Freie Medien: Alte Forderungen

Zur Selbstorganisierung und Lage der alternativen Medien in Österreich

in (09.11.2012)


Linzer Medienkonferenz? Schweigen. Vielen von uns war die 1999 stattgefundene Konferenz nicht mal vom Hörensagen bekannt. Im Alltagsbusiness bleiben die Rahmenbedingungen oft unhinterfragt, innerhalb derer wir arbeiten, und auch die Geschichte(n) der Organisierung freier Medienarbeiter_innen und Aktivist_innen fallen unter den Tisch. Dabei ginge es nicht nur darum, nichtentlohntes Arbeiten wieder und wieder zu thematisieren, sondern auch fehlende Infrastruktur und Produktionsbudgets.

DIE LINZER MEDIENKONFERENZ war das einzige große Vernetzungstreffen in der Geschichte der alternativen Medien in Österreich, initiiert von der IG Kultur Österreich und die OÖ. Gesellschaft zur Kulturpolitik gemeinsam mit den alternativen Zeitungen und Zeitschriften, den freien Radios und Content Providern der Netzkultur. Der Titel „Linzer Medienkonferenz“ war etwas kryptisch, die Veranstaltung brachte aber die medienpolitisch Engagierten mit Vertreter_innen aus Politik und Kultur zusammen, um (konkrete) „Kurskorrekturen zur Kultur- und Medienpolitik“ zu entwerfen.

Gegen den österreichischen „Josephinismus“ (Anm.: Josephs II aufgeklärter Absolutismus mit dem Leitsatz „Alles für das Volk, nichts durch das Volk“ behinderte das Entstehen einer Zivilgesellschaft in Ö) und gegen den zunehmenden marktwirtschaftlichen Legitimationsdruck wollte man ein Zeichen setzen. Medienpolitik ist Demokratiepolitik hieß es u.a. in der im Anschluss veröffentlichten Linzer Erklärung: Die Politik habe die Pflicht und Verantwortung, das Entstehen und Fortbestehen einer pluralistischen Informationsgesellschaft sicherzustellen. Kurz gesagt: Die Grundförderung der freien Radios, der alternativen Zeitungen und Zeitschriften und der Netzkultur muss gesetzlich festgeschrieben und umgesetzt werden.

DIE GESCHICHTE DER Organisierungsversuche alternativer Medien begann aber schon vor dem Linzer Treffen und war – verbunden mit dem Entstehen der Medien und dem politischen Klima – unterschiedlichen Konjunkturen ausgesetzt. Seit ihrem verspäteten Aufkommen in Österreich in den 80er und 90er Jahren gab es viele Kämpfe, Erfolge und Rückschläge. Wirft man einen Blick zurück, gewinnt man Einblicke in eine Alternative Medienszene, die unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen wirkt(e):

Die (schon früher entstandenen) nicht-kommerziellen Zeitungen und Zeitschriften bekamen bereits ab 1971 mit der Publizistikförderung eine geringfügige staatliche Förderung zugesprochen, freies Radio, Fernsehen und „neue Medien“ mussten sich in den 1990ern ihre Etablierung erst erkämpfen – sie profitierten dann aber augenscheinlich von der Aufmerksamkeitsverschiebung hin zu den „partizipativeren“ Medien. Als Interessensvertretung entstand zunächst im Printbereich 1990 die VAZ, die Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften. Anstoß dazu war anfangs das Interesse ein eigenes, gemeinsames Vertriebsystem aufzubauen.

Die Idee scheiterte aber relativ rasch, mit der (inzwischen eingestellten) links-alternativen MOZ (Monatszeitung) zog sich das finanzkräftigste Zugpferd aus der Aufbauarbeit zurück. Lediglich eine Zeit lang wurde gemeinsam auf der Straße oder auf Veranstaltungen verkauft. Anlassbedingt verlegte sich der Fokus auf die Vertretung nach außen – nach der Berichterstattung rund um „Ebergassing" 1995 (Anschlag auf einen Strommasten, der im Anschluss – verhandelt als „linksextremer Terror“ – zum Politikum wurde) wurde das TATblatt verunglimpft und ihm in der Folge – entgegen der Empfehlung des Publizistikbeirats – die Publizistikförderung entzogen. Auch die drei anderen Zeitschriften (Akin, Alternative, ZAM) wurde die Förderung entzogen, der VAZ gelang es jedoch in der Causa nicht, sich durchzusetzen.

