrigens bis heute nicht klar, wer mein Stipendium finanziert.

 

Corinna: Frauen aus dem Süden oder aus Osteuropa haben zum großen Teil ein Stipendium. Es gibt 60% Stipendiatinnen und davon sind wahrscheinlich 80% oder 90% aus dem Süden. Ohne Stipendien gäbe es für sie auch keine Möglichkeit teilzunehmen - auch für diejenigen nicht, die in ihren Ländern privilegiert sind. Die 'Umtauschraten' sind so schlecht, dass z.B. auch wohlhabendere Inderinnen nicht eigenfinanziert nach Deutschland kommen könnten.

 

Corinna, du bist Tutorin, wie bekamst Du diesen Job?

Corinna: Ich bin Politikwissenschaftlerin, schreibe meine Doktorarbeit, bin Lehrbeauftragte und politische Aktivistin unter anderem auch im Bereich Antirassismus. Ich habe über Mundpropaganda erfahren, dass ich mich bewerben könnte - eine öffentliche Ausschreibung für die Tutorinnenstellen gab es meines Wissens nicht. Ich habe eine ganz normale, formale Bewerbung geschrieben. Warum ich im Body-Bereich arbeiten wollte und z.B. nicht im Bereich Migration, hat mit dem Thema meiner Dissertation zu tun. Ich arbeite zu Zweigeschlechtlichkeit und sexueller Politik und dieser Bereich war für mich am naheliegendsten. Ich habe zunächst nur informell erfahren, dass ich wahrscheinlich Tutorin sein werde, die formale Zusage kam erst im April oder Mai, also sehr spät. Ich weiß nicht, wie die Kriterien für die Auswahl waren. Ich wollte trotz aller Kritik an der ifu da rein, weil ich u.a. die Idee spannend fand, einen westlich zentrierten Diskurs in Deutschland durch eine internationale und möglicherweise postkoloniale Auseinandersetzung zu konterkarieren und auch eine andere Kritik an Körperkonzepten kennenzulernen, die in Deutschland und auch in USA sehr weiß und zentrumsfixiert sind. Der Body-Bereich ist sehr stark auf Vorlesungen und Workshops orientiert und weniger projektbezogen. Offiziell heißt es, daß es bei uns kein Curriculum gibt, was aber so nicht stimmt, denn durch die nicht verhandelbare Schwerpunktsetzung und die Auswahl der Vortragenenden wird der gleiche Effekt von kanonisiertem Wissen produziert. Der Schwerpunkt schlechthin ist "Medizin", der Zugriff der Medizin auf Körper, primär durch Genetik und Reproduktionstechnologien. Kleinere waren Gewalt in verschiedenen Ausformungen und Nation und Körper. Insgesamt, so würde ich sagen, ein sehr konservatives Programm, das auf der Curriculumsebene nichts von queerer, postkolonialer oder aktueller feministischer Theorie gehört zu haben scheint.

 

Was sind deine Aufgaben als Tutorin?

Corinna: Im Bereich Body haben wir jeden Vormittag von Montag bis Donnerstag Vorlesungen, immer zwei verschiedene Professorinnen pro Woche. Nach einer Stunde Vorlesung gehen wir eine Stunde ins Tutorium um die Vorlesung zu diskutieren. Danach ist wieder Plenum, d.h. es soll eigentlich eine Kleingruppendiskussion geben, die dann gewinnbringend wieder ins Plenum eingebracht wird. Nachmittags gibt es Tutorien und Workshops, abends wieder Vorlesungen, ein zeitlich sehr volles Programm. Die andere Aufgabe, die ich als Tutorin habe, ist, gerade aufgrund der Heterogenität der Teilnehmerinnen und des sprunghaften Programms bei Body, einen Gruppenprozeß zu ermöglichen und Kontinuität zu gewährleisten. Die Tutorien sind in unserem Bereich zusammengesetzt worden, d.h. weder die Teilnehmerinnen noch die Tutorinnen konnten auswählen. Das führt zu Problemen, beinhaltet aber auch die Chance, aus dieser völligen Heterogenität etwas zu machen: ich muss Brückenbildung gewährleisten, mit der Vielfalt der Differenzen umgehen und diese produktiv machen.

 

Christine: Im Bereich Migration gab es am dritten Tag, so eine Art "Marktplatz", auf dem 11 offizielle Tutorien vorgestellt wurden. Wir konnten uns informieren und hatten zwei Tage zur Entscheidung für ein Tutorium. Die Projekte selbst waren vorgegeben. Ich bin jetzt z.B. in einem Projekt zu Biographien und Mobilität. Es wurde angeboten, dass man auch eigene Projekte weiter bearbeiten kann, weil sich ja fast alle mit eigenen Projekten hier beworben haben. Das ist dann allerdings ein bißchen untergegangen oder war dann doch zu schwierig, weil man schon sehr beschäftigt mit dem Projekt ist, das von den Tutorinnen angeboten wurde.

