Von der Eingeborenenpolitik zur Vernichtungsstrategie: Deutsch-Südwestafrika, 1904(*)

Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Übergang von einer kolonialen "Eingeborenenpolitik" zu einem Programm des Völkermords, der 1904 in damaligen Deutsch-Südwestafrika (DSWA) verübt wurde.

"Ich, der große General der deutschen Soldaten, sende diesen Brief an das Volk der Herero: Die Hereros sind nicht mehr deutsche Untertanen. ... Das Volk der Herero muß ... das Land verlassen. Wenn das Volk das nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. ... jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh [wird] erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Kaisers." (Proklamation des Generals Lothar von Trotha an das Herero-Volk, 2. Oktober 1904)(1) Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Übergang von einer kolonialen "Eingeborenenpolitik"(2) zu einem Programm des Völkermords, der 1904 in Deutsch-Südwestafrika (DSWA), dem heutigen Namibia, verübt wurde. Ich untersuche die Gründe für die mörderische Strategie der Deutschen gegen die Ovaherero während des Krieges 1904 und in den Konzentrationslagern 1904-1908. Zwar waren Kolonialgräuel damals nichts Außergewöhnliches; dennoch wird das deutsche Vorgehen gegen die Ovaherero zurecht als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Es gehört nämlich zu der kleinen Zahl absichtlicher Versuche, in einem modernen kolonialen Zusammenhang eine ganze Bevölkerungsgruppe zu vernichten.(3) Die Tatsache, dass es sich um ein deutsches Verbrechen handelte, verweist nachdrücklich auf die These vom deutschen "Sonderweg": Wir müssen also fragen, ob der deutsche Kolonialismus nicht doch außergewöhnlich war, und zwar außergewöhnlich durch seine Ausrottungsstrategie, wie die Briten nach dem Ersten Weltkrieg behauptet haben.(4) Wenn ich diese Fragen hier auch nicht beantworten kann, so möchte ich sie doch im Licht neuerer komparativer Diskussionen sowie der Debatten um (post)koloniale Theorie und Geschichte, den Nazismus und schließlich die Besonderheiten der deutschen Geschichte präzisieren.

Die Absicht der Vernichtung

General von Trotha beschrieb die verstreuten Überlebenden des deutschen Feldzuges gegen die Ovaherero 1904 als "die letzten Trümmer einer Nation, die aufgehört hat, auf eine Rettung und Wiederherstellung zu hoffen" (zit. Schwabe 1907: 300). Leutnant Schwabe, der an diesem und vielen früheren Feldzügen in der Kolonie teilgenommen hatte, urteilte in einer seiner vielen Veröffentlichungen, das Volk der Ovaherero "war ... von einem furchtbaren, aber verdienten Schicksal ereilt worden" (ebd.: 305). Die amtliche zweibändige Studie der Kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabes beschloss ihre Darstellung des Deutsch-Herero-Krieges mit dem pathetischen Bild vom "Röcheln der Sterbenden und ... Wutgeschrei des Wahnsinnes" die "in der erhabenen Stille der Unendlichkeit (verhallten)" (Kriegsgesch. Abt. 1906-07 I: 214). Das waren natürlich Wunschphantasien deutscher Offiziere und Militärhistoriker. Auch genaueste Forschungen haben die wirkliche Zahl der Toten unter den Ovaherero im Krieg von1904 und unter dem Nachkriegsregime von Zwangsarbeit und Konzentrationslagern noch nicht ermittelt (vgl. Zimmerer & Zöller 2003), aber es ist ganz klar, dass die Ovaherero weder physisch ausgerottet noch kulturell völlig dezimiert wurden, auch wenn ihre Leiden gewaltig und die Veränderungen in ihrer Kultur erheblich waren (vgl. Gewald 1998; Krüger 1999). Dennoch bleibt die unbestreitbare Tatsache, dass General von Trotha 1904 darauf abzielte, die Ovaherero zu vernichten und dass durch eben diese Absicht die amtliche deutsche Politik (mindestens) von September bis Dezember 1904 nach der üblichen Definition den Tatbestand des Völkermordes erfüllt. Natürlich ist Völkermord ein grundsätzlich umstrittener und instabiler Begriff, der zudem erst nach dem Holocaust und den Nürnberger Prozessen Verbreitung fand (vgl. Rabinbach 2004). Diese Historizität teilt er jedoch mit allen anderen sozialtheoretischen Begriffen. Auch die Betonung der Absicht ist kein wirkliches Problem. Raphael Lemkin (1947: 147) definierte die "kriminelle Absicht, eine menschliche Gruppe zu vernichten oder auf Dauer zu verkrüppeln" als zentralen Aspekt des Völkermordes, und die UN-Konvention gegen Völkermord folgte ihm darin. Im vorliegenden Fall waren die Handlungen der Deutschen bewusst und absichtlich genozidal. Zwar lagen dem Völkermord auch unbewusste Motive zugrunde, aber wie ich zeigen möchte, widerspricht dies nicht der Absichtlichkeit der Entscheidung im Oktober 1904. Gegenüber Verweisen auf strukturelle Gewalt ist festzuhalten, dass sich die koloniale Situation neben vielen anderen durch das Ausmaß auszeichnete, in dem Gewalt direktes Resultat unmittelbar gegenwärtiger Entscheidungen und nicht unausweichliche Folge scheinbar unveränderlicher Prozesse war. Denn die "Struktur" von Kolonialstaat und -gesellschaft in DSWA war äußerst rezent und wurde beständig neu erfunden. Die juristische Definition stellt bei der Kennzeichnung der deutschen Entscheidung zur Vernichtung der Ovaherero als Völkermord kein Problem dar. Der rauchende Colt, der die Absicht belegt, lässt sich unschwer ausmachen. Wenn sowohl Gouverneur Leutwein 1896 (während des ersten Feldzuges gegen aufständische Ovaherero) und erneut General von Trotha 1904 darauf bestanden, die (erste) Genfer Konvention sei in der kolonialen Situation ohne Bedeutung, so verweist dies exakt auf das Gegenteil, nämlich dass in den Augen beider die Annahme durchaus Plausibilität besaß, diese Konvention sei hier relevant.(5) Es bleibt abzuwarten, ob aus der Sicht von Gerichten und Öffentlichkeit die UN-Konvention zum Völkermord rückwirkend auf den deutschen Angriff gegen die Ovaherero anwendbar ist, der sich vor der Mitte des 20. Jahrhunderts ereignete. Ich beabsichtige nicht, die Vorgeschichte der deutschen Entscheidung zu dem Versuch nachzuzeichnen, die Ovaherero zu vernichten. Es gibt detaillierte neuere historische Forschungen zum Beginn des Krieges und den verschiedenen Schlachten.(6) Jedoch bis zur Schlacht von Hamakari (Waterberg) am 11. August 1904, als die Gesamtheit der mit ihrem Vieh eingeschlossenen Ovaherero besiegt und zur Flucht gezwungen wurde, und selbst noch danach gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Deutschen beabsichtigten, ihre Feinde physisch zu vernichten, anstatt sie gefangen zu nehmen, zu enteignen und zu versklaven. Am 13. September befahl General von Trotha, Ovaherero-Frauen und Kinder gewaltsam zu verjagen, wenn sie "in großer Zahl" kamen und "um Wasser baten", und am 23. September wies er den Vorschlag des Majors Ludwig von Estorff, des Kommandeurs der Ostabteilung während des Waterberg-Feldzuges, zurück, die Deutschen sollten die Angebote der Ovaherero zur Eröffnung von Verhandlungen akzeptieren.(7) Trothas "Worte an das Volk der Herero" vom 2. Oktober 1904, die oft etwas missverständlich als Vernichtungs- oder Schießbefehl bezeichnet werden,(8) markieren der Höhepunkt in dieser Verhärtung seiner Position. Auch beschränkte sich die Verantwortung für diese Handlungsweise nicht auf den selbsternannten "großen General des mächtigen Kaisers". Graf von Schlieffen, Chef des Großen Generalstabes und Vorgesetzter Trothas, revidierte keineswegs sofort die Entscheidung vom 2. Oktober. Da die Deutschen sich völlig darüber im Klaren waren, dass in der Omaheke-Steppe, wohin die Ovaherero nach dem 11. August geflohen waren, Wassermangel herrschte, kam die Weigerung, sie in westlicher Richtung zurückkehren zu lassen, einem Todesurteil gleich. Als ob dies nicht deutlich genug wäre, hat Trotha seine Absichten in einem Brief zusammengefasst, den er am 5. November an Gouverneur Leutwein schrieb, der nach seiner Kritik an der Völkermordstrategie seiner militärischen und zivilen Aufgaben enthoben worden war und vor der wenig ehrenhaften Rückkehr nach Deutschland stand: "Ich kenne genug Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, dass sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld. Nur aus dieser Aussaat kann etwas Neues entstehen, was Bestand hat."(9) Graf von Schlieffen betonte in einem Schreiben an Reichskanzler Fürst Bernhard von Bülow vom 23. November, man könne der Argumentation des Generals von Trotha, der in einem Brief an Schlieffen vom 4. Oktober die Vernichtungsstrategie verteidigt hatte, "beistimmen", nämlich "daß er die ganze Nation vernichten oder aus dem Land treiben will", weil die Ovaherero "ihr Leben verwirkt (haben)". Angesichts der Einwände des Kanzlers schlug Schlieffen jedoch als Alternative einen "Zustand der Zwangsarbeit, also eine Art von Sklaverei" für die Ovaherero vor und fügte hinzu: "Der entbrannte Rassenkampf ist nur durch die Vernichtung und völlige Knechtung der einen Partei abzuschließen."(10) Erst am 9. Dezember, nachdem -zigtausende Ovaherero in der wasserlosen Steppe zugrunde gegangen waren, schickte Schlieffen ein Telegramm an Trotha und befahl ihm, alle Ovaherero außer den "unmittelbar Schuldigen und den Führern" zu begnadigen.(11) Unzählige "ganz normale Männer" - um die Bezeichnung von Christopher Browning für die Beteiligung einer Gruppe Hamburger Polizisten an der Endlösung zu benutzen - unter den deutschen Mannschaften und Offizieren unterstützten Trotha in seiner radikalisierten Handlungsweise, Ovaherero aufzuspüren und zu erschießen, Wasserlöcher zu vergiften und die Steppe an ihrem östlichen Rand abzuriegeln.(12) Bei Beginn der Regenzeit im März 1905 folgte Oberleutnant Graf Schweinitz einem "Fußpfad", der durch die Omaheke führte und den "offenbar ... große Scharen flüchtender Herero ... genommen hatten". Dort fand er "immer zahlreicher(e) und größer(e) ... Stellen, wo Leichenreste, Männer, Frauen und Kinder zu Hunderten zusammenlagen." Der Weg war besät mit "Menschenschädel(n) und Gerippe(n)." (Anon. 1905; Anon. 1907: 85; Kriegsgesch. Abt. 1906-07 I: 214.) Diese koordinierte Anstrengung, die Kolonie über die Eingeborenenpolitik - die zumindest eine "Eingeborenen"-Bevölkerung erfordert - hinaus und hin zu einem Programm unzweideutiger Tötung und Vertreibung der indigenen Bevölkerung zu drängen, fordert eine Erklärung. Wir können einfach die Behauptung bestimmter Theoretiker der Unvergleichbarkeit und des Traumas nicht akzeptieren, die sagen, bestimmte Ereignisse seien so grauenhaft, außergewöhnlich oder unzureichend bezeugt, dass sie eine historische Erklärung nicht erlaubten.(13) Diese Argumente lassen sich auf epistemologischer, politischer und ethischer Ebene widerlegen. Und während Sartre meinte, dass der Kolonialismus "gleichzeitig den Tod und die Vermehrung seiner Opfer erfordert", ist Kolonialismus ohne Kolonisierte eindeutig eine contradictio in adiecto - oder aber etwas grundlegend anderes als Kolonialismus.(14)

