Kämpferische Frühlings- und Sommergefühle

Feldbesetzungen und -befreiungen gegen Genmais, -rüben, -gerste, -weizen und -kartoffeln

Die in den letzten Monaten durchgeführten direkten gewaltfreien Aktionen gegen die Agro-Gentechnik lassen auf einen heißen Sommer des Zivilen Ungehorsams hoffen.

Der folgende Beitrag fasst zusammen, was in den nächsten Monaten für Aktionen auf der Tagesordnung der gewaltfreien Bewegung stehen. Zudem liefert er eine aktuelle Chronik der Anti-Gentech-Aktionen (GWR-Red.)

Am 31. März 2008 besetzten Gentechnikgegnerinnen und -gegner in den frühen Morgenstunden das Versuchsfeld der Justus-Liebig-Universität mitten in Gießen.
Während sie auf dem geplanten Gengerstefeld noch an ihrem Holz-Turm bauten, bereiteten in der Nähe von Stuttgart AktivistInnen die nächste Aktion vor: Das Genmais-Versuchsfeld der Fachhochschule Nürtingen wurde ab dem ersten April bezeltet.
Wenige Tage später schlugen GentechnikgegnerInnen ihre Heringe in den Boden eines Versuchsfeldes des Gentechnikkonzernes KWS in Northeim zwischen Kassel und Göttingen, um die Aussaat von Gentech-Zuckerrüben zu verhindern.
Die Aktionsgruppen durften sich über ein großes öffentliches Interesse freuen und ließen sich weder von Kälte und Matsch noch von Sturm und Schnee vertreiben. In Northeim brachten die AnwohnerInnen und Studierenden der Gesamthochschule Kassel viele Lebensmittelspenden vorbei, in Oberboihingen verkündete die Leitung der Fachhochschule nach einer Woche die Einstellung des umstrittenen Genmais-Versuches, auch in Gießen kam es nicht zur Aussaat der transgenen Gerste.
In Northeim nahmen clevere Firmenstrategen den Kampf um die Bilder auf: Sie organisierten sechs Reisebusse und über vierzig PKWs und fuhren mit 450 MitarbeiterInnen der KWS (Kleinwanzlebener Saatzucht) zum besetzten Feld. Eine Menschenkette aus KonzernmitarbeiterInnen halbierte das Feld, so dass der mehrstöckige Holzturm der FeldbesetzerInnen abgeschnitten war von der Schnell-Aussaat der Rüben.
Während die Firma für ihre Aktion die "Forschungsfreiheit" ins Feld führte, bewerteten viele Northeimer einschließlich der lokalen Zeitung die FeldbesetzerInnen als moralische Sieger der Auseinandersetzung.

Am 21. April begannen in der Dämmerung vier Frauen und zwei Männer mit einer Feldbefreiung auf dem skandalösen Genweizenversuch in Gatersleben. Ganz in der Nähe der öffentlichen Genbank für Kulturpflanzen aus aller Welt wuchs manipulierter Winterweizen der Blüte entgegen - und bedrohte damit auch die Bestände der Saatgutbibliothek, da diese zur Bewahrung der Keimfähigkeit der Pflanzen regelmäßig eine Erhaltungszucht betreiben muss. Bis zum Eintreffen der Polizei gelang es den Aktiven von Gendreck-weg, zwei Drittel der Versuchsfläche vom Genweizen zu befreien.
Als Verantwortlicher war der Versuchsleiter der Gießener Uni auch in Groß-Gerau gefragt, wo er wegen einer Feldbesetzung die dortigen Maisversuche absagen musste. Die Aktiven erlebten großen Zuspruch aus der Bevölkerung und wurden kurzerhand gebeten, bei der Demo zum ersten Mai in der Stadt zu sprechen. Sie feierten ihren Sieg mit einer Party auf dem Acker und der Verkündung: "Hessen ist gentechnikfrei!"