 

Corinna: Bei uns sind die Tutorien nicht über Interessen von Professorinnen zusammengekommen. Im Prinzip hätte es die Möglichkeit gegeben, eine eigene Organisierung hinzukriegen. Wenn es eine inhaltliche Klammer für die Tutorien gab, was nur durch Zufall der Fall war, konnte dort thematisch zu bestimmten Sachen gearbeitet werden. Bei mir im Tutorium gab es kein gemeinsames Interesse. D.h. meine Aufgabe war, aus dem, was gesagt wurde und aus dem, was ich von den Teilnehmerinnen wußte, immer wieder so etwas wie ein gemeinsames Interesse über Fragestellungen herauszubilden. Es wird auch nicht erwartet, dass wir am Ende ein gemeinsames Ergebnis formulieren. Bei uns müssen die Teilnehmerinnen selbst ein Projekt machen, eigenständig, in Gruppen oder alleine.

 

Christine: Man kann nicht sagen, dass sich in den Themen der Tutorien in Migration die Interessen der Professorinnen 1:1 wiederfinden - aber es gibt bestimmte Nähen. Nachdem die Projekte entschieden waren, gab es verschiedene studentische Initiativen, die sich getrennt von diesen vorgegebenen Projekten zusammengefunden haben und sich mit Themen beschäftigen wollen, die direkt für sie interessant sind. Das wurde dann auch ermöglicht. Es gibt drei oder vier einzelne Gruppen, die nicht angebunden sind an diese offiziell im "Marktplatz" vertretenen 11 Tutorien.

 

Beim "Finale" der ifu wird die Ergebnissicherung sicherlich eine grosse Rolle spielen. Wie wird die aussehen?

Corinna: Es gibt einen formalen Abschluß in Form eines Zertifikats. Diese Form des Abschlusses ist vor der ifu in Deutschland sehr kontrovers diskutiert worden. An deutschen Unis macht ein Zertifikat vielleicht auch wirklich keinen Sinn, aber für andere Länder ist es schon von Bedeutung, dass die Frauen am Ende was in der Hand haben. Dann gibt es sowas wie ein formales Abschlußfest, alle project areas und Ayla Neusel und viel Presse und so. Dort sollen die Ergebnisse vorgestellt werden. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, was da vorgestellt wird, was auch gewinnbringend im politische Sinne vorgestellt werden kann. Wie man die Repräsentationslogik von Frau Neusel unterlaufen kann.

 

Die ifu wurde als "die" innovative Reformuniversität angekündigt. Was ihr jetzt berichtet, klingt aber reichlich traditionell.

Corinna: Man muß sich überlegen, was "Innovation" alles bedeuten kann. Ich finde ein Punkt des Innovativen der ifu liegt in der Internationalität. Die internationale Zusammensetzung und die auch immer wieder stattfindenen postkolonialen Diskussionen beleuchten den sehr weißen Feminismus in bundesdeutschen Hochschulen. Wobei die Frage ist, was nach der ifu durchsickern wird ins Hochschulsystem. Im Sinne des Unterrichts und der Unterrichtsmethoden ist nicht besonders viel innovativ an der ifu. Aber anders als an der Freien Universität Berlin können die Teilnehmerinnen, wenn sie sich organisieren, das Programm an einigen Stellen verändern, womit auch ein bestimmter Frontalunterricht oder eine Entscheidungsstruktur von oben nach unten unterlaufen werden kann. Aber es ist hart, die Diskursanordnung zu verändern.

 

Christine, hast du das Gefühl, dass du mit deinem Projekt - das ja Bedingung für die Bewerbung war - inhaltlich in die ifu eingebunden bist und genug Raum dafür gegeben ist?