Theorien über Kolonialismus, Theorien über den Völkermord der Nazis

Will man zu einer Erklärung für die Radikalisierung der deutschen Kriegsziele 1904 kommen, so muss man offenkundig auf die theoretische Literatur zum Kolonialismus zurückgreifen. Im Licht der Definition der Ereignisse von 1904 als Völkermord und auch angesichts der - häufig impliziten - Annahmen über Zusammenhänge zwischen der deutschen Kolonialherrschaft in Südwestafrika und dem Nazismus ist es auch wichtig, sich mit der theoretischen Diskussion über den Holocaust zu befassen. Ein Vergleich beider Debatten zeigt zunächst und wohl wenig überraschend, dass den Ereignissen von 1904 viel weniger Aufmerksamkeit zuteil geworden ist als denen von 1933-1945.(15) Zunächst kann in diesem Fall eine Reihe marxistischer und marxisant-Perspektiven schnell abgetan werden. Wirtschaftliche Kräfte in einem breiten Verständnis prägten die deutsche Kolonialpolitik zwar in vielfältiger Weise, aber sie waren schwerlich so vorherrschend, wie dies ältere Sichtweisen des Kolonialismus nahe legten. Sogar der Erwerb der meisten deutschen Kolonien folgte einer nicht-ökonomischen oder gar anti-ökonomischen Logik.(16) Zwar hatte der "Gründer" von DSWA, Adolf Lüderitz, mit indigenen Führern 1883 und 1884 Verträge abgeschlossen, von denen er sich Gewinne erhoffte, aber er ging 1885 bankrott, und seine Anteile wurden auf Druck Bismarcks von der Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika aufgekauft, jedoch ohne realistische Gewinnerwartungen. Der deutsche Staat übernahm die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Kolonie gerade zu dem Zeitpunkt, als sich ihre Rentabilitätsaussichten auf dem Nullpunkt befanden. Auch das Verhalten Trothas lässt sich selbst durch die "strukturalistischsten" Ausformungen des Marxismus nicht ökonomisch erklären. Selbst der allwissendste Planer oder Gesamtkapitalist wäre 1904 nicht in der Lage gewesen zu garantieren oder vorauszusehen, dass die Kolonie in der Lage wäre, Arbeitskräfte als Ersatz für die Ovaherero zu rekrutieren. Schließlich litten die weißen Arbeitgeber in der Kolonie bis zum Ende der deutschen Zeit unter Arbeitskräftemangel. Und während die Enteignung von Land und Vieh als Folge des Krieges die Grundlagen für die Erweiterung des Agrarsektors in europäischem Eigentum (hauptsächlich extensive Viehwirtschaft) legte, benötigten diese Farmen doch indigene Arbeitskräfte um zu florieren. Es gab keinerlei Garantie, dass die Viehzucht je zu einem gewinnbringenden Zweig der kolonialen Wirtschaft werden würde. Versklavte Gefangene bauten die Otavi-Bahn zu den Kupferminen von Tsumeb (fertiggestellt 1906) und arbeiteten in den Bergwerken dort und in Gibeon. Die Minengesellschaft profitierte auch davon, dass die Ovaherero sich nicht gegen Übergriffe auf ihr Land durch die Eisenbahnlinien wehren konnten. Aber Trotha und die anderen Planer des Krieges von 1904 hatten die Entstehung eines gewinnbringenden Systems der Zwangsarbeit nach dem Krieg nicht vorausgesehen.(17) Trothas Anstrengungen zwischen Oktober und Dezember, die Ovaherero zu vernichten oder sie gänzlich aus der Kolonie zu verjagen, verweisen sogar auf das Gegenteil solcher ökonomisch rationaler Strategien. Wie der Historiker Bley vermerkt, lief die von Trotha veranlasste "ruinierende Abschlachtung von gestempeltem Beutevieh" auf "offene erklärte Rücksichtslosigkeit gegen wirtschaftliche Interessen der Ansiedler" hinaus (Bley 1968: 207). Trothas sämtliche öffentliche Verlautbarungen und seine geheime Korrespondenz mit anderen Dienststellen in der Kolonie und in Berlin zeigen, dass er als deutscher Adliger und Offizier weit davon entfernt war, sich Gedanken über die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Kolonie zu machen. Sein Verweis auf "Ströme von Blut und Ströme von Geld" ist sogar ebenso bemerkenswert wegen des zweiten Bildes wie wegen des ersten. Er hatte eindeutig so wenig Hemmungen, sein Budget zu überziehen wie der Brutalität bezichtigt zu werden. Aus einer mehr kassenanalytischen Perspektive zeigt sich, dass Siedlerkolonien besonders brutal sind, was an dem Nullsummen-Charakter des Kampfes um das Land liegen mag.(18) Doch selbst wenn die Mehrheit der Siedler in DSWA Trothas mörderisches Programm befürwortet hätte - was die historische Forschung noch nicht nachgewiesen hat(19) - gibt es wenig Hinweise darauf, dass die offizielle politische Strategie in Namibia oder einer anderen deutschen Kolonie durch Siedlerinteressen bestimmt gewesen wäre.(20) In unserem Zusammenhang ist am wichtigsten, dass Trotha zwar am 11. Juni die Kolonie in Swakopmund, einem Zentrum der deutschen Siedler, erreichte, sich dort aber nicht lange aufhielt und auch in Windhoek, wo sich die öffentliche Meinung der Siedler konzentrierte, nur zwei Tage verbrachte. Er ging am 9. Juli an die Front(21) und kehrte erst nach dem Erlass seiner Vernichtungs-Proklamation nach Windhoek zurück (allerdings hielt er sich etwas in Okahandja auf, wo während der ersten Tage der Kämpfe im Januar 1904 Siedler getötet worden waren).(22) Es ist daher unwahrscheinlich, dass Trotha während der Wochen vor seinen folgenreichen Entscheidungen intensiv von den Meinungen südwestafrikanischer Siedler beeinflusst wurde. Auch kann Trothas Handlungsweise nicht auf einen Fall von Tropenkoller zurückgeführt werden, auch wenn seine Strategien nicht einem rationalen Verständnis kolonialer Staatsraison entsprachen. Es ist unbefriedigend, Trotha als schauerlichen Vorläufer des Nazismus darzustellen, wie dies in Thomas Pynchons Romanen V und Die Enden der Parabel geschieht (wobei es Pynchon natürlich nicht um Historiographie geht).(23) Weiter ist klar, dass bestimmte Praktiken, für die im Kolonialkontext Pionierarbeit geleistet wurde, im Nazi-Reich einschließlich des Generalgouvernements im besetzten Polen wieder auftraten (s. Roth 2004; Zimmerer 2004), und ich werde am Schluss dieses Aufsatzes darauf zurückkommen; doch die Zukunft kann nicht rückwirkend die Ereignisse des Jahres 1904 erklären, ohne die grundlegenden Prinzipien historischer Kausalität zu verletzen. Die Großmachtpolitik beeinflusste erheblich den Zeitpunkt und die Art und Weise, wie Deutschland seine überseeischen Kolonien erwarb, und sie bestimmte auch unmittelbar die Eingeborenenpolitik wenigstens in einer deutschen Kolonie, Qingdao/Jiaozhou(24) auf der Halbinsel Shandong in China. Aber die Dynamik innerhalb der globalen Kernkonstellation hatten keine - außer negativen - direkte Auswirkungen auf das Abschlachten der Ovaherero und Witbooi durch die Deutschen 1904-1907. Das Stillschweigen der ausländischen Regierungen und Nachrichtenmedien gegenüber dem passiven Gemetzel in der Wüste war geradezu ohrenbetäubend. Wie Bley konstatiert, störte es viele, "daß die Weltöffentlichkeit nur den russisch-japanischen Krieg beachtete, die 'große Konkurrenz' zum 'kleinen Krieg' der Deutschen" (Bley 1968: 201). Es ist zuweilen gesagt worden, dass die Bedrohung des deutschen geopolitischen Prestiges durch eine afrikanische Rebellion ein Faktor gewesen sein könnte, der zu der eskalierenden Brutalität 1904 beigetragen habe. Ich habe jedoch in den Archiven keine Belege dafür gefunden, dass irgendjemand in der deutschen Regierung die Ereignisse wirklich so gesehen hätte. Die Ereignisfolge lässt sich auch nicht durch den Wechsel der Verantwortung für die Kriegsführung vom früheren Kolonialgouverneur Theodor Leutwein, der normalerweise auch Kommandeur der Schutztruppe war, auf den Generalstab erklären. Die Deutschen legten zur Vorbereitung der Schlacht von Hamakari (Waterberg) am 11. August Kriegsgefangenenlager an, d.h. offenbar hegte Trotha zu diesem Zeitpunkt noch keinen Plan zur Vernichtung der Ovaherero im zweiten, nichtmilitärischen Sinn des Wortes.(25) Die Zielsetzung des Generals erreichte ihren radikalsten Punkt erst nach dem 11. August.(26) Dieser komplizierte Verlauf, der schließlich zur Vernichtungsstrategie geführt hat, erinnert an die etwas verwirrend als "intentionalistisch" bezeichnete Interpretation des Nazi-Holocaust (der in jener älteren Debatte die sogenannte "strukturalistische" Interpretation gegenüberstand).(27) Diese Debatte war mit ihrer starren Dichotomie zwischen Struktur und Handlung zwar irreführend angesetzt, berührte aber dennoch einen entscheidenden Punkt sozialer und historischer Epistemologie: die Unterscheidung zwischen einerseits einer Sicht auf historische Ereignisse als Ergebnisse unvorhersagbarer und veränderlicher Konstellationen zwischen zugrundeliegenden Strukturen und sich mit ihnen in stets einzigartigen "Kräfteparallelogrammen" überschneidenden individuellen oder Gruppenstrategien, sowie andererseits einem Blick auf die Ursachen dieser Ereignisse, der entweder fatalistisch reduktionistisch oder aber philosophisch positivistisch verfährt.(28) Überträgt man dies auf unser augenblickliches Problem, so würde der einzige ernsthafte Kandidat für so etwas wie eine "intentionalistische" - also monokausale und reduktionistische - Erklärung der deutschen Vorgehensweise 1904 diese auf eine erstaunlich übereinstimmende und einseitige Formierung der präkolonialen ethnographischen(29) Darstellungen der Ovaherero zurückführen. Führte man die Analogie zur Holocaust-Debatte fort, könnte man dies als "koloniale Goldhagen-These" bezeichnen: Der genozidale Übergriff der Deutschen gegen die Ovaherero 1904 würde langfristigen und weit verbreiteten rassistischen und letztlich exterministischen Sichtweisen auf die Ovaherero unter den Deutschen angelastet und deshalb als unvermeidlich dargestellt.(30) Eine derartige Erklärung ließe sich noch einer breiteren Argumentationskette in den Humanwissenschaften annähern, die die diskursive Determination der Praxis betonten; in der Sozialtheorie ist diese Behauptung am stärksten mit Foucault verbunden und in der Forschung über koloniale und postkoloniale Gesellschaften mit Edward Saids Orientalismus, der die bestimmenden Folgen der orientalistischen "Bibliothek von idées reçues" auf den europäischen Kolonialismus unterstrichen hat. Es besteht sicherlich eine starke Affinität zwischen dem entmenschlichenden Diskurs der meisten europäischen und deutschen Beobachter der namibischen Ovaherero(31) während des 19. Jahrhunderts und Trothas ungeheuerlicher Sprache, "die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld" zu vernichten. Dieses Archiv rassisch/ethnographischer Darstellungen hilft uns in der Tat, die außerordentliche Wendung der Ereignisse 1904 zu erklären. Doch waren solche Darstellungen nur insoweit bestimmend, als sie durch miteinander im Widerstreit liegende Akteure auf dem kolonialstaatlichen Feld ("Feld" hier verstanden im Sinne Bourdieus 1985) aufgenommen und strategisch gegen andere europäische Akteure genutzt wurden. Entkörperlichte Bilder von Ovaherero, wie widerlich auch immer, waren nicht zureichend, um Praxis zu motivieren. Wir brauchen nur daran zu erinnern, dass Theodor Leutwein sich gegen Trothas Vorgehensweise wandte und selbst keinen Versuch unternommen hatte, 1896 alle aufständischen Ovaherero zu massakrieren, obwohl er selbst zu diesem Zeitpunkt, als er zwei Jahre in der Kolonie verbracht hatte, eindeutig der vorherrschenden Form des entmenschlichenden Diskurses ausgesetzt gewesen war. Leutweins milde Behandlung der aufständischen Witbooi 1894 legt ähnliche Schlüsse nahe, obwohl es hier auch ein wohlwollenderes, wenn auch paternalistisches Archiv ethnographischer Bilder gab, auf das Leutwein und die amtliche Kolonialpolitik sich beziehen konnten.(32) Leutweins wenn auch schwacher Widerstand gegen Trothas Politik 1904 verweist ebenfalls darauf, dass es in dem an Said anschließenden Ansatz der "kolonialen Diskurstheorie" weiterer Vermittlungsschritte bedarf.

