Lachen über Laken: 100 Jahre Birth of a Nation

in (26.08.2015)

Ein problematischer Hunderter ist der 100. Jahrestag des Release des Geschichtsepos The Birth of a Nation von D. W. Griffith im März 1915: eine  mythische Geburt des amerikanischen Kinos im vertrauten Sinn von abendfüllender Spielfilm, all-integratives Event, Spektakel der Leistungsfähigkeit im Zugriff auf Geschichte und aufs Empfinden von Vielen.

Das Ungute daran: The Birth of a Nation ist ein rassistischer Film, ganz offen, eben auch als virtuos inszenierte Bedeutungsbildung. Der Rückblick dieses US-Heimatfilms auf den Bürgerkrieg, das Ende der Sklaverei 1865 und die reconstruction in den Südstaaten versteht sich als Erzählung einer Gründung durch Heilung. In der Errettungs-/Erregungslogik von Griffiths Film wird die amerikanische Nation 1865 neu gegründet durch Heilung einer Kluft zwischen Industrie- und Feudalstaaten, Nord und Süd, blauen und grauen Uniformen. Diese Kluft inszeniert der Film als sinnlos, auch als im monumentalen Schwarz-Weiß-Bild wenig Sinn-ergiebig/Differenz-ergiebig: Das Bürgerkriesgsszenario Weiß gegen Weiß, Blau gegen Grau zeichnet nicht, greift nicht (ergibt nur trostlose Leidenspanoramen). Als hingegen signifikantes, griffiges Bild (hence the director´s name...) postuliert der Film den Unterschied Weiß gegen Schwarz, hier entworfen als biologisierter Lebenskampf mit gewohnten Stigmata von Zivilisiert versus Triebhaft, sowie als Radikal-Differenz, die Differenzen zwischen Nord und Süd, katholischen und protestantischen, alteingesessenen und neu zugewanderten Amerikaner_innen europäischer Herkunft zur Binnen-Vielfalt relativiert: Dieses Geschichtsbild zeigt die Nation, wiedergeboren als ethno-kulturell inegratives Gebilde mit rassistischer Kontur – gegen (formell) aus der Sklaverei ins soziale „Mit-Sein“ entlassene Africans.

So weit, so hundert. (Und: so akzentuiert, was die Rolle betrifft, die Griffith insgesamt in der Geschichte der Filmbild-Prägungen von Leben, Sex und Vergemeinschaftung unter Bedingungen moderner Multiethnizität und Rassismen spielt.) Wie gesagt: In The Birth of a Nation ist Übersetzung und Neudefinition am Werk. Das Werk ist Spiel. Geschichtsmythische Spiele neuer Bündnisse und (Selbst-)Bild-Gebung (z.B.: „Wir sind Weiß – nicht Blau oder Grau –, weil wir uns ein Black Other setzen.“) sind (Neu-)Geburten der Nation immer. Deren Inszenierung ist mittels Parodie schwer (also mit Mühe ein bissl...) beizukommen: Bei allem Heiligkeitsgetue, implizieren nationale Projekte stets Momente von Parodie und Kostümierung. Über „Feierlichkeiten des Ursprungs“ zu lachen, so Foucault, lehrt uns die Historie eh schon selber, ist sie doch kategorisch Kostümrevue.

So feiert Birth of a Nation den Ursprung des Ku-Klux-Klan auch so, dass er das Styling der Weißkapuziner auf ein Erschreck-Spiel Weißer gegen Schwarze Kinder mit Betttuchkostümen zurückführt: „The inspiration!“ heißt es im Film; de facto scheint ein Studentenulk 1863 in Tennessee (quasi altamerikanischer Burschi-Schmäh) Vorbild des Lakenstyling zu sein. Insofern gehen neuere sich blöd stellende (Forrest Gump) oder gutgemeint zerblödelnde (Django Unchained) Szenen, die vorgeben, den Klan-Mythos als lachhafte Verkleidung zu demystifizieren, ins Leere: Über Laken gelacht haben die Rassisten schon selber.

Dieser Text erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst, Wien, Nr. 36, „Etwas Besseres als die Nation“.