Christine: Es wird natürlich in den Tutorien die eine oder andere Fragestellung angesprochen, aber ich würde sagen, die eigenen Projekte finden nicht unbedingt in den Tutorien statt. Ich kenne aber auch Frauen, die sich sehr stark wiedergefunden haben in den Tutorien. Viele Teilnehmerinnen sind im Diss-Stadium und hierhergekommen, um der Vereinzelung zu entgehen. Auch für mich haben sich einige Sachen nach ein paar Tagen oder mit noch ein paar Querverbindungen als fruchtbar erwiesen. Von daher würde ich nicht sagen, dass mein Tutorium komplett losgelöst war von meinem Projekt. Zur Frage nach "Innovation" wollte ich noch sagen, dass es für viele Frauen sehr wichtig ist, sich tatsächlich ganz zentral mit feministischer Theorie auseinandersetzen zu können. Schon dass man nicht ständig irgendeinem Prof erklären muß, warum das jetzt wichtig ist. Im Bereich Migration fand ich zudem sehr beeindruckend, dass die bisherigen "Forschungsobjekte", die Frauen aus dem Süden oder die islamischen Frauen, in den Verantaltungen präsent waren und gegen die Darstellung der Erfahrungen von Migrantinnen aus der Sicht weißer Frauen Einspruch erhoben haben. Das war bisher selten möglich, dass die Arbeiten deutscher Frauenforscherinnen zu Globalisierung oder NGO-Aktivitäten wegen ihrer allzu euphorischen Darstellungen von Frauen aus Indien, Taiwan oder anderen nicht-europäischen Ländern kritisiert wurden und die hiesigen feministischen Konzepte und Kategorien aufgrund ihrer analytischen Verkürzungen vom Tisch gefegt wurden.

 

Corinna: Und das auch sehr komplex tun. Es gibt nicht den einen Block "Frauen aus dem Süden", sondern es gibt sehr unterschiedliche politische Positionen und durchaus grundsätzliche Differenzen. In Body gibt es den regionalen Schwerpunkt "Indien" und ich fand das absolut spannend, weil auch sehr viele indische Teilnehmerinnen hier sind. Die anwesenden Frauen sind als Theoretikerinnen da, das bringt bestimmte westliche Erwartungen ziemlich durcheinander - insbesondere, wenn diese Theoretikerinnen noch widerstreitende Positionen vertreten.

 

Christine: In Deutschland fiele mir kein anderer Ort ein, am dem so etwas überhaupt denkbar wäre. Dennoch sind selbst bei der ifu die Migrationsvorlesungen so konzipiert, dass man sich fragt, wen die hier erwartet haben. Die Teilnehmerinnen sind größtenteils selbst Lehrende, sind promoviert oder mitten in der Diss und oft besser vertraut mit den ganzen dekonstruktivistischen oder postkolonialen Theorien als die Vortragenden. Die Vorlesungen waren z.T. so basic, und das wurde spätestens anhand der Fragen der Teilnehmerinnen deutlich, die schon ganz woanders angesetzt haben.

 

Corinna: Ein Teil dieses Eurozentrismus zeigt sich, wenn Frauen aus dem Norden/Westen Vorlesung halten und den Westen und den Norden überhaupt nicht problematisieren. "Probleme" finden immer im Süden statt, als ob es keine sozialen Bewegungen z.B. in Deutschland und USA gäbe, als ob es keinen Kampf um Ressourcen gäbe, als ob es hier keine Ein- und Ausschlußmechanismen gäbe. Die Frauen aus dem Norden und aus dem Westen sprechen oft ausschließlich als Akademikerinnen, als sei das absolut getrennt von politischer Aktivität. Für viele aus dem sog. "Süden" ist die Verbindung da klarer. Was aber nicht bedeuten soll, dass dieser Unterschied für Frauen aus dem Norden oder dem Süden "typisch" ist - das hängt eher mit der Auswahl zusammen, welche Frauen aus dem Norden und welche aus dem Süden eingeladen wurden.

 

Es gibt ganztägige Veranstaltungenzu jeweils einem Projektbereich, um die außeruniversitäre Öffentlichkeit an der wissenschaftlichen Arbeit der ifu teilhaben zu lassen. Als ich bei der ersten Veranstaltung dieses "open space" war- zum Thema rethinking university - habe ich 24 DM Eintritt zahlen müssen, und konzeptionell fand ich das auch nicht überzeugend.

Corinna: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die Öffentlichkeitsarbeitsgruppe der ifu eine gute Arbeit geleistet hat, besonders was die Vernetzung mit Feministinnen "vor Ort" betrifft. Und ich glaube auch, das 24 DM Eintritt zu viel sind, wenn Du Leute erreichen willst. Ich finde den open space aber mittlerweile gut, weil er eine Verbindung zwischen den einzelnen Projektbereichen bietet.

 

Dann ist das eher eine Öffentlichkeit nach innen?

Corinna: Das ist der ungewollte Nebeneffekt, den ich aber inzwischen positiv finde.

 

Um dem Vorwurf zu begegnen, dass bei der ifu feministische Wissenschaft im Elfenbeinturm betrieben werden solle, war aber angekündigt worden, dass regelmäßig - auch im Rahmen der EXPO - der Kontakt mit der außeruniversitären Öffentlichkeit gesucht wird und die Öffentlichkeit Einfluss auf die Forschungsprozesse und die Inhalte haben kann.