Nur kurz befanden sich die BesetzerInnen in Rheinstetten bei Karlsruhe auf dem Genmaisversuchsfeld nahe der französischen Grenze und auch in Mecklenburg-Vorpommern waren Aktive nur für einen halben Tag auf einem Kartoffelversuchsfeld der Firma BASF.
Im Wendland wandte sich ab Mitte April eine Mahnwache und ab dem ersten Mai eine BesetzerInnengruppe gegen ein angemeldetes kommerzielles Genmaisfeld mit Monsantos Mon810. Dort kam es am 20. Mai zur Eskalation, als der Bauer trotz fortbestehender Besetzung mit der Aussaat begann. Die Notfall-Telefonkette mobilisierte viele Menschen, der Traktor drehte schließlich ab und stundenlang sammelten über hundert GentechnikgegnerInnen die Maiskörner einzeln von Hand aus dem Feld. Auch in den folgenden Tagen luden sie zur "Aktion Aschenputtel" ein, um die Feldbefreiung zu vollenden, während die Besetzung gleichzeitig weiter aufrechterhalten wurde.
Kämpferische Wochen also.
Mit einer neuen Qualität der Vernetzung zwischen den Gruppen und großer öffentlicher Aufmerksamkeit. Die Tageszeitung junge Welt schrieb der Initiative Gendreck-weg den Titel "Aktivisten der Woche" zu, weil von dort zahlreiche Presseerklärungen verschickt worden waren. Tatsächlich wurden die Aktionen aber von vielen unabhängig agierenden Gruppen erdacht und durchgeführt. Vor allem die längerfristigen Besetzungen förderten jedoch den Austausch untereinander.

Bei der Demonstration am 12. Mai in Bonn zur Eröffnung der sogenannten Naturschutzkonferenzen der UN sprach eine Feldbefreierin von Gatersleben bei der Abschlusskundgebung. Die FeldbesetzerInnen hatten ein hohes Holzgestell, einen Tripod, mitten in der Rheinaue errichtet.
Diese Aktivitäten ergaben viele Gelegenheiten zum Gespräch zwischen den AktivistInnen zivilen Ungehorsams und den VertreterInnen zahlreicher Umweltorganisationen. Vorsichtig kommt man sich näher.
Das braucht Zeit, wie auch die bevorstehende Freiwillige Feldbefreiung von Gendreck-weg in Bayern zeigt. Im Raum Kitzingen engagieren sich zwar viele Menschen gegen die Agrogentechnik, aber bezüglich des Schrittes auf die Felder selbst gibt es große Vorbehalte. Deshalb begleiten Gespräche und Vorveranstaltungen die Vorbereitungen für das das gentechnikfreie Wochenende vom 26. bis 29. Juni. Mit über 530 schriftlichen Absichtserklärungen gibt es deutlich mehr Zuspruch für die Aktion als in den Vorjahren.
Der erhöhte Druck durch die Aktionen zivilen Ungehorsams kommt zu einem spannenden Zeitpunkt. In Frankreich, in der Schweiz, in Österreich, Griechenland, Polen und Rumänien ist der Anbau des Giftmaises von Monsanto 2008 verboten. Der deutsche Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer hingegen ignoriert seinen gentechnikfreien Wahlkreis und die Mehrheit der BürgerInnen: Nachdem er im letzten Jahr nach der Aussaat den Mais nur für wenige Monate verboten und dann wieder zugelassen hatte, tönt er jetzt, dass es beschleunigte Genehmigungsverfahren in Europa bräuchte. Er redet damit den Konzernvertretern das Wort, die angesichts der - selbst mit verursachten - Lebensmittelkrise wieder die Chance sehen, ihre teure und gefährliche Saat als Wundermittel gegen den Hunger anzupreisen.

Die letzten Wochen stimmen jedoch zuversichtlich. Seehofer, Monsanto, BASF, Bayer Crop Science und Co. können gestoppt werden, wenn sich ihnen viele Menschen entschlossen entgegen stellen.

Jutta Sundermann

Infos:www.gendreck-weg.de
www.gentech-weg.de.vu
www.gentechnik-im-wendland.blogspot.com/

Kämpferischer Sommer

Nicht nur in der Auseinandersetzung um Agro-Gentechnik, sondern in vielen anderen Bewegungen nimmt die Zahl derjenigen zu, die sich mit gewaltfreien Aktionen Zivilen Ungehorsams aktiv einmischen, um Veränderungen zu bewegen. In diesem Sommer gibt es zahlreiche Aktionen, um diese Kultur weiter zu verbreitern. Mit viel Erfahrung dabei sind die AktivistInnen des "Netzwerk ZUGABe - Ziviler Ungehorsam, Gewaltfreie Aktion, Bewegung". Die Arbeitsbereiche des Netzwerks (z.B. Moderation und Training, Aktionsunterstützung, Rechtshilfe, Presseteam) freuen sich immer über Menschen, die mal während einer Aktion reinschnuppern und mitmachen wollen.
Meldet Euch einfach bei: info@netzwerk-zugabe.de

