Deutschlandpakt „vergeigt“

NPD kündigt Vereinbarung mit der DVU auf

in (03.12.2009)


Knappe fünf Jahre lang hielt der „Deutschland-Pakt“, jene Vereinbarung zwischen NPD und DVU, mit der geregelt wurde, welche der beiden Parteien jeweils bei regionalen oder bundesweiten Wahlen antreten würde. Für eine echte rechte Einheit hatte er zwar nicht gesorgt, aber immerhin zu einem geregelten Nebeneinander von NPD und DVU beigetragen.

Dabei hatten sich die – ohnehin schon ungleichen – Gewichte zwischen beiden Parteien seit Abschluss der Vereinbarung Anfang 2005 weiter verschoben. Die NPD gewann an Stärke, die DVU zerbröselte. Dass die NPD schließlich den Vertrag aufkündigte, kurz bevor er nach der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Brandenburg ohnehin ausgelaufen wäre, überraschte am Ende nicht mehr.

Udo Voigt und Gerhard Frey, die beiden Parteichefs, hatten seinerzeit ihren Namenszug unter das Dokument gesetzt. Mit diesen beiden Namen ist auch das Ende der Vereinbarung verknüpft. Voigt geriet in der Folge der Affäre um den Ex-Schatzmeister Erwin Kemna, der Geld aus der Parteikasse abgezweigt hatte, parteiintern mehr und mehr unter Druck und musste sich notgedrungen, aber keinesfalls widerstrebend auf den radikaleren der NPD-Flügel stützen, um überhaupt im Amt zu bleiben. Er brauchte Verbündete, die weniger Rücksicht auf den Bündnispartner von gestern nahmen – egal, ob ideologisch motiviert oder schlicht und einfach, weil deren Landesverbände bei der Vergabe von Kandidaturen bei den anstehenden Landtagswahlen nicht mehr zurückstehen mochten.

Auf der anderen Seite hatte Frey, Gründer, Vorsitzender, Kreditgeber und Alleinherrscher der DVU, das Interesse an „seiner“ Partei verloren. Ob aus Altersgründen oder aus der Einsicht, dass das Modell DVU nie wirksam würde funktionieren können, blieb dabei offen. Jedenfalls überließ er die DVU sich selbst, nachdem diese ihren Schuldenberg komplett oder zumindest fast komplett abgetragen hatte – Schulden, die die Partei überwiegend bei ihrem Ex-Vorsitzenden gehabt haben dürfte. DVU-Wahlkämpfe als Materialschlachten? Das war einmal.

Das Personal, das nachrückte und inzwischen das Bild der DVU prägt, musste als Provokation für die Mehrheits-NPD rund um Voigt, Rieger & Co. wirken: Matthias Faust, der neue DVU-Vorsitzende, einst in der Hamburger NPD aktiv und dort in klarer Frontstellung zu Jürgen Rieger; Andreas Molau, auf dem Papier zwar nur DVU-Pressesprecher, tatsächlich aber die nach Faust wichtigste Figur, der Voigt stürzen wollte; Patrik Brinkmann, auf dessen – angeblich – pralles Portmonee einst auch NPDler spekuliert hatten, der immer mal wieder Voigt als politisch „gestrig“ charakterisiert und sich auch öffentlich an dessen privatem Lebenswandel stößt. Und schließlich der Hamburger Neonazi Christian Worch, der sich – so muss es scheinen – mit jedem verbündet, wenn er damit Voigt schaden kann. Ganz schlicht nennt er sich „Organisationsbeauftragter für die Landtagswahl in Brandenburg“ und stellt seine Rolle ganz proletarisch als die eines fleißigen Plakateklebers und Kundgebungstechnikers dar – sein Einfluss auf Faust ist freilich deutlich größer.


Bewährungsproben

Die Europawahl am 7. Juni 2009 war die Bewährungsprobe für diese neue DVU. Ein Achtungserfolg hätte der neuen Führungsspitze vermutlich schon gereicht: möglichst dicht an dem Ergebnis, das die NPD mit 0,9 Prozent fünf Jahre zuvor erreicht hatte. Auf jeden Fall aber mussten mehr als 0,5 Prozent her, um in den Genuss der staatlichen Parteienfinanzierung zu kommen. Am Ende waren es nur 0,4 Prozent. Sogar die vor sich hin siechenden Republikaner hatten mehr als dreimal so viele Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen können. Und im „Stammland“ Brandenburg erreichte sie dreieinhalb Monate vor der so wichtigen Landtagswahl gerade einmal 1,7 Prozent. Dabei hatte die Nach-Frey-DVU sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemüht. Was in der Kasse fehlte, sollte durch eine neue Optik ausgeglichen werden. Als „Die Neue Rechte“ gerierte sich die DVU vollmundig. Die fehlende Parteibasis sollte durch die stärkere Internetpräsenz kompensiert werden. Weltnetz statt Infostand, Blogs und Podcasts statt der nicht mehr bezahlbaren Materialschlacht an den Straßenlaternen. Das Ergebnis: „Die Neue Rechte“ wurde sogar von Freien Wählern, Republikanern, Tierschutzpartei, Familien-Partei, Piratenpartei, Rentner-Partei und ÖDP abgehängt.