Corinna: Was meinst Du mit "im Rahmen der EXPO"? Die ifu hat nicht besonders viel mit der Expo zu tun und open space schon gar nicht. Die ifu hat eben Gelder von der Expo bekommen, wie viele andere Projekte auch.

Die ifu sollte doch unter anderem die ansonsten mit patriarchalen Konzepten arbeitende Expo feministisch korrigieren. Das hat die Präsidentin Ayla Neusel mehrfach herausgestellt.

Corinna: Ayla Neusel hat viel gesagt. Ich würde die Verbindung ifu/EXPO unter strategischen Gesichtspunkten diskutieren: Macht es Sinn, die Expo zu nutzen, um ein Projekt, dass seit zwölf Jahren in Planung ist, durchzusetzen? Wenn nicht, warum nicht. Wenn ja, muss man das öffentlich begründen und eben irgendwelchen Blödsinn sagen. Real hat die ifu mit der EXPO herzlich wenigzu tun und die Expo interessiert sich herzlich wenig für feministische Projekte. Es gibt tausend andere Projekte, die Gelder bekommen haben, und für die sich die EXPO auch nicht interessiert.

Christine:Im Bereich Migration gibt es ein Projekt, das sich mit den geschlechtsspezifischen Darstellungen der Nationalstaaten auf der Expo auseinandersetzt.

Corinna: Ja, das gibt es bei uns auch. Aber das sind einzelne Projekte, wie es viele unterschiedliche einzelne Projekte gibt. Die Frauen gehen zum Teil auf die Expo, aber viele eben auch nicht. Es wird jedenfalls nicht öffentlich darüber diskutiert, es gibt ja noch nicht einmal Freikarten für die ifu-Teilnehmerinnen, wie viele der Frauen erwartet haben. Wir müssen auch von einer politischen Heterogenität der Teilnehmerinnen ausgehen. Es gibt welche, die ihre nationalstaatliche Repräsentation auf der EXPO richtig finden, und andere sehen das kritischer. Die Frauen repräsentieren ganz unterschiedliche politische Strömungen in ihren Ländern.

Wenn schon kontextabhängig innerhalb eines Landes unterschiedliche Sprachen gesprochen werden (z.B. Frauensprache/Männersprache, "Sprachprobleme" von Studierenden aus der Arbeiterklasse etc.), auch im Bezug auf Bedeutung von Begriffen oder emotionale Wertungen, ist das in so einem internationalen Zusammenhang ja noch ungleich komplizierter. Werden da neue Umgangsformen entwickelt?

Corinna: Diese notwendige "Übersetzungsarbeit" finde ich sehr spannend. Wenn ich politische Kritik formuliere oder mein Promotionsthema darstelle, kann ich nicht davon ausgehen, dass meine gewohnten Begründungen verstanden werden. Ich muß mich immer auf Rückfragen - auch und gerade auch zum wissenschaftspolitischen und historischen Kontext - einstellen: z.B. "warum ist mir gerade das wichtig" oder "was ist daran auch im globalen Rahmen wichtig" - nicht, um zu sagen, alles hat eine globale Bedeutung, sondern um mich dazu in ein Verhältnis zu setzen. Ebenso hat die Professorin, die eine der ersten Vorlesungen gehalten hat zu nation and female embodiment am Beispiel Indien auch begründet, warum das für uns als internationales Publikum wichtig ist. Diese Art von Übersetzungsleistung ist wahrscheinlich für alle irgendwie da, auf der Ebene der Vorlesungen gibt es aber eine Tendenz, daß die aus "dem Norden" sie weniger explizit machen, weniger kontextualisieren.

Christine: Man ist fortwährend genötigt, zu kontextualisieren. Mir ist auch die eigene Tendenz, ständig zu universalisieren, aufgefallen. Die eigenen Konzepte und die eigenen Kategorien erscheinen einem anwendbar auf fast alle Zustände. Wenn man hier nach Vorlesungen und in Gesprächen feststellt, wie eurozentrisch ein Großteil der akademischen Wissensproduktion ist, kann das ein Anfang sein für das, was Spivak als "Unlearning our privileges as our loss" bezeichnet Das ist jetzt für mich eine Erfahrung, die ich hier ganz konkret gemacht habe.