25.-28. Juni, Kitzingen (Bayern): Feldbefreiung von "Gendreck weg"
Zum großen gentechnikfreien Wochenende werden viele hundert AktivistInnen erwartet. In einer Großaktion Zivilen Ungehorsams soll ein Feld von gentechnisch verändertem Weizen befreit werden.
Mehr unter: www.gendreck-weg.de

18.-21. Juli, Katerbow (Brandenburg): Aktionscamp Rosa Heide
Als Beitrag zum Widerstandscamp -Sommer 08 organisiert das "Aktionsbündnis "Rosa Heide" ein Aktionscamp in der Region Kyritz-Ruppiner Heide. Der Widerstand richtet sich vor Ort seit mehr als 15 Jahren gegen die Pläne der Bundeswehr zum geplantem Bombenabwurfplatz. Von hier aus sollen inhaltliche Verbindungslinien zu den anderen Camps (Antirassistisches Camp Hamburg & Klima-Camp, Camp Büchel (Mosel - gg. Stationierung von Atomwaffen) gezogen werden. Die Aktionen sollen diese Verbindungen auch nach außen sichtbar machen. Auch die Clownsarmy hat zu einem "Familientreffen" aufgerufen.
www.g8andwar.de

19. August, Lübeck: Lebenslaute vor FRONTEX
Im Rahmen des antirassistischen Camps (Hamburg, 16.-24.8.) wird die Aktionsgruppe Lebenslaute, bekannt durch die Koppelung von klassischer Musik und Zivilem Ungehorsam, unter dem Motto "Töne und Klänge statt Grenzen und Zwänge" zu einer Konzert-Aktion vor der Bundespolizeiakademie in Lübeck aufspielen. In dieser Akademie werden PolizistInnen aus der gesamten EU für die Umsetzung der Abschottungspolitik geschult. FRONTEX ist eine EU-Agentur mit Sitz in Warschau, mit dem Ziel illegale Einwanderung zu verhindern. Die Lebenslaute sucht noch ungehorsame MusikerInnen, die sich vom 15. bis 19. August an der Vorbereitung und der Aktion beteiligen.

23. August, Hamburg: Bauplatzbesetzung Kohlekraftwerk Moorburg
Die Auseinandersetzung um den Neubau von Kohlekraftwerken spitzt sich zu. In Hamburg kann trotz anders lautender Wahlkampfversprechen auch eine Regierungsbeteiligung der Grünen den Bau des Vattenfall-Kohlekraftwerks Moorburg nicht stoppen. Zeit also für eine Bauplatzbesetzung. Die soll als ein Höhepunkt des Klimacamps laufen, dass nun vom 15. bis 24. Mai in Hamburg - und nicht wie ursprünglich geplant in Hanau - stattfinden wird.
www.klimacamp08.net

30. August, Büchel (Eifel): Go-In-Aktion ins Atomwaffendepot
In Büchel lagern die letzten 20 Atomwaffen hierzulande.
Deutschland stellt in Büchel mit den Tornado-Kampfflugzeugen des Jagdbombengeschwaders 33 das Trägersystem für die Atomsprengköpfe des Typs B 61 bereit und deutsche Soldaten üben den Abwurf. Die Bundeswehr ist über die "nukleare Teilhabe" der NATO in das Atomwaffen-System integriert. Dagegen regt sich seit Jahren Widerstand, der in diesem Sommer unter dem Motto "Bye bye nuclear bombs" einem Höhepunkt zustrebt (siehe Beilage in dieser GWR). Ein Camp und Aktionen, u.a. ein massenhaftes Go-In, werden vom 23.-31. August buntes Protestleben in die Eifel bringen.
www.gaaa.org

Und nicht vergessen: Im November ist Castor-Alarm in Gorleben
www.X-tausendmalquer.de

Artikel aus Graswurzelrevolution Nr. 330, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 37. Jahrgang, Sommer 2008, www.graswurzel.net