Es kam, was kommen musste. Voigt, in den Wochen zuvor sicherlich nicht amüsiert angesichts der Nadelstiche, die Faust, Molau und Brinkmann gegen ihn gesetzt hatten, holte zum Gegenschlag aus. Von einem Wahlkampf der DVU habe er „nur wenig, bis gar nichts bemerken“ können, ätzte er. Die Zusagen von Frey und Faust, „dass wir uns darauf verlassen könnten, dass die DVU zur Europawahl mit ganzer Wucht in altbekannter Stärke antrete“, seien nicht eingehalten worden. Ähnliche Versicherungen habe er auch 2007 zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt erhalten, ohne dass dort Taten gefolgt seien. Voigt: „Beide Wahltermine, für die wir gute und aussichtsreiche Wahlantritte der NPD dem Partner DVU zur Verfügung stellten, wurden im wahrsten Sinn des Wortes ,vergeigt’.“

Mit allem, ihm zur Verfügung stehenden Pathos bereitete der NPD-Chef den Bruch des Deutschland-Pakts vor: „Alle Patrioten“, so Voigt, seien „in der schicksalsträchtigen Phase des Überlebenskampfes unseres Volkes gefordert, an einem Strang zu ziehen. Das wird künftig mit zwei, drei, vier oder noch mehr Parteien nicht wirklich erfolgreich umgesetzt werden können“. Sein Vorstand folgte ihm und kündigte die Kandidatur der NPD in Konkurrenz zur DVU bei der Landtagswahl in Brandenburg an.


Retourkutschen

Faust reagierte erwartungsgemäß empört auf die Aufkündigung des Paktes und schloss eine weitere Kooperation quasi aus: „Mit einer Parteiführung, die aus egoistischen, machtpolitischen Gründen eine über mehrere Jahre bestehende Vereinbarung einfach so für nichtig erklärt, wird es ganz sicher keine vertrauensvolle Zusammenarbeit geben.“ Kurz darauf versuchte er aber noch einmal mit einem taktischen Vorschlag Zeit zu gewinnen und die NPD von ihrer Kandidatur in Brandenburg abzubringen. Er schlug vor, einen „Gründungskongress für eine gemeinsame Rechte“ einzuberufen. Doch über solche Gedankenspiele ist die Zeit hinweggegangen. Die Truppe um Voigt hat nicht das geringste Interesse daran, an der Bildung einer geeinten Rechten nach Fausts Muster mitzuwirken. Ihr geht es um Dominanz im rechten Lager: entweder indem sich die DVU freiwillig unterordnet oder indem sie durch Konkurrenzkandidaturen wie in Brandenburg in die Knie gezwungen wird.

Der Versuch, die DVU aus dem Weg zu räumen, trifft diese zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Sie befindet sich seit Jahren im steten Sinkflug. Und die Bemühungen, echte Parteistrukturen aufzubauen, sind noch nicht so weit fortgeschritten, dass sie zu einer realen Gefahr für die NPD geworden wären. Zugleich sind solche Bemühungen – unabhängig von ihren Erfolgsaussichten – eine weitere Provokation für Voigts NPD. Etwa, wenn ein neuer DVU-Jugendverband mit Namen „Junge Rechte“ den Jungen Nationaldemokraten Konkurrenz zu machen gedenkt oder wenn, wie in Niedersachsen oder Berlin, im Streit geschiedene Ex-NPDler DVU-Landesverbände wiederbeleben wollen.

Wenn es aber nicht gemeinsam voran gehen kann, dann wenigstens effektiv gegeneinander. Wenn die NPD in Brandenburg gegen die DVU antritt, dann kandidiert die DVU bei der Bundestagswahl gegen die NPD. Letzteres ist zwar völlig ohne Aussicht auf einen wahlpolitischen Erfolg und von der DVU organisatorisch ernsthaft kaum zu schultern. Aber darum geht es auch gar nicht. Worch verriet die Idee, die hinter dem Wahlantritt steckt: „Was sind die Folgen, wenn bei einem solchen Antritt − ohne sonstige Kosten – die DVU auch nur 0,2 Prozent bekommt? 0,2 Prozent, die die NPD weniger bekommt. Entsprechend weniger Geld aus der Staatskasse.“ Die Retourkutsche der DVU bei der Bundestagswahl erscheint ihm jedenfalls als „eine angemessene Strafe für Betrug“.

In zwölf der 16 Bundesländer wird die DVU am 27. September auf den Stimmzetteln stehen. Eilig wurden „Landesparteitage“ einberufen, bei denen Landeslisten bestimmt wurden, die lediglich Alibicharakter haben. Die in NRW ist mit fünf Kandidaten sogar noch besonders lang ausgefallen – die in Baden Württemberg weist zum Beispiel lediglich eine Kandidatin auf. Faust will derweil weitermachen mit der „längst fälligen Aktivierung unserer Anhängerschaft“. Einfach dürfte das nichts werden bei einer Mitgliedschaft, die abgesehen vom Lesen der National-Zeitung auf Passivität getrimmt worden ist und bei der beispielsweise, glaubt man Worch, nicht einmal jeder Zweite den Mindestmonatsbeitrag von 3 Euro zahlt.


Aus: Lotta – antifaschistische Zeitung aus NRW, Nr. 36 / Herbst 2009