Corinna: Gestern gab es z.B. in einer unserer Vorlesungen einen ziemlichen Aufruhr wegen des Vortrages einer kanadischen Anthropologin, die Kolonialprozesse anhand der Medikalisierung von Geburt in einer belgischen Kolonie untersucht hat. Sie versuchte u.a., den kolonialen Medikalisierungsprozess anhand von Dias abzubilden. Frauen aus afrikanischen und südamerikanischen Ländern haben ihr vorgeworfen, sie hätte keine Position ergriffen und diese Aneinanderreihung von kolonialen Fotos habe die Objektivierung schwarzer Körper reproduziert, die sie eigentlich kritisch beleuchten wollte. Dadurch, dass sie sie nicht kontextualisiert hat, ist eben das Gegenteil vermittelt worden. Das wäre ja auch eine Form von "unlearning privileges", die Kontexte der internationalen Zuhörerinnen soweit ernst zu nehmen, dass Du Dir überlegst, welche Effekte produzierst du mit Universalisierungen, mit bestimmten Darstellungen, und Dich entsprechend selber auch befragst.

In den Anfängen der Frauenforschung war es ja üblich, den eigenen Kontext als Einflussgrösse auf die wissenschaftliche Arbeit mit offenzulegen, z.B. "ich bin gelernte Schlosserin und mein Interesse in der wissenschaftlichen Arbeit hat mit diesen oder jenen Fragen zu tun".

Corinna: Was ich hier auf der ifu, aber auch in der Wissenschaft generell, vermisse, ist, dass das Thema, an dem man arbeitet, als Problematik entfaltet wird. Damit die anderen die Möglichkeit haben zu verstehen, warum ich an diesem Problem arbeite, warum ich das als wissenschaftspolitisches Problem begreife und warum ich meine, mit bestimmten Theorien bestimmte Fragen beantworten zu können. Dann kann man darüber nämlich diskutieren. Ich kann durchaus politisch und theoretisch begründen, warum ich in meiner Forschungslaufbahn zu dem Problem "Transgender" und der Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit gekommen bin, welches Anliegen ich damit verbinde, warum ich meine, dass bestimmte feministische Theorien nicht ausreichen, und andere Theorien vielleicht Antworten geben können. Ich empfand als Lernerfolg für mich, Forschung mehr problemorientiert zu betreiben oder auch entsprechende Darstellungsformen zu finden. Das vermisse ich hier, aber das vermisse ich auch am Otto-Suhr-Institut in Berlin.

Christine: Das betrifft ja auch den Begriff des Feminismus selbst, an dem immer wieder starke Kritik laut wird, dass da auch ein Universalismus vorliegt, der ausschließend ist. Beispielsweise wenn Feminismus die Ziele aller Frauen oder Emanzipationdefiniert und dabei tatsächlich für westliche Mittelklasse-Frauen spricht. In der deutschen feministischen Hochschullandschaft vermisse ich komplett, dass das thematisiert wird. Im Seminar der ifu ist sowas immerhin anzusprechen

Ging es darum, den Begriff Feminismus zu ersetzen, oder ging es darum, ihn anders auszufüllen?

Christine: Ich will keiner unterstellen, dass sie den Begriff Feminismus verwerfen will, aber er ist hochkontrovers.

Corinna: Zumindest ein Ergebnis ist - aber das habe ich auch vor der ifu schon gewußt - dass man den Begriff Feminismus auf jeden Fall pluralisieren muss. Also nicht Feminismus, sondern Feminismen. Ich benutze ihn auch gerne im Adjektiv, weil er dann eine ganz andere Bedeutung kriegt und viel stärker kontextuell gefüllt werden kann.

Christine: Ich denke, es ist kein Zufall, dass es hier möglich ist, das zu thematisieren. Das hat sicher was mit dem theoretischen Standard und der Expertise der internationalen Teilnehmerinnen und auch der starken Kritik an bestimmten eurozentristischen Kategorien zu tun.

Gab es Kontakte mit der "Interkulturellen Sommeruni" in Hannover, die ja aus der Kritik an der ifu heraus entstanden ist?

Corinna: Es gibt ein regelmäßiges Treffen von interessierten Teilnehmerinnen der ifu und Teilnehmerinnen oder Organisatorinnen der Sommeruni. Es gab einige auch in meinem Tutorium, die ein starkes Interesse hatten, zu wissen, was der Konflikt ist, und andere, die sich nicht besonders dafür interessierten.

Christine: Es war vor allen Dingen ein Problem für die Teilnehmerinnen aus Deutschland. Viele Frauen aus anderen Ländern wußten gar nichts von dem Konflikt. Es gab zwei Treffen, die sich vornehmlich damit auseinandergesetzt haben, was nun genau kritisiert wird. Die Organisatorinnen der Sommeruni hatten - was schon schade war - enorme sprachliche Probleme und die Zeit ging meistens drauf für Übersetzungen. Es kam nicht großartig dazu, dass man sich verständigt hat. Es gibt aber eine Zusammenarbeit im Hinblick auf die Anti-IWFund -Weltbank-Demonstration in Prag.

