Lexikon der Sabotage. Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz
by
Bernhard Halmer, Peter A. Krobath
Publisher:
Sonderzahl
Published 2008 in
Wien
192
pagesPrice:
18,00
Das „Lexikon der Sabotage“ ist eine Sammlung sehr unterhaltsamer
Berichte über individuelle und zum Teil auch kollektive Reaktionen auf
Missstände und Überausbeutung oder auch bloße Langeweile am
Arbeitsplatz. Das Gefühl der Ohnmacht angesichts eines skrupellosen
Vorgesetzten, den Zuständen am Arbeitsplatz oder einfach wegen der
schlechten Bezahlung kennen schließlich die Meisten, und fast jedeR
findet früher oder später auch verschiedenste Wege, damit umzugehen.
Hier sind ein paar davon gesammelt, teilweise zum Nachmachen
animierend, teilweise zum Lachen anregend und manche auch zum Staunen
oder Schaudern. Da gibt es Geschichten vom alltäglichen Abzweigen von
Büromaterial in allen Varianten, was oft zu Recht mit einer ähnlichen
Selbstverständlichkeit gemacht wird, wie Vorgesetzte sich trauen, ihre
Untergebenen in der Freizeit anzurufen. Ein Zivildiener erzählt von
einem Krankenhaus, in dem das Personal zu Hause mehr von den
Arbeitsmitteln zu verwenden weiß als am Arbeitsplatz selbst. Das reicht
vom Putzmittel über die Erste-Klasse-Seidenbettwäsche bis hin zu teuren
Medikamenten, die billig unter der Hand vertrieben werden. Besonders
lustig ist die Beschreibung des Racheaktes eines Angestellten im
Buchhandel: Er wurde in seinem Probemonat für Umbauarbeiten missbraucht
und dann unter fadenscheinigen Vorwänden gekündigt, was ihn dazu
animierte, den Besitzer anschließend mit Bestellungen und
Privatanzeigen zu nerven. Das begann mit zehn für den ehemaligen Chef
bestellten Pizzen, weitete sich auf eine LKW-Ladung Schotter aus, die
er vor dessen Haustür abladen ließ, und fand den Höhepunkt im
Verschenken seiner Einrichtung via Zeitungsanzeigen (natürlich ohne
Telefonnummernangabe, dafür mit äußerst unangenehmen Abholzeiten früh
morgens und spät abends). Aber es gibt auch Beispiele für kollektive
Aktionen: etwa dort, wo die gesamte Belegschaft mit dem Ziel
zusammenarbeitet, Chef, Chefin und Juniorchef abzulenken, um
gleichzeitig das Lebensmittellager auszuräumen, inklusive eigenes
Bestellwesen, Chaos bei Lagerverwaltung und Verwirrtaktik, damit die
fehlenden Paletten nicht auffallen. Eher ungustiös der Bericht aus
einem Restaurant, in dem sich das Küchenteam an den Gästen rächte,
statt dem Besitzer die Hölle heiß zu machen. So landeten Fäkalien und
andere äußerst bedenkliche Zutaten in Essen und Getränken. In diesem
Fall wäre die Angabe des Orts und des Restaurantnamens ganz hilfreich
gewesen… Es ist faszinierend, wie hemmungslos und mit wie viel Stolz
die LohnarbeiterInnen von Sabotageaktionen berichten, und wie oft diese
als letzter Ausweg gesehen werden, um den angestauten Frust oder die
katastrophale Bezahlung auszugleichen. Der humorvolle Schreibstil sorgt
zudem dafür, dass das Buch ein hohes Suchtpotential birgt – was beim
Rezensenten vom kurzen Hineinlesen zum sofortigen und unbereuten Kauf
geführt hat. Leider gibt es keinen einleitenden oder grundlegenden
Text, der die individuellen Berichte und das Thema „Sabotage“ insgesamt
in einen breiteren Kontext gestellt hätte. So wäre es etwa spannend,
Zusammenhänge zwischen (fehlender) Streik- und (ausgeprägter)
Sabotagekultur zu untersuchen. In jedem Fall ist das „Lexikon der
Sabotage“ aber sehr unterhaltsam und kann als nettes und nützliches
Geschenk das Klassenbewusstsein fördern, Zuspruch für selbst genehmigte
Gehaltsaufbesserungen bieten und sehr schön verdeutlichen, dass
Sabotage in all ihren Varianten ein vollkommen normales und enorm
verbreitetes Element des kapitalistischen Arbeitsalltags ist.