Der koloniale Staat als Machtfeld: der Unterschied in ethnographischer Präzision

Wir müssen die Diskursanalyse mit einer Soziologie der Kolonisatoren und des kolonialen Feldes zusammenführen - oder wir müssen vielmehr diese beiden Sichtweisen miteinander integrieren. Die Vermittlungsschritte zwischen dem ethnographischen Diskurs und der politischen Praxis werden in Arbeiten, die sich von Said und Foucault inspirieren lassen, gewöhnlich nicht weiter spezifiziert. Vor allem wird der Vielstimmigkeit des ethnographischen Diskurses zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Said zufolge gab es auf der Oberfläche des Orientalismus unterschiedliche "Idiome", darunter aber befand sich eine "Schicht von Doktrinen über den Orient, die alle im Hinblick auf ... wesentliche Aspekte des Orients übereinstimmten" (Said 1978: 203). Ein Vergleich zwischen präkolonialen europäischen Darstellungen der Ovaherero und der Khoikhoi (speziell einschließlich der Witbooi), ganz zu schweigen von Ovaherero und Chinesen, verweist auf einen bedeutsamen Unterschied zwischen eher einstimmigen und eher mehrstimmigen Diskursformationen. Saids bündige, aber unbefriedigende Formel, "aus Reiseberichten wurden Kolonien geschaffen", legt ebenfalls den Verdacht nahe, nicht genügend auf die komplexen Prozesse geachtet zu haben, durch die orientalistische Diskurse in politische Strategien verwandelt werden. Im Falle Saids ist das vielleicht akzeptabel, denn Orientalismus ist in erster Linie ein kulturwissenschaftliches Werk und es sollte zudem zusammen mit dem im folgenden Jahr (1979) erschienenen Question of Palestine gelesen werden. Aber andere Anhänger der "kolonialen Diskurstheorie" sind hier nachlässiger. Wir benötigen eine Theorie darüber, wie die interne soziale Dynamik des Kolonialstaates die politischen Folgen selbst der eher einstimmigen ethnographischen Darstellungen vermittelten. Betrachten wir den Kolonialstaat als Feld, so zeigt sich, dass er weit davon entfernt war, intern homogen zu sein, und dass unterschiedliche europäische Gruppen ebenso wie deutsche Beamte miteinander genauso konkurrierten, wie sie das auf jedwedem anderen Feld um spezifische Einsätze tun. Im Rahmen des Feldes des modernen Kolonialstaates lassen sich diese Einsätze als Bestreben nach gegenseitiger Anerkennung der persönlichen ethnographischen Präzision(33) durch alle anderen Akteure auf dem Feld verstehen. Die Kolonialbeamten schlossen sich Formen des ethnographischen Diskurses an, die Aussichten eröffneten, ihre eigenen Bestände an kulturellem Kapital in den Vordergrund zu rücken und so ihre sozialen Ziele und Bestrebungen zu fördern; diesen ethnographischen Positionsbestimmungen entsprachen bestimmte Komplexe von Maßnahmen in der Eingeborenenpolitik. Das bedeutet genauso wenig, dass die beherrschenden Akteure auf dem kolonialen Machtfeld tatsächlich eine überlegene Vorstellung von der Kultur der Kolonisierten hatten, wie Bourdieu etwa in Die feinen Unterschiede behauptete, das, was auf einem bestimmten Feld als guter Geschmack gilt, sei wirklich objektiv irgendwie überlegen. Aber dennoch wurden ethnographische Diskurse als Waffen der Unterscheidung geführt. Der Ansatz Bourdieus bedarf selbst jedoch der historischen Spezifizierung.(34) Der dreifache Klassenkampf innerhalb der metropolitanen Elite, der von Historikern des deutschen Sonderweges beschrieben worden ist, wurde in den Kolonialbereich übertragen. Die Kolonien zeichneten sich durch eine gesteigerte Version des Kampfes zwischen dem Bildungsbürgertum, der Kapitalistenklasse und dem Adel aus, der für das deutsche Kaiserreich zentrale Bedeutung hatte. Die Junker und der Hochadel mögen, wie Blackbourn und Eley gezeigt haben, zu Hause in Gesellschaft und Politik im Niedergang begriffen gewesen sein, aber sie hatten noch immer eine Führungsrolle in der Armee und im Auswärtigen Dienst, der - besonders vor 1907 - auch die Kolonien beherrschte. Jeder Kolonisator tendierte zu einem Bild der Kolonisierten, das seine eigenen sozial konstruierten Stärken unterstrich und fand Wahlverwandtschaften zu den Topoi und Narrativen aus dem ethnographischen Archiv, die dazu am besten geeignet waren. Die aus der Mittelklasse stammenden Beamten mit Universitätsausbildung betonten eher Interpretationen der Kolonisierten, die auf hermeneutischen und linguistischen Fertigkeiten beruhten und Distanz zu dem wahrten, was sie als weniger ehrenwerte Motive des Geldes und der militärischen Herrschaft definierten. Viele der Beamten, die auf diesem "hermeneutischen" Ansatz ihren Untergebenen gegenüber insistierten, waren vor ihrer Ankunft in den Kolonien als Philologen, Orientalisten, Sanskritisten, Übersetzer oder Juristen ausgebildet worden. Ein Teil der Missionare verhielt sich ähnlich, wenn man von ihnen auch kein Interesse an vorchristlichen Kulturen erwartete, es sei denn als Ziele ihrer Transformationskampagnen.(35) Adelige und Offiziere beschrieben die Kolonisierten eher mit militärischen oder simplen rassistischen Kategorien. Sie gaben einer Eingeborenenpolitik den Vorzug, die die Kunst von Zwang und Befehl betonte - also die traditionelle Spezialität des deutschen Adels -, aber sie kleideten dies noch immer in den Anspruch einer überlegenen Kenntnis der Eingeborenen. So schrieb General Lothar von Trotha: "Meine genaue Kenntnis so vieler Zentral-Afrikanischer Stämme, Bantu und Anderer, hat mir überall die überzeugende Notwendigkeit vorgeführt, daß sich der Neger keinem Vertrag sondern nur der rohen Gewalt beugt."(36) Die Siedler und Investoren wollten im Allgemeinen die Kolonisierten in austauschbare Versionen des homo oeconomicus verwandeln und waren auf Kategorien wie Faulheit oder Nützlichkeit eingestellt, mit denen sie lokale Personen bewerteten. An der vorhandenen indigenen Kultur waren sie relativ uninteressiert.(37) Natürlich gab es auch viele Ausnahmen, also Deutsche, die soziologisch abweichende ethnographische Ansichten vertraten. Der adelige Schriftsteller und Reisende Hermann Graf Keyserling (1990) begeisterte sich für Asien und China auf eine Weise, die eher typisch für Mittelklasse-Intellektuelle dieser Zeit war. Umgekehrt folgte der liberale Mittelklasse-Soziologe Max Weber den sinophoben Stimmungen, die typischerweise mit anderen gesellschaftlichen Klassen seiner Zeit assoziiert werden und meinte, der Konfuzianismus sei auf "Weltanpassung" anstelle von "Weltrationalisierung" orientiert, so dass in China kein moderner Kapitalismus habe entstehen können.(38) Viele Kolonisatoren fanden sich in widersprüchlichen Klassenlagen (um die treffende Formulierung von Erik Olin Wright 1979 zu benutzen), und manchen lag mehr daran, ihren Klassenstatus zu verändern als ihren augenblicklichen zu nutzen. Zumeist bestanden aber starke und weit verbreitete Zusammenhänge zwischen sozialer Klasse und ethnographischer Einstellung, selbst wenn sich diese Muster auf einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit beschränkten. Der Klassenhintergrund und die Bestrebungen Theodor Leutweins und seiner Gegner in der Kolonialverwaltung tragen dazu bei, den Charakter des Konflikts zu verstehen, der innerhalb der Elite entstand, und sie tragen daher auch indirekt zur Erklärung des Übergriffs auf die Ovaherero bei. Leutwein, Jahrgang 1849, war der Sohn eines lutherischen Pfarrers, hatte das humanistische Gymnasium besucht und an der Universität studiert. Er brach sein Jura-Studium ab und ging zur Armee, aber er kämpfte nicht in den deutschen Einigungskriegen. Zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum Landeshauptmann unterrichtete Leutwein Militärtaktik an der Militärakademie Hersfeld (Bley 1968; Esterhuyse 1968: 202). Die Brüder von François, die er 1894 an den Rand drängte, wobei er von einem (Curt von François) das Amt des Landeshauptmanns übernahm, stammten aus dem Adel. Ihr Ahnherr August von François war 1774 in den Reichsadelsstand aufgenommen worden; ihr Vater war ein Held des Französisch-Deutschen Krieges.(39) Dieser Klassengegensatz überdeckte die Spannung, die bereits in der Beziehung zwischen dem neuen Landeshauptmann und denen vorhanden war, deren Macht er nun an sich brachte. Zehn Jahre später stand Leutwein in einer ähnlichen Situation General von Trotha gegenüber, der altem Adel entstammte. Trotha war auch Veteran der entscheidenden Schlacht gegen die Franzosen bei Sedan sowie von Gefechten in Deutsch-Ostafrika, und wie viele Teilnehmer des Deutsch-Ovaherero-Krieges hatte er kurz vor dem Krieg 1904 in Namibia an dem Feldzug einer internationalen Streitmacht gegen die Chinesischen Boxer teilgenommen und dabei die 1. Infanteriebrigade des deutschen Expeditionscorps nach Ostasien befehligt (Pool 1991: 243; von Salzmann 1905: 187). Die Polarisierung zwischen Trotha and Leutwein brachte in stark zugespitzter Form die Klassenfeindschaft zum Ausdruck, die aus Sicht eines Historikers im wilhelminischen Deutschland "naturgemäß" (Pool 1991: 243f) zwischen einem adeligen Militär und einem Pastorensohn auftreten musste, der seine klassische Bildung zur Schau stellte. Die Spannungen zwischen beiden Männern wurde durch die Art und Weise noch erhöht, in der Trotha die koloniale Arena betrat, um den Gouverneur in einem Augenblick der Krise abzulösen - wobei sich das Drehbuch von vor einem Jahrzehnt nur mit umgekehrten Klassenvorzeichen wiederholte. Leutwein suchte seine persönliche Autorität durch eine hektische Korrespondenz mit Berlin zu retten, in der er Trotha und die mit ihm verbündeten Offiziere angriff. So bestand er etwa darauf, die Lage mit den Ovaherero müsse vom "kolonialen" und nicht vom "militärischen" Standpunkt aus analysiert werden und dass Trothas "Standpunkt ... (der) eines tapferen Leutnants, aber nicht derjenige eines Kolonistators" sei.