Corinna: Ich würde gerne zwei Punkte von den Vorwürfen der Sommeruni aufgreifen. Ich glaube, es muss eine Form von Quotierung und Ausschluss geben, z.B damit nicht zu viele Teilnehmerinnen aus dem Land kommen, in dem die Uni stattfindet. Aber die Kriterien müssen offenliegen. Das andere ist, dass ich die Vorwürfe bezüglich der Sprache zum Teil albern fand. Für mich ist klar, dass man sich auf eine Sprache einigen muss, wenn es ein internationales Treffen gibt. Ich weiß, dass es aus spanischsprachigen Ländern sehr viel Kritik gegeben hat, dass die Sprache Englisch war und ich weiß aus vielen afrikanischen Ländern, dass sie gerne französisch gehabt hätten. Darüber muß man sprechen, aber es muss eine der drei Sprachen sein. Was anderes fällt mir nicht ein, wenn man Frauen aus so vielen unterschiedlichen Ländern in eine längerfristige Diskussion einbinden will. Übersetzungen kann man für eine Tagung organisieren, aber nicht für drei Monate. Das geht einfach nicht.

Daneben gab es noch Kritik an den fehlenden Mitbestimmungsmöglichkeit, an der Rekrutierung der Studentinnen und schließlich an der Intransparenz.

Corinna: Die Intranzparenz von Macht- und Entscheidungsstrukturen ist eines der großen Probleme. Man hat sich offensichtlich keine Gedanken darüber gemacht, ob und wie die verschiedenen Gruppen -Teilnehmerinnen, Tutorinnen, Lecturers, Koordinatorinnen, Dekaninnen, die internationalen Gremien u.s.w - während der ifu oder auch schon während der Vorbereitung eingebunden werden können. Auch nicht darüber, wie und welche Entscheidungsprozesse demokratisiert werden können. Ich weiß nicht, ob das tatsächlich möglich ist, aber man kann auch keinerlei Bemühungen darum erkennen. Ein Problem zum Beispiel ist, dass dem Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) offensichtlich die Rekrutierung der Teilnehmerinnen überlassen wurde, die dieser dann über Goethe-Institute abgewickelt hat und damit nur eine bestimmte Gruppe von Frauen angesprochen wurde. Man hätte m.E. die internationalen feministischen Netzwerke viel stärker einbinden sollen. Ein Ausschlusskriterien im Sinne von Qualifikation kann sinnvoll sein, aber nur, wenn "Qualifikation" nicht nur an den Hochschulabschluss gebunden ist, sondern auch an NGO-Arbeit oder ähnliches. Ich finde es zwar legitim, auf einem relativ hohen Niveau ein Treffen veranstalten zu wollen, aber "hohes Niveau" kann auch ein hohes politisches Niveau sein. Ich war auf zu vielen internationalen Treffen, wo vermeintlich alle hinkommen konnten und darüber andere Ausschlussmechanismen in Gang gesetzt wurden, die genauso intransparent waren. Aber ich finde natürlich, dass man autonom organisierten Treffen auf einer anderen Ebene kritisieren muss als ein Projekt, das soviel Gelder kriegt und so viel Medienaufmerksamkeit bekommt.

Als diese Struktur vorbereitet wurde, hat Ayla Neusel sehr deutlich gemacht, dass Basisdemokratie nicht gewünscht wird und demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten so gering wie möglich gehalten werden sollen. In einem Aufsatz über die ifu hat sie formuliert, dass das Management möglichst geräuschlos funktionieren soll. Geräuschmachende Konflikte brechen nun aber in den Veranstaltungen selbst auf.

Corinna: Ja, oder auch zwischen den Tutorinnen und der Dekanin oder den Dekaninnen untereinander. Es gibt Konflikte an allen Ecken und Enden. Ich will die Dekaninnen nicht in Schutz nehmen, aber ich glaube nicht, dass sie so glücklich mit der Organisation sind. Für mich als Vertreterin der Gruppe der Tutorinnen gibt es ständig Konflikte um Entscheidungen. Wir haben oft das Problem, dass wir zwar gemeinsame Entscheidungen treffen, aber zwei Tage später werden unsere Entscheidungen rückgängig gemacht. Ich mag meine Arbeit hier, aber es ist auch eine blöde Situation, weil wir zwar auf der einen Seite ständig von oben gesagt bekommen, Ihr seid das Rückrat der Programms, aber gleichzeitig werden wir überhaupt nicht ernstgenommen oder einfach übersehen. Es ist ein ständiger Kampf. Strukturell sind keinerlei Mitbestimmungmodelle angelegt, es gab keine Überlegungen dazu. Es gibt keine Gremien dafür, also ist auch keine Zeit dafür eingeplant. Was wir an inhaltlicher Aufarbeitung und eigener Entscheidungsfindung oder Einbringen in das Programm leisten, ist für die Tutorinnen unbezahlte Arbeit.