NICHT NUR IM PRINT, sondern auch im Hörfunk versuchte man, eine Interessensvertretung aufzubauen. Radio unterlag in den 90er Jahren noch dem staatlichen Monopol, das die Radiopirat_innen bewusst umgingen und daraufhin massiv verfolgt wurden. 1991 organisierten sie sich zunächst in der Pressure Group Freies Radio (mehr dazu u.a. in MALMOE № 57). Nach vielen Kämpfen konnte die Öffnung des Monopols 1993 erzwungen werden. Die Zuteilung von Radiofrequenzen dauerte noch weitere fünf Jahre, 1997 war es dann aber soweit und die Freien Radios gingen – vorerst über Projektförderungen finanziert – legal auf Sendung – nicht nur die Radioaktivist_innen waren euphorisch.

Die österreichische Netzkultur etablierte sich ebenfalls in den 90ern, eine Interessensvertetung formierte sich erst um 2000 mit dem Konsortium.Netz.Kultur, 1995 fand aber auf dem Grazer Videokunstfestival Diagonale ein Treffen statt, das die österreichische Netzkultur-Szene zum ersten Mal zusammenbrachte. Teil der gemeinsamen Forderungen war es, Internet und Netzwerktechnologien einer breiten Bevölkerungsschicht und vor allem auch Kulturschaffenden zugänglich zu machen, Netzwerke zum Austausch und für experimentelle Projekte herzustellen und Wissen über die Technologien und gesellschaftliche Implikationen weiterzugeben – d.h. letztlich mehr Geld und mehr Standorte zu Verfügung zu stellen für das, was die Public Netbase ab 1994 in Wien unternahm.

DIE LINZER MEDIENKONFERENZ 1999 war dann eine Plattform, auf der die Positionen und Forderungen der einzelnen alternativen Medien zusammenflossen und die sich lebendig und vor allem auch vielversprechend präsentierte: Der damalige Kunststaatssekretär Peter Wittmann gestand einen enormen Aufholbedarf der Politik ein und kündigte an, „7 Millionen Schilling für die Struktur der Regionalradios“ und „6 Millionen Schilling für neue Medien“ aus seinem Ressort zur Verfügung zu stellen. Aus diesen Versprechungen aber wurde nichts: 2000 kam mit Schwarz-Blau der große Rückschlag in allen Bereichen.

Innerhalb von kurzer Zeit wurden u.a. die Förderungen der freien Radios ebenso wie die der Public Netbase zur Gänze abgedreht, der begünstigte Postzeitungsversand für Zeitungen und Zeitschriften, eine der Existenzgrundlagen der alternativen Zeitschriften, wurde gestrichen. Diese Existenzbedrohung gab wiederum der politischen Organisierung alternativer Medien einen Schub – gemeinsam wurde in verschiedenen Formaten gekämpft und mobilisiert, beispielsweise auf der (kleineren) Medienkonferenz 2000, deren anschließende Stellungnahme gegen die dramatischen Kürzungen zu mobilisieren versuchte.

Die Stadt Wien erklärte sich wenig später bereit, anstelle des Bundes für die Basisfinanzierung von den in Wien angesiedelten Projekten Radio Orange und Public Netbase einzuspringen. 23 Projekte zur Förderung der Freien Medien wurden zusammen mit den Grünen beschlossen. Auf der Agenda standen zuvorderst: Die Schaffung eines partizipativen Fernsehkanals und die Förderung von Radio Orange und Projekten und Institutionen der Netzkultur. Aus der Szene formierten sich einige unter dem Label CMCV (Community Cluster Vienna), um den Aufbau mitvoranzutreiben.

In Folge aber gab es massive Verzögerungen, Diskreditierungen und Abbestellungen einzelner (vor allem derer, die sich frisch im Träger des „Community TVs“ versammelt hatten) und politische Einflussnahme und Tricksereien der Laska-SPÖ (MALMOE № 27). Anlass, um erneut zu moblisieren: Am Wiener Karlsplatz wurde 2003 das Mediencamp errichtet, zugleich symbolische Besetzung, Treffpunkt und Veranstaltungsraum, um einmal mehr eine unabhängige Medienförderung zu fordern.

2003 gab es schließlich doch einen Abschluss der Verhandlungen mit der Stadt Wien. Okto konnte in Planung gehen und bei Radio Orange brach eine neue, institutionalisierte Welt aus. Der unbequemen Public Netbase entledigte sich aber die Stadt Wien, die Fördermittel wurden nach der Kürzung 2003/2004 im Jahr 2006 gänzlich gestrichen.