(40) Als Trotha die militärische Befehlsgewalt für den Feldzug gegen den Nama(Khoikhoi)-Aufstand im Oktober 1904 einem jüngeren Offizier, Berthold von Deimling übertrug, beschuldigte Leutwein Deimling, er habe ein nervöses Temperament, das "am allerwenigsten für Afrika paßt"(41) - womit er sein Kapital als "alter Afrikaner" ins Spiel brachte. Der präkoloniale Diskurs und die gesellschaftliche Konkurrenz auf dem Feld des Kolonialstaates waren keine ontologisch voneinander unterschiedenen Prozesse; vielmehr waren sie unauflöslich miteinander verflochten. Das geht deutlich aus den Konflikten zwischen Leutwein und seinen Gegnern hervor, die sich sämtlich auf das gleiche Register vorgeformter ethnographischer Topoi bezogen. In ähnlicher Weise stand in Deutsch-Samoa der Gouverneur Wilhelm Solf, ausgebildeter Sanskritist, ehemaliger Kolonialrichter und Verfechter eines Programms, das man als "Rettungskolonialismus" bezeichnen könnte,(42) einer Gruppe von Siedlern und Marineoffizieren gegenüber, die ein härteres Vorgehen gegen die indigene Bevölkerung befürworteten. Solf brüstete sich mit seinem hermeneutischen Geschick und seiner Vorliebe für das Exotische; er äußerte sich verächtlich über "de(n) kleine(n) Mann in den Tropen," dem "es ... an Bildung mangelt, sich in den verwickelten Gedankengängen eines samoanischen Gehirns zurechtzufinden" und der zu Schlagworten Zuflucht nehme wie "bloody Kanaka, dieser verfluchte Nigger."(43) Einen Marineoffizier, den er bezichtigte, seine Eingeborenenpolitik zu untergraben, beschimpfte Solf als "dumm und eitel".(44) In einer ähnlichen Auseinandersetzung standen sich die ganz überwiegend sinophilen Mitglieder der Übersetzungsabteilung des deutschen Auswärtigen Dienstes in China und die typischerweise sinophoben aristokratischen Mitglieder des diplomatischen Corps gegenüber. So nahm Otto Franke, der in China professioneller Übersetzer war, bei den chinesisch-deutschen Verhandlungen über die 99jährige "Pacht" von Jiaozhou (Qingdao) dolmetschte und später einer der führenden deutschen Sinologen wurde, (zu Recht) an, der deutsche Gesandte Envoy Baron von Heyking und seine Frau, eine Romanschriftstellerin, betrachteten jegliches Interesse von Europäern an chinesischer Kultur als "Zeichen eines subalternen Geistes."(45) Intellektuelle Proto-Sinologen wie Franke und Richard Wilhelm, Missionar und Quasi-Beamter im kolonialen Qingdao, forderten ein weniger aggressives Vorgehen gegenüber China und den Chinesen. Wie bei Trotha wiesen ihre Vorstellungen völlig fort vom Kolonialismus, aber anders als Trotha stellten sie sich einen friedlichen, auf Gleichheit beruhenden Austausch zwischen den Kulturen anstelle der Vernichtung der Anderen vor (Wilhelm 1914; Franke 1911). Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass diese Männer ihre ethnographischen Positionen sämtlich nicht aus der Luft gegriffen haben, sondern sich auf fest etablierte Bezugssysteme stützten - Solf auf den ein Jahrhundert alten Diskurs über die edle Wildheit der Polynesier, Franke und Wilhelm auf die noch ältere Tradition, die bis zu Matteo Ricci und anderen Jesuiten zurückreicht, die auszogen, die Chinesen zu bekehren und am Ende zumindest teilweise selbst bekehrt wurden. Die spezifische Konfiguration der überkommenen Gestalt des ethnographischen Diskurses bildete für Leutwein eine entscheidende Schranke. Nach dem Machtverlust in die Defensive gedrängt, bestand seine einzige Hoffung (für seine weitere Karriere, aber auch für die Ovaherero) darin, die Vorzüge der Ovaherero herauszustellen. Das aber konnte er nicht in überzeugender Weise tun, weil die vorhandenen deutschen ethnographischen Darstellungen so unzureichend waren und das gegebene Repertoire keinen positiven Anknüpfungspunkt bot. Im Fall der Witbooi hatte es Leutwein demgegenüber nach 1894 vermocht, dem vielstimmigen ethnographischen Archiv wohlwollende, wenn auch paternalistische Bilder zu entnehmen, denn dieses Archiv hielt einen Diskursstrang bereit, der die Khoikhoi als "edle Wilde" beschrieb. So wurde Hendrik Witbooi nach 1894 mit den romantisierten nordamerikanischen Indianern verglichen. Karl Dove, der "organische Intellektuelle" der Sicht vom "edlen Wilden" im Rahmen der Kolonisierung der Witbooi zwischen 1894 und 1904, berief sich auf François Le Vaillant. Dove meinte, dass Hendrik Witbooi "in Wahrheit Eigenschaften (hatte), wie sie die Phantasie eines Cooper den Führern der Rothäute andichtete", und dass er seine "ritterlichen" Soldaten mit "eiserne(r) Manneszucht" kontrollierte (Dove 1896a: 54, 159, 235). Es war Leutwein aber unmöglich, eine rhetorisch machtvolle Verteidigung der Ovaherero aufzubauen, wie notwendig dies in seinem Ringen mit Trotha auch sein mochte. In seiner Suche nach einem alternativen Interpretationsmuster griff Leutwein zu wenig überzeugenden historischen Analogien, wenn er etwa den Aufstand der Ovaherero mit der Sizilianischen Vesper gegen die angevinischen Herrscher der Insel 1282 verglich.(46) Dies konnte zwar Leutweins Kultiviertheit gegenüber der Grobheit Trothas ("Ströme von Blut") deutlich machen, doch der Vergleich konnte schwerlich überzeugen, weil damals die meisten Europäer sich weigerten, irgendwelche verwandtschaftlichen Bande zu den Ovaherero anzuerkennen.(47) Mangels eines erfolgreichen Kampfes der Ovaherero um ihre Fremddarstellung wäre es für Leutwein vermutlich unmöglich gewesen, auf sich gestellt dem aufgehäuften Gewicht einer unablässig missbilligenden rassischen Bildersprache entgegenzuwirken. Als er sich in Meinungsverschiedenheiten mit "denjenigen unüberlegenden Stimmen" verstrickte, "welche die Hereros nunmehr vollständig vernichtet sehen wollen," konnte er allenfalls argumentieren: "Abgesehen davon, daß ein Volk von 60-70,000 Seelen sich nicht so leicht vernichten läßt, würde ich eine solche Maßnahme für einen schweren wirtschaftlichen Fehler halten. Wir bedürfen die Hereros noch als kleine Viehzüchter und besonderes als Arbeiter. Nur politisch tot muß das Volk gemacht werden. Wenn es einigermaßen zu erreichen ist, so dürfen sie keine Stammesregierung mehr besitzen und müssen in Reservate eingedämmt werden, welche für ihre Bedürfnisse gerade ausreichen."(48) Das klang schwerlich wie eine nachdrückliche Lobrede auf die Ovaherero. Zudem traf diese Berufung auf den funktionalen Nutzen der Ovaherero beim Militär und bei der Regierung in Berlin (wenigstens vorläufig) auf taube Ohren. Lediglich die Mahnungen der Rheinischen Missionsgesellschaft in Deutschland und des Reichskanzlers Bülow mit ihrem Verweis auf christlich-menschliche Werte konnten Schlieffen beeindrucken, aber sie kamen zu spät. Der präkoloniale Diskurs bestimmte in diesem Fall die koloniale Praxis negativ durch seine Monophonie.(49) Die Überschneidungen zwischen dem präkolonialen ethnographischen Material und der Konkurrenz um feld-spezifisches kulturelles Kapital erklären einiges von der Variationsbreite deutscher Kolonialpolitik nicht nur in Südwestafrika, sondern auch in Samoa, Qingdao und anderen Kolonien. Wie in jedem überdeterminierten System gibt es jedoch natürlich auch andere Einflüsse. Darunter wird in der Literatur zum Kolonialismus häufig der Widerstand genannt. Es gilt im Auge zu behalten, dass in manchen Kolonien Widerstand damals nicht mit der gleichen Brutalität bestraft wurde wie in Südwestafrika. Die samoanische Widerstandsbewegung Mau a Pule (1908-09) war für die Siedler mindestens so bedrohlich wie jegliche vermeintlichen Drohgebärden seitens der Ovaherero vor 1904, doch der Gouverneur von Samoa reagierte darauf, indem er den Konflikt entschärfte und lediglich eine Handvoll "Rädelsführer" in das vergleichsweise milde Exil in Deutsch-Mikronesien verbannte, von wo sie überzeugt waren, innerhalb von zwei Jahren zurückzukehren. Zudem drängt uns Jan-Bart Gewalds (1998) Rekonstruktion des Beginns der Feindseligkeiten im Januar 1904 die Frage auf, ob es denn wirklich überhaupt um Widerstand seitens der Ovaherero geht oder nicht vielmehr um eine militärische Reaktion der Ovaherero auf einen (militärischen) Angriff. Weiter konnte Widerstand allgemein zwar verhindern, dass ein bestimmtes Regime der Eingeborenenpolitik verfolgt wurde, er konnte aber nicht eine neue Politik entwerfen oder initiieren. Die deutschen Kolonisatoren wählten ihre Paradigmen des Herrschens über Eingeborene aus einer vorhandenen Palette von Alternativen aus. Auch die Optionen der Kolonisierten waren begrenzt: Sie konnten voll kooperieren, den Versuch machen, die Politik bei ihrer Durchführung zu verändern oder jegliche Kollaboration verweigern. Die Kolonisierten waren aber nicht Urheber ihrer eigenen Eingeborenenpolitik und es wäre noch absurder, so etwas im Fall des Deutsch-Namibischen Krieges zu behaupten. Das liefe darauf hinaus, die Ovaherero für ihr eigenes Schicksal verantwortlich zu machen.(50) Widerstand prägte die Einzelheiten der Eingeborenenpolitik, aber die Ovaherero entwarfen ebenso wenig ihren eigenen Völkermord wie die Juden den Holocaust. Die Ereignisse zwischen Oktober und Dezember 1904 bedeuten den Tiefpunkt des antikolonialen Widerstandes in Zentralnamibia, obwohl vereinzelte Ovaherero weiterkämpften, um sich der Gefangenschaft zu entziehen, solange sie in der Kolonie waren.