Es deckt sich aber mit der gegenwärtigen Hochschulentwicklung, dass Entscheidungsstrukturen entdemokratisiert werden, Bildung privatisiert wird (Studiengebühren) und dass sich die Hochschulen einen Teil der Studierenden nun nach den Kriterien "Motivation" und "Eignung"aussuchen können,, was die Tür öffnet für Willkür und Diskriminierung nichtkonformer StudentInnen - sei es nun aufgrund des Geschlechts, der Hautfarbe oder auch einer kritische Einstellung. Damit wird bei der ifu strukturell genau das betrieben, was unter dem Schlagwort "Neoliberalisierung der Hochschulen" zu beobachten istt.

Christine: Ich kann das nicht vollständig teilen. Es hört sich immer an, als hätte die ifu zentrale Bedeutung in Deutschland. Da wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Es gibt in Deutschland schon genügend Privatunis, die das sowieso betreiben, von daher würde ich die Vorreiterinnenrolle der ifu hinterfragen und auch den Begriff der "Willkür" finde ich problematisch. Es gibt genügend Untersuchungen darüber, wie an "normalen" Unis selektiert wird, ohne dass es Auswahlgespräche gibt. Das belegen auch Verbleibestudien über StudienabbrecherInnen oder solche darüber, wer überhaupt zur Uni geht. Das war auch meine Kritik an den Sommeruni-Frauen - ich habe den Eindruck, die ifu wird unheimlich überschätzt. Ich frage mich, wieso gerade bei einer Frauenuni so harsche Kritik kommt, wenn es jetzt schon einmal eine gibt? Warum wird die Kritik nicht an den ganz normalen Unis geübt?

Corinna: In punkto neoliberale Umgestaltung von Bildungssystemen hat die ifu wahrscheinlich eine zu vernachlässigende Rolle. Ich glaube aber, dass es zunehmende Verteilungskämpfe um Frauenforschungsgelder gibt. Ayla Neusel hat nun die Idee, einen einjährigen Masterstudiengang einzurichten. Es kann natürlich sein, dass sie jetzt nach dem Medienecho der ifu einfacher Gelder einwerben kann, die dann natürlich woanders eingespart werden. Aber ich finde, das muss auch auf dieser Ebene verhandelt werden und dann muss auch gesehen werden, dass sich Frauenforschungprojekte die ganze Zeit schon in Konkurrenzkampf untereinander befinden. Das ist die "Gefahr" der ifu, dass sie durch ihren Medienkampagne Zugänge zu Geldern gesichert hat, die dann woanders abgezogen werden.

Christine: Ich hätte mir im Austausch mit den Sommeruni-Frauen eine politische Diskussion darüber gewünscht. Zum Beispiel fand ich es erstaunlich, dass in der Diskussion die Geschichte deutscher Frauenforschung nicht berücksichtigt wurde. Wenn man bestimmte Modalitäten der ifu kritisiert, dann muß man eben auch sehen, wie sich Frauenforschung, oder ein bestimmter Teil davon, durch die Institutionalisierung entwickelt hat. Man muß auch darüber reden, was für einen Stellenwert man selber feministischer Theorie einräumt, oder wie das Verhältnis ist zu politischem Aktivismus. Vielleicht kommt man dann auch nicht darum herum zu definieren: was sind feministische oder emanzipatorische Ziele und was eher nicht? Völlig losgelöst an der ifu Kritik zu üben greift jedenfalls ein bißchen kurz.

Auch der BdWi hat Kritik an der ifu geäußert, aber durchaus im hochschulpolitischen Kontext und gerade nicht losgelöstt. Ich finde, dass man eine Frauenuniversität genauso der Kritik unterziehen kann und muss wie andere Hochschulmodelle auch. Man kann doch nicht sagen, das ist eine Frauenuniversität und wir machen da feministische Wissenschaftskritik und die Struktur nehmen wir mal so hin.

Christine: Nein, das war auch nicht mein Argument. Erstens mal sehe ich nicht, dass wir Wissenschaftskritik machen ...

Ihr macht keine Wissenschaftskritik?

