Aber wir verzichten gern und laden uns zusätzliche Lasten auf, wenn es gilt, die Kapitalherrschaft über uns zu sichern.
Wenn jemand erwähnt, daß die Schulden der angeblich maroden DDR im Jahre 1989 ein Klacks waren im Vergleich zu den Banken-Schulden, die unser Staat jetzt übernimmt, wehren wir ab. Jeder derartige Vergleich ist ungehörig. Wir verbieten uns solche Gedanken. Wir wollen doch nicht in Verdacht geraten, etwa nicht mit der Kapitalherrschaft über uns einverstanden zu sein, womöglich über sie hinauszudenken. Die Gedanken sind nicht frei. Angstvoll bewachen wir sie. Jede und jeder von uns ein Büttel gegen sich selbst.
Bush hat den US-Banken 700 Milliarden Dollar zugesagt, eine etwa ebenso hohe Summe wie Merkels 500 Milliarden Euro. Er hätte damit vielen Millionen Armen helfen können, die ihre kleinen Häuser aufgeben müssen, weil sie den Banken die überhöhten Zinsen nicht zahlen können. Damit hätte er die Krise an der Wurzel gepackt. Aber an eine solche Lösung darf auch und gerade ein US-Präsident nicht denken. Keiner. Niemals.
In den USA, in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, überall spielen sich die, die an dem Schlamassel schuld sind, jetzt als die klugen Retter auf - und vergrößern das Schlamassel. Wir lassen sie gewähren. Wir schnuppern an ihrem Parfüm und riechen nicht ihren Angstschweiß. Sie haben Angst, wir könnten unsere Angst überwinden. Darum - warum sonst? - planen sie jetzt den Militäreinsatz im Innern. Mit Waffengewalt haben sie schon die Weimarer Republik auf den Weg nach rechts gebracht - gleich 1919, als sie Truppen gegen die Räterepublik in München entsandten, und 1923, als sie die demokratisch gewählten Linksregierungen in Sachsen und Thüringen militärisch zerschlugen.
Aber nein: Jeder derartige Vergleich ist ungehörig. Wir verbieten es uns, aus der Vergangenheit zu lernen. Wir verzichten gern auf die Wahrheit, die uns doch nur beunruhigen könnte. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Dafür sorgen wir. Jede und jeder von uns ein Büttel. Damit die Kapitalherrschaft über uns ewig währt.