Von rassistischer Ethnographie zum kolonialen Theater der Grausamkeit: Prozesse der Kreuz-Identifizierung(51)

Bedeutsamer für die Erklärung von Trothas scheinbar irrwitziger Grausamkeit 1904 ist eine im engeren Sinn psychische Ebene der Analyse. Dabei geht es um die Tendenz der Kolonisatoren, die Kolonisierten für ihre eigene imaginäre Kreuz-Identifizierung einzusetzen. Die Praxis der Kolonisierung ist wie jede soziale Praxis insofern dualistisch, als bewusste Motive durch die Verfolgung idealer Selbstbilder (Idealich) - in der Formulierung von Lacan und Freud - verdoppelt und unbewusste Phantasie-Szenarien ausagiert werden.(52) Diese Ebene unterscheidet sich nun nicht wirklich von den soziologischen Prozessen der Distinktion, wie sie Bourdieu behandelt. Doch nur wenn wir uns der psychischen Ebene zuwenden, können wir die Begierde verstehen - hier besonders die Begierde nach Anerkennung, verknüpft mit den Prozessen der Identifizierung mit einem Ichideal - die bei Bourdieu die kulturelle Konkurrenz antreibt. Und nur unter Bezug auf die psychische Ebene können wir die scheinbar mysteriöse Integration des Habitus verstehen, seine Konstituierung als vereinigendes Fundament der Praxis, die mit den Prozessen der imaginären Identifizierung mit einem Idealich verbunden ist. Obwohl Bourdieu sich bemühte, seine Theorie von einem utilitaristischen Ansatz abzusetzen, war er nicht ganz erfolgreich. Er benutzt häufig das Adjektiv "unbewusst", aber sein Ansatz ist letztlich soziologisch reduktionistisch und ignoriert die ontologische Unterscheidung zwischen der sozialen und der psychischen Ebene menschlicher Praxis. Eine Untersuchung psychischer Dynamiken kann Aspekte der Tätigkeit von Kolonialbeamten erhellen, die über die Konkurrenz um kulturelle Unterschiede hinausgehen. Die Kolonialhistoriker haben manchmal auf den exzessiven, affektiven, ekstatischen und scheinbar irrationalen Charakter eines Großteils kolonialer Politik hingewiesen. Doch hat Ann Stoler gezeigt, dass koloniale und metropolitane Gesellschaften nicht völlig unterschiedlichen Regeln unterlagen. In mancher Hinsicht ähnelten die Kolonien anderen Bereichen des metropolitanen Lebens, die nicht im Rampenlicht lagen. Vom Standpunkt der symbolischen Ordnung könnten die psychischen Identifizierungen mit den Kolonisierten illegale Identifizierungen gewesen sein, um einen Ausdruck zu benutzen, den Julia Hell (2002) in ihrer Analyse der Identifizierung nicht-jüdischer Deutscher mit den jüdischen Opfern geprägt hat. In unterschiedlichen Zusammenhängen können unterschiedliche Arten der Identifizierung symbolisch "illegal" sein - die Identifizierung von Männern mit Frauen, von Weißen mit Schwarzen usw. Doch bedeutet illegal keineswegs nichtexistent. Die Kolonien gleichen gewissen nichtkolonialen Orten - vielleicht ähnlich dem Weißen Haus der Bush-Administration - darin, dass hier die Abwehrmechanismen ausgedünnt sind, die normalerweise den Ausdruck von Wunschphantasien begrenzen und dass so ein traumhaftes Gefühl dar Allmacht begünstigt wird. Der unterworfene Status der Kolonisierten ermöglichte es, sie als Requisiten in den phantastischen Szenarien der Kolonisatoren zu mobilisieren - doch auch darin unterscheiden sich die Kolonien nicht grundlegend von anderen hierarchischen Situationen. Auch Menschen in metropolitanen Bereichen vollziehen ständig beständig Identifizierungen über kulturelle Grenzen hinweg - von Geschlecht, Rasse, Klasse, Nation usw. Was die Kolonien besonders auszeichnet ist vielleicht die Tatsache, dass alle diese Bedingungen fast ständig präsent waren. Das begünstigte die Ausweitung der Kreuz-Identifizierung mit den Kolonisierten zumindest dann, wenn ein psychisch nützlicher ethnographischer Bezugsrahmen vorhanden war. Die Europäer betrachteten die Kolonien als Orte, in denen die normalen Regeln in geringerem Maße galten, in denen Kontrollen des Überich und Schranken gegenüber dem Ausdruck unbewusster Phantasien wegfielen. Wir können dies natürlich als Tropenkoller bezeichnen, aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Ausbildung eines jeden menschlichen Subjekts mit einer Reihe imaginärer Identifizierungen beginnt - Identifizierungen die in einen Bereich von Fülle und Ganzheitlichkeit stattfinden und die über Gleichheit und Metapher funktionieren, im Unterschied zu symbolischen Identifizierungen, die innerhalb der sozialen Arena der Sprache mit Unterschied oder Metonymie arbeiten. Diese frühesten imaginären Identifizierungen bilden die Vorlage für eine ganze Serie späterer Identifizierungen, die in ähnlicher Weise durch das Streben nach Ganzheitlichkeit ausgezeichnet sind. Nach Lacans Theorie sind auch "heroische Identifikationen" mit großen Persönlichkeiten aus der Geschichte oder dem zeitgenössischen Leben, die sich durch Unabhängigkeit, Stolz oder Erfolg auszeichnen, imaginär (vgl. Lagache 1961). Eine Ausweitung "illegaler Identifizierungen" über die Grenze zwischen Kolonisatoren und Kolonisierten hinweg bedeutete vielleicht gegenüber dem Leben in der Metropole einen quantitativen, aber keinen qualitativen Unterschied. Kehren wir zur Kolonialpolitik zurück: Eine Form strategisch irrationaler Kolonialtätigkeit ist die halluzinatorische Selbst-Beförderung der Europäer in die vorgestellte Rolle des indigenen Herrschers. In seinen Interaktionen mit den Samoanern präsentierte sich der deutsche Gouverneur Wilhelm Solf als traditioneller Häuptling, obwohl sich die Samonaer durch diese Aufführung nicht zum Narren halten ließen und einige deutsche Siedler sich darüber lustig machten. In China identifizierten sich viele deutsche Kolonisatoren und Missionare, wie auch Otto Franke und Richard Wilhelm, mit chinesischen Mandarinen (s. Steinmetz 2002). Und die Barbarei des Generals von Trotha war ihrerseits wenigstens teilweise eine Form psychischer Kreuz-Identifizierung mit einem europäischen Bild von der "Grausamkeit der Herero". Die zentralen Topoi zu den Herero in europäischer Darstellungen aus der Zeit vor dem Krieg waren "Hartherzigkeit" und "gröbste Grausamkeit".(53) Nach dem Zusammenbruch der Herrschaft der Afrikaner Orlam(54) begannen die Rheinischen Missionare, die Ovaherero als fast dämonisch grausam zu beschreiben.(55) Missionar Beiderbecke sprach vom "unmenschlichen" Verhalten der Ovaherero auf seiner Station Otjozondjupa (Waterberg) (nach Anon. 1880: 103). Hugo von François betonte in Nama und Damara (1896) die Grausamkeit der Ovaherero, einschließlich der Verstümmelung der Leichen ihrer Gegner. Leutnant von François machte sogar Andeutungen über Kannibalismus - was die präkoloniale Literatur nie erwähnt hatte -, als er seinen Lesern berichtete, Ovaherero hätten den Leichnam eines der Söhne Hendrik Witboois verstümmelt und "demselben ... die innere Fleischseite der Beine samt den Testikeln herausgeschnitten, vermutlich um eine Kraftspeise daraus zu konstruieren" (1895: 96). Er bezeichnete die Ovaherero als "schwarze Teufel" (S. 108), von denen einige "wie schacherwütige Juden" (S. 159) aussähen (1895: 96, 108, 159). Und so weiter. Leutnant Kurd Schwabe, der sich in seinem 1899 erschienenen Buch so positiv über die Witbooi geäußert hatte, bezeichnete die Ovaherero zusammenfassend "wenn sie in der Mehrheit sind - gewaltthätig und grausam" (1899: 156). Der große Fürsprecher der Witbooi Karl Dove erwähnte ihren "Hochmut" und "zügellose Grausamkeit" (1896b: 74). Leutnant von Erffa, ein Offizier, der in dem ersten größeren Gefecht mit den Ovaherero fiel, schrieb über die Schreckenstaten dieser "schwarzen Teufel": "Überall verstümmelte Leichenreste! Dort hatten die Bestien nach Ermordung der Männer die Frauen vergewaltigt und dann wie Hammel ausgeschlachtet ... Patrouillen fanden die Leichenteile als Dörrfleisch and die Bäume gehängt: herausgeschnittene Brüste, Arme, Beine. Dort wieder hatten die Hereroweiber halbwüchsige Jungen mit Messern verstümmelt und sie so liegen und sich verbluten lassen!" (1905: 70) Die Folge dieser Vorfälle war in den Worten von Erffa "ein böser Haß", der in der deutschen Brust gegen diese "Bestien" anschwoll (ebd.: 56). Doch reichen Hass und Durst nach Rache aus, um Vorgehensweisen wie Lynchmorde, das Abtrennen von Körperteilen und Schädeln für wissenschaftliche Studien und den Versuch zu erklären, ein ganzes Volk zu vernichten (Krüger 1999)? Es ist schwer, Trothas ökonomisch irrationale Entschlossenheit, die gesamte Ovaherero-Nation umzubringen, zu verstehen, berücksichtigt man nicht sein sadistisches Selbstbild als "großer General der deutschen Soldaten", der "Terrorismus" ausübt, "Ströme von Blut" vergießt und Frauen und Kinder in den Tod treibt. Diese Selbst-Wahrnehmung deutet auf eine Identifizierung seitens des Generals mit der europäischen Imago der grausamen Ovaherero hin. Angesichts der Herausforderung durch Emporkömmlinge aus der Mittelklasse wie Leutwein, der das unvermeidliche Ende der Adelsprivilegien zu verkörpern schien, identifizierte Trotha sich mit dem Zerrbild des Feindes und richtete seinen wütenden "Herero"-Zorn ebenso gegen die verweichlichten Ansichten deutscher Liberaler wie gegen den autochthonen afrikanischen Gegner.(56) Wenn wir uns theoretisch Prozessen der imaginären Kreuz-Identifizierung annähern, können wir hoffen, die ansonsten unerklärliche Energie und das Vergnügen etwas zu verstehen, die mit solchen perversen kolonialen Praktiken einhergehen.

Schluss: Wie viele Gründe für einen deutschen Sonderweg?