Christine: Naja, jedenfalls habe ich das nicht so stark wahrgenommen. Das ist auch eher etwas, was ich fordern würde. Und ob wir die Strukturen so hinnehmen, ist noch eine andere Frage. Aber in welchen Arbeitszusammenhängen kann man welche Wissenschaftskritik betreiben? Und Demokratie - das haben feministische Analysen ja zur Genüge gezeigt - ist auch ein Konzept, das seine Grenzen hat. Wenn man jetzt hier auf Demokratisierung setzt, müßte man auch gucken, wie weit das trägt.

Corinna, findest Du auch, dass Ihr keine Wissenschaftskritik leistet?

Corinna: Nicht strukturiert, nein. Ich finde zum Beispiel auch kritikwürdig, dass zwei Drittel der lecturers Anthropologinnen sind. Ich will nicht sagen, Anthropologie ist immer das Gleiche, aber seit der ifu habe ich genug von Anthropologie. Dieses disziplinäre Übergewicht wurde nirgends kritisch diskutiertt. Wir reden insgesamt nicht auf der wissenschaftskritischen Ebene.

Christine: Ja, das wäre für mich eigentlich die wichtigste Kritik. Im Bereich Migration herrschen die Sozialwissenschaften ganz stark vor, und zwar die sehr empirisch ausgerichtete Richtung. Ich habe da schon Schwierigkeiten, mit meiner der Frankfurter Tradition nahestehendenpolitologischen und philosophischen Ausbildung - das finde ich ein bißchen prekär. Die Frauenuni war schließlich interdisziplinär angekündigt und das wird nicht eingelöst. Für mich war gerade interessant an der ifu, dass die 6 Themenbereiche politischen, zeitgenössischen Fragestellungen weltweit.entspringen und ich hatte mehr Diskussionen um disziplinenübergreifende feministische Ansätze erwartet. Man bleibt doch sehr stark innerhalb bestimmter disziplinärer Grenzen.

Wie sollte sich die ifu weiterentwickeln?

Corinna: Ich weiß gar nicht, ob ich will, dass sich die ifu weiterentwickelt. Ich finde sie großartig, ich habe aber sehr viel Kritik.Ich bin glücklich, dass ich hier bin und die Erfahrungen machen kann, aber die ifu ist sehr zeit- und kostenintensiv für die Teilnehmerinnen im Verhältnis zu dem, was letztendlich rauskommt. Eine regelmäßige Wiederholung fände ich untragbar. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man in kleineren Settings spezifisch zugeschnittene Fragen international verhandelt. Mit physisch-körperlicher Anwesenheit, und nicht nur virtuell. Im Falle irgendeiner Fortsetzung muss man sich jedenfalls über die Entscheidungsstrukturen Gedanken machen, über Demokratisierung, über Arbeitsbedingungen, Zugangsbedingungen, Kriterien etc., aber auch über inhaltliche Zuschnitte und ein Konzept, dass Eigeninitiative vorsieht.

Was sollte Eures Erachtens am Ende der ifu in der Öffentlichkeit ankommen?

Christine: Für mich ist die Frage, wie kann man die Ambivalenzen der ifu aufzeigen? Es gibt hier so viele Macht- und Konfliktlinien und auch viel Widerstand, von einzelnen Frauen, gebündelt, in unterschiedlichen Formen. Die Erwartungen der Organisatorinnen auf höchster Ebene waren sicher teilweise andersals das, was sich hier tatsächlich ereignete. Natürlich wissen Corinna und ich davon, aber für mich bleibt schon die Frage, wie multipliziert man dieses Wissen? Ich weiß nicht, wie die Präsentation am Ende aussehen wird, aber vielleicht ist die Formulierung eines gemeinsamen Papiersmöglich.

Corinna: Es müsste deutlich werden und an die Öffentlichkeit kommen, dass die ifu sehr wohl auch vieles geleistet hat, z.B. postkoloniale Kritik, die Auseinandersetzungen unter den Frauen auf einem sehr hohen Niveau. Auch die Selbstorganisierung, mit der dem Demokratiedefizit entgegengearbeitet wurde, finde ich bemerkenswert, wobei letzteres genau die Selbstorganisierung stark in Grenzen gehalten hat. Wenn wir es schaffen, die Selbstpräsentation der ifu subversiv zu unterlaufen und sie trotzdem nicht zu trashen - dann wäre ich richtig glücklich. Wenn wir deutlich machen könnten, dass natürlich gearbeitet worden ist, aber anders, als es "von oben" geplant war. Das ist das politisch, feministisch, emanzipatorisch Spannende an der ifu.

Wir danken Euch für die interessante Diskussion.