Lernfabrik Universität

Diszipinierung durch Studiengebühren

Die aktuelle Sozialpolitik soll vermeintlich "Arbeitsfaule" disziplinieren. Mit den Studienkonten getarnten Studiengebühren verhält es sich ähnlich.

Mit der Hochschulreform von 1970/75, die zum Teil auch Ergebnis sozialer Kämpfe war, reagierte die BRD verspätet auf die neuen technologischen Erfordernisse der an Profit ausgerichteten Produktion: das Kapital benötigte seit 1945 einer immer größere Anzahl an fachlich höher qualifizierter Arbeitskraft. Kurz gesagt wurde der Betrieb der Universitäten von der Eliten- zur massenhaften Produktion von Arbeitskraft umgestellt.

Aber schon ab 1974 verlangte die sich anbahnende ökonomische Krise und die reduzierte Nachfrage nach intellektuellen Arbeitenden nach Reglementierungen - die Geburtsstunde des Numerus Clausus als zusätzlichem Selektionsinstrument.

Mit der vermeintlichen "Öffnung der Hochschulen" war es also schnell vorbei, sie räumte das Feld zugunsten einer immer stärkeren (sozialen) Selektion der Studierenden durch NC, Leistungsscheine und der Bemessung von so genannten "Regelstudienzeiten". Instrumente, die nur den einen Zweck verfolgen, einerseits weniger SchulabsolventInnen den Weg in die Hochschulen zu ermöglichen und andererseits die durchschnittlichen Studienzeiten zu verringern, um so die Ausstoßrate der Lernfabrik an kapitalfunktionaler Arbeitskraft zu beschleunigen. Immer mehr, was nicht der Verwertungsrationalität des Kapitalismus entspricht, wird seit spätestens Mitte der 90er Jahre aus den Studieninhalten herausgesäubert.

Der Raum und die Möglichkeit für ein gesellschaftskritisch orientiertes Studium geht dadurch zunehmend verloren.
Aufgrund der als Immatrikulationsgebühr getarnten Studiengebühren und von Jahr zu Jahr immer enger gefassten Kriterien für die Bafög-Vergabe sieht sich zudem eine steigende Zahl der Studierender gezwungen, neben dem Studium Lohnarbeiten zu gehen. Auf diese Weise wird dem Niedriglohnsektor, vor allem im Dienstleistungsbereich, frische und billige Arbeitskraft zugeführt. Viele Studierende verbringen bereits heute mehr Zeit bei der Maloche als KellnerIn oder FahrradkurierIn als im Seminar. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die sowieso viel zu eng bemessene Regelstudienzeit rasch überschritten wird. Wer sich diesen Faux pas leistet soll dafür zukünftig mit je nach Bundesland bis zu 900.- Euro pro Semester zur Kasse gebeten werden.

Die Masse der Studierenden verkommt infolgedessen zu ÜberlebenskünstlerInnen und bricht das Studium oft genug frustriert ab. Wer es dennoch schafft, unter diesen rigiden Bedingungen einen Abschluss zu erlangen, ist fit für die Realität auf dem Arbeitsmarkt, wo AbsolventInnen zu individualisierten Ich AGs werden und um eine immer geringere Zahl von (gut bezahlten) Jobs kämpfen.

Die Entwicklung im Hochschulsektor ist geradezu exemplarisch für die sich weiter radikalisierende Unterordnung des gesamten gesellschaftlichen Lebens unter die ökonomische Verwertungsimperative des Kapitals, wie sie unter den Labeln "Effizienz" und "Produktivität" daherkommen. Produktiver, flexibler, disziplinierter und genügsamer soll die Ware Arbeitskraft sein, darin sind sich Regierung und Unternehmerverbände einig. Freies und selbst bestimmtes Studieren als Selbstzweck ohne Arbeits- und Leistungszwang im Rücken? Kannst du vergessen!