Könnte DSWA der Schauplatz für jene deutschen Besonderheiten der Periode vor 1914 sein, die in der historischen Literatur so ausführlich zurückgewiesen wurden? Um dies zu klären, meine ich zwischen drei unterschiedlichen Verwendungen der Rede vom deutschen Sonderweg und den ihm zugrundeliegenden Besonderheiten unterscheiden zu sollen. Wie wir sehen werden, ist die erste und die dritte vielleicht bedeutsamer als die zweite, doch hat gerade die zweite neuerdings die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die erste Version der Sonderweg-Theorie hat das 19. Jahrhundert oder genauer das Deutsche Kaiserreich (1871-1914/1918) zum Gegenstand. Diesen Ansatz haben vor dem Krieg Friedrich Engels und Max Weber vertreten, weiter Thorstein Veblen 1915 in den Vereinigten Staaten und Eckart Kehr in der Weimarer Republik. Hier standen die gescheiterte Revolution von 1848 und die Schwäche und "Feudalisierung" der deutschen Bourgeoisie im Mittelpunkt, die es versäumt hatte, ihre "natürliche" Ideologie, den Liberalismus, sich anzueignen und zu verteidigen, die stattdessen der Aristokratie nachgeeifert und dabei den kulturellen Konservatismus und die antidemokratische politische Einstellung übernommen hatte, die dieser Klasse zugerechnet werden. Dem deutschen Adel wurde eine nach wie vor unverhältnismäßige Bedeutung in Politik und Kultur auch angesichts schneller Industrialisierung der Wirtschaft zugeschrieben. Engels stellte die Junker als hegemoniale Gruppe im Deutschen Kaiserreich dar, in deren Interesse Bismarck "die Zerstörung der deutschen Industrie organisiere unter dem Vorwand, sie zu schützen".(57) In einer zweiten Runde, die während der Nazi-Zeit und nach 1945 einsetzte, wurde die Inkongruenz zwischen der schnellen wirtschaftlichen Modernisierung Deutschlands während des 19. Jahrhunderts und der anhaltenden Vorherrschaft der Junker in Kultur und Staat als Erklärung für den Aufstieg des Nazismus geltend gemacht. Ralf Dahrendorf (1965), Helmut Böhme (1966), Hans-Ulrich Wehler (1969, 1983 [1973])und viele andere Vertreter der "Sonderweg"-These übernahmen von den 1960er Jahren an diesen Bezugsrahmen. Wehler beendete sein Buch über das Deutsche Kaiserreich mit einer Anspielung auf die Zusammenhänge zwischen dem Kaiserreich und der "deutschen Geschichte in den letzten fünfzig Jahren" (1983: 239), und in der englischen Ausgabe von 1985 präzisierte er, dass "die Leitfrage, die diesem Buch zugrunde liegt, darin bestand zu klären, warum Hitlers nationalsozialistisches Regime etwas mehr als ein Jahrzehnt nach der Monarchie an die Macht kam; warum es diesem Regime gelang, ein System nie dagewesenen Terrors und barbarischer Massenvernichtung zu errichten; und warum es sich als fähig erwies, einen zweiten totalen Krieg zu führen" (Wehler 1985: 7). Eine kulturalistische Form dieser Argumentationsweise vertraten Marxisten wie Georg Lukács (1954), Leo Kofler (1948), and Alexander Abusch (1946) sowie nichtmarxistische Kulturhistoriker wie Helmuth Plessner, George Mosse und Fritz Stern. Ich erkenne die Definition der wichtigsten Akteure innerhalb der Elite des Deutschen Kaiserreichs durch die Sonderweg-Historiker ebenso an wie ihre Beschreibung des Kräftedreiecks zwischen diesen Gruppen. Ich weise jedoch die essentialistische Definition zurück, nach der jeder Gruppe bestimmte historische "Aufgaben", die sie zu erfüllen hat, sowie intrinsische Ideologien zugeschrieben werden. Im Gegensatz zu Wehlers Version dieser Theorie war es auch nicht die Kolonialbourgeoisie, sondern das Bildungsbürgertum - Legionen akademisch gebildeter Spezialisten für fremde Kulturen, Sprachen und Rechtssysteme - das als "Träger" weniger rassistischer und weniger intoleranter Positionen und Strategien in den Kolonien auftrat. Diese Fassung der Sonderweg-These hat manchmal zu Recht behauptet, die politischen und kulturellen Positionen jeder gesellschaftlichen Klasse entstünden durch die Beziehungen innerhalb eines Kräftefeldes, das durch eine Klassenkonkurrenz von Eliten bestimmt ist (s. bes. Frevert 1991). Doch auf der Ebene symbolischer Identifizierungen ahmten typische deutsche Kolonisatoren aus der Mittelklasse entgegen der Sicht von Wehler & Co. nicht den Adel nach. Wenn überhaupt, ahmten diese Leute die vorgeblich zivilisierteren britischen Kolonisatoren nach. Das ist das genaue Gegenteil der anglophoben Identifizierungen, die die Sonderweg-Historiker für die deutsche Mittelklasse behaupten. Eine dritte Version der These vom deutschen Sonderweg ist eher deskriptiv; es handelt sich oft sogar eher um eine rhetorische Figur als um eine wirkliche Argumentation. Von Tacitus bis zur Gegenwart wurde Deutschland als abweichend von einem normativen Modell oder von seinen moderneren Nachbarn beschrieben - vom Rom zur Zeit des Tacitus, von Großbritannien im 19. Jahrhundert und von den Vereinigten Staaten unter beiden Präsidenten Bush. Dieser Topos wird häufig für abfällige Bemerkungen gegen politische Programme oder Gegner eingesetzt. Mitglieder der neutralistischen deutschen Friedensbewegung der 1980er Jahre und Gegner der deutschen Wiedervereinigung nach 1989 wurden beschuldigt, einen deutschen "Sonderweg" zu verfolgen, desgleichen jene, die gegen eine deutsche Beteiligung am ersten Golfkrieg, an anderen gemeinsamen Militärunternehmungen und am jüngsten Krieg in Irak waren (s. Steinmetz 1997). Doch können Vergleiche zwischen Staaten und anderen Akteuren innerhalb eines bestimmten welthistorischen Moments auf deskriptiver Ebene aufschlussreich sein. Wenn die deutsche Kolonialpolitik sich von den Praktiken anderer Kolonisatoren unterschied, so verdient dieser Unterschied sicher weitere Analyse. Wie werden diese drei Ansätze im Hinblick auf DSWA angewendet? Es ist interessant, dass sich die Aufmerksamkeit der Kolonialhistoriker in letzter Zeit nicht auf den ersten und den dritten Ansatz, sondern auf den zweiten gerichtet hat. Auf die Kontinuität zwischen dem deutschen Kolonialismus im 19. Jahrhundert und dem Nazismus hat Helmut Bley in seinem grundlegenden Bucht über die Kolonie angespielt. Gegen Ende des Buches findet sich ein Abschnitt mit der Überschrift "Totalitäre Aspekte der Menschenbehandlung," und auf den letzten Seiten wendet er sich ausdrücklich der Vermutung Hannah Arendts zu, die Wurzeln des modernen Faschismus lägen im kolonialen (Süd-)Afrika. Bley deutet sogar an, Südwestafrika könne sich wegen seiner "Verspätung" auf eine Art von lokalem Faschismus hin entwickelt haben. Diese Überlegung entspricht dem Topos über die katastrophalen Folgen verspäteter Modernisierung in der Sonderweg-Diskussion (Bley 1968: 260-262, 314f). In Bleys Buch sind die einzelnen Komponenten des Sonderwegs-Narrativs demnach sämtlich enthalten, aber in desaggregierter und ein wenig rudimentärer Form: Abweichung von der westlichen "Normalität" als Ergebnis der "Verspätung" führt zu "Extremismus" und schließlich zur Überschreitung der "Schwelle des Totalitären" (ebd.: 314). Die Argumentation folgt der rhetorischen Form der Enthymeme, einem beschnittenen Syllogismus, in dem eine implizite, aber entscheidende Prämisse nicht ausgesprochen wird; als ideologische Form beruht die Enthymeme darauf, dass Leserschaft oder Publikum "die in der Argumentation nicht formulierten Prämissen" aus ihrem Schatz von Wissen und Meinungen selbst liefern (Bordwell 1989: 208). In Bleys Text ist die nicht formulierte Prämisse das Modell vom Sonderweg, und sein deutsches Publikum musste in der Lage sein, dies von sich aus zu ergänzen. Bleys Text verwies auch auf ein Thema, das heute von Historikern eingehender untersucht wird: den formativen Einfluss des Kolonialismus auf den Nazismus.(58) Diese Forschungen machen eindeutig neue Entdeckungen; ich bin aber nicht davon überzeugt, dass sie unser Verständnis des Nazismus neu ordnen werden. Gewiss bediente sich der Nazismus einer gewaltigen Menge historischer Vorläufer. Aber Historiker haben den Nazismus einmal auf den Geist der Moderne zurückgeführt und dann wieder auf eine antimoderne Kultur, auf die Bourgeoisie und den Kapitalismus hier und auf das Junkertum dort; auf Männlichkeitswahn, Wissenschaft, Eugenik, Rassismus und die Persönlichkeit Hitlers. Und für all diese Teiltheorien haben sie harte Beweise gefunden. Das sollte Kolonialtheoretikern eine Warnung gegenüber jeglichem Anspruch sein, einen neuen Schlüssel zu dem Problem gefunden zu haben. Der dritte Sonderweg-Ansatz und eine revidierte Fassung des ersten erscheinen aussichtsreicher. Im Hinblick auf den dritten Ansatz sei daran erinnert, dass Bley seine Untersuchung als Gegensatz zwischen dem deutschen Kolonialismus und dessen "Abweichung von der Normalität", d.h. den vorgeblich "normaleren" britischen und westeuropäischen Spielarten konzipiert (Bley 1996: xvii). Tatsächlich scheint es, dass die Handlungsweise Trothas sich von jener der meisten anderen Kolonisatoren der modernen imperialistischen Ära dadurch unterschied, dass er sich die physische Vernichtung einer ganzen ethnischen Gruppe zum Ziel setzte.(59) Die Vereinigten Staaten töteten im Philippinisch-Amerikanischen Krieg (1899-1913) 20.000 Filipino-Kämpfer und zwischen 250.000 und einer Million Zivilisten, und "zahlreiche Gräueltaten" wurden "von den höchsten Stellen gebilligt,"(60) aber niemand hat je behauptet, die USA hätten es darauf angelegt, alle ihre neuen kolonialen Untertanen zu vernichten. Die Briten brachten 1919 mehrere hundert bis 1.200 ihrer indischen Untertanen in Amritsar (Jallianawala Bagh) um. Wenden wir uns der Nachkriegszeit zu, so schlachteten die Franzosen 1947 mindestens 11.000 madegassische Rebellen ab; etwa 50.000 Kenyaner starben während des Mau-Mau-Krieges in den 1950er Jahren (Cohen 2004). Diese Zahlen sind erschreckend, und im letzten Fall sind sie sicher höher als die Anzahl von Ovaherero, die 1904 ungekommen sein können. Aber es gibt keine Belege dafür, dass diese Kolonialmächte die totale Vernichtung ihrer Untertanen anstrebten. Die Ereignisse von 1904 in Namibia waren demnach in ihrer Epoche, in der Ära des modernen, nicht des frühneuzeitlichen europäischen Kolonialismus, außergewöhnlich. Das wirft die Frage auf, ob es etwas Besonders an den Deutschen als Kolonisatoren oder überhaupt an den Deutschen als Urhebern der beiden Völkermorde im 20. Jahrhundert gab. Eine Möglichkeit, dieses Problem anzugehen, besteht darin zu fragen, was, wenn überhaupt irgend etwas an den von mir skizzierten Vorgängen spezifisch "deutsch" ist. Die Erklärungsansätze, die ich hier in den Mittelpunkt gestellt habe, sind präkoloniale Darstellungen des Anderen, symbolische Kämpfe um Klassenunterscheidungen und die imaginäre Identifizierung mit Imagines des Kolonisierten. Die beiden letztgenannten Prozesse speisten sich aus dem präkolonialen Bildervorrat. Obwohl die präkolonialen Bilder von Ovaherero vorwiegend von Deutschen, zumal deutschen Missionaren stammen, habe ich wenig Hinweise darauf gefunden, dass Beobachter aus anderen Teilen Europas im 19. Jahrhunderts über die Ovaherero in anderer Weise geschrieben hätten. Das mag natürlich daran liegen, dass die frühen nicht-deutschen Reisenden auf die Information und Unterstützung der Rheinischen Missionare zurückgriffen und auf diese Weise auch ihre Ansichten über die dort lebenden Menschen übernahmen. Die symbolischen Kämpfe auf dem Feld des Kolonialstaates waren jedoch national unterschiedlich, und das lag an Gründen, die denen ähneln, die in der ursprünglichen Fassung der Sonderweg-These genannt wurden. Als ich dieses Projekt begann, hatte ich kaum Neigung, Belege für eine These zu suchen, die ich in einer früheren Arbeit über deutsche Sozialpolitik im 19. Jahrhundert entschieden zurückgewiesen hatte (Steinmetz 1993). In einer Kolonie nach der anderen stellte ich fest, dass das koloniale Feld kreuz und quer von kulturell-politischen Konflikten bestimmt war, die sich um Kategorien herum gruppierten, die in der Sonderweg-Literatur eine zentrale Rolle spielen. Aber es gab auch zwei wesentliche Unterschiede. Erstens spielten die kolonialen Siedler und Investoren - die "Bourgeoisie" der Sonderweg-Literatur - keine zentrale Rolle bei der alltäglichen Ausformung der Eingeborenenpolitik. Vielmehr standen an der zentralen Achse des innerdeutschen Konflikts Männer, die sich mit dem Adel identifizierten, solchen gegenüber, die sich selbst als gebildete Mitglieder der liberalen Mittelklasse verstanden. Zweitens unterlagen diese gebildeten Männer aus der Mittelklasse keinem Feudalisierungsprozess; vielmehr verteidigten sie in der Regel ihr klassenspezifisches kulturelles Kapital in den symbolischen Kämpfen mit den Trothas und Heykings aus Militär und Auswärtigem Dienst. Allerdings suchten sie manchmal eine imaginäre Adelung durch Identifizierung mit einer Imago von Vertretern der Elite innerhalb der kolonisierten Gesellschaft. Diese Phantasien der Erhöhung - oder im Falle Trothas der Erniedrigung - konnten die Affinität zu einer bestimmten Richtung der Eingeborenenpolitik (oder einer Politik des Völkermordes) verstärken. Die These vom deutschen Sonderweg ist unter theoretisch orientierten Historikern weithin diskeditiert, u.a. weil sie das britische oder westliche Entwicklungsmodell der Entwicklung im 19. Jahrhundert idealisiert. Wenn aber der deutsche Kolonialismus in Südwestafrika wirklich brutaler und gewaltsamer war als der moderne britische, französische, belgische oder US-Kolonialismus, und wenn die Gründe dafür teilweise mit der kolonialen Übersetzung der klassischen Spannung in der Metropole zwischen deutschen Mittelklassen und deutschen Aristokraten zu tun haben - in diesem Fall verdient die These vom Sonderweg vielleicht eine Neubefassung. Autorisierte Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Reinhart Kößler