IN DEN VERGANGENEN JAHREN sind medienübergreifene Vernetzungen rar geworden, nicht zuletzt dadurch, dass sich mit dem Beschluss der Bundesförderung 2008 freie Radios und Fernsehen gut etablieren konnten. Trotz dieser positiven Entwicklungen sind die Arbeitsbedingungen innerhalb der alternativen Medien von alten bzw. neuen Einschränkungen und Problemen geprägt. Viele der u.a. auf der Linzer Medienkonferenz erhobenen Forderungen sind noch aktuell:

Selbst bei den Freien Radios gibt es immer wieder Engpässe. Durchschnittlich 25.000 Euro pro Radio, die aus der Bundesförderung kommen, stehen einem ungleich höheren Mindestbedarf gegenüber, der von Stadt, Land oder EU nicht in allen Fällen abgedeckt wird. Die Radiowerkstadt Salzburg musste gerade erst auf Notbetrieb umstellen, weil Projektanträge nicht bewilligt wurden. Abseits davon sorgen die Organisationsstrukturen für Debatten, einige der Radios sind eher als Service-Betrieb organisiert und räumen den Sendungsmacher_innen kein Mitspracherecht in der Strukturgestaltung ein.

Im Printbereich bestehen alte Probleme weiter: Ein „großer Skandal“ sei die Publizistikförderung, meinte Robert Zöchling von der VAZ 1999. Die beiden Fördermodelle Presse- (Tages- und Wochenzeitungen) und Publizistikförderung (Zeitschriften) unterscheiden sich in Millionenhöhe. Zeitschriften müssen derzeit mit höchstens 5000 Euro Subvention pro Jahr auskommen. Die Förderung war bis 1996 explizit an keine Inhalte gebunden, durch eine Gesetzesnovelle können „bedenkliche“ Inhalte nun auch offiziell ein Ausschlussgrund sein. Mit der Abschaffung des vergünstigten Postzeitungsversands fehlt außerdem eine weitere Bestandsgrundlage.

ABER AUCH IM BEREICH NETZKULTUR sieht es nicht rosig aus: Zwar ist die Forderung des„access for all“ bzw. „access“ für Kulturschaffende de facto erfüllt und die Grundversorgung damit obsolet geworden. In Wien wurden aber durch die Zerschlagung der Public Netbase wichtige Strukturen zerstört und „der ganze Sektor“ durch höchst fragwürdige Fördermethoden (die „Community“ stimmt über die Fördermittelvergabe ab) weiter „geschwächt“, so die Stellungnahme des Konsortiums.Netz.Kultur 2006.

Anstatt des Infrastrukturaufbaus werden außerdem nur Projekte mit Mitteln bedacht. Die Entwicklung der Infrastruktur wird derweil vom kommerziellen Bereich recht erfolgreich betrieben – vor den Folgen hatte man aber schon auf der Linzer Medienkonferenz gewarnt: die Entwicklung neuer Machteliten, Medienkonzentrationen und der fortschreitenden Einschränkung des Rechts auf Privatsphäre. Für eine Netzkultur, die dem etwas entgegensetzen will, braucht es – neben rechtlichen Grundlagen – ein Budget, das beispielsweise die Entwicklung von alternativen Kultur- und Videoservern ermöglicht und materielle Verknotungen, d.h. eigene Medienwerkstätten und -arbeitsplätze für Menschen zur Verfügung stellt, die bislang keinen Zugang zu solchen Produktionsstätten haben.

Trotz aller Schwierigkeiten und Lücken sind alternative Medien mittlerweile etabliert. Der technotopische Diskurs (u.a. in Bezug auf Enzensberger, dem zufolge die „Bewusstseins-Industrie“ durch alternative/ partizipative Medien unterwandert und Emanzipation erwirkt werden könne), der in den 80ern und 90ern noch so manche_n beflügelte, ist einer gewissen Ernüchterung gewichen. Die Frage, wie Allianzen wiederbelebt werden könnten, wird ob der verschiedenen Grundvoraussetzungen und mangels eines aktuellen Anlasses wohl nicht zu einfach zu beantworten sein. Im Rahmen der Mediengruppe „involviert berichten“ innerhalb der Wienwoche und auf der Diskussionsveranstaltung „sektor3/medien revisited“ der Linken Medienakademie gibt es aber zumindest zwei Plattformen, auf denen wir uns die Rahmenbedingungen unserer Arbeit wieder gemeinsam ins Blickfeld holen werden.



Weiterführender Lesetipp

Clemens Apprich, Felix Stalder (Hg.) Vergessene Zukunft. Radikale Netzkulturen in Europa (2012), transcript Verlag

http://www.transcript-verlag.de/ts1906/ts1906.php