„SoziologInnen, PolitikwissenschaftlerInnen, RechtswissenschaftlerInnen, KriminologInnen, politisch Interessierte“ nennt der Verlag als Zielgruppe. Ein sich so definieren der Personenkreis wird einen guten Überblick über kriminologische Debatten erhalten.
Die Autoren haben als antifaschistische Linke und
Anwalt des Legal-Team sicher Einblick in die konkrete Realität von
Repression, lassen den im Buch aber leider kaum erkennen. Die
akademische Sprache mag die genannte Zielgruppe im Studium abholen,
führt allerdings dazu, dass handlungsfordernde Zuschreibungen – die bei
aller Ausdifferenzierung von Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung
Ziel einer radikalen Kritik sind – nahezu unterbleiben. Wenn aus
Klassen „Schichten“ werden und ausbeutungs- und entfremdungsbedingte
Armut und Krankheit als „soziale Probleme“ sowie die neoliberale
Offensive als „Wandel der gesellschaftlichen Bedingungen“ verhandelt
werden, sind Lösungsvorschläge wie „mehr Demokratie und
Zivilgesellschaft!“ zwangsläufig.
Hinter den im Buch
hervorgehobenen „Selbstführungstechniken“ gesellschaftlicher Individuen
und neuem Risiko-Management verschwindet die ewige Angst der Reichen
vor dem Pöbel, der ihre Villen ansteckt – statt auf kulturelle
Hegemonie wird auf bewaffnete Staatsorgane und bezahlte
Sicherheitssöldner gesetzt. Dieses Element war auch im
„Wohlfahrtsstaat“ der 1960er und 1970er Jahre präsenter
(Notstandsgesetze, Werkschutz, NATO-Übungen gegen Fabrikbesetzungen)
als im Buch unterstellt wird. Der Analysezeitraum des Buches beschränkt
sich ohnehin auf die letzten 20 bis 30 Jahre, ein Einbezug der
(terroristischen) Sozialkontrolle im NS wäre sicher gewinnbringend
gewesen.
In ein paar Sätzen wird auch der Eindruck erweckt, das Strafvollzugsgesetz sei Anfang der 1970er durch fortschrittliche Kriminologen oder Juristen zu Stande gekommen – tatsächlich folgte es auf die Revolten in den alten Zuchthäusern…