Anmerkungen

(*) Überarbeitete Fassung eines Papiers für die Konferenz "1904-2004 - Decontaminating the Namibian Past", University of Namibia, Windhoek Campus, August 2004. Ich danke den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz sowie Reinhart Kößler für Diskussionen zu früheren Fassungen des Textes. (1) Bundesarchiv (BArch) Berlin, Reichskolonialamt (RKA, R1001), Bd. 2089, S. 7 recto. Ich benutze die Bezeichnung "Herero" bei direkten Zitaten aus Texten, die den Terminus enthalten sowie bei Bezugnahme auf den Gegenstand des (vor)kolonialen ethnographischen Diskurses; die deutschen Kolonialherren bezeichneten ihre Untertanen gewöhnlich als "die Herero" oder "die Hereros", obwohl Europäer bis weit ins 19. Jh. hinein Ovaherero in Zentralnamibia als "Damaras" bezeichneten. Der Name "Ovaherero" steht dem linguistischen Register dieser Völker näher. Sein Nachteil besteht ähnlich wie der des gebräuchlicheren "Herero" darin, dass er Ovambanderu mit den Ovaherero-Gruppen zusammenfasst, die historisch ebenso wie in der Gegenwart um Okahandja and Omaruru herum leben. Jene aber verstanden und verstehen sich nicht notwendig als Teil einer einheitlichen "Herero"-Nation (s. aber Kae Matundu-Tjiparuro, "Has God Now Fated Unity?" New Era [Windhoek], 24. August 2004, S. 14). Außerdem benutzt heute die englischsprachige Presse in Namibia den Terminus "Herero" ebenso wie ihn Ovaherero selbst in vielen englischsprachigen Zusammenhängen benutzen. (2) In modernen Kolonien lässt "Eingeborenenpolitik" sich definieren als das Ensemble von Interventionen des Kolonialstaates, die darauf abzielt kulturelle Instabilität oder Schwankung (code-switching) auf Seiten der Kolonisierten zu verhindern oder wenigstens einzuschränken. Diese unterstellte, "unbeabsichtigte Mimikry" (um Bhabhas Begriff auf die vorkoloniale Periode oder den Beginn des modernen Kolonialismus anzuwenden) ergab sich aus der vorgängigen Bekanntschaft der meisten neu kolonisierten Völker Ende des 19. Jh. mit den Eroberern - im klaren Gegensatz zur Konfrontation der Azteken mit Cortes. Eingeborenenpolitik sollte die Kolonisierten auf eine spezifische Definition ihrer eigenen Kultur festlegen, die irgendwo zwischen den Polen der jenseits jeglichen Vergleichs liegenden Differenz und wirklicher Assimilation angesiedelt war, die beide nicht mit der "Herrschaft der Differenz" (Chatterjee) unter dem Kolonialismus zu vereinbaren waren (ausführlicher vgl. Steinmetz 2002, 2003). (3) S. Totten & Parsons 1995: xv; Bridgman & Worley 1995; Chalk & Jonassohn 1990 und Palmer 2000. Weil die Definition der UN-Konvention zur Verhinderung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermords die "Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe" und die "vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen" enthält, lassen sich viele Kolonialregime der Moderne und der frühen Neuzeit als genozidal klassifizieren. Mir geht es hier vor allem um das erste Kriterium der Konvention, die "Absicht ..., eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören". (4) Vgl. Union of South Africa 1918; annotierter Neudruck: Silvester & Gewald 2003. Es ist ratsam, die Originalausgabe des Blue Book zu benutzen, weil die Neuausgabe zahlreiche Satzfehler enthält. Zwar finden sich dort viele nützliche Anmerkungen der Herausgeber, doch sind diese gegenüber den in dem Dokument enthaltenen Zeugenaussagen allzu leichtgläubig. Die Historiker brauchen sich nicht übermäßig auf ein Buch mit offenkundig legitimatorischer Motivation zu stützen, wenn die deutschen Archive selbst ausreichend inkriminierendes Material bieten. (5) Die erste Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde wurde 1864 abgeschlossen und sollte Leben im Krieg schützen sowie für die Bergung und Behandlung der Verwundeten sorgen. (6) Gewald (1998) vertritt eine neue These zum Kriegsbeginn; Nuhn (1997) beschreibt sorgfältig die einzelnen Schlachten. (7) Tagebuch von Trothas, zit. nach Pool 1991: 270; das Tagebuch befindet sich in Familienbesitz und wurde bis heute der allgemeinen Forschung nicht zur Verfügung gestellt, d.Ü. (8) Es handelte sich um eine Proklamation an die Herero und noch nicht um einen formellen militärischen Befehl. Freilich hat von Trotha später die entsprechenden Befehle an die deutschen Truppen erteilt. (9) BArch Berlin, RKA, Bd. 2089, S. 100 verso. (10) Schlieffen an Reichskanzler, 23. November 1904, BArch Berlin, RKA, Bd. 2089, S. 4 recto-verso. Die Formulierung "vernichten" in diesem Kontext entscheidet definitiv die irreführende Debatte darüber, ob dieses Wort während des Deutsch-Ovaherero-Krieges lediglich rein militärische Konnotationen gehabt hat. Schlieffen hat unmittelbar davor die Strategie beschrieben, die Herero dadurch zu töten, dass sie in der Omaheke eingeschlossen wurden. Damit ist die exterministische Bedeutung von "vernichten" bzw. "Vernichtung" offenkundig. (11) Telegramm Schlieffens an Trotha, 9. Dezember 1904, BArch Berlin, RKA, Bd. 2089, S. 48. (12) Vgl. Browning 1999; Es gibt zahlreiche Hinweise auf eine solche bereitwillige Teilnahme, doch besteht die vielleicht beste Illustration in den zahlreichen Photographien und Postkarten, die deutsche Soldaten zeigen, wie sie stolz neben den Leichen umgebrachter Ovaherero stehen. Es gibt keine Photographien sterbender Ovaherero aus der Omaheke, weil die Deutschen sie einfach nicht so weit in die Steppe hinein verfolgen konnten, aber es gibt Bilder ausgehungerter Ovaherero, die sich den Deutschen ergaben. Das aussagekräftigste befindet sich in den National Archives of Namibia, Photo collection, photo number 482. Dieses Photo wird zusammen mit Überlegungen zu den Risiken, den Blick der Täter zu reproduzieren, abgedruckt in Steinmetz & Hell i.E. (13) Zur Auseinandersetzung mit den Einwänden gegen Erklärungsversuche s. Steinmetz 2004a; eine frühe und einflussreiche Formulierung der Position enthält Lyotard 1989; s. auch Nancy 2000; Agamben 1999. Neuerlich nuanciert zur Verwendung von Vergleichen in der Geschichte: Hentschel 2003. (14) Sartre 1994: 9; ich vertrete die These, dass die Eingeborenenpolitik von zentraler Bedeutung für den modernen Kolonialismus ist; s. Steinmetz 2002, 2003. (15) Abgesehen von der unterschiedlichen Größenordnung der Gräueltaten und dem Niveau ihrer Bürokratisierung ist die Kluft zwischen den beiden Debatten - das Fehlen jeglichen "Historikerstreits" unter deutschen Kolonialhistorikern, sieht man von der zusammenhanglosen Diskussion über Lau (1995) ab - Ausdruck der Tatsache, dass die deutsche Historikerzunft noch nicht "entkolonisiert" ist. Zur unterschiedlich intensiven Bürokratisierung der beiden Völkermorde s. Zimmerer 2003. (16) So bot während der Drei-Mächte-Verhandlungen über Samoa Großbritannien Deutschland das Volta-Delta in Westafrika und die Samoa benachbarte Insel Tonga in Polynesien an, deren Hafen als besser galt als jene der Samoa-Inseln 'Upolu and Savai'i. Diese ökonomisch und militärisch nützlicheren Alternativen wurden jedoch sogar von dem wirtschaftsnahen Kolonialrat in Berlin und der deutschen Flottenleitung zurückgewiesen, die eigentlich den besseren Hafen hätte vorziehen müssen. Schwerer wog offenbar, dass die deutsche Öffentlichkeit und der Kaiser persönlich Samoa überaus zugeneigt waren und die Flotte eine "gemütsmäßige" Bindung an 'Upolu hatte, weil dort während der Kämpfe im Dezember 1888 deutsche Seeleute umgekommen waren (s. Kennedy 1974: 219-224). Im Fall von Qingdao überwogen vor der deutschen Besetzung 1897 in der Diskussion über seinen Nutzen Flottengesichtspunkte, und wirtschaftliche Zielsetzungen wurden bald übermächtig, als sich gezeigt hatte, dass der Hafen militärisch nicht zu verteidigen war; nach 1904 überwogen dann aber geopolitische Ziele, besonders der Wunsch, China als Bündnispartner zu gewinnen, indem der deutsche imperiale Druck in der Provinz Shandong gemildert wurde; vgl. bes. Stichler 1989, auch Mühlhahn 2000. (17) Der erste Vorschlag, gefangene Herero als Zwangsarbeiter einzusetzen, kam im August 1904 von der Gibeon-Schürf- und Handelsgesellschaft. Sie forderte 50-100 Männer zum Einsatz als Minenarbeiter an. Aktennotiz von Bezirksamtmann von Burgsdorff, 18. August 1904, National Archives of Namibia (NAN), ZBU, D.IV.L.3, Bd. 1, S. 1. (18) Dies entwickelt Osterhammel (1995: 48); zur besonderen Gewalttätigkeit von Siedlergesellschaften s. Bley 1995. (19) Bley (1996: 166-168) verweist auf die missbilligenden Bemerkungen Paul Rohrbachs, aber dieser war Siedlungskommissar und nicht selbst ziviler Siedler. Zudem wurden Rohrbachs Überlegungen in Tagebuchform erst 1909 veröffentlicht, auch wenn er sie 1904 niedergeschrieben haben mag; s. Rohrbach 1909. Eine starke öffentliche Meinung gegen den Völkermord und positive Ansicht über Herero traten unter Kolonialdeutschen erst nach 1904 auf. Doch dies bedeutet noch nicht, die Siedler hätten 1904 Trothas Vorgehen unterstützt. (20) Zum Kontrastbeispiel Deutsch-Samoa s. Steinmetz 2004b, 2006. Zum Zeitpunkt der kolonialen Annektierung lebten in Samoa mehr Europäer (darunter Deutsche) als in Südwestafrika. Jenes war anfangs also in stärkerem Maße Siedlerkolonie als dieses. Außerdem wies die deutsche Kolonialregierung in Samoa Forderungen der Siedler systematisch zurück. (21) S. Deutsch-Südwestafrikanische Zeitung, 29. Juni 1904 (Nr. 26), S. 1 und 6. Juli 1904 (Nr. 27), S. 1 sowie Pool (1991), der Trothas Itinerar aufgrund seiner persönlichen Aufzeichnungen darstellt. Keine Photographie Trothas in der riesigen Sammlung der National Archives of Namibia in Windhoek, noch in den anderen von mir durchgesehenen Sammlungen zeigt ihn 1904 zusammen mit Siedlern, obwohl seine Frau und seine Söhne manchmal mit abgebildet sind. (22) Trotha hatte vermutlich Kontakte zu Siedlern während seiner Stationierung in Deutsch-Ostafrika in den 1890er Jahren. Es existiert keine Biographie über Trotha, und seine Aufzeichnungen sind nicht zugänglich, so dass es schwierig ist, seine Aktivitäten in dieser Zeit zu rekonstruieren. Keine historische Darstellung über Deutsch-Ostafrika behandelt Trotha in den 1890er Jahren. (23) Pynchons V enthält ein ganzes Kapitel, in dem es indirekt um das Massaker an den Herero geht ("Mondaugen's Story," Kap. 9). Dort scheint ein sadistischer Leutnant Weissmann (weißer Mann) im kolonialen Südwestafrika unter südafrikanischem Mandat 1922 das Massaker an den Ovaherero mit Hitler zu verbinden. Weissmann foltert Afrikaner und spricht den Namen Hitler aus, als handele es sich um "den Namen eines Avantgarde-Stücks" (ebd. 1963, S. 224). Die Gestalt von Weissmann tritt in Die Enden der Parabel wieder auf als Blicero. Dieser Roman spielt im "Ofenstaat" der Nazis und seiner Nachkriegsgestalt, der "Zone". Die Ovaherero erscheinen hier als "Schwarzkommando", ein Teil der Kriegsmaschine der Nazis. Sie verehren ein Raketenprogramm und sind in "Reste alter Wehrmachts- und SS-Uniformen" gekleidet. Der Topos des Schwarzkommandos verstärkt Pynchons Andeutung einer Verbindung zwischen dem Nazismus und "einem peniblen Schlächter namens von Trotha", der für die Hingabe der Ovaherero an den "Selbstmord als Rasse" und ihre Dekulturation verantwortlich ist ("Eanda und Oruzo haben ihre Macht hier draußen verloren"; Pynchon 1982: 565, 566f, 496, 495 496f). Zur Analyse von Trotha und Ovaherero in Pynchons Romanen s. Seed 1982; Ivison 1997. (24) Heutiger offizielle Name: Qingdao (Tsingtao); zur deutschen Kolonialzeit geläufige Transliteration von Jiaozhu: u.a. Kiautschou; d.Ü. (25) S. Lundtofte 2003; vor August 1904 waren Ovaherero gefangen genommen und zur Arbeit gezwungen worden, aber sie wurden noch nicht auf Sicht erschossen oder aus der Kolonie verjagt. Die in Swakopmund erscheinende Deutsch-Südwestafrikanische Zeitung berichtete beispielsweise über kriegsgefangene Herereo in "Aus Swakopmund" (22. Juni 1904, Nr. 25, S. 2); s. auch Erichsen 2004. (26) Ich habe keine Belege dafür gefunden, dass Trotha unter den deutschen Kommandeuren, die an dem gemeinsamen Feldzug gegen die chinesischen "Boxer" (Ihetuan) beteiligt waren, als besonders brutal aufgefallen wäre, obwohl er sicherlich an diesen Strafaktionen beteiligt war. (27) S. zum Überblick Kershaw 1999 sowie einen neueren Beitrag desselben Autors, der die Diskussion wiederaufnimmt: Kershaw 1985. Einen Überblick der Debatte zu Goldhagen gibt Eley 2000 und eine ausgezeichnete Zusammenfassung neuerer deutscher Debatten Herbert 2000. (28) Wenn die intentionalistische Position Absichten und Ideologien betonte, so spricht sie dies nicht vom Vorwurf des Positivismus frei, der sich eher auf die Suche nach allgemeinen Gesetzen und "ständigen Verknüpfungen von Ereignissen" bezieht. Zum Unterschied zwischen einer philosophisch positivistischen Darstellung von Ereignissen und einer, die spezifische Konstellationen in den Vordergrund rückt, s. Bhaskar 1986; Collier 1994; Sewell 1996; Steinmetz 1998 und die Beiträge in Steinmetz 2005. (29) Ich muss anmerken, dass ich das Adjektiv "ethnographisch" im allerumfassendsten Sinn benutze und damit alle Diskurse einbeziehe, die für sich in Anspruch nehmen, Charakter, Kultur, Subjektivität, Psyche oder Wesen eines menschlichen Kollektivs oder einer ethnischen Gruppe (im Sinne ihrer Abgrenzung innerhalb des Diskurses) zu beschreiben. Jeder Rassendiskurs ist in diesem Sinne ethnographisch, aber nicht jeder ethnographischer Diskurs benutzt die Sprache der Rasse. (30) Ich danke Jay Bernstein von der New School for Social Research für Diskussionen zu diesen Überlegungen, die wir 2004 geführt haben. (31) Ich rekonstruiere dieses diskursive Erbe in meinem demnächst erscheinenden Buch. Bereits der erste Missionar, der bei den namibischen Herero wirkte, Carl Hugo Hahn sprach in seinen Tagebüchern und in seinen Berichten an die Missionszentrale in Barmen in proto-sozialdarwinistischer Weise darüber, sie seien dem Untergang geweiht. Seine Darstellung ihrer Kultur und ihres Charakters machend deutlich, dass er ihr Ende nicht bedauert hätte. Der spezifische Topos der Grausamkeit der Herero wird unten behandelt. (32) Es handelte sich um den Diskurs, der die Khoikhoi als "edle Wilde" ähnlich dem "Letzten der Mohikaner" von James Fenimore Cooper darstellte, ein Diskurs, den der Reisende François Le Vaillant im 18. Jahrhundert begründet hatte. (33) An anderer Stelle habe ich ethnographische Präzision als Form kulturellen oder symbolischen Kapitals definiert und untersucht, die spezifisch für den modernen Kolonialstaat ist; s. Steinmetz 2002, 2003. (34) Ein weiterer Mangel besteht darin, dass Bourdieu geradezu allergisch die psychoanalytische Theorie vermeidet, obwohl er sich implizit auf die Begriffe des "Symbolischen" und "Imaginären" von Lacan stützt. (35) Todorov (1985) behauptet, sogar Missionare wie Las Casas, der die eingeborenen Amerikaner als Gleiche behandelte, seien grundsätzlich schlechte Ethnographen gewesen, weil sie alle Menschen als potentielle Christen ansahen und kein Interesse an der vorchristlichen Kultur hatten. Dieses Urteil lässt sich nicht auf alle Missionare ausdehnen. Manche der Herero-Missionare waren wirklich schlechte Ethnographen, aber nicht unbedingt, weil sie mit den Herero sympathisierten. Aber andere waren aufmerksam und intelligent, etwa Heinrich Viehe, Philipp Diehl und Jakob Irle. Sie lieferten unschätzbare ethnographische Informationen über die Herero-Kultur, wenn diese Bruchstücke auch oft aus den stereotypen Formeln herausgelöst werden müssen. Missionar Viehe bemerkte, die meisten Europäer seien zu ungeduldig, um die Sitten der Herero kennenzulernen und nähmen deshalb an, ihre Verhaltensweisen seien reine Willkür. In Wirklichkeit aber, schrieb Viehe, seien die Sitten der Herero "bis in's kleinste so genau vorgeschrieben [...] wenn man auch mehrere Ovaherero einzeln über einen bestimmten Gebrauch befragt, so kann man darauf rechnen, daß sie einen nicht nur übereinstimmend, sondern sogar fast mit denselben Worten denselben beschreiben" (Viehe 1879: 372). Diese Passage ist nicht nur wegen ihres faktenmäßigen Inhalts interessant, sondern auch weil sie zeigt, dass die Missionare sich an der Auseinandersetzung um ethnographische Präzision beteiligten. Und wie Gewald bemerkt, interessierten sich die Missionare für die vorhandene "heidnische" Kultur teilweise wegen ihrer Schwierigkeiten bei der Bekehrung der Herero und der Bestimmung dessen, "was es war, das es zu transformieren gelte, damit der Bekehrte in ihren Augen als Christ anerkannt werden könnte" (Gewald 1998: 140). Andere sympathisierende Missionare wie Richard Wilhelm in Qingdao ließen sich aus ganz anderen Gründen auf die lokale Kultur ein. (36) Trotha an Schlieffen, 4. Oktober 1904, in BArch Berlin, RKA, Bd. 2089, S. 5 verso (Hv.: GS). Eines der spezifischen Statussymbole, um das sich unterschiedliche Gruppen von Kolonialdeutschen bemühten, war die Bezeichnung als "alter Afrikaner". Dies bezeichnete Europäer - nicht Afrikaner - mit langjähriger Afrika-Erfahrung. (37) S. beispielsweise den Bericht zur "Erziehung der Samoaner zur Arbeit" von A. Kraus, Mitglied der Opposition gegen Gouverneur Solf, in BArch Berlin, R 1001, Bd. 3065, S. 174ff. (38) Weber 1963: 515, 525. Weber bezog sich stark auf die Arbeiten des niederländischen Sinologen De Groot, der seit 1912 an der Berliner Universität lehrte und die Chinesen lediglich für "halbzivilisiert" und dem "Fanatismus" zugeneigt hielt (De Groot 1892: x). De Groots Ansichten waren im Vergleich zur Mehrzahl des sinologischen Lehrkörpers am Orientalischen Seminar in Berlin recht ungewöhnlich. Die Sinophobie war allerdings zur Zeit Hegels unter den Intellektuellen weit verbreitet gewesen, was die Tatsache unterstreicht, dass diese Orientierungen sozialer Klassen zwar weit verbreitet, aber historisch kontingent sind. Ich behandle die Gründe für die Sinophobie der deutschen Mittelklasse im 18. und 19. Jahrhundert in Steinmetz 2003. (39) Bruno von François war 1870 bei Spichern als Kommandeur der 27. Brigade gefallen. (40) BArch Berlin, RKA, Bd. 2089, S. 98 verso, Leutwein an Kolonialabteilung, 12. November 1904. (41) BArch Berlin, RKA, Bd. 2089, S. 43 verso, Leutwein an Trotha, 5. Oktober 1904. (42) Steinmetz 2004b; salvage colonialism in Anlehnung an salvage anthropology; d.Ü. (43) BArch Koblenz, Nachlass Solf, Bd. 27, S. 86, 66. "Der kleine Mann in den Tropen" ist die Überschrift eines längeren Abschnittes in "Entwicklung des Schutzgebiets. Programm" in ebd. (44) BArch Koblenz, Nachlass Solf, Bd. 20, Solf an Dr. Siegfried Genthe, 22. Februar 1900, S. 134. (45) Nach Franke 1954: 98. Ähnlich behauptete Artur von Kemnitz, der als deutscher Diplomat 1906-1908 in Beijing stationiert war: Die Berufsbeamten des konsularischen Dienstes, die eher einen elitären Klassenhintergrund hatten, "leisteten ... im Durchschnitt weit mehr" als die "'Fachleute' für China" aus der "Dolmetscherlaufbahn", die sich "(wenig) eignen ... für leitende Stellungen ..., da sie durch dauernden Aufenthalt im Lande nur zu leicht der 'Verchinesung' anheimfallen." Kemnitz an AA, 12. März 1917, Archiv des AA, R 2167, Deutschland 135, Nr 15, unpaginiert. (46) BArch Berlin, RKA, Bd. 2115, Leutwein an Kolonialabteilung, 17. Mai 1904, S. 66 recto. (47) Im Gegensatz etwa zu den Polynesiern, die als Frühformen der Europäer dargestellt wurden. Jedoch bezeichnete Paul Rohrbach (1909: 160) den Herero-Aufstand als "einen Freiheitskrieg gegen uns" und verglich ihre Kriegsführung "in der Art afrikanischer Barbaren" mit jener der Cherusker, die "doch unsere Vorfahren (waren)." Deren Anführer Hermann hatte Tacitus als "Befreier" Germaniens bezeichnet (Annalen 2,30). (48) BArch Berlin RKA, Vol. 2113, Leutwein an Kolonialabteilung, 23. Februar 1904, S. 89 verso. (49) Der ethnographische Diskurs leitete auch die Eingeborenenpolitik vor und nach dem Krieg auf spezifische Wege, doch dies kann hier nicht behandelt werden; s. zuletzt Zimmerer 2001. (50) Weiter sind die relative Autonomie der Kolonialgouverneure gegenüber der Aufsicht ihrer Vorgesetzten und das Ausmaß an Unterstützung zu berücksichtigen, die sie von der Kolonialabteilung und anderen Stellen des metropolitanen Staates erhielten. Vielfach wurden die Kolonialgouverneure in ihren Tagesgeschäften von der metropolitanen Regierung erheblich unterstützt. Schließlich wurden diese Gouverneure von Berlin ernannt, und darin kam im Allgemeinen ein gewisses Maß an Unterstützung durch die Kolonialabteilung (oder im Falle Qingdaos des Marineamtes und des deutschen Konsulats in Beijing ) für die von ihnen erwartete Politik zum Ausdruck. So unterstützten das Auswärtige Amt und sogar der Kaiser konsequent Gouverneur Solf in seinen Auseinandersetzungen mit den Siedlern in Samoa. Sobald dagegen die Flotte und das Auswärtige Amt Gouverneur Truppel in Qingdao ihre Unterstützung entzogen, konnte seine Sicht der Chinesen nicht länger dem Druck seiner weniger sinophoben Gegner standhalten. Wenn die deutschen Kolonialgouverneure auch typischerweise an einer sehr langen Leine gehalten wurden, so kam es doch vor, dass ihre Autonomie stark beschnitten wurde. In diesen Fällen könnten wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, wie lokale koloniale Politik den entsprechenden Stellen in Berlin erklärt wurde. Theodor Leutweins Lage 1904 steht für die extremste Begrenzung von Autonomie. Aber Trotha war gegenüber dem Generalstab ebenso bemerkenswert autonom wie es Leutwein bis 1904 gegenüber der Kolonialabteilung gewesen war. Weiter konnten die Berliner Ämter bei der Ernennung eines Gouverneurs nicht alle neuen Situationen vorhersehen, die sich in der Kolonie ergeben würden. Dazu gehörten auch die Konstellationen zwischen sozialen Klassen innerhalb des kolonialen Machtfeldes; wie wir gesehen haben, konnten diese situativen Faktoren jedoch durchaus die Eingeborenenpolitik beeinflussen. Damit kann sich eine Darstellung über die Entwicklung der Kolonialpolitik nicht einfach auf den Entscheidungsprozess in Berlin beschränken. Ich danke Richard Bernstein von der New School University für Unterstützung bei der Klärung dieses Sachverhalts. (51) cross-identification: Prägung des Autors; d.Ü. (52) Eine Übersicht über die Entwicklung der Idee des Idealich bei Freud und Lacan gibt Padel 1986. (53) Brincker 1870: 304; Anon. 1894: 7; Hugo Hahn hielt in seinem Tagebuch in einem eigenen Eintrag "Mangel an Gefühl bei den Hereros" fest: "Ein Omuherero ist fast ohne Gefühl. Er kennt weder Liebe noch Hass, noch Mitleiden, Erbarmen, noch Rache" (Hahn 1985: 592). (54) Afrikaner (//Eixa-//ain) sind eine Gruppe von Einwanderern aus dem Nordkap nach Namibia (Orlam), die Mitte des 19. Jahrhunderts unter Jonker Afrikaner eine hegemoniale Macht in Zentral- und Südnamibia errichtet hatten, die Mitte der 1860er Jahre zusammenbrach; d.Ü. (55) S. die Briefe von Missionar Heidmann vom Februar 1880 und 14. September 1880 an die Missionsgesellschaft in Archiv- und Museumsstiftung Wuppertal, Rheinische Missionsgesellschaft, Bd. 3.538a, S. 130 verso und 132 verso. (56) Diese Imago lag sicher im Bereich der ideologischen Möglichkeiten, selbst wenn die Herero in Wirklichkeit weniger grausam waren als die Deutschen und Frauen, Kinder, Missionare sowie Nicht-Deutsche in den Kämpfen verschonten. Dagegen wäre es für Leutwein ideologisch unmöglich gewesen, sich in produktiver Weise als Herero-Häuptling zu phantasieren. (57) Engels 1962: 172; vgl. auch Engels 1969: 167. Weber hat dies am klarsten in seiner Freiburger Antrittsvorlesung 1895 formuliert, s. Weber 1988; s. auch Veblen 1990, Kehr 1970. Wie ich in Steinmetz 1993 zeige, waren die Ansichten von Marx und Engels über das Deutsche Kaiserreich wechselhaft und widersprüchlich. Die DDR-Historiker, die sich mit dieser Periode befassten, reproduzierten mit ihrem Bemühen, der marxistischen Linie treu zu bleiben, Marx' eigene Unsicherheit in dieser Frage. (58) Neben der oben zitierten Literatur s. auch Furber 2003, 2004; Vogt & Sack 2001; Zimmerer 2004 (59) Der frühneuzeitliche Kolonialismus ist etwas anderes; s. zum Pequot-Krieg als Genozid Freeman 1995. (60) Clymer 1983: 550; vgl. Miller 1982; Shaw & Francia 2002.

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Anschrift des Autors:

George Steinmetz geostein@umich.edu Aus: PERIPHERIE Nr. 97/98, 25. Jg. 2005, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 195-227