Für viele verboten, trotzdem dauerpräsent im Alltag und oft in der untersten Schublade versteckt: Pornografie. Aber sind das wirklich alles „Schmuddelheftchen" und „Unterleibskrimis"? utopia sprach mit Laura Méritt, Kommunikationswissenschaftlerin und Sex-Arbeiterin.
Du betreibst einen alternativen Sex-Shop. Was umfasst dein Angebot an Pornografie?
Ich biete nur gute Filme an, die sich von den herkömmlichen Pornos deutlich unterscheiden. In ihnen stehen Frauen und ihre Sexualität im Mittelpunkt (obwohl natürlich auch Männer in den Filmen mitspielen), es wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, bei dem die Kamera nicht nur auf die Genitalien fixiert ist, sondern die Schauspieler_innen in einer Beziehung, die über die rein körperliche hinausgeht, zeigt.
Fördert Pornografie nicht auch ein diskriminierendes Frauenbild, das sich im alltäglichen Verhalten der Konsument_innen niederschlägt?
Die „herkömmliche" Pornografie ist sicherlich häufig so ausgelegt, dass sie auf Machtgefällen zwischen Männern und Frauen basiert und Frauen in demütigenden oder entwürdigenden Situationen zeigt. Das ist allerdings Porno im übelsten Sinne! Gerade deswegen halte ich es für so wichtig, Filme, in denen so etwas eben nicht vorkommt, zu verbreiten. Denn natürlich hat das, was wir sehen, Auswirkungen auf unseren alltäglichen Umgang miteinander und mit unserer Sexualität.
Was ist denn eigentlich „gute" Pornografie?
Meiner Meinung nach sollte gute Pornographie drei Kriterien erfüllen: Erstens sollte sie sexuelle Anregung bieten, ruhig auch zum Nachdenken motivieren und Emotionen wecken. Zweitens ist Erotik auch eine Kunstform, nicht bloß Technik; sie sollte ästhetisch sein. Deswegen gelten für gut gemachte Pornos auch die gleichen Kriterien wie für gute Filme: es muss eine gewisse Professionalität in Sachen Belichtung, Ton usw. bestehen. Und drittens sollte die menschliche Vielfalt abgebildet werden, was Geschlechter, sexuelle Orientierungen und Vorlieben angeht, es darf also auch ruhig versucht werden, gängige Schönheitsnormen zu durchbrechen.
Ist das dann auch automatisch feministische Pornografie?
Nicht zwangsläufig. In solchen Filmen wird erstmal überhaupt die weibliche Lust dargestellt. Dass so etwas überhaupt existiert, dass Frauen eine eigene Sexualität haben, wird ja heute noch von vielen Seiten gar nicht akzeptiert. Außerdem werden „starke" Frauen dargestellt, die keine Objekte, sondern selbstständig handelnde Subjekte sind, mit Wünschen und Vorlieben. Das muss nicht nur gefühlsduseliger Kuschel-Sex sein - wie schon gesagt, ganz wichtig ist, dass die Vielfalt gezeigt wird.
Ist die Darstellung nackter Menschen auf Plakatwänden und in Werbespots auch Pornografie?
Das halte ich für rein kommerzielle Pornographie, bei der die gerade genannten Ansprüche fast komplett wegfallen. Diese Pornografisierung des Alltags ich ganz schrecklich, denn man hat überhaupt keine Wahl mehr. Ich möchte selbst bestimmen können, wen ich wann nackt sehen will.
Wenn man noch keine 18 Jahre alt ist, kann man auch nicht selbst entscheiden, was man sehen will. In Deutschland sind Pornos nur Menschen über 18 Jahren zugänglich.
Dies halte ich für eine verlogene Regelung.. Darin spiegelt sich doch deutlich die herrschende Doppelmoral wider. Pornografie ist überall, Kinder und Jugendliche sehen auch, was sie vielleicht gar nicht sehen wollen. Zudem finde ich so eine Regelung entmündigend, denn sie verwehrt den unter 18-Jährigen auch den Zugang zu „guten", aufklärerischen, emanzipativen Bildern.
Kann Pornografie also aufklärende Wirkung haben?
Gerade das ist ja der Sinn der Sache! In guten Erotik-Filmen kann gezeigt werden, wie liebe- und lustvoll wir miteinander umgehen können und auch, dass Sexualität unwahrscheinlich viele Facetten hat.
Interview: Ani K.
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