Krisenausweg Betongold

Warum Mieten steigen wenn der Kapitalismus in die Krise kommt

Phänomene wie steigende Mieten, Gentrifizierung und damit einhergehende Verdrängung, neue Prestigeobjekte in Großstädten und Wohnungsnot sind Gegenstand aktueller gesellschaftlicher Auseinandersetzungen (siehe DA 220). Diese lassen sich ebenso auf generelle Funktionsweisen der kapitalistischen Mehrwertschaffung zurückführen wie auf die gegenwärtige Krise.

Es existiert eine Vielzahl an Interpretationen zur Entstehung von Krisen im Kapitalismus und der Frage, welche Rolle die Stadt hierbei spielt. David Harvey beschreibt in Rebel Cities1, dass Krisen ein immer wiederkehrendes Phänomen darstellen, die kapitalistischem Wirtschaften inhärent und jeweils nur temporär lösbar sind.

Wir alle kennen den kapitalistischen Normalzustand und dessen allgegenwärtiges Streben nach Profit – eine ständiges Schneller, Höher, Mehr. Güterproduktion soll in möglichst kurzer Zeit Gewinne abwerfen, um diese dann wieder möglichst schnell und gewinnbringend erneut anlegen zu können. Krisen bahnen sich in diesem System an, wenn es an potentiellen Anlegemöglichkeiten mangelt, anhand derer im Produktionsprozess akkumuliertes Kapital erneut mit Gewinnaussicht reinvestiert werden kann.

Ist nun mit keinem schnellen Umschlag von Produktion zu Gewinn und erneuter gewinnbringender Produktion zu rechnen, bricht die Suche nach Lösungsstrategien der Krise an – nach Auswegen für das Kapital, um dieses nicht „brachliegen“ zu lassen, sondern weiter vermehren zu können. So erscheint die Investition in Immobilien als ein vermeintlicher Ausweg. Auch dieser Tage wird das „Betongold“ wieder als eine der wenigen verlässlichen Anlagemöglichkeiten angepriesen und Kapital, das zuvor in die Produktion von Gütern gesteckt worden wäre, wird nun in die gebaute Umwelt investiert. Harvey und andere nennen dies den sekundären Kapitalkreislauf, den Versuch, trotz stagnierender Gewinnaussichten in vielen Sektoren dennoch mit Aussicht auf Profit Geld anzulegen – in Häuser, Wohnungen, Grundstücke und z.B. städtische Prestigeobjekte. Das Bewusstsein dafür, dass Krisen immer wiederkehrende Phänomene sind und dass diese Ausweichmanöver schnell zu Immobilienblasen mutieren, scheint mit ebensolcher Regelmäßigkeit in einer Amnesie unterzugehen, die erstaunlich weite Kreise zieht.

Partielle Lösung mit hohen Kosten

Was bedeutet dies nun für unser aller Alltäglichkeiten? Letztlich ist ein genereller Prozess schnell zu benennen: Prekarisierung. Was nämlich für die partielle und vorübergehende Lösung der Krisentendenzen innerhalb des Kapitalismus gut sein mag, hat massive gesellschaftliche Folgen. Diese drücken sich etwa in sinkenden Reallöhnen, zunehmender Konkurrenz am Arbeitsplatz und Verschlechterung von Arbeitsbedingungen aus und haben auch darüber hinaus Auswirkungen auf die städtischen Lebensbedingungen. So hat das Einfließen von Investmentkapital in den Boden- und Häusermarkt die Gentrifizierung – die soziale Verdrängung ökonomisch schlechter Gestellter durch finanzkräftigere Schichten – zwar nicht alleine ausgelöst, aber doch massiv befördert. Spekulativer Leerstand und Investitionen in Luxusprojekte, aber auch die in vielen deutschen Städten aufgelegten Mietspiegel, mit denen steigende Mieten legitimiert werden, tun das ihre, um Mieten in die Höhe zu treiben. BewohnerInnen werden aus den Stadtteilen vertrieben, verlieren ihre sozialen Netze und nicht selten auch die Anbindung an ihren Arbeitsplatz. Dies führt zu höheren Mobilitätskosten oder steigert die Kosten für Kinderbetreuung, da diese länger in Anspruch genommen werden muss. Dass sich diese Verdrängungstendenzen verschärfen, belegen die steigenden Zahlen von Zwangsräumungen in fast allen Großstädten der BRD. In vielen Ländern des europäischen Südens hängt das Zusammenspiel aus Verlust von Arbeit, ausstehenden Kreditraten und Zwangsräumungen noch offensichtlicher mit der aktuellen Krise des Kapitalismus in Europa zusammen.

Den Zusammenhängen Rechnung tragen

Die in Ansätzen skizzierte Analyse Harveys und die sozialen Auswirkungen der Krisen des Kapitalismus legen dabei in aller Deutlichkeit nahe, dass Städte und die aktuellen Tendenzen ihrer ökonomischen Verwertung nicht ein beliebiges Zufallsprodukt der kapitalistischen Vergesellschaftung darstellen.

Vielmehr ist Stadtentwicklung und gebaute Umwelt an zentraler Stelle in kapitalistische Prozesse eingebunden und hält diese am Laufen. Konflikte um Aneignung der Stadt sind also nicht Nebenkämpfe, sondern Konflikte um die ganze Gesellschaft.

So muss ganz deutlich festgestellt werden, dass Phänomene wie steigende Mieten und das Nebeneinander von benachteiligten Stadtteilen und Luxusprojekten neben sinkenden Löhnen und verschärfter Repression gegen Erwerbslose nicht nur eine weitere Belastung der Massen in der Krise darstellt. Vielmehr sind es diese Phänomene, die die Krise für die Kapitalseite abschwächen sollen.

Deswegen gilt es ganz besonders im Zuge von Krisenprotesten, gewerkschaftliche Ansätze nicht losgelöst von MieterInnen- und Stadtteilbewegungen zu verfolgen, sondern dem Bewusstsein der Zusammenhänge Rechnung zu tragen und gemeinsame Kämpfe und Perspektiven zu erarbeiten.

[1] Tipp zum Weiterlesen: David Harvey (2012): Rebel Cities – From the Right to the City to the Urban Revolution. London/New York: Verso

Dieser Artikel erschien zuerst in der Direkten Aktion #221 - Januar/Februar 2014