Berufliche Bildung
Zeit für eine grundlegende Novellierung des Berufsbildungsgesetz (BBiG). Und zu verbessern gibt es in der beruflichen Bildung genug.
Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) regelt bundesweit die Rahmenbedingungen für die berufliche Bildung. Momentan ist das längst überholte BBiG von 1969 die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung in Deutschland. Zeit also für eine grundlegende Novellierung. Und zu verbessern gibt es in der beruflichen Bildung genug.
Angefangen vom Rechtsanspruch auf Ausbildung über die Qualität der beruflichen Bildung bis hin zur Internationalisierung der beruflichen Bildung gibt es viel zu tun. Doch beim BBiG ist es wie mit vielen anderen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung auch: es gibt eine Mischung aus Halbherzigkeit, Orientierungslosigkeit und Rückschritten.
Rechtsanspruch auf Ausbildung - weiter Zukunftsmusik
Es gibt laut Grundgesetz Artikel 12 Abs. 1 das Recht auf freie Berufswahl. Das gilt auch für die Ausbildung. Zwischen der Zahl der BewerberInnen und der Zahl der angebotenen betrieblichen Ausbildungsplätze klafft mittlerweile eine Lücke von rund 250.000. Die Durchsetzung des Rechtsanspruches auf Ausbildung muss daher das zentrale Ziel der BBiG-Novelle sein.
Mit dem Modell der Umlagefinanzierung haben die Gewerkschaften lange für einen Weg gekämpft, der verbindlich für mehr betriebliche Ausbildungsplätze sorgen sollte. Nach dem einfachen Prinzip "Wer nicht ausbildet, muss zahlen!" sollte ein klares Instrumentarium geschaffen werden, um mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Die Bundesregierung konnte sich allerdings nur dazu durchringen, für kurze Zeit mit der Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe zu drohen. Diese hätte wie die Umlagefinanzierung wenigstens noch den Effekt gehabt, dass es zu mehr Finanzierungsgerechtigkeit in der beruflichen Bildung kommt. Denn über die Einnahmen aus der Abgabe hätten die vorhandenen Angebote in der außerbetrieblichen Ausbildung finanziert werden können, die zur Zeit voll aus Steuermitteln bestritten werden. Ausgaben, die allein aufgrund der fehlenden Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen bestehen und die öffentlichen Haushalte mit mehreren Milliarden Euro im Jahr belasten.
Stattdessen hat die Bundesregierung mit der Wirtschaft einen nationalen Pakt für Ausbildung geschlossen und sich auch bei der BBiGNovelle vom Rechtsanspruch auf Ausbildung verabschiedet. Viele Unternehmen werden aufgrund des auf Freiwilligkeit basierenden Pakts gefeiert haben. So bleiben nicht ausbildende Unternehmen von Abgaben befreit und Zehntausende Jugendliche können weiter nach einer qualifizierten Ausbildung suchen.
Die Verankerung einer modernen Berufsschule im BBiG
Momentan fallen die berufsbildenden Schulen dem Rotstift der Landesregierungen und Kommunen zum Opfer. Damit die berufsbildenden Schulen nicht zu einem "Museum der Arbeit "mutieren, müssen Qualitätsstandards bei der technischen Ausstattung und beim Lehrkörper sowie moderne Unterrichtskonzepte greifen.
Die Berufsschulen sind aufgrund personeller und finanzieller Engpässe häufig nicht in der Lage, ihren Teil der beruflichen Ausbildung auf einem ausreichenden und technisch aktuellen Niveau durchzuführen. Da sich aber das Zusammenwirken von theoretischem Unterricht und das Lernen in der Praxis bewährt hat, müssen Gelder bereitgestellt werden, um die Berufsschulen an die heutigen Gegebenheiten anzupassen. Weiterhin darf es zu keiner Streichung des zweiten Berufsschultages kommen. Denn seit langem fordern die Unternehmen, dass die Auszubildenden mehr arbeiten und nur noch einen Tag pro Woche in der Berufsschule sein sollen.
Dies dient zwar den Unternehmen, geht aber auf Kosten einer qualifizierten Ausbildung. In Anbetracht der Tatsache, dass erlerntes Wissen immer schneller veraltet, ist eine qualifizierte theoretische Ausbildung aber unabdingbar. Schließlich müssen junge Menschen zukunftsfähig ausgebildet werden.
Einem Ausgebildeten wird trotz seiner erworbenen Qualifikationen die akademische Reife verwehrt. Diese Eingangsvoraussetzungen müssen in vielen Bereichen geschaffen bzw. verbessert werden. Die Zugänge zu Fachhochschulen und zu Universitäten müssen ausgebaut und stärker beworben werden. Das Abitur darf nicht die einzige Zugangsvoraussetzung zu Hochschulen sein. Ausgebildete müssen die Möglichkeit haben, Studiengänge an Fachhochschulen/ Universitäten zu beginnen. Alternative Zugangsmöglichkeiten müssen hier in vielen Bereichen geschaffen bzw. ausgebaut werden.
Gleiches Recht für alle!
Es kann nicht angehen, dass Jugendliche, die einen außerbetrieblichen Ausbildungsplatz haben, von ihren Mitbestimmungsrechten ausgeschlossen bleiben. Mittlerweile sind über 60.000 Auszubildende in überbetrieblichen Maßnahmen und können ihre Interessen nicht vertreten, da es kein Recht gibt, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung zu wählen. Gleiches Recht für alle! Auch in den überbetrieblichen Maßnahmen muss der Anspruch bestehen eine Interessenvertretung zu wählen.
Die anstehende Novellierung bietet den Rahmen für eine umfassende Modernisierung und Verbesserung der beruflichen Bildung in Deutschland. Der Referentenentwurf der Bundesregierung zeigt deutlich, dass diese Möglichkeit nicht genutzt wird. Sowohl die quantitative als auch die qualitative Dimension der beruflichen Bildung werden nicht entschieden verbessert. Stattdessen schlägt die Regierung mit der Einführung von zweijährigen Berufen (Fahrradmechaniker, ...) einen Weg ein, der in fehlender beruflicher Perspektive und Niedriglöhnen enden wird. Zukunft